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Kapitel 3

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Die Messe hatte nicht sehr lange gedauert. Auf dem Weg nach Hause begann Vater bereits mit seinem Verhör. Er war zwar immer noch sauer, aber sein Ärger hatte sich bereits deutlich gelegt.

„Wer hat Benji auf dem Dachboden eingesperrt? Raus mit der Sprache.“

„Also, das war so Papi“, begann Isabelle ihre Erklärung. Gestern Abend haben Olivier, Annick und ich uns überlegt, ob wir Benji nicht zum Mäuse fangen ausbilden könnten.“

„Stimmt genau“, platzte es aus Olivier raus, „wir haben am Nachmittag eine so lange Maus gesehen“, dabei breitete er die Arme weit aus, um das Gesagte noch zu untermauern.

„Wenn das stimmen sollte, dann habt ihr keine Maus, sondern eher eine zu groß geratene Katze gesehen. Soll ich nachsehen wenn wir zu Hause sind?“

„Tja, vielleicht war sie auch etwas kleiner, auf jeden Fall war es ein Monstrum von einer Maus, also Benji sollte sie jagen“, „deswegen“, setzte Annick die Erklärung fort, „habe ich Benji heute Morgen auf den Speicher gebracht. Als er sofort mit dem Schnüffeln und Suchen begann dachte ich, er würde die Maus aufspüren.“

„Was seid ihr doch für eine Rasselbande“, die Stimme von Vater klang schon wieder angenehmer, als er die letzte Bemerkung machte.

„Ich will aber auf gar keinen Fall haben, dass ihr nochmals so eine Dummheit macht. Benji hätte sich ja auch verletzen können.“ Daran hatten die Kinder zwar nicht gedacht, aber ausgeschlossen wäre es natürlich nicht gewesen. Sie versprachen, nie wieder so etwas zu tun.

Durch diese Notlüge war das Problem mit Vater jetzt gelöst, aber wie konnte man Benji an Rampelpampel gewöhnen.

„Es bleibt nichts anderes übrig, als Benji immer im Auge zu behalten wenn wir mit unserem Freund, dem Hausgeist, unterwegs sind“, hatte Olivier erklärt, als die drei nach der Messe im Zimmer von Annick zusammen saßen, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Nach dem Mittagessen wollten die drei auf den Dachboden zu ihrem Detektiv gehen, um das Vorgehen am Montag zu besprechen. Sie waren so aufgeregt, dass sie an nichts anderes mehr denken konnten. Wie immer, wenn man etwas gerne tun möchte, dann vergeht die Zeit einfach nicht. Endlich zeigte die Uhr Mittag an und ganz pünktlich hörten die Kinder den Wagen ihres Großvaters.

Sonntags kamen Opa und Oma zum Essen. Das hatte sich im Laufe der Jahre so ergeben. Die Kinder mochten ihre Großeltern sehr. Aber am glücklichsten war immer Benji wenn er die beiden alten Leute sah. Er sprang vor Freude in die Luft, bellte und rannte hin und her, um Mutter dazu zu bringen die Haustüre zu öffnen. Sobald die Türe aufging, rannte er sofort los. Seine Begrüßung war wie immer überschwänglich.

Oma kam als erste die wenigen Treppen zum Haus herauf. Dicht hinter ihr Benji, dessen Schnauze ganz dicht an der Tasche war, die sie in der Hand trug. Der kleine Hund wusste, dass er jedes Mal eine kleine Belohnung oder besser einen kleinen Willkommensgruß bekam, in Form eines Hundekuchens. Die Hundekuchen von Opa waren besser als die, die er sonst bekam, obwohl es die gleiche Marke war. Aber aus der Hand von Opa schmeckten sie einfach besser. Opa, der immer etwas langsam war, weil er sich stets den Schal um den Hals wickelte sobald er aus dem Wagen stieg, das Sakko anzog und zum Schluss noch den Mantel überzog, bog um die Ecke und kam langsam auf die Haustüre zu. Benji lief erneut vor das Haus, um Opa dazu zu bewegen, doch etwas schneller zu gehen. Er war es, wie gesagt, der ihm die Hundekuchen gab, die Oma in der Tasche hatte. Gemütlich kam Opa näher, er griff in die Manteltasche und zog ein Paket Zigaretten heraus. Bevor er die Haustüre noch erreicht hatte brannte die Zigarette bereits. Er atmete tief durch. So als wollte er sagen „oh, wie tut das gut, endlich wieder eine Zigarette zu rauchen.“ Immerhin hatte er in den letzten 25 Minuten keine mehr genossen. Das Rauchen war Opas großes Laster. Er konnte einfach nicht ohne Zigarette sein. Vater, der ein eingefleischter Nichtraucher war, bekam immer rote Augen wenn Opa im Wohnzimmer den Rauch hinaus blies. Aber er wollte Opa natürlich nicht verbieten, bei ihnen zu rauchen.

„Du braver Hund“, rief Opa, „du bist der allerbeste, komm mein kleiner Freund, du bekommst auch deinen Hundekuchen, na klar bekommst du ihn.“ Opa griff nach der Tasche von Oma und suchte nach der Tüte. Benji's Zunge hing weit heraus und seine Augen fixierten Opas Hand. Wo bleibt denn mein Kuchen, schien er zu sagen. Die Ungeduld konnte man an seinen Augen ablesen.

Die Kinder waren auch herbeigeeilt, um den Großeltern guten Tag zu sagen. Oma wurde von den beiden Mädchen sofort mit Beschlag belegt und in das Mädchenzimmer geschleppt. Sie sollte alle Neuigkeiten sofort erfahren. Nur die Sache mit Rampelpampel, so war man übereingekommen, durfte nicht ausgeplaudert werden. Olivier hatte sich zu Opa und seinen Eltern ins Wohnzimmer gesetzt. Vater öffnete eine Flasche Sekt zum Aperitif. Man trank nur sehr wenig Alkohol in der Familie. Sonntags genoss man aber einen Sekt und ein Gläschen Wein.

Das Essen zog sich heute sehr lange hin. Wenigstens kam es den Kindern so vor. Rampelpampel war sicher schon ungeduldig. Als Mutter den Kaffee brachte, war dies das Signal für Annick, Vater zu fragen, ob sie jetzt spielen gehen dürften. Vater hatte sein Einverständnis gegeben und die Kinder waren sofort losgerannt.

„Wir spielen auf dem Dachboden und räumen auch alles wieder auf, was Benji heute Morgen angerichtet hat“, vernahm Vater gerade noch bevor sich die Türe zum Speicher Schloss.

„Rampi, Rampi“, wo bist du, rief Isabelle mit gedämpfter Stimme.

„Hier, wo sollte ich denn sonst sein.“ Rampelpampel saß auf dem Stuhl auf dem er auch gestern gesessen hatte. Genau wie gestern hielt er auch heute wieder einen Apfel in der Hand.

„Ihr seid mir gute Freunde, wolltet ihr mich denn umbringen lassen von diesem Monster.“ Rampi machte keinen sehr glücklichen Eindruck.

„Wir wollten doch nur, dass Benji sich an dich gewöhnt. Woher konnten wir denn wissen, dass er dich durch den ganzen Speicher jagen würde.“ Olivier versuchte Rampi mit diesen Worten etwas zu besänftigen.

„Ihr könnt euch nicht vorstellen, was ich mitgemacht habe“, fuhr Rampi fort. „ Er jagte mich über Stock und Stein, rauf und runter. Ich konnte mich unsichtbar machen, aber er roch mich ja immer noch, als euer Vater die Türe öffnete war ich schon fast am Ende mit meiner Kraft.“

„Kommt nicht mehr vor, ganz bestimmt nicht“, sagte Annick, „bitte verzeih uns diese Dummheit noch einmal.“

„Also gut, zur Sache. Wir müssen morgen versuchen festzustellen, wer in den nächsten Tagen oder Wochen nach Luxemburg kommt. Es müsste sich aber um eine bedeutende Persönlichkeit handeln. Wer hat eine Idee wie wir die Info am schnellsten erhalten?“ Rampi lehnte sich in seinem Stuhl zurück und knabberte erneut an seinem Apfel.

„Wir könnten doch einfach beim Luxemburger Wort anrufen und danach fragen. Eine Zeitung weiß doch sicher über alles Bescheid. Die Reporter sind doch immer mit dabei, wenn so jemand hier eintrifft.“ Olivier war sich sicher, dass es so gehen könnte.

„Ich übernehme das“, fügte er noch hinzu.

„Und was können wir dann machen“, fragte Isabelle, die bereits den Verdacht hegte, man könnte sie vergessen.

„Wir treffen uns morgen wieder hier, sagen wir um 10 Uhr. Bis dahin müsste Olivier es geschafft haben, die Information einzuholen. Danach werden wir das weitere Vorgehen besprechen.“ Rampelpampel war über die letzte Bemerkung von Isabelle einfach hinweggegangen. Als er seinen Satz beendet hatte, war er auch schon verschwunden.

Die Kinder gingen nach unten. Sie taten so, als ob sie die ganze Zeit über gespielt hätten und jetzt richtig müde wären.

Sie betraten das Wohnzimmer und sahen Opa im Sessel beim Kamin sitzen, den Kopf nach vorne geneigt, die Hände im Schoß, die Augen geschlossen und das jedermann bekannte Geräusch des Schnarchens von sich gebend. Nach dem Essen war Opa immer sehr müde. Er machte dann ein kleines Nickerchen. Manchmal dauerte es aber auch länger. Oma und Mama hatten sich beim Fenster auf die Couch gesetzt und sprachen über das Kochen. Vater lag auf dem Sofa neben dem Kamin und las eine Computer-Zeitung. Das war sein spezielles Hobby. Als die Kinder eintraten, blickte er über die Zeitschrift hinweg und sah sie an.

„Schon müde“, fragte er, „möchtet ihr noch etwas draußen spielen, das Wetter hat sich gebessert und die Sonne strahlt richtig am Himmel.“

„Oh ja“, erwiderte Isabelle sofort und drehte sich schon zum Gehen um.

„Zieht euch aber dennoch eine Jacke an“, rief Mama hinter den dreien her. Ganz schwach konnte sie irgendeine Antwort vernehmen.

Die Straße war bevölkert. Nach dem Regen der letzten Tage zog es jetzt alle Kinder nach draußen. Myriam, Annicks und Isabelles beste Freundin kam sofort auf die beiden zugelaufen, während Olivier sich mit Martin unterhielt. Martin, der zwei Häuser unterhalb der Kinder wohnte, war etwas älter als Olivier. Er besuchte die Europaschule in der Stadt. Seine Mutter war bei der Europäischen Kommission beschäftigt und sein Vater bei einer deutschen Bank. Seine Eltern kamen aus Deutschland. Myriam wohnte schräg gegenüber und hieß mit Nachnamen Kremer.

„Hallo“, rief Myriam den beiden Mädchen zu. „Was gibt es Neues?“

„Wir haben einen Hausgeist“, entfuhr es Babbel. Annick sah sie wütend an. Die drei hatten doch abgemacht, keinem etwas davon zu sagen.

„Einen Hausgeist? Was ist das denn? Ihr wollt mich bestimmt nur auf den Arm nehmen, oder?“

„Babbel, was erzählst du nur für einen Blödsinn! Du solltest doch langsam wissen, dass es keine Geister gibt.“ Annick versuchte die Situation zu retten. Aber Myriam ließ nicht locker.

„Sagt mal, ich bin doch eure Freundin, also was ist los? Spukt es bei euch im Haus? Los, los redet doch endlich.“ Myriam wurde ungeduldig.

„Also, das ist so“, begann Annick, jetzt mussten sie wohl oder übel Myriam alles erzählen. Schließlich war sie ja wirklich ihre Freundin und Freundinnen durfte man einweihen.

Als Annick mit der Schilderung des Erlebten der letzten zwei Tage fertig war, wusste Myriam gar nicht, was sie dazu sagen sollte. Die Geschichte hatte auch sie fasziniert.

„Ihr müsst mich unbedingt Rampelpampel vorstellen. Ich habe noch nie einen Hausgeist gesehen. Meint ihr, dass er sich auch mir zeigen würde? Vielleicht könnte ich euch auch helfen bei der Suche nach dem Attentäter?“ Myriam sah Annick und Isabelle fragend an und wartete auf eine Antwort.

„Rampi, ist sehr schüchtern, wir sollten ihn zuerst fragen, ob er nichts dagegen hätte, wenn wir dich mitbringen würden“, erklärte Babbel mit nachdenklicher Miene.

„Stimmt“, ergänzte Annick, „er ist in der Tat sehr zurückhaltend.“

Nach dem Abendessen hatten sich die drei Geschwister in Oliviers Zimmer begeben. Annick und Isabelle wollten ihrem Bruder vorsichtig beibringen, dass Myriam alles über Rampi wusste.

„Ihr seid die reinsten Schwatzbasen, nichts könnt ihr für euch behalten. So eine Scheiße.“

„Hör mal Olivier“, meldete sich Isabelle, „du weißt sicher, dass man solche Ausdrücke nicht in den Mund nimmt. Wenn Papa dich gehört hätte, dann wäre es für dich sicherlich nicht so lustig geworden.“

Sichtlich befriedigt, den großen Bruder zur Ordnung gerufen zu haben, lehnte Isabelle sich zurück und wartete auf Oliviers Antwort. Dieser verdrehte nur die Augen und ließ beinahe unvernehmlich ein hmmm hören.

Olivier hatte nichts gegen Myriam. Aber schließlich sollte die Angelegenheit ja vertraulich behandelt werden. Auf Mädchen konnte man sich halt einfach nicht verlassen. Wenn du etwas öffentlich machen willst, dann musst du nur zu einem Mädchen sagen, es sei ein Geheimnis, und schon machte es die Runde. Diese Weisheit stammte zwar nicht von ihm, aber er hatte es schon oft gehört. Der Beweis dafür war ihm ja gerade geboten worden.

„Was machen wir jetzt“, fragte er Annick, „wenn Myriam nun auch mit dabei sein möchte?“

„Dann darf sie eben, sie ist ja auch unsere Freundin, oder etwa nicht?“

„Ja, stimmt schon, aber hoffentlich erzählt sie es nicht auch noch weiter.“

Damit war für Olivier die Sache abgeschlossen und er wollte jetzt zum weiteren Vorgehen Überlegungen anstellen. Bis 10 Uhr morgen früh musste er die Informationen zu den möglichen Besuchern einholen.

„Wenn ich morgen früh mit der Redaktion der Zeitung telefoniere, dann könnte Vater mich hören und fragen, warum ich so etwas wissen möchte. Was sage ich dann?“

Die drei Kinder dachten darüber nach, was sie in dem Fall antworten würden. Annick hatte wie immer eine Idee.

„Olivier, du könntest doch einfach sagen, dass wir eine Schülerzeitung machen und du einen Artikel über die nächsten Besucher unseres Landes schreiben möchtest, sozusagen, um der Zeitung eine höhere Aktualität zu verleihen.“

„Mensch Annick, das ist die Idee!“ Olivier strahlte, das Problem war gelöst. Damit konnte er problemlos sein Versprechen Rampi gegenüber einlösen.

Der Hausgeist

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