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Kapitel 2
ОглавлениеAm nächsten Morgen, die Eltern hatten die Kinder gerade gebeten, so langsam aus den Federn zu kommen, um sich für die Messe fertig zu machen, schlich Annick die Treppe zum Dachboden hinauf. Sie hatte Benji unter den Arm geklemmt. Heute musste er sich an Rampi gewöhnen. Die Entscheidung hatten die drei Kinder noch am gestrigen Abend gemeinsam getroffen. Sie wollten keine Zeit verlieren, der Eingewöhnungsprozess sollte möglichst schnell von statten gehen. Er musste auf den Speicher, um sich an Rampi zu gewöhnen. Annick öffnete die Tür, setzte Benji auf den Boden und schloss die Tür rasch hinter sich. Sie konnte gerade noch sehen, wie Benji verdutzt dastand und mit traurigen Augen zu ihr hoch schaute. Es tat Annick leid, ihn allein auf dem Dachboden zu lassen, aber es musste einfach sein. Auch ihr war keine andere Lösung eingefallen. So leise wie sie nach oben gegangen war, so leise schlich sie sich wieder nach unten. Mutter durfte nichts merken, sie hätte es nie geduldet, den kleinen Hund allein auf dem Speicher zu lassen.
„Annick, Isabelle, Olivier, kommt zum Frühstück“, hörte sie Mutter rufen. Sie antwortete auch sofort mit einem deutlichen „ich komme Mama“ und rannte die Treppe nach unten.
Mutter hatte den Tisch gedeckt und Vater saß bereits am Kopfende des Tisches. Gerade war er dabei einen Schluck Kaffee zu trinken, als Mama mit einem Schmunzeln im Gesicht rief, „das Paddelboot ist unterwegs.“ Diese Bemerkung galt Vater. Immer wenn sein Kaffee zu warm war, er aber nicht warten wollte mit dem Trinken, dann schlürfte er den Kaffee. Mama konnte das nicht leiden und sagte jedes Mal zu Papa er würde Geräusche von sich geben wie ein Paddelboot. Am Anfang hatte Papa sich immer darüber geärgert, weil er ja kein Paddelboot war, aber jetzt ärgerte es ihn nicht mehr. Zwar hatte er sich vorgenommen nicht mehr zu schlürfen, für die Kinder war dies ja schließlich ein schlechtes Vorbild, aber manchmal vergaß er es und dann erinnerte ihn Mama daran mit dieser Bemerkung.
Annick musste heute darüber lachen, sie wusste zwar nicht warum, aber die Bemerkung schien ihr heute witziger zu sein als an anderen Tagen. Olivier und Isabelle waren inzwischen auch eingetroffen.
„Pssst, Annick“, versuchte Isabelle Annick auf sich aufmerksam zu machen.
„Warum denn so leise Babbel, du kannst doch Annick laut sagen was du ihr sagen möchtest“, sagte Mama, „oder ist es ein großes Geheimnis?“
„Nnnein, eigentlich nicht, hmmm vielleicht aber doch, nuuun, also, weißt du“, Babbel stotterte so vor sich hin.
Mama schüttelte nur den Kopf, und sagte etwas wie „Blödsinn“, während sie die Milch aus dem Kühlschrank holte. Papa stellte die Tasse wieder auf den Tisch und drehte sich zu Babbel um.
„Isabelle, du solltest wissen, dass ich solche Dummheiten am Tisch nicht mag. Sag bitte klar was du von Annick wissen möchtest.“
„Ach, ich habe es jetzt vergessen, Papa, es war sicher nichts wichtiges.“ Zu Mama gewandt fuhr Babbel fort, „meinst du, dass die Messe heute lange dauern wird, Mama?“
„Nun, solange wie immer“, antwortete Mutter, „hast du denn etwas Besonderes vor?“
„Nein“, beeilte sich Babbel, „überhaupt nicht. Ich wollte nur so im Allgemeinen…“
„Jetzt reicht es aber mit diesen Dummheiten“, sagte Vater etwas ärgerlich und griff nach seiner Tasse. Da er aber gleichzeitig zu Mutter gesehen hatte, ergriff er versehentlich den Becher von Olivier, der rechts neben ihm saß. Olivier, der Kaffee nicht mochte, Milch aber auch nicht schätzte, hatte sich seinen Spezialtrank angefertigt. Er bestand aus Orangensaft mit einem Schluck Pfefferminzsirup. Keiner in der Familie konnte das trinken. Diesen Spezialtrunk hatte Vater nun in der Hand und trank einen Schluck davon.
„Äääääähhhh, was ist denn mit meinem Kaffee los, der schmeckt ja widerlich, wollt ihr mich vergiften?“ Mutter drehte sich erstaunt um, „der Kaffee ist in Ordnung. Warum meckerst du denn?“
Jetzt ergriff Olivier das Wort. „Du trinkst ja auch keinen Kaffee sondern meinen Orangensaft.“ Vater stellte den Becher wieder auf den Tisch, schüttelte sich nochmals und meinte danach, „wie kann man bloß so etwas trinken, da muss es einem ja schlecht werden.“
„Was war das?“ Mutter hatte sich erneut zum Tisch gedreht, in der Hand hielt sie immer noch die Milch, die sie aus dem Kühlschrank genommen hatte.
„Ich höre gar nichts“, beeilte sich Annick zu sagen, um sofort mit einem anderen Thema zu beginnen.
„Seid ihr schon fertig für die Messe?“ Mutter reagierte aber nicht auf das Ablenkungsverfahren.
„Ich höre es ganz deutlich, auf dem Dachboden ist jemand.“
„Jetzt habe ich auch ein Geräusch gehört“, sagte Vater und stand sofort auf, um nachzusehen.
„Das sind vielleicht nur Mäuse, oder so“, startete Annick nochmals einen Versuch. Aber Vater war schon an der Treppe und stieg langsam, immer auf die Geräusche achtend, nach oben. Inzwischen war aus dem anfänglich leisen Geräusch ein Rumoren, Kratzen, Stühle verschieben und ein klar und deutlich zu vernehmendes Bellen entstanden. Herr Molitor war sofort nach oben gegangen und wollte langsam die Tür öffnen, das heißt, er versuchte es, aber irgendetwas blockierte sie. Er stemmte sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen. Das waren immerhin 86 Kilo, aber die Tür klemmte.
„Zur Seite“, rief Vater, ging ein paar Schritte auf dem Absatz vor der Dachbodentür zurück, holte Schwung und warf sich mit seinem Körper gegen die blockierte Tür. Die Tür flog auf und Vater der Länge nach auf den Boden. Benji sprang laut bellend über ihn hinweg. Ein altes Leintuch hatte sich in seinem Halsband verfangen und dieses schleppte er hinter sich her. Man hätte meinen können, ein wahrhaftiger Geist würde sein Unwesen auf dem Speicher treiben.
„Was zum Teufel machst du auf dem Dachboden“, rief Vater verärgert. Er hatte sich bei dem Sturz seine Stirn leicht aufgeschlagen, sein frisches Hemd total verschmutzt, ein Loch in seine Hose gerissen und sein Ansehen stark beschädigt, wie er sich sofort ausmalte, als er so da lag. Alle standen in der Türöffnung und lachten was das Zeug hielt. Nicht, dass die Familie schadenfroh gewesen wäre, nein das Bild, das sich ihnen bot, war wirklich zum Lachen.
„Komm her“, rief Vater, „wer hat dich nur auf den Speicher gelassen?“
Benji reagierte aber überhaupt nicht. Er jagte von einer Seite des Raumes zur anderen, so als würde er einen Hasen jagen, der ständig Haken schlägt. Dabei verfing sich das Leintuch permanent, mal an einem Stuhl, mal an einer Leiter oder an den alten Spielsachen der Kinder, die in einer Ecke lagen. Alles wurde umgerissen. Benji aber wollte einfach nicht stehen bleiben. Schließlich gelang es Vater und Annick ihn zu fassen. Isabelle und Olivier hatten sich Benji in den Weg gestellt. Als Vater ihn auf dem Arm trug, hing seine Zunge fast bis auf den Boden und sein Herz schlug wie verrückt. Dennoch sagte Mutter, dass sein Gesicht aussehen würde, als ob er lachte.
„Meinst du, er lacht mich aus? So wie ich aussehe wäre es nicht verwunderlich.“ Vater war immer noch verärgert.
„Wir müssen uns jetzt beeilen“, meinte Mutter. “Du musst dir frische Kleider anziehen. Nach der Messe können wir in Ruhe darüber reden, wie das passieren konnte.“
Annick sah ihre Geschwister an.
„Was sollen wir nur sagen, Babbel?“
„Weiß auch nicht“, antwortete Isabelle und auch Olivier zuckte nur mit den Schultern.
„Aber ihr ward doch auch der Meinung, dass die Idee gut wäre, und ich habe nur das gemacht, was wir gestern besprochen hatten.“
„Klar, Annick, wir sagen einfach, dass wir alle Schuld sind“, erklärte Olivier und ging langsam die Treppe hinunter.