Читать книгу Erotic Collection II - Jeanette Sanders - Страница 9
ОглавлениеSex heiße Tage
J ules ist ein wunderbarer Junge, er wird dir gefallen! Warte ab, bis er hier ist. Du wirst schon sehen ... «
O nein! Anna schnappt nach Luft. Das kann nicht gut gehen. Unmöglich! Das sollte Robert doch klar sein! Sie schaut ihn an. Lass Jules nicht kommen, möchte sie ihm zurufen: Lass Jules um Gottes willen nicht hierher kommen!
Aber Robert erwidert nicht nur ihren Blick, sondern er strahlt sie an wie ein Kind, dem man gerade gesagt hat, dass es Weihnachtsgeschenke auch im Sommer gibt, und so schweigt sie.
Für einen Augenblick denkt sie an die vergangene Nacht, an Roberts Zärtlichkeiten oben im Schlafzimmer. Schemenhaft sieht sie wieder seinen schmalen Körper, der sich im blasssilbernen Licht des Mondes über sie beugt. »Im Urlaub gehört der Mond dazu«, hatte er geflüstert und die weiße Decke von ihr weggeschoben, so dass ihr nackter Körper vollkommen diesem sanften Schimmer ausgesetzt war, der ihre Haut wie mit Perlmutt überzog. Genüsslich hatte er ihre apfelgroßen Brüste betrachtet, ihren Bauch, ihre Spalte, die unter seinem Blick feucht geworden war. Er hatte sie lange angeschaut, als müsse er erst noch überlegen, wo genau er mit den Liebkosungen anfangen soll. Doch schließlich hatte er sich für ihren Mund entschieden. Er hatte sie geküsst, war mit der Zungenspitze über ihre Lippen geglitten und allmählich an ihrem Hals entlanggefahren. Er hatte ihre Brust berührt und die süße Himbeere vernascht. Seine Arme hatten sich derweil um ihre Taille geschlungen, während ihre Haut zu kribbeln begann und ihre Spalte vor Erregung immer nasser wurde, dass sie schon glaubte, der Schleim tropfe aus dem Schlitz auf das Bett.
Sie war gierig nach seinen Händen, sie wollte, dass er sie anfasst, dass er ihre Möse endlich berührt, sie wollte seine Finger spüren, die sich in ihr kleines Loch bohrten ... Aber er hatte es wie immer hinausgezögert. Erst als die Wellen der anrollenden Lust, die ihr die Schenkel immer weiter auseinander trieben, immer stärker geworden waren, hatte er sich endlich Millimeter für Millimeter über sie geschoben, bis er ganz auf ihr lag ...
Anna mag es, wenn er auf ihr liegt, denn Robert ist von knabenhafter Statur, obwohl er nicht mehr jung ist. Er macht sich leicht auf ihr, als könnte er schweben, als könnte er sie mitschweben lassen, durch die Nacht, auf unsichtbaren Flügeln, die man durch inniges Aufeinanderzuschwingen der Körper in Bewegung hält. Und er hat dieses ungeheuer harte Glied, das man dem zartgebauten Mann zunächst gar nicht zutraut und das in ihrem Leib, wenn es in ihre schleimige Grotte hineingleitet, sofort ein unersättliches Verlangen auslöst. Ein zartrosa Prachtexemplar, das durch die feuchte Gasse tiefer und tiefer in sie dringt. Sie mag es, wenn durch das sanfte Stoßen ihr Loch immer weiter und größer wird, wenn sie von diesem zärtlichen Riesen bis an den Rand ausgefüllt wird, und je schneller er wird, desto leichter kann er sie in andere, vom Mondlicht verzauberte Welten entführen. Unwirklich, lustvoll und zart.
Aber er kann noch so viel mehr damit ...
Selbst jetzt fühlt sie es, wie sich ihr Geschlecht allein bei der Vorstellung, wie dieser harte Riese in ihr Loch dringt, öffnet. Sie kann fühlen, wie sie nass wird und das hungrige Fleisch zu pochen beginnt. Sie kann Roberts Duft riechen, der ihre Sinne betört, obwohl er fast drei Meter von ihr entfernt am Fenster steht.
Ganz ruhig steht er da, so ganz anders als der Mann, der mit seinen schnellen harten Stößen ihre Möse zum Kochen bringt, dessen rascher Atem so oft zu ihrem eigenen wird, weil sie ihn einatmen will, immer schneller, wenn ihre Haut unter seinen Händen zu brennen beginnt, bis sie ihre Haut am liebsten abstreifen würde wie ein unerträglich heißes Kleid.
»Komm schon, Anna, es wird ... Ich meine, Jules ist wirklich okay. Er wird dir wirklich gefallen. Vertrau mir.«
Sie macht sich nichts vor, er ist nicht um sie besorgt, sondern nur darum, dass die Geschichte mit Jules anders laufen könnte, als er sie sich in Gedanken ausgemalt hat.
Sie wendet sich ab, lässt sich in den großen weißen Sessel fallen, streckt die nackten Beine von sich. Sie versteht nicht, wie Robert ihr so etwas antun kann. Er hat ihr diese Ferien versprochen. Sechs Tage mit ihm allein. »Sex Tage«, hatte er immer wieder gemurmelt. Und jetzt freut er sich bereits am zweiten Tag, dass Jules zu ihnen stößt und die Zweisamkeit beendet! Es war nicht zu fassen.
Aus purem Trotz spielt Anna mit dem Gedanken, was geschehen würde, wenn Robert Recht hätte mit seinem albernen Satz: »Er wird dir gefallen.« Was, wenn das Schicksal ihnen in ihrer Liebeshöhle einen Streich spielen würde und Jules ihr wirklich gefiele? Vor ihrem geistigen Auge erscheint ein schöner, junger Mann, der mit leichten Schritten das Haus betritt. Was wäre, wenn dieser Junge nun mit der straffen Elastizität seiner Glieder die ohnehin schon heiße Luft um sie herum plötzlich in Brand stecken würde. Wenn er allein durch einen Blick, eine Geste etwas in ihr öffnen würde. Wenn das Dreieck zwischen seinen Schultern und seinen Hüften sie erregen würde, oder wenn ein versehentlich hochgerutschter Hemdzipfel einen unerträglichen Kitzel auslösen würde wie Sekt, der über eine nackte Möse perlt. Was, wenn hinter den langen, wehenden Vorhängen seine Schenkel, die draußen in der Sonne liegen, sichtbar würden. Schenkel, die vor Gier leise knistern, sobald man sie berührt. Oder wenn ihre Hände zwischen den Knöpfen seiner Jeans den Halt verlieren würden ... wenn sein Mund sich dem ihren nähern würde, rot und wild wie die Rosen draußen im Garten an der Hecke ...
Nein, das ist absurd!
Anna versucht die Bilder zu verscheuchen.
»Warum sagst du nichts?« Robert schaut sie immer noch an.
Sie macht eine wegwerfende Handbewegung. Sie versucht zu lächeln. Wozu die kurze Zeit, die ihnen noch bleibt, mit unnötigen Diskussionen vergeuden?
»Nun, dann soll er eben kommen. Aber wir wollen hoffen, dass er mir nicht zu sehr gefällt«, sagt sie in scherzendem Ton, um ihre maßlose Enttäuschung zu verbergen. »Denn wenn er mir so richtig gut gefällt, wird es kompliziert, meinst du nicht? «
»Sei nicht albern!« Robert zieht die Stirn kraus. Plötzlich ist er sehr ernst. »Du weißt genau, wie ich es meine. Ich meine natürlich nicht als Mann! Er ist schließlich mein Sohn. Und er ist zweiundzwanzig. Also bitte!«
- »Na und? Darf mir ein Mann nicht gefallen, nur weil er mit dir verwandt ist?«
»Na hör mal, du bist fast doppelt so alt wie er!« Robert wirft ihr einen missbilligenden Blick zu und geht zur Terrassentür.
»Du tust geradezu so, als käme so etwas nicht vor. Ich habe sogar mal einen Roman gelesen, der handelte genau davon.« Sie überlegt. »Er hieß, warte, wie hieß der gleich ... Sündige Nächte in ... « Sie kommt nicht auf den genauen Titel, aber die Geschichte hatte sie lebhaft in Erinnerung. Es ging darum, dass Vater und Sohn dieselbe Frau liebten. Die Geschichte begann damit, dass die Heldin Zarah irgendwo in einem Landhaus ein paar Urlaubstage mit ihrem erfahrenen Geliebten verbrachte. Von einem großen Garten war da die Rede und von wildem Wein, der das Dach der Terrasse bildete. Zarah und ihr Geliebter Joe hatten tollen, wilden Sex — praktisch überall, drinnen wie draußϐen. Er liebte es, ihre Muschi morgens bei Sonnenaufgang wie eine Auster auszuschlürfen, seine Zunge muss hinreißend gewesen sein. Über drei Seiten hinweg wurde beschrieben, wie Zarah ganz langsam ihre Schenkel spreizt, nur um Joe ihre Muschel zu präsentieren. Jede seiner Bewegungen wurde minutiös geschildert, wie er die ersten vorsichtigen Annäherungen macht und die kleine Perle inmitten der Muschel mit der Zungenspitze betupft, wie er sie schließlich immer inniger berührt und leckt und dabei seine Zunge immer fester über das nasse Fleisch reibt. Dann wurde die Zunge drängender, klatschte richtig auf die Ritze, drang weiter unten in die Spalte ein. Joe liebte es, Zarahs Schleim zu trinken, und es wurde beschrieben, wie er sich das ganze Gesicht mit ihrer geilen Glasur vollschmiert, während Zarah sich schweißgebadet unter diesen Liebkosungen windet. Es war so ausführlich beschrieben, dass Anna es nicht lesen konnte, ohne sich selbst den Spalt zu streicheln, ja, bald musste sie sich sogar zwei Finger in die Ritze schieben und damit hin und her gleiten, um sich Erleichterung zu verschaffen. Doch am liebsten las sie das Buch in der Badewanne, da konnte sie sich anschließend mit der Dusche verwöhnen, und in ihre Phantasie war dann der Wasserstrahl der Dusche eine in Liebesdingen sehr geschulte Zunge.
Joes unglaubliche Fertigkeiten und seine Ausdauer übertrafen natürlich bei weitem jede Realität. Zarah und Joe verbrachten auf jeden Fall eine äußerst aufregende Zeit – bis plötzlich Joes Sohn Henrik in dem Haus auftauchte. Zarah verliebte sich sofort in die jüngere Ausgabe ihres Geliebten. Sie spürte, wie er mit seinem ganzen Wesen von dem kleinen Ferienhaus Besitz ergriff und wie er auch immer mehr von ihr Besitz ergriff – mit einem Lachen, mit einem warmen Händedruck, einem tiefen Blick in die Augen – und sich immer mehr zwischen sie und Joe drängte. Sie lauschte dem Klang seiner Gitarre, wenn er draußen im Garten spielte, und sie beobachtete den schönen jungen Mann, wenn er mit offenem Hemd und enger Jeans über die Terrasse schlenderte. Nachts öffnete sie heimlich die Tür zu seinem Zimmer und betrachtete ihn, wie er schlief, und musste an sich halten, nicht hinzugehen und ihm die nackte Schulter zu streicheln.
Die Geschichte nimmt dann immer groteskere Formen an. Zarah riecht im Bad an den Handtüchern, mit denen sich Henrik abgetrocknet hat, reibt den Stoff über ihre nasse Möse, rubbelt sich mit dem Handtuch immer wieder in einen regelrechten Rausch, und ihr ist, als würde er sie auf diese Weise wirklich berühren. Dann sucht sie seine Unterhosen und zieht sie an, da die Vorstellung sie halb wahnsinnig macht, dass ihre nasse Möse genau die Stelle berührt, an der sein Schwanz in der Hose steckte. Irgendwann durchwühlt sie sogar seinen Mülleimer in der Hoffnung, ein Papiertaschentuch zu finden, an dem sein Saft klebt. Denn sie ist sich sicher, dass er, wann immer es geht, seinen harten Kolben in die Hand nimmt und ihn so lange reibt, bis die Lust für einen Augenblick Ruhe gibt. Schließlich findet sie sogar ein solches Papiertaschentuch und reibt es sich ins Gesicht, um seinen Duft zu atmen, während sie sich selbst mit den Fingern fickt ...
Je größer Zarahs Verlangen wird, desto häufiger schläft sie nun andererseits mit Joe. Sie kann es kaum erwarten, bis es endlich Nacht wird, um wieder Joes Schwanz in sich zu spüren, um zu fühlen, wie das Glied sich in ihr hungriges Loch schiebt und in ihr auf und ab gleitet. Doch da ihre Phantasie so stark ist, kann Zarah die beiden Männer in Gedanken kaum noch auseinanderhalten, und wenn sie sich nachts Joe hingibt, sieht sie im Geiste immer auch Henrik ... Zweihundert sehnsüchtige Seiten später kommt es schließlich dazu, dass sie eines Nachts endlich zwischen den beiden Männern liegt. Sie küsst erst Joe und dann Henrik, streichelt mit ihren Händen über die nackte Ebene zweier Männerkörper, als würden sie zusammen einen ganz neuen Kontinent ergeben, den es nun zu erobern gilt. Sie windet sich unter Joes Zunge, die ihre Spalte leckt, und öffnet ihren Mund für Henriks Schwanz. Sie schluckt diesen jungen festen Stab, der sich ungestüm zwischen ihre Zähne schiebt, als hätte auch er, Henrik, von Anfang an nichts anderes denken können. Sie riecht den frischen Schweiß der beiden Männer und hat nur noch einen Gedanken: Sie will von beiden genommen werden. Zuerst darf natürlich Joe in sie dringen. Seine dicke Rute bahnt sich ihren Weg in die nasse Möse, dass Zarah sich aufbäumt vor Lust, während sich ihr Loch dehnt unter den stärker und stärker werdenden Stößen. Doch im nächsten Moment zieht sich Joe zurück – um ihr Loch freizugeben für Henriks nass gelutschtes Glied. Zarah findet in dieser lustvollen Nacht ihre Bestimmung als Lehrmeisterin eines geduldigen und geilen Schülers. Sie zeigt ihm, wie man eine Frau von hinten nimmt, wie man mit den Händen das zuckende Loch schön weit auseinanderzieht, bevor man den Schwanz hineinstößt. Zarah keucht und stöhnt unter der Wonne dieser kostbaren Liebkosung und lässt schließlich zu, dass nach vertauschten Plätzen, während sie auf Henriks dickem Kerl reitet, Joe sich in das hintere kleine Loch zwängt. So von beiden Männern gleichzeitig durchbohrt, genießt Zarah willenlos vor Geilheit einen Höhepunkt nach dem anderen ...
Anna schaut an Robert vorbei hinaus in den Garten. Wie genau sie sich an jede Einzelheit erinnert! Wirklich eine prickelnde Vorstellung, denkt sie, auf diese Art von zwei Männern geliebt zu werden. Von zwei Männern, die sich so ähnlich sind, dass sie in all ihren Bewegungen harmonieren ... Sie rutscht nervös in dem Sessel herum, denn ihre Spalte ist bei den süßen Gedanken nun endgültig nass geworden. Am liebsten möchte sie die Phantasie Robert erzählen und sich dabei von ihm nehmen lassen, jetzt wo noch Zeit dafür ist. Doch sie erinnert sich, wie barsch er reagiert hat, als sie vorhin scherzhaft darüber sprach.
Wahrscheinlich, so überlegt sie, ist es für einen Mann nicht dasselbe wie für eine Frau. Die Frau erlebt die Lust in einer neuen Dimension, einer Dimension, in der die Zeit keine Rolle mehr spielt, als könne man die Gegenwart und die Zukunft zugleich leben, während es für den Geliebten, durch die Anwesenheit des Sohnes, zu einer wohl eher schmerzlichen als lustvollen Begegnung mit der Vergangenheit kommt.
Doch da sie nun einmal in Fahrt gekommen ist, versucht Anna sich die Zärtlichkeiten auf ihrem Körper vorzustellen. Besonders die des Sohnes. Schlanke junge Finger, die in ihrem Inneren auf Forschungsreise gehen, die sie streicheln und ihr Geschlecht an den empfindlichsten Stellen berühren, allmählich immer tiefer in sie dringen, in ihrer glitschigen Spalte hin und her gleiten, erst mit zwei, dann mit drei Fingern, als wäre es ein richtig satter Schwanz, während gleichzeitig erfahrene Hände ihre Brüste umkreisen und warme Lippen ihren Nacken streifen ... Das hat etwas, gewiss!
Sich dann den wilden Stößen eines jungen Hengstes und gleichzeitig den geschickten, geduldigen Spielen eines erfahrenen Mannes hinzugeben, auch das ist wahrscheinlich sehr erregend. Sie denkt an Roberts Art, sie von hinten zu nehmen, wenn sie auf allen vieren kniet. In dieser Position einen nackten, jungen Mann unter sich zu wissen, der an ihren Brüsten saugt und mit seinem Stab gegen ihre Muschi hämmert ... Wirklich, kein schlechter Gedanke!
Oder sich auf seidenen Laken in aller Ruhe nacheinander ficken zu lassen, in erregender Vorahnung zu stöhnen, während erst der eine, dann der andere in ihr nasses Loch gleitet, sie mit harten und zugleich zärtlichen Bewegungen vor sich her auf den Gipfel der Lust zutreibt. Oder sich von beiden so nehmen zu lassen, dass sie wirklich zwischen ihnen liegt, wie diese Zarah es gemacht hat, dass sie beiden zugleich gehört, während der junge Heißsporn sich in ihrem Schlitz austobt und Robert sie an ihrer bis jetzt unberührten Rückseite entjungfert....
Was für eine wundervolle Vorstellung! Anna schmeckt förmlich den schleimigen Saft auf ihrer Zunge, den sie aus Dankbarkeit für dieses Erlebnis aus ihren heißen Stäben saugen würde. Ja, sie würde ihnen die Schwänze wund lutschen, beider Säfte zugleich trinken. Sie würde ....
Ach, aber alles eben nur in der Phantasie!
Die Realität sieht doch für gewöhnlich ganz anders aus.
Deshalb hat Anna ernsthafte Zweifel, ob es eine gute Idee ist, dass Jules zu ihnen dazustößt. Sie ist sich nicht sicher, dass sie ihn überhaupt kennen lernen möchte. Mal davon abgesehen, dass er wahrscheinlich nicht annährend so erotisch sein wird, wie der junge Hengst in ihren Träumereien. Doch selbst wenn er es wäre, würde Robert bei so etwas nie und nimmer mitspielen. Dafür ist er nicht aufgeschlossen genug.
Nein, sie ahnt, wie die Realität aussieht. Der Sohnemann wird sie beide mit lauter Musik nerven, sie mit seinen Pickel- und sonstigen Problemen behelligen, seine Socken überall rumliegen lassen, einen großen Bogen um die Dusche herum machen, dafür wird er ständig irgendwelche Kumpel ins Haus holen, leere Bierflaschen unter dem Sofa horten und ihnen den schönen Urlaub durch seine bloße Anwesenheit gründlich verderben.
Sie schaut in Roberts Gesicht, der ihr aufmunternd zulächelt. Er sieht jetzt selbst wie ein großer Junge aus, ein großer fünfzigjähriger Junge mit kurz geschorenem grauem Haar und schmalen Schultern, der eine Überraschung für sie hat. Ein warmer Glanz liegt in seinen dunklen Augen, und seine Lippen sind weich, wie sonst nur, wenn er sie küssen möchte. Robert steht immer noch an der Terrassentür und schaut nun über den Rosengarten hinweg hinaus aufs Meer. Sie kann sehen, wie er mit den Augen den Horizont absucht, als würde er ein Schiff erwarten, weiße Segel, die ihm den lang vermissten Sohn endlich zurückbringen. »Jules ist ein Wildfang, das kann ich dir sagen. Ein echter Abenteurer.«
Ein Hauch von Rosen, Lavendel und frischen Aprikosen weht durch die offene Tür herein, flüchtet vor dem nächsten Windstoß, der die weißen Vorhänge aufbläht, in die schattigen Winkel des Raumes und lässt sich dort nieder. Für Annas Geschmack ist es schon jetzt viel zu warm. Es wird wieder ein sehr heißer Tag werden, denkt sie, ein Tag, an dem sie die kühlen, schützenden Mauern dieses alten Hauses nicht verlassen wird. Sie wäre lieber in den Norden gefahren, wie sie es immer getan hat in den letzten Jahren. Ihr Teint ist zu hell, ihre Sinne sind zu empfindlich für diese südfranzösische Sonne. Aber Robert legt Wert auf seine Traditionen. Er fährt seit Jahren immer wieder in dieses Haus, als wäre es sein eigenes. Er liebt die Ruhe und die Wärme. Für ihn wäre der Norden überhaupt nicht in Frage gekommen, das weiß Anna, deshalb hat sie nachgegeben, hat sich der Hitze und der Einsamkeit dieses Hauses ausgesetzt und sieht sich nun auch noch gezwungen, seinen Sohn kennen lernen zu müssen. Was für eine Vergeudung kostbarer Lebenszeit.
Dabei ist es Roberts Idee gewesen, die Ferien zusammen zu verbringen. Allein zu zweit! Allein – um sich lieben zu können bei Tag und bei Nacht. Um ihm jederzeit mit ihrem offenen, feuchten Geschlecht Lust zu bereiten, um jederzeit seinen kochenden Samen zu schlucken ...
Verdammt, was zum Teufel hindert sie daran, ein Machtwort zu sprechen? Sie ist doch sonst nicht so zimperlich, wenn es darum geht, für ihre Lust zu kämpfen. Sie muss es nur einfach tun, sie muss sagen: »Nein, Robert! Jules wird nicht kommen! Weil wir die Ferien für uns haben wollten! Später vielleicht ... nächste Woche ... oder nächsten Monat ... « Ach, das klingt wenig überzeugend. Sie zögert, sucht nach passenden Worten ... Doch weiter kommt sie mit ihren Überlegungen nicht, denn Roberts Blick ist vom Horizont zurückgekehrt und schaut sie wieder an.
»Er kommt ganz nach seiner Mutter«, sagt Robert, als knüpfe er an ein früheres Gespräch an. »Er ist groß und blond und so voller Tatendrang, wie ich es nie war«, erzählt er, als hätte sie ihn dazu aufgefordert. »Deshalb ist er auch vor zwei Jahren nach Australien gegangen, einfach um mehr zu erleben als sein alter Vater.« Robert lacht an dieser Stelle, und es klingt ein wenig bitter. »Er wollte unbedingt die endlose Weite kennen lernen, verstehst du, er wollte sich selbst finden! «
»Er wollte – durch die Wüste?«, fragt Anna und merkt, dass ihr das Wort Wüste immer noch einen Stich versetzt.
Robert nickt. »Ja, ich glaube, darum ging es ihm.«
Annas Gedanken schweifen ab. Die Wüste! Auch sie war einmal voller Tatendrang gewesen, damals vor zwanzig Jahren, als ihr das rote Haar noch in wilden Locken bis zur Hüfte reichte. Auch sie wollte einmal durch die Wüste, aber sie hatte sich nur bis an den Rand getraut und hatte nicht geahnt, wie sehr man sich schon dort verbrennen kann. Nicht nur ihre helle Haut hatte furchtbar gelitten, sondern auch ihr Herz und ihre Seele. Immer wenn sie daran denkt, kann sie den puderfeinen Sand zwischen ihren Fingern spüren, ein lautloses Rieseln, das irgendwo im Wind verweht und nichts übrig lässt, woran man sich halten kann. Nichts ist geblieben außer ein paar Erinnerungen.
Die Wüste! Noch immer träumt sie von ihr, träumt, dass Dünen über sie hinweg wehen, sie atemlos zurücklassen, träumt, dass sie in blutroten Sonnenuntergängen ertrinkt.
Sie schaut Robert an um sich zu retten. Sie will nicht weiter im Sand der Vergangenheit versinken. Doch Robert schweigt. Er hängt seinen eigenen Gedanken nach. Wahrscheinlich denkt er daran, was er aus seinem Leben gemacht hat, und an das, was sein Sohn aus seinem Leben macht. Er blickt dabei wieder stumm hinaus aufs Meer. Er fixiert den Horizont, das kann sie sehen, und sie sieht, wie er die Augen zusammenkneift. Es ist verrückt: Der Ausdruck in seinem Gesicht ähnelt so genau dem von Yakim damals. Und plötzlich ist ihr, als würde sie Yakim und nicht Robert dort sehen. Eine Luftspiegelung, eine Zeitspiegelung, in der flirrenden Hitze. Tatsächlich sieht sie nun deutlich Yakim, wie er auf die Düne hinauf galoppiert und dort oben eine Zeitlang unbeweglich über die sandigen Wellen der Wüste blickt. Er betrachtet, genau wie Robert, die Linie, die die Grenze markiert zwischen Diesseits und Jenseits, die der Garant dafür ist, dass das Leben vom Tod getrennt ist. Ein Garant dafür, dass es eine höhere Ordnung gibt, ein Oben und ein Unten und wir uns dazwischen bewegen.
Stolz hatte Yakim damals auf seinem schwarzen, schlanken Pferd gesessen, das mit kostbarem Zaumzeug und bunten Troddeln geschmückt war. Seine nussbraune Haut war, als sie sich das letzte Mal gesehen hatten, ganz von dunkelblauen Gewändern umhüllt gewesen, bis auf die Augen, so wie es die Tradition seiner Heimat vorschrieb. Von dort oben hatte er sie ein letztes Mal betrachtet, als wolle er sie sich für alle Ewigkeit einprägen. Ihre schlanke Gestalt, ihr langes Haar, ihre Brüste, ihre Lippen, alles. Seine Augen trugen dabei die dunklen kalten Nächte der Wüste in sich, als würde man in einen bodenlosen, ausgetrockneten Brunnen schauen, aber sie trugen auch die endlose gelbe Weite des sandigen Meeres in sich, das grelle Licht des Mittags, das feurige Rot des Abends, das dem inneren Feuer am ähnlichsten ist. Er hatte sie lange angeschaut – und sie hatte gehofft, er würde zurückkommen. Doch schließlich hatte er einen gellenden Pfiff ausgestoßen, dem Pferd die Zügel um den Hals geschlagen und hatte es schreiend vorwärts getrieben, über die Düne, zurück in seine Welt.
Anna versucht sich auf Robert zu konzentrieren, der immer noch unbeweglich an der Terrassentür steht, um die Bilder ihrer Vergangenheit wieder loszuwerden. Aber ganz deutlich hört sie jetzt Yakims Stimme: »Die Sahara und die Liebe haben eins gemeinsam: Ihre unendliche Weite wird vielen zum Verhängnis ... «
»Kennst du die Wüste?« Robert schaut, während er fragt, immer noch hinaus aufs Meer, als erwarte er keine Antwort.
Anna überlegt. Sie weiß, er will nur wissen, ob sie je dort war, aber davon kann sie ihm nicht erzählen. Aber abgesehen davon glaubt sie nicht, dass man die Wüste wirklich kennen kann. Wenn man dort geboren ist, dann vielleicht, ja! Wenn man ständig die Sonnenglut atmet, wenn einem der Durst wie zu einem Freund wird, der einen ständig begleitet, wenn man jede Nacht die absolute Stille hört, in der man irgendwann stirbt – dann mag man die Wüste kennen. Aber als Fremder wird man dort immer ein Fremder bleiben.
»Nein, ich kenne sie nicht«, lügt Anna und ist froh, das Thema umgehen zu können. Niemand weiß, dass sie in der Wüste war, außer ihrer Schwester Sylvia. Niemand außer Sylvia weiß von ihrer Liebe zu Yakim, der auf seine Weise Recht behalten hat. Denn für sie war die Sahara ebenso wie die Liebe zu groß. Unwillkürlich erscheint vor ihrem inneren Auge wieder Yakims nussfarbener Körper, so wie sie ihn in jener Nacht gesehen hat, jener letzten geheimnisvollen Nacht vor ihrem Abschied. Sie sieht wieder die nackten, runden Schultern vor sich, die schwarzen leicht gekräuselten Haare auf der Brust, spürt die schmalen Hüften unter ihrer Hand, die seidige Haut an den Leisten, fühlt den mächtigen Schwanz, der hart vor ihr aufragte. Es war angenehm kühl in dem dunklen Zelt, und seine Bewegungen waren wie der Sand, über den der Wüstenwind weht. Leicht, geschmeidig schlängelte er sich mit seinen Küssen auf ihr, streifte ihr nach und nach die schweren, roten Leinengewänder vom Leib, bis sie wahrhaft schutzlos vor ihm lag, als sei sie nichts weiter als eine Schlangenspur im Sand, die jederzeit ausgelöscht werden kann. Nie wieder hat sie sich auf diese allumfassende Weise hingegeben.
Es roch nach Jasmin und den Pferden draußen, das weiß sie noch. In der Nähe hörte sie das Wasser der Oase rauschen. Die nächtliche Kälte kroch allmählich zu ihnen herein. Der Teppich unter ihrem Körper war aus dickem Kamelhaar gewebt, um sie herum lagen Kissen und eine leichte Decke. Ohne ein Wort hatte Yakim sich auf ihren nackten Körper gelegt und war mit seinem Phallus tief in ihre feuchte Höhle getaucht, wie ein Durstender, der in einem kühlen, dunklen Brunnen versinkt. Er hatte das dünne Häutchen zerrissen, hatte sie wahrhaft in Besitz genommen und sie unentwegt angesehen aus Augen, die schimmerten, als hätte ein Lagerfeuer ihnen diesen geheimnisvollen Glanz verliehen. Doch da war kein Feuer, außer jenem, das in ihm brannte, angefacht von dem Triumph, sie zu besitzen, sie mit dem glühenden Stachel zu durchbohren, ihre weiße Haut endlos lang zu berühren, sich ihr langes Haar um sein Handgelenk zu wickeln, ihre Brüste zu küssen, ihren Hals zu liebkosen. Mit wenigen Stößen seines Schwanzes hatte er ihr Herz zum Rasen gebracht. Ihre Haut glühte unter der Hitze seines Körpers. Dann war er wieder aus ihr herausgeglitten – nur für einen Augenblick, um sich nicht zu schnell zu verausgaben, und sie spürte sein Verlangen, während er wieder ihre Brüste mit den Fingern umkreiste und liebkoste ... Sie kann es fühlen, jetzt, als würde er es in diesem Zimmer gerade wieder tun, als würde er sie küssen, liebkosen, seinen Schwanz von neuem in ihre nasse Spalte schieben, als wäre er hier ...
Yakim hatte einen harten Stachel, der sich wie der Stachel eines Skorpions tief in ihr Fleisch grub, schnell und hart, so dass sie aufschrie vor Lust. Yakim hatte mit der Zunge ihre Handinnenflächen geleckt, hatte an ihrem Handgelenk gesaugt, als wolle er ihr Blut trinken, er hatte sie umarmt und an sich gepresst, an seinen heißen Atem, als könne er sie damit hinausziehen in die Nacht der Wüste.
»Reite mich, als wäre ich dein Hengst, ein wilder ungezähmter Hengst«, hatte er irgendwann geflüstert und sich auf den Rücken gedreht. Eine Weile hatte sie dann auf ihm gesessen, hatte ihre Hüften rasch hin und her bewegt, um den prallen Stab in ihrer Spalte zu reizen, sie war auf und ab geglitten, hatte seine Gier wachsen sehen wie Sandstürme.
Schließlich hatte er sie laut stöhnend wieder auf den Rücken geworfen, während sie vor Erregung ihren schweißgebadeten Körper nur noch gegen ihn gepresst hatte, so sehr hatte ihre Ritze vor Verlangen gezuckt. Sie hatte sich gefühlt wie ein bis zum Überlaufen gefüllter Brunnen, der nun zu sprudeln begann, als ob er nie wieder damit aufhören wollte. Seine Augen mit den dichten, schwarzen Wimpern hatten derweil ihre Seele leer getrunken, so dass er sie mit seinem ganzen Wesen immer mehr unter sich begrub, sowohl mit dem Körper als auch mit den Sinnen. Seine Stöße wurden von Mal zu Mal heißer, ihre Möse hatte sich bebend ergeben. Als er ihr schließlich mit einem dumpfen Schrei sein süßes Gift in den Spalt spritzte, hatte sie gewusst, dass es für immer war, dass sie einen Teil davon immer in sich tragen würde. So wie man ein Teil der Wüste wird, wenn man ihren Sand mit sich fortträgt – und sei es nur an den Schuhen.
Es geht auf Mittag zu und die Sonne berührt die ersten Steine auf der Terrasse. Anna sieht es und möchte fliehen. Seit Yakim sie verlassen hat, hasst sie die Sonne, hasst sie das gleißend helle Licht des Südens, ja selbst der vergleichsweise harmlose Sommer in Mitteleuropa gefällt ihr nicht besonders.
Robert hat ihr jedoch immerzu von der Provence vorgeschwärmt. »Du wirst es lieben, Anna«, hat er immer wieder gesagt, »du wirst es lieben, das saftige Grün der Hügel, das kleine alte Haus mit seinem malerischen Garten, die Sonne und das silbern schimmernde Meer in der Ferne... «
Sie mustert Roberts schlanke Gestalt. Er weiß nichts von der Wüste, deshalb kann er es immer wieder sagen, dieses »Du wirst es lieben!« Er weiß nicht, was sie wirklich liebt. Wozu auch? Die Geschichte mit Yakim ist zwanzig Jahre her, und außerdem kennen Robert und sie sich nicht gut genug, um solche Erinnerungen miteinander zu teilen.
Aber Anna hat geahnt, dass, wenn der Sex nicht ausreicht, es hier nicht einfach wird, denn sie weiß, dass Lavendelfelder, Rosen, Sonnenblumen und wilder Wein, der sich draußen am Haus entlangrankt, für sie allein noch keinen Urlaub machen. Und sie hat gewusst, dass sie Schwierigkeiten mit der Sonne haben würde, weil mit der Hitze der Schmerz von damals zurückzukehren pflegt. Es ist wie Sand, der über ihr Innerstes scheuert, der sie wund scheuert ...
Trotzdem hat sie diese Reise unternommen. Robert zuliebe und dem Sex zuliebe. Und auch weil sie geglaubt hat, auf diese Weise endlich über Yakim hinwegzukommen. Weil sie geglaubt hat, Robert sei der Mann, bei dem sie bleiben möchte. Denn sie mag es, wenn er sie berührt, wenn er sie auszieht, wenn er ihre Brüste küsst und Sekt aus ihrem Bauchnabel trinkt. Sie mag die Art, wie er sie manchmal anschaut, so als würde sie gerade etwas völlig Neues sagen oder tun, etwas, was er noch nie erlebt hat. Es gibt ihr das Gefühl, einzigartig für ihn zu sein. Sie mag auch seine Grübchen in den Wangen und die Art, wie er seine Beine manchmal lässig nebeneinanderstellt, als wolle er jederzeit Sex. Ja, sie wünscht sich wirklich, dass Robert der Mann ist, bei dem sie bleiben kann, aber wie es aussieht ... wie es aussieht, lauert die Wüste überall.
»Es hat mich echt was gekostet, Jules nach Australien gehen zu lassen. Ich meine nicht Geld, sondern hier drin«, bemerkt Robert plötzlich und fasst sich an sein Herz. Anna sieht ihm an, dass er die ganze Zeit über seinen Sohn nachgedacht hat. »Umso mehr freue ich mich, dass er nun kommt. Wir werden eine tolle Zeit haben, vielleicht sollten wir segeln gehen, was hältst du davon? Oder wir können am Strand reiten ...«
»Ja«, sagt Anna wie jemand, der einem Kind über das Haar streicht, das völlig unerfüllbare Wünsche äußϐert. Sie fürchtet sich davor, dass sie Jules ebenso wenig mögen wird wie sie die Provence mag, die Lavendelfelder und die gleißende Hitze.
Robert und sie, das bedeutet – Lust. Es bedeutet interessante Gespräche, gelegentlich ein Besuch in der Oper und immer wieder traumhafte Nächte, in denen sie manchmal glaubt, er würde mit seinem Körper Gedichte auf ihre weiße Haut schreiben.
Aber mehr wird daraus nie werden, das weiß sie nun. Sie sind in einem Punkt zu verschieden. Sie mag den Norden, die kühle raue See, den Sturm und das Alleinsein zu zweit. Das reicht ihm nicht. Er braucht die Sonne ... und seinen Sohn.
Anna weiß, dass sie ungerecht ist, wenn sie Jules nicht einmal eine Chance gibt. Doch sie kann nicht anders. Sie hasst Familiengeschichten noch mehr als die Sonne. Auch das ist eine Folge der Wüste. In ihrem Innern ist kein Platz für Menschen. Ihr Inneres ist wie eine Wüste. Yakim hat sie einsam gemacht. Immer wieder hat sie Männer mit in diese Einsamkeit genommen, aber immer nur aus dem einen Grund, um Yakim daraus zu verdrängen.
Aber auch davon weiß Robert nichts. Robert würde es auch nicht verstehen, wenn sie versuchte, ihm zu erklären, dass Familie in ihrem Leben nicht vorkommt. Dass da nur lange geisterhafte Schatten in ihr sind, dort, wo die Sonne niemals hingeschienen hat. Der Boden ist einfach verdorrt. So etwas wird er nicht verstehen. Das kann keiner verstehen, der Kinder hat.
»Wann will er denn kommen?«, fragt Anna. Sie will wissen, wie viel Zeit ihr noch mit Robert bleibt.
»Oh, habe ich das nicht gesagt?« Roberts Augen beginnen wieder zu leuchten. »Heute Nachmittag.« Er fischt sein Handy aus der Hosentasche und schaut auf das Display. »Er hat mir vom Flughafen aus geschrieben. Er möchte für eine Weile bei uns bleiben.«
Bei dir! Er möchte bei dir bleiben, denkt Anna. Höchstwahrscheinlich weiß er nicht einmal, dass es mich gibt!
Aber Robert wirkt so glücklich. Er lächelt sie selig an. So kennt Anna ihn überhaupt nicht. Er ist ein anderer, ein Vater eben, nicht mehr der Liebhaber. Bei dem Gedanken an den Liebhaber stellt sie ihn sich unwillkürlich nackt vor. Der schmale helle Körper erinnert sie an einen alternden Balletttänzer, der darauf brennt, wieder auf die Bühne zu dürfen, um noch einmal sein ganzes Können zu zeigen. Die weiße Leinenhose und das lose darüber getragene Leinenhemd lassen ihn dynamisch wirken, wie einer, der sein Leben fest im Griff hat. Robert ist zehn Jahre älter als sie und ein Genießer, der ihren Körper stets wie ein kostbares Geschenk behandelt. Ein Geschenk, das er mit möglichst vielen Schleifen umwickeln möchte, um den Augenblick des Genusses so weit wie möglich hinauszuzögern.
Er hat so viele Arten, sie zu lieben. Die schwebende Art wie letzte Nacht mag sie sehr. Doch manchmal kann er sich auch stundenlang nur der Liebkosung ihrer Brüste widmen. Dann hebt er sie meist einzeln aus dem weißen Spitzen-BH, wie zwei possierliche Tierchen, küsst und schmust an den kleinen Himbeeren herum und kann kaum davon ablassen, bis sie sich ihm ungeduldig entzieht. Dann erst berühren seine Finger ihr Geschlecht. Er ist dabei sehr geschickt und reibt mit den Fingerkuppen über ihre kleine Knospe, befühlt ihre Spalte, dringt hin und wieder mit dem Finger in sie, um ihre Lust zu steigern, und um zu testen, wie bereit sie für ihn ist. Er liebt es, ihre kleine Perle dick anschwellen zu lassen, und manchmal spuckt er darauf, damit sie glitschig wird. Immer wieder gleitet er hin und her, wechselt zwischen den Fingern, nimmt die ganze Hand gleichzeitig, reibt und presst ihr das geile Fleisch, bis sie die Schenkel immer weiter auseinanderdrückt. Seine Geduld scheint kein Ende zu kennen. Wenn er es auf diese Tour macht, ist es, als wolle er mit jeder einzelnen Pore ihres Geschlechtes persönlich bekannt werden. Doch es gibt Momente, da ist ihr das ganze Drum und Dran fast zu viel. Oft, so wie jetzt, will sie am liebsten nur seinen glatten, dicken Schwanz, der ihr körperlich guttut. Am liebsten hat sie es, wenn er sie auf den Bauch dreht und ohne viel Zögern von hinten in sie stößt, wie gestern Morgen. Sie schließt dann die Augen und sieht nur das Innere ihrer Lust. Sie mag es, wenn er sie dann hart nimmt und durch seine starken raschen Stößϐe ihr den Blick auf ihr eigenes Feuer ermöglicht, auf diesen schwarzroten Lavastrom tief unter ihrer kühlen weißen Haut. Sie schätzt es auch, wenn er es schweigend tut, wenn er nur noch ein geiler Mann ist, der sich in ihrer Möse seine Lust holt. Sie wird ganz saftig, wenn sein Schwanz wie ein Uhrwerk rasch hin und her gleitet. Sie könnte schnurren vor Wonne wie eine rollige Katze, wenn er sich in ihr heiß reibt. Sie wird gierig, wenn er kurz davor ist, die Kontrolle zu verlieren, wenn er schneller und schneller wird, wenn seine Hände sich auf ihre pressen und sie fast zerdrücken, wenn er ihr in den Nacken stöhnt und sein steifes Rohr nur noch hemmungslos in ihr Loch hineinhämmert ... Er kann so viele Dinge...
Anna seufzt. »Wir sollten ein Zimmer für Jules herrichten, was meinst du?«, fragt sie, weil Robert immer noch da steht, als könne er sich nicht eher wieder rühren, bis Jules endlich da ist. »Ich meine, wir könnten nach oben gehen und nach dem Rechten sehen ... wir könnten zu zweit ein Bett für ihn ausprobieren ... « Sie schaut ihn herausfordernd an. Wenn dieser zweiundzwanzigjährige junge Mann hier erst durch das Haus rennt, wird es mit dem schönen Mittagsfick zwischendurch vorbei sein. Deshalb wäre ihr jetzt ein letzter zärtlicher Austausch sehr willkommen. Wer weiß, wann sie wieder so ungestört sein werden, oder ob sie nicht schon morgen einen Grund findet, um abzureisen, damit die beiden das Familienleben genießen können.
Geschmeidig steht sie aus dem großen Sessel auf und geht auf Robert zu. Doch er macht keine Anstalten, ihr entgegenzukommen. Heißer Wind weht durch die Terrassentür, schlüpft wie ein dreister Liebhaber unter ihren Rock, streift ihre Muschi, gibt den würzigen Geruch ihrer nassen Spalte frei. Sanft drückt sie ihren warmen Körper gegen Roberts, schlingt einen Augenblick lang ihre Arme um seinen Hals. Sie kann wieder seinen Duft riechen, den Duft, den sie mag, der ihr vertraut geworden ist in den letzten Monaten. Robert raucht immer diese süßen Zigarillos, die nach Vanille riechen, und ein Hauch davon bleibt stets auf seiner Haut zurück und ein Hauch von Sandelholz, der sich deutlich abhebt von dem Duft des Rosengartens draußen.
Unter dem leichten hellgrünen Leinenkleid ist sie nackt, und sie weiß, dass Robert es sehr genau spürt. Ihre Brüste drängen sich gegen seinen Herzschlag, und ihre Möse, die feucht von der Hitze ihrer Gedanken ist, zuckt bereits hungrig.
Als Robert immer noch zögert, nimmt sie seine Hand und führt sie an ihren Schenkeln entlang bis hinauf zu ihrem Geschlecht. »O Anna, ich... « Roberts Finger reiben über die feuchte Spitze ihrer Klitoris. Die kleine Perle ist vor Erregung schon ganz hart, und Roberts Berührung löst ein wohliges Kribbeln in ihr aus, das sich von ihrer Möse über ihre ganzen Körper ausbreitet.
»Ich will es gleich hier... mit Blick auf das Meer«, flüstert sie.
Entschlossen löst Anna sich gerade so viel von ihm, dass ihre Hand den Reißverschluss seiner Hose erreicht und herunterziehen kann.
»Lass uns nach oben... «, murmelt er.
»Nein!« Geschmeidig gleiten ihre Finger in den Schlitz, bekommen den steifen Schwanz zu fassen und umschließen ihn fest. Robert stöhnt leise über ihr, als sie den Phallus behutsam ins Freie zieht. Sie liebt dieses Bild, dass ein Mann sie fickt, obwohl er eigentlich noch angezogen ist, dass nur sein Schwanz aus der Hose ragt, um sich rasch in sie hineinzupressen. Sie liebt das Gefühl, ihre nasse Pussy an dieser Hose zu reiben und hin und wieder sogar den Reißverschluss zu spüren.
Da lässt Robert sie los, will sich an ihren Brüsten zu schaffen machen, zerrt umständlich an den Trägern ihres Kleides. Doch sie will kein langes Geschmuse an ihren Brüsten, sie will auch nicht schweben, will sich nicht mehr ablenken lassen, sondern sie will dieses unglaublich starre Rohr in sich spüren, hier im Stehen, vor der offenen Terrassentür.
Der heiße Atem der Natur spielt mit ihrer Haut, als würden unzählige Hände sie berühren. Anna fühlt, wie ihre Ritze sehnsüchtig kribbelt, spürt unsichtbare Geisterlippen, die sich ihr nähern, die heiße Luft auf ihre nasse Spalte blasen. Das alles lockt sie in den Taumel der Lust. Der Wind bläht die Vorhänge erneut auf, der weiche Stoff berührt ihre Schultern, ihre Brüste, steigert damit ihre Gier, nackt zu sein, sich diesen Luftwirbeln auszusetzen, bis ihr ganzer Körper feucht wird unter der unbarmherzigen Hitze des Mittags ...
»Nimm mich«, stöhnt Anna, und einen Augenblick lang weiß sie nicht recht, wen sie eigentlich meint, den Wind, die Vergangenheit oder den Mann vor ihr. Die heißen Luftstöße verwirren sie, greifen immer wieder nach ihrem dürstenden Geschlecht, spielen ihren Sinnen einen Streich. Plötzlich ist sie innerlich viel zu nah an der Wüste, das geschieht manchmal, wenn sie zu sehr an Yakim gedacht hat. Dann kann sie das Wasser der Oase in sich rauschen hören, kann den Duft von Jasmin und den Pferden riechen, sie sieht, nein, berührt Yakims Schultern, nicht Roberts. Sie sieht Yakims dunkles, fremdes Gesicht, spürt seine Augen, die in sie dringen, die sie an sich ziehen.
Zu nah, zu deutlich ist das alles! Deshalb dreht sie sich rasch um, lässt das Kleid von ihren Schultern fallen und wendet Robert ihren nackten Hintern zu, damit sie weit draußen, hinter dem Garten, das Meer sehen kann. Das Meer bringt sie fort von dem blassen Gelb der Wüste, bringt sie fort von den verwehten Dünen in ihrem Inneren, von dem Sundsturm, der ihr die Luft zum Atmen nimmt. Das Meer mit seinem blauen Glanz bringt sie wieder zu Robert, dem sie ihre offene Ritze hinhält, jetzt, da er sie leicht nach vorn beugt, um besser in sie hineinzukommen. »O Anna, ich liebe es, dich zu ficken«, murmelt er in ihr Haar, und dann endlich genießt sie die heiße Spitze seines Stabes, die ihr nasses Fleisch berührt. Endlich stößt er in sie, schiebt den Schwanz in sie hinein, und sie fühlt an ihrer Möse das kalte Metall des Reißverschlusses. Ohne auf Robert Rücksicht zu nehmen, beginnt sie sich, gleich dem Wind, in warmen Wellen an seinen Körper zu pressen, beginnt sie sich selbst dem zuckenden Höhepunkt entgegenzutreiben.
Der Anblick ist widerlich ... Er hätte nie herkommen sollen!
Jules steht im Garten, verborgen hinter den Rosensträuchern, deren wilder Duft ihn wie Opium umnebelt. Das hat man nun davon, wenn man jemanden überraschen will und nicht an der Vordertür klingelt, denkt er und stellt den schweren Rucksack neben sich. Dabei hat er es sich so schön ausgemalt: In seiner Phantasie lag sein alter Herr zufrieden mit Zeitung und seinen Zigarillos hier im Garten in der Sonne, so wie früher. Stattdessen steht er jedoch gebeugt über dem nackten Körper einer rothaarigen Frau da und fickt sie!
Das von Geilheit gezeichnete alternde Männergesicht erschreckt Jules zutiefst. Es kommt ihm fremd vor. Es gleicht so gar nicht dem warmen, gütigen Gesicht seines Vaters, das er kennt. Es ist brünstig, maskenhaft. Der alte Herr scheint vor Lust fast zu sabbern.
Jules möchte sich am liebsten angewidert wegdrehen, aber etwas an dieser skurrilen Szene hält ihn fest.
Nachdem er zwei Jahre durch Australien getingelt ist, hat er Sehnsucht nach einem Stück Zuhause gehabt, nach einem stillen Sommer in der Provence, allein mit seinem Vater. Er hat ihm so viel zu erzählen, von dem roten Staub auf seiner Seele und von der Weite seiner Gedanken, von dem Salz der Wüste auf seiner Haut und dem Wissen um das immer wieder neu erwachende Leben. Mitten in Australien hatte er sich die sanfte südfranzösische Sonne herbeigewünscht, den Ausblick auf das satte Grün der Hügel und das Meer in der Ferne. Er hatte sich seinen Vater herbeigewünscht, um ihm zu erzählen, dass er nun endlich erwachsen geworden ist.
Doch was erwartet ihn? Das da!
Die Erkenntnis, dass sein Vater offensichtlich an den Erfahrungen seines Sohnes nicht interessiert ist und, statt sich auf das Kommen seines Sohnes vorzubereiten, lieber noch schnell eine Nummer schiebt.
Und für einen Augenblick fühlt Jules sich überhaupt nicht mehr erwachsen.
Der Körper seines Vaters ist schlank, wie er ihn in Erinnerung hat, doch dieses lüsterne, rasche Pumpen, mit dem er seinen Schwanz in die Frau hineinstößt, ist eine gänzlich fremde Bewegung, eine, die ein Vater nicht haben sollte. So verrückt der Gedanke auch sein mag, es ist eine Bewegung, die ihn, den Sohn, tief verletzt und fortstößt. Eine Bewegung, die aus dem Vater einen gewöhnlichen, notgeilen Mann macht!
Und dann diese Frau. Sie hat nichts von seiner Mutter, sie ist jünger und fremd. Ihre Brüste sind groß wie reife Äpfel und ihre Haut ist weiß und verletzlich. Das stört ihn. Sie ist ein Eindringling, sie verändert den Vater, verhext ihn, raubt ihn, auch wenn seine Eltern schon lange getrennt sind.
Jules fährt sich mit den Fingern durch das halblange Haar. Er weiß, dass es kindische Gedanken sind, schließlich ist er erwachsen. Jedenfalls hat er das geglaubt, als er vorhin an dem kleinen Bahnhof aus dem Zug stieg. Er hatte sich vorgestellt seinem Vater als Mann gegenüberzutreten. Immerhin ist er in Australien mit dem Indian-Pacific-Zug von Perth aus 4350 Kilometer bis Sydney gereist. Den größten Teil davon durch die Wüste.
Ja, er hat die Wüste gesehen mit ihren weiten Ebenen, den trockenen Gräsern und dem Wind, der wie ein geisterhaftes Wesen über die Unendlichkeit herrscht. Immer wieder ist er aus dem Zug gestiegen, ist tagelang herumgelaufen, hat sich gefühlt wie ein Adler, der kreisend in heißer Luft Ausschau hält. Er hat Durst und Hunger ertragen und eisige Nächte unter sternklarem Himmel verbracht. Oft genug waren es einsame Nächte gewesen, in denen er über sein Leben nachgedacht hat, Nächte, auf die wunderbare Sonnenaufgänge folgten in Farben, die er so zuvor noch nie gesehen hatte, von Tiefrot über Orange bis strahlend Gelb, von silbern metallisch bis sandfarben.
Schließlich war er in Sydney angekommen und hatte dort eine Weile in einer kleinen Café-Bar gekellnert. Dann ist er irgendwann zum Ayers Rock aufgebrochen, um ihn zu besteigen. Unentwegt ist er durch den Kontinent gezogen. Er hat Kängurus und weit im Westen Krokodile gesehen, er hat am Pazifik Wellenreiten gelernt und ist zwei Monate mit Cowboys durch die Steppe geritten. Zweifellos ist er also wohl jetzt ein Mann!
Aber dennoch kann er sich jetzt nicht dagegen wehren, dass dieser Anblick seines Vaters ihm weh tut und ihm das Gefühl gibt, wieder ein kleiner, dummer Junge zu sein.
Er schaut zu, wie die Bewegungen seines Vaters schneller werden. Der Körper der Frau ist so weiß und scheint vor Lust fast zu zerfließen in dem hellen Sonnenlicht. Ihr Gesicht ist ebenso verzerrt, wie das seines Vaters, von Lust gezeichnet, mit blutroten Lippen, die halb geöffnet sind, jetzt, da sie laut zu stöhnen beginnt. Ein Stöhnen, das, ob er will oder nicht, nach seinem Schwanz greift. Er versucht, sich zu konzentrieren. Versucht sich vorzustellen, wieder der Adler zu sein, der über allem kreist, der über der Wüste kreist, und er versucht klar zu denken, zu begreifen, was dort geschieht, nicht nur zu sehen und zu fühlen. Versucht es mit: Mein Vater fickt eine fremde Frau an einer offenen Terrassentür. Und: E s berührt mich nicht, es lässt mich kalt. Mein Vater ist erwachsen, er kann tun und lassen, was er will. Und ich auch.
Doch es gelingt ihm nicht. Die Luft ist nicht heiß genug, um seine geistigen Schwingen zu tragen, und das Stöhnen der Frau ist wie ein Tau, das ihn am Boden hält, das sich um seine Beine windet, an ihm zerrt. Schon ertappt er sich dabei, wie seine rechte Hand hinunter zu seinem geschwollenen Schwanz gleitet. Das Ding ist hart und steif und gierig. Am liebsten möchte er es der fremden Frau zur Strafe in den Mund stecken. Ja, diesen roten geilen Mund möchte er ihr damit stopfen, damit sie aufhört zu stöhnen, damit sie aufhört ihn zu locken, obwohl sie ihn doch gar nicht sehen kann.
Einen Moment lang spielt Jules die Szene in seinem Kopf durch, was geschehen würde, wenn er seinen großϐen Jonny aus der Hose herausließe und zu den beiden hinübergehen würde. Er könnte sagen: »Hey Paps, nette Braut, darf ich auch mal? «
Um ihn zu verletzen, so wie sein Vater ihn damit verletzt.
Ja gewiss, er könnte einfach so zwischen den Rosen hindurchgehen, dort drüben auftauchen und der Frau mit seinem Glied den Mund stopfen. Er kann geradezu fühlen, wie sich die feuchten roten Lippen um seinen Jonny schließen, wie sie ihn in den nassen Schlund saugen, wie ihre Zunge an ihm herumleckt und ihn umschlingt, wie sie ihn lutscht, wie ihr Kopf allmählich vor- und zurückgleitet. Sein Schwanz wird bei dieser Vorstellung noch härter, als wolle er gleich hier auf der Stelle platzen.
Ja, er sollte rübergehen und der Frau den Mund stopfen, vielleicht würde sein Vater dann verstehen, wie widerlich es ist, eine fremde Frau vor den Augen des Sohnes zu ficken.
Wieder weiß Jules, dass es unsinnige Gedanken sind, die ihm da durch seinen Kopf schießen, Gedanken, die ihn ebenso anwidern wie das, was er da drüben sieht. Warum kann er es nicht einfach hinnehmen? Von Mann zu Mann sozusagen. Verärgert will er sich umdrehen und später wiederkommen. Aber dieses Stöhnen, es macht ihn noch verrückt! Es hält ihn fest.
Nun beginnt auch noch sein Vater damit, immer schneller erregte Laute auszustoßen. Der ganze Garten scheint von dem Stöhnen widerzuhallen. Es ist, als wiegten sich die Rosen ringsum in dieser geilen Lust, und selbst das Summen der Bienen zwischen den zahllosen Blüten scheint plötzlich einen anderen Ton angenommen zu haben. Die Blätter schaukeln im Wind, berühren ihn zärtlich wie die Fingerspitzen einer Frau.
Er will das nicht!
Jules kämpft mit sich, er will einen klaren Kopf behalten. Um jeden Preis. Es soll ihm nicht noch einmal passieren, dass er den Kopf verliert, so wie damals auf der Party. Oh Gott, dass ihm diese Geschichte ausgerechnet jetzt einfallen muss. Wie gern hätte er sie für alle Zeit vergessen. Auch er hat sich einmal vergessen, war geil und gierig geworden, wie sein Vater da vorn und ist entschieden zu weit gegangen. So weit, dass er bis ans Ende der Welt gehen kann, in die Wüste Australiens, und doch nicht von ihr in Ruhe gelassen wird.
Sie hieß Melanie, und er hatte sie vor vier Jahren auf einer Party in Paris getroffen. Es war eine Party bei Freunden, das heißt eher so ein lockeres Treffen in einem dunklen Keller, der mit einer Bar und einem Haufen Matratzen ausgestattet war. Er weiß noch, es roch nach Bier, billigem Wein und Zigaretten. Die Musik von Pink Floyd kroch wie eine riesige schwarze Spinne durch den dämmrigen Raum und spann ein Netz, in dem der Weltschmerz einer ganzen Generation verwoben war. Einer Generation, der er nicht angehörte und die ihn trotzdem berührte. Er spielt selbst gern Saxophon. Ihm waren die traurigen, melancholischen Klänge nur allzu vertraut.
Melanie schien unberührt von all dem zu sein, unberührt von dem Bier, dem Wein, dem Rauch und dem Weltschmerz. Sie war einfach ein Mädchen mit langen, dunklem Haar, kleinen Brüsten und zarten Gliedern. Ihr Duft war frisch und verlockend gewesen, irgendwie roch sie nach Apfel und Vanille. Sie drehte lange Streifen aus Staniolpapier von Schokoriegeln, steckte sich die Enden in den Mund und tat, als ob es Zigaretten wären. Sie schlug auf dem Barhocker die Beine übereinander und pustete ihm lachend imaginären Rauch ins Gesicht. Sie trug rote Turnschuhe, Jeans und ein T-Shirt mit der Aufschrift Achtung zerbrechlich!
Er ist sicher, wäre er ihr letztes Jahr am Strand in der Nähe von Perth begegnet, er hätte dieses Mädchen lieben können. Stattdessen zog er sie damals unter dem Vorwand, mit ihr Tanzen zu wollen, in den dämmrigen Teil des Kellers, zog sie weg von der Bar und dem Licht, wo sie sicher gewesen wäre. Er tanzte mit ihr, und die dicke schwarze Spinne beeilte sich, ein Netz über sie zu werfen, sie aneinander zu fesseln mit seidenen Fäden der Lust. Es war das erste Mal, dass sein Körper dem einer Frau so nah gewesen war, und er wurde ganz kribbelig, als ihr weiches Haar über seinen Arm viel. Sein Herz klopfte so laut, dass er fürchtete, man könne es im ganzen Raum hören. Tausend Bienen summten in seinem Bauch, und er hatte Mühe einen klaren Gedanken zu fassen, genau wie jetzt.
Sein Schwanz wurde unterdessen härter und härter. In dem Bewusstsein, endlich wirklich etwas mit einem Mädchen zu haben, wurde seine Lust fast unerträglich. Er hatte ihren zarten Körper gegen seinen gedrückt, hatte die Beule in seiner Hose gegen ihren Schamhügel gerieben. Schließlich war es ihm gelungen, sie mehr oder weniger zärtlich auf die Matratze zu bugsieren. Dann geschah das Entsetzliche! Wie gern würde er all das vergessen. Aber das Bild seines Vaters, wie er dort an der Terrassentür immer wilder in die Frau hineinstößt, wie er ihre Apfelbrüste von hinten umgreift, und das summende Stöhnen des Gartens führen ihm alles wieder lebendig vor Augen.
Tatsache war, dass er sich plump wie ein Affe an das Mädchen herangemacht hatte. Ohne sie zu küssen oder zu streicheln, hatte er ihr einfach die Hose aufgemacht und war mit seiner Hand sofort unter ihren Slip geglitten. Ihr Geschlecht, das wird er nie vergessen, war klein und eng und ganz offensichtlich noch nicht bereit gewesen. Vielleicht war sie auch nur über seine ungestüme Art erschrocken und verweigerte sich ihm. Aber er vereitelte ihren zaghaften Versuch, aus der Falle wieder herauszukommen, indem er einfach weitermachte und mit den Fingerspitzen über das fremde, noch ganz trockene Gelände tapste wie ein dreister Eindringling. Er fühlt noch jetzt deutlich ihre Hände auf seiner Schulter und dass sie ihn eigentlich von sich wegdrücken wollte, deshalb hatte sein Gehirn ihn zur Eile gemahnt. Er konnte in dem Moment nur an sich denken. Was war er für ein widerlicher Egoist gewesen!
Und dann hatte er auch noch seinen Schwanz herausgeholt und sie aufgefordert, ihn zu lutschen. Und sie war ein braves, folgsames Mädchen und war ohne zu zögern an ihm heruntergerutscht und hatte seinen Phallus in den Mund genommen. Es war das erste Mal für ihn gewesen, und er hätte in dem Augenblick jubeln können, als ihre nasse Zunge auf seinem Penis auf und ab geglitten war. Ihre Lippen waren wie seidige Bänder gewesen, die aus seinem Stab etwas Besonderes machten, sie war, im Gegensatz zu ihm, sehr behutsam mit ihm umgegangen, als wäre er wirklich etwas Besonderes für sie. Sie hatte erst die Spitze geleckt und dann nach und nach versucht, den ganzen Stab zu schlucken. Sie war zärtlich und ihr Speichel warm und glitschig. Doch ehe er wusste, was geschah, war es schon zu spät. Ohne Warnung war seine angestaute Ladung in ihrem Mund explodiert.
Angewidert war sie aufgesprungen und weggelaufen. Er hatte sie niemals wieder gesehen.
Warum zur Hölle fällt ihm das alles jetzt wieder ein?
Er weiß es, wegen der Rothaarigen, weil er ihn ihr in den Mund stecken will. Jahrelang hat er sich Phantasien dieser Art verboten, er wollte sich nicht als Versager fühlen, doch diese stöhnende Frau mit ihrem welligen roten Haar und den ebenso roten Lippen, sie verführt ihn dazu.
Sein Rohr ist dick wie eine Kanone und genau wie in dem Partykeller kurz vor der Explosion.
Er will das nicht. Er will einen klaren Kopf behalten. Nie wieder soll eine Frau angewidert weglaufen ... Zornig holt er seinen Schwanz heraus und reibt ihn rasch ein paar Mal, nur zur Beruhigung, wie er sich sagt, aber natürlich wird dadurch nichts besser.
Im Gegenteil, sein Wunsch, ihn der fremden Frau in den Mund zu stoßen, wird immer heftiger. Wütend über seine Schwäche reibt er über seinen Steifen. Er hat das Gefühl, ein Schwein zu sein, weil er zwischen ihre Zähne will, weil er ihre Zunge spüren will und ihn ihr bis zum Rachen reinjagen will. Diese Frau mit ihrer obszönen Art, sich ficken zu lassen, verwandelt ihn wieder in das egoistische Schwein, das er nicht sein will. Wenn er das zulässt, ist er nicht besser als sein Vater.
Dafür muss sie bezahlen, sie allein trifft die Schuld! Sie muss seinen Vater zu dieser Perversion verführt haben. Wie auch Melanie dem Treiben damals keinen Einhalt geboten hat. Sie hätte anständig sein müssen, hätte ihn kräftig wegstoßen müssen. Nur so hätte er rein bleiben können.
Sein Vater ist früher nie besonders freizügig gewesen, schon gar nicht ist er ein geiler alter Bock gewesen, der lüstern seinen Schwanz in eine zitternde Pussy quetscht, und er, Jules, ist niemand, der ein wehrloses Mädchen zwingt, ihm den Schwanz zu lutschen.
Es waren die Frauen, die einen dazu brachten!
Dafür wird er sich rächen. Seine Hand gleitet nun schneller über seinen Schwanz. Er wird die Frau in die Knie zwingen, vor sich, und ihr den Jonny bis zum Anschlag zwischen die Lippen pressen. So wie sie aussieht, mit ihrem wippenden Hintern, der wie ein großer weißer Ball auf dem Schwanz seines Vaters auf und nieder hüpft, und den sich immer weiter öffnenden Lippen in ihrem viel zu weißen Gesicht, wird es bestimmt nichts Neues für sie sein, einem Mann einen zu blasen. Sie hat gewiss schon oft die Zunge mit heißem Saft poliert bekommen, sie wird es gut können, und deshalb wird er ihr den Schleim auch nicht auf die Zunge spritzen, wie sie es wahrscheinlich erwarten wird, nein, sondern mitten in dieses fremde Gesicht wird er spritzen, in das vor Geilheit abstoßende Gesicht, dass ihr die Soße über den verdammten wollüstigen Mund fließt und über die Augen, die nichts zu sehen scheinen, sondern immerzu nur auf das Meer hinausstarren. Oh ja, mitten ins Gesicht wird er ihr spritzen, um sie zu erniedrigen, um ihr klar zu machen, dass sie nicht ungestraft seinen Vater in ihre Möse lässt, dass sie ihn nicht ungestraft verführt. Um ihr klarzumachen, dass sie seinen Vater nie mehr ficken wird.
Jules’ Hand auf seinem Rohr wird immer schneller, und er hasst sich dafür, hasst seinen Vater für das, was er ihm da gerade antut. Deshalb schiebt er ihn in seiner Phantasie auch weg von der Frau, schiebt ihn fort und fickt die Frau nun selbst, stößt ihr seine Kanone in die Möse, reibt immer schneller, er will es seinem Vater zeigen, will ihm zeigen, wie es richtig geht, wie man es einer solchen Frau besorgt, er will ihm klarmachen, dass er es besser kann, und plötzlich weiß er, wie sehr er seinen Vater schon immer gehasst hat.
Nein, nicht immer, aber von dem Tag an, als er fortging und ihn mit der Mutter allein ließ. Von dem Tag an ... ja, als sein Vater fortging, um solche rothaarigen Weiber die nasse Grotte zu stopfen und vollzuspritzen, von dem Tag an hat er ihn heimlich zur Hölle gewünscht.
Sein Vater drüben auf der Terrasse pumpt nun immer schneller, er stöhnt noch einmal heftig und beendet den ganzen Spuk mit einem lauten, animalischen Schrei und einem verzerrten Gesicht, als hätte er seit Tagen Verstopfungen.
Jules lässt seinen eigenen Schwanz augenblicklich voller Ekel los.
Nein! Bis hierhin und nicht weiter! Der Weg seines Vaters ist noch nie seiner gewesen, und damit der alte Herr das endlich kapiert, ist er vor zwei Jahren nach Australien gegangen. Und Jules hat sich dort verändert. Er ist eisern entschlossen, er wird nicht dem Rausch der Lust verfallen, der Ehen zerstört und junge Mädchen unglücklich macht. Er ist nicht so schwach wie sein Vater. Auch wenn er die Zähne zusammenbeißen muss, so steckt er doch den bebenden harten Stab jetzt zurück in die Hose.
Die Frau drüben ist nicht gekommen, das kann er an ihrem Gesicht sehen. Eigentlich ist es ein schönes Gesicht, jetzt, da sich ihre Züge wieder glätten. Ein Gesicht, das nun von einem Anflug von Trauer überzogen wird.
Jules bückt sich und nimmt seinen Rucksack wieder auf und wendet sich ab. Er will nicht sehen, wie sein Vater mit erschlaffendem Glied ins Badezimmer geht. Er hat mehr als genug gesehen. Auf den Urlaub hier ist er nicht mehr scharf. Am Abend fährt ein Zug zurück nach Paris, den wird er nehmen. Er wird weiterfliegen, rund um die Welt. Woandershin. In eine andere Wüste. Vielleicht in die Sahara. Mal sehen. Aber mit seinem Vater ist er fertig. Vorerst jedenfalls!
»Ich verstehe das nicht. Er müsste längst hier sein.«
Anna beobachtet, wie Robert von der Haustür zurückkommt, ohne sie anzusehen. Seine Hose sitzt schon längst wieder perfekt, als wäre nichts geschehen, als wäre alles in Ordnung zwischen ihnen, als wären sie wirklich ein Paar, das gemeinsam den Sohn erwartet. Doch er sieht sie nicht, will nicht sehen, dass es nicht wahr ist, dass sie ihm in ihrem Innern nicht gefolgt ist, sondern aufgewühlt am Rande einer Wüste auf und ab läuft, auf der Suche nach ... Ja, nach was? Nach dem, was sie damals dort verlor?
»Das ist typisch, er hatte schon immer seinen eigenen Kopf. Jules macht immer, was er will«, murmelt Robert und unterdrückt die Enttäuschung in seiner Stimme. Seine Hand greift nach der Flasche Rotwein. Er schenkt sich ein Glas ein.
Männer machen immer was sie wollen, wenn sie jung sind, denkt Anna und muss unmerklich lächeln.
Wie einfach alles ist, wenn man es aus der Wüste heraus betrachtet. Yakim war auch Anfang zwanzig damals. Da gehen junge Männer immer ihren eigenen Weg, und sie scheinen so gänzlich unberührt von dem, was sie zurücklassen. Sie ändern plötzlich, einfach so, die Richtung, nehmen einen anderen Weg, einen der ihnen gut tut. Ohne zu fragen. Sehen stets nur ihren eigenen Weg.
Und Robert ist in der Hinsicht nicht anders als diese jungen Männer. Jetzt, da sie geduscht hat und wieder Unterwäsche unter ihrem Kleid trägt, kann sie deutlich genug fühlen, wie sehr er sie bereits zurückgelassen hat und nur seinen Weg geht, den er ihr schmackhaft machen will, den er ihr verkaufen will wie eine verlockende Pauschalreise: Du wirst es mögen, das Haus, das Grün, die Sonne, die Provence, du wirst es lieben, den Sohn und mich dazu.
So lautet seine Zauberformel für ihr glückliches Leben. So hat er es sich vorgestellt. Doch das Dumme ist, ihr Leben kommt darin nicht vor! Er geht seinen Weg, nicht einen gemeinsamen, und ihren schon gar nicht. Sie hört nie die Frage: Gefällt es dir? Nein, Robert geht davon aus, dass sie sich in seinem Leben wohl fühlt.
Das Glas Wein bleibt unberührt, stattdessen beginnt Robert nervös auf und ab zu gehen, als wäre sie gar nicht da. In seiner Ungeduld erkennt sie ihre eigene wieder, jene, die sie vor zwanzig Jahren in der Wüste hatte. Sie kann ihm den Schmerz nachfühlen, sie weiß, wie es ist, wenn jemand, den man liebt, plötzlich wieder einmal die Richtung ändert. Sie weiß, wie es ist, wenn man von jemandem zurückgelassen wird.
Einen Tag und eine Nacht hatte sie in dem Zelt am Rande der Wüste ausgeharrt und auf Yakims Rückkehr gewartet. Sie war in der Oase zwischen den Palmen hin und her gelaufen, sie hatte an dem kleinen Bach gesessen und Schutz vor der Hitze gesucht, die ihre Haut allmählich rötete. Erst als am Morgen des zweiten Tages der Wind von den Dünen herabwehte, begriff sie, dass es ein endgültiger Abschied war und dass er sein Leben anders leben würde, ohne ihres noch einmal zu berühren. Sie wusste, als die Sonne bei Morgengrauen den Sand unter ihren Füßen wieder in Brand setzte, dass sie dort an dieser Stelle hätte sterben können, ohne dass es Yakim bewogen hätte, zurückzukommen.
Da erst hatte sie dem Beduinen erlaubt, sie mit dem Jeep in die Stadt zu bringen.
Anna schaut Robert zu, wie er zum fünften Mal zum Handy greift und Jules’ Nummer wählt. »Er hat doch geschrieben, dass er am Nachmittag kommt, und jetzt ist fast schon Abend. Vielleicht ist er aufgehalten worden.« Er klingt niedergeschlagen. Er ist in diesem Augenblick wie sie: einer, der verlassen wurde, von jemand, den er liebt. Und wie seltsam: Gerade dadurch könnte sie ihm nun nah sein. Wirklich nah.
Doch das sieht er nicht, weil er gefangen ist in seiner eigenen Wüste und sie nicht mehr wahrnimmt. Für ihn zählt nur noch sein Schmerz. Deshalb wird es Zeit für sie. Zeit zu gehen, bevor er noch mit einem unbedachten Blick erkennt, wie es um sie steht, und er versehentlich in ihr Innerstes hineingerät! Denn sie will keine Liebe, nie mehr. Das hat sie sich geschworen. Nur noch Sand, der durch die Finger rieselt.
Nur noch Sand.
Sie wird die drei Kilometer zu Fuß zum Bahnhof gehen, sie braucht nicht viel, eine Handtasche, Papiere, Geld. Vielleicht hat sie Glück und heute Abend fährt noch ein Zug.
Robert kann den Rest ihrer Sachen mitbringen, wenn er in ein paar Wochen mit dem Wagen nach Hause fährt. Wenn er vielleicht wieder klarer denken kann, wenn er sich an den Schmerz gewöhnt hat und nicht wie jetzt voller Ungeduld die Terrassentür aufreißt und durch den Garten spaziert, als würde Jules sich da draußen irgendwo verstecken.
Jules traut seinen Augen nicht, auf dem leeren Bahnsteig steht plötzlich die rothaarige Frau, mit der sein Vater... Nein, das kann sie nicht sein! Oder doch? Ihre Bewegungen sind fließend und anmutig. Jules will eigentlich nicht hinsehen, doch die Neugier überwiegt. Er schaut zu, wie sie dort am Automaten eine Fahrkarte kauft, für den Zug nach Paris. Warum tut sie das? Wollte sein Vater am Ende doch mit ihm allein sein, hat er sie weggeschickt? Ihre Augen sind traurig genug dafür.
Jules lehnt sich wieder an seinen Rucksack. Das Leben ist wirklich verrückt, denkt er, manchmal hängt alles irgendwie an einzelnen Augenblicken. An Sekunden, die alles entscheiden. Er überlegt, was wohl gewesen wäre, wenn er wirklich erst am Nachmittag aufgetaucht wäre? Wenn sein Vater ihn allein erwartet hätte, um mit ihm die Ferien zu verbringen, um mit ihm segeln zu gehen, und er ihm von Australien erzählt hätte ... Sein Blick tigert wieder unruhig zu der Frau hin.
Aber vielleicht war es auch alles ganz anders, vielleicht taucht sie einfach hier auf, weil sie seinen heimlichen Ruf gehört hat. Denn wenn er sie auch hasst, weil sie mit seinem Vater so schamlos gefickt hat, so ist seine Erregung, die er durch ihren nackten Anblick genossen hat, noch immer ein Teil von ihm. Einen Augenblick lang bereut er, die Sache nicht zu Ende gebracht zu haben, denn wenn er abgespritzt hätte, wäre die Frau wahrscheinlich längst aus seinen Gedanken verschwunden.
Unsinn! Bei Melanie hatte er auch abgespritzt, hatte ihr sogar die ganze Ladung in den Mund gespritzt, und nichts hatte er davon vergessen.
Nein, er will nicht über sie nachdenken. Er ist anders als sein Vater. Er hat die Sache im Griff, er ist nicht wollüstig, er macht sich nicht noch einmal zum Affen für eine nasse Möse.
Trotzdem riskiert er noch einen letzten Blick. Wider Erwarten trägt sie flache, bequeme Schuhe aus weichem Leder und eine Jeans. Das hatte er ihr nicht zugetraut. Es macht sie ihm unwillkürlich ein klein wenig sympathischer, denn er mag Frauen, die normal gehen können, die eigene Wege gehen, auf eigenen Beinen, und nicht auf hohen Hacken am Arm eines Mannes durchs Leben stöckeln.
Ihr rotes Haar steckt in einer Samtmanschette und schimmert wie dunkler Wein in dem sanften Abendlicht, das von den Bergen herüberscheint. Er schaut ihr ins Gesicht. Die dunklen Augen sind mit grünem Lidschatten umrandet und ihre Lippen wirken jetzt alles andere als obszön, sondern nur fraulich und weich. Ihm fällt auf, dass sein Vater diese Frau nicht geküsst hat, vielleicht liebt er sie überhaupt nicht, vielleicht ist sie nichts weiter als ein lächerliches Abenteuer. Ja, so muss es sein, warum sonst hätte sein alter Herr sie nur von hinten genommen, ohne ihr ins Gesicht zu sehen. Denn wenn er ihr ins Gesicht gesehen hätte, hätte er wissen müssen, wie empfindsam sie ist.
Andererseits wäre es auch möglich, dass sein Vater die Traurigkeit in ihren Augen kennt und sie nur nicht an sich heranlassen will. Jules überlegt, ob sein Vater seine Mutter jemals wirklich angesehen hat, aber er kann sich nicht erinnern, dass die beiden sich in seiner Anwesenheit geküsst hätten, und er überlegt, ob er jemals ein Mädchen richtig angesehen hat. Richtig angesehen!
Sicher, er war der Meinung gewesen, als er sich in Tanja verliebt hatte, sie richtig zu sehen. Er hatte ihr rote Rosen geschenkt, hatte ihr die Blumen ans Auto gebunden, weil er zu wissen glaubte, dass sie rote Rosen mochte, wie alle Mädchen. Er hatte ihren süßen Körper begehrt, die zarten mädchenhaften Rundungen, vielleicht weil sie ihn mit ihrer Art, wie sie Schokolade aßϐ, wie ein kleines Kind, das viel zu große Stücke nahm, an Melanie erinnerte. Er hatte nachts unter ihrem Fenster Wache gehalten, hatte von ihr geträumt, wie sie sich für ihn auszog. Er hatte sich bei Tanja vorgenommen, alles anders zu machen, er hatte sich Zeit lassen wollen, und sie hatte dafür einen anderen geküsst, einen, der sich keine Zeit ließ, einen, der Rosen kitschig fand und der eine Harley fuhr.
Da war er nach Australien gegangen, um die Dinge richtig zu sortieren, um Abstand zu gewinnen. Um sich vom Aufwind tragen zu lassen wie der Adler in der Wüste, der die ganze weite Ebene überblickt ... Doch im Augenblick ist er nicht sicher, wenn er diese Frau anschaut, ob es wirklich so etwas wie Überblick gibt. Hatte er nun also bei Tanja wirklich etwas übersehen, oder ist es einfach immer so, dass Liebe nie gleich Liebe ist, dass jeder immer nur seine eigene Liebe hat? Unabhängig von den anderen.
Vielleicht sollte er die Frau einfach fragen, sie scheint schließlich Ahnung von der Liebe zu haben. Ihre Augen, ihre Lippen, ihre Schultern erzählen davon.
Nanu, was ist jetzt los? Die Frau schaut ihn an, durchdringend, suchend, als ob sie wüsste, wer er ist. Aber nein, das ist unmöglich, woher sollte sie das wissen? Sie hat ihn nicht gesehen, als er im Garten war, die Rosen haben ihn gut verborgen. Aber vielleicht hat sein Vater ihr Fotos von ihm gezeigt. Doch er weiß nicht, ob sein Vater überhaupt Fotos von ihm hat, solche Dinge interessieren seinen alten Herrn nun mal nicht. Für ihn zählt nur sein eigenes Leben. Das hat er heute wieder nur allzu deutlich gesehen.
Ihre Augen haben sich nun abgewandt, und es ist ihm unangenehm sich einzugestehen, dass es ihm gefallen hat, wie sie ihn angeschaut hat. Es war eine Frau, die einen Mann ansieht, nicht einfach nur einen Jungen. Nein, er täuscht sich nicht, sie hat den Mann in ihm gesehen.
Aber jetzt starrt sie die Gleise entlang, die wie Silberfäden in der Ferne verschwinden. Ihr Blick ist dabei so verloren, als würde nichts, was sie anschaut, in ihrem Innern haften bleiben, sondern als müsste alles fortziehen, auf Gleisen, die sich am Horizont verlieren.
Plötzlich hat er Angst, dass auch er in ihren Augen nichts bedeuten könnte. Er fürchtet, dass sie ihn mit diesem haltlosen Blick übersehen könnte, obwohl sie beide hier allein auf diesem Bahnsteig sind. Unterwegs, um dem Leben eine neue Richtung zu geben. Deshalb lächelt er jetzt offen, als sie erneut, diesmal nur flüchtig, zu ihm herüberschaut. Er lächelt so, wie er seinen Vater nie anlächeln könnte, oder seine Mutter, mit einem Lächeln, das eine Bitte ist. Die Bitte – ihn zu lieben.
Wirklich zu lieben!
Anna hört Sylvias Stimme in ihrem Kopf. »Eines Tages wird dir einer von den schönen Jungs noch mal das Genick brechen. Such dir endlich was Passendes.« Wie oft hat ihre Schwester das schon gesagt. Genau genommen sagt sie es immer, wenn sie sich wiedertreffen. Sie, die immer alles im Griff hat, die glücklich verheiratet und erfolgreich im Beruf ist, die ein kleines Chateaux ihr Eigen nennt und wahrscheinlich auch noch Zeit für ein wenig Amüsement findet, ohne dabei je die Kontrolle zu verlieren – sie hat leicht reden. Such dir endlich was Passendes! Für Sylvia ist das Leben immer einfach gewesen, es ist auf sie zugekommen, sie hat dem Leben nie hinterherlaufen müssen.
Schön. Sich etwas Passendes zu suchen, das hat sie ja mit Robert versucht. Aber es ist schiefgegangen. Aber den süßen Jungen hier, schickt den jetzt nicht der Himmel?
Ein hübsches Gesicht, umrahmt von sandfarbenen Locken, die bis zur Schulter reichen, eine edle gerade Nase, volle Lippen, und mit Augen, als habe er sie direkt aus dem Meer gestohlen. Seine langen Beine in der engen Jeans, ein halb offenes Hemd über der sonnengebräunten Brust. Ein Herzschlag, dem sie zuschauen kann, wildromantisch und verführerisch.
Wahrscheinlich ist er nun, halb so alt wie sie und schaut sie trotzdem so an, als habe er sie schon zigmal nackt gesehen, fast herausfordernd. Das ist keck! Aber manchmal wissen diese Jungs auch noch nichts von ihren geheimen Fähigkeiten, sich eine Frau gefügig zu machen. Genau wie dieser hier, der mit seinen Augen über ihre Lippen, ihren Hals und ihre Brüste spaziert wie jemand, der das alles für sich in Anspruch nimmt. Wenn er auch nur ahnen würde, wie hungrig sie ist, würde er vielleicht vorsichtiger sein, mit seinem Lächeln und der Lust, die daraus spricht.
Und jetzt fährt er sich auch noch mit den Fingern durch das Haar, die hellen Locken fallen wie eine sündige Aufforderung über seine Schultern. Er leckt sich über die Lippen, stellt die Beine ein wenig auseinander. Sie kann die Beule in seiner Jeans deutlich erkennen.
Lange war sie nicht so nah dran, auf ein Spiel einzugehen. Das letzte Mal hat sie so etwas vor zwei Jahren gemacht. Der Junge war ihr damals sprichwörtlich vor die Füße gefallen ... mit dem Fahrrad. Er konnte ihr an einer Ecke nicht rechtzeitig ausweichen.
»Das kann auch den Geschicktesten passieren, dass man plötzlich nicht mehr ausweichen kann«, hatte er gesagt. »Selbst wenn man es möchte.«
Er hieß Tom und hatte ein Lächeln gehabt wie dieser hier, herausfordernd und voller Neugierde. Sie hatte ihn mitgenommen, und die ganze Nacht waren sie immer und immer wieder zärtlich und wild zusammengestoßen, wie er es nannte. Sein Schwanz war wie eine zartrosa Zuckerstange, die sie voller Hingabe gekostet hatte, mit der Zunge war sie daran entlanggefahren, hatte sie in den Mund genommen, hatte daran gelutscht und das Teil so tief geschluckt, wie es nur ging, bis Tom leise zischende Geräusche von sich gab und über ihr zu keuchen anfing. Doch er hatte ihr bereitwillig gezeigt, was man mit dieser süßen Stange noch alles tun konnte, die sie sich in allen Positionen gewünscht hatte. Er war wie ein Stehaufmännchen, das unersättlich war, das ihre Möse immer und immer wieder mit seinem Schleim vollspritzte, dass er in warmen Wellen wieder aus ihr herausfloss. Sie hatten es sogar morgens unter der Dusche getrieben. Beim Frühstück hatte er ihr die Muschi geleckt. Sie hatte vor Wonne noch lange mit weit gespreizten Beinen auf dem Küchenboden gelegen, als er schon längst verschwunden war.
Das Nette an diesen Jungs ist, dass sie mit ihren schmalen Händen und den festen, harten Schwänzen Yakim wirklich vergessen lassen. Bei diesen Jungs ist sie frei von allem, als wäre nie etwas geschehen. Die feuchtwarmen Küsse auf ihr Geschlecht, die nassen Zungen in ihrer Spalte schicken sie höchstens in den Dschungel, in dunkle, grüne Höhlen, die nass und saftig sind, in denen es nach wilden Orchideen riecht, wo grüne Schlingpflanzen wuchern, die sich um ihren Leib ranken. Nichts erinnert sie bei diesen Jungs an die Wüste. Und so kann sie sich diesen üppig wuchernden Schlingpflanzen gefahrlos hingeben, ohne sich zu verbrennen, ohne über flirrende Hitze und Sand nachdenken zu müssen.
Aber dieser Junge hier auf dem Bahnsteig ist anders. Er scheint nicht nur zu spielen, seine Augen sind lüstern, doch auch traurig, wie jemand, der umarmt werden möchte, der gehalten werden möchte. Genau wie bei Yakim, der geliebt werden wollte und dann diese Liebe mit sich fortnahm.
Verdammt! Sie hätte es vorhin wie gewöhnlich unter der Dusche mit sich selbst beenden sollen, hätte ihre Finger sanft in ihre Grotte schieben sollen, während der warme Duschstrahl auf ihre Möse zielte. Sie liebt es, sich dem Wasser hinzugeben, sich dem lustvollen Plätschern auszuliefern, während sie sich ihre Finger hineinstößt. So etwas in einem duftenden schönen Bad zu tun ist fast so gut, wie mit einem dieser schönen Jungs zu schlafen. Es ist fließend und berauschend, rein und nicht belastend. Es bleibt nicht an einem haften wie der Staub aus der Wüste, es ist nichts, was einen verbrennt, und wenn sie es vorhin getan hätte, würde sie nun nicht Gefahr laufen, in diese süße Falle zu gehen, die der Junge ihr stellt.
Denn der junge Mann hier ist verdammt raffiniert mit diesem einsamen, sehnsüchtigen Augenaufschlag. Schwarze, dichte Wimpern über dem zarten Blau der Augen. Da, jetzt leckt er sich wieder über die Lippen, lässt sie seine Zunge sehen, als würde er über himbeerfarbene Seidenbänder streichen, lustvoll. Sie kann seine Zungenspitze bereits auf ihrem Mund fühlen. Sie möchte ihn küssen, wie sie lange nicht mehr geküsst hat. Aber das reicht ihr nicht. Sie spürt das süße, nasse Fleisch auch auf ihrer Möse, fühlt, wie es sich in warmen Wellen auf ihrem Geschlecht ausrollt, wie er sie leckt und säubert, wie er den Saft aus ihr herausschlürft. Seine Lippen scheinen an ihrer Muschi zu saugen, scheinen sie ganz in den Mund zu nehmen. Sein Blick bestätigt nur ihre Phantasie, vielleicht weiß er doch mehr von Frauen, als sie ihm zutraut.
Anna gleitet mit dem Blick an ihm herab, erkennt die dicke, harte Wölbung vorn in der Hose und weiß, dass sie kurz davor ist, schwach zu werden. Warum auch nicht? Sich diesem Jungen hier auf den Schoß zu setzen, könnte aufregend werden, wenn sie einen Rock anhätte. Wenn sie, wie heute mit Robert, einfach ein dünnes Kleid anhätte und es nur ein wenig anzuheben bräuchte, um ihm ihre Pussy auf den Ständer zu stülpen. Was wäre schon dabei? Er hat gewiss einiges zu bieten, und ja, sie will ihn reiten, will den Stab in sich versenken, will die Grotte daran entlangfahren, bis sich ihre Säfte vermischen.
Sein Blick kreuzt ihren, und sie erschrickt unter dem plötzlichen Ansturm dieser blauen Seen, die sich aufgewühlt über sie ergießen. Sie versteht es nicht, woher diese Leidenschaft kommt, noch dazu in dieser Heftigkeit. Sie weiß nur, dies hier könnte wirklich gefährlich werden. Ihr Blick gleitet weiter an ihm herunter und bleibt an seinen Schuhen hängen. Das ist eine Marotte von ihr, sie schaut immer auf die Schuhe. Sie verraten einem manchmal viel über ihren Besitzer. Der Junge trägt feste, geschnürte weiße Leinenturnschuhe, auf denen ein kaum sichtbarer rotgelber Staubrand liegt.
Anna fühlt, wie ihr Herz klopft. Nein, sie täuscht sich nicht. Zu genau kennt sie diese Zeichen. Der Junge war in der Wüste, er kennt das gelbe Sandmeer, die rötlich schimmernden Felsen, die wie Zeigefinger in die Luft ragen, er kennt die Hitze, die wirkliche Hitze! Er kennt den Atem der Sonne. Diesen Staub würde sie unter Hunderten erkennen, weil ihre Seele darauf reagiert.
Das ist es also! Das ist es, warum er ihr so gefährlich erscheint.
Sie dreht sich um. Es ist viel zu heiß, um sich auf so etwas einzulassen. Sie muss vernünftig sein. Sie ist zu durstig, nah dran zu verdorren, und er ist keine Oase. O nein! Nur eine Fata Morgana, der zu folgen sie ins Nichts führen würde ... in gänzlich unlebbare Leere.
Entschlossen dreht sie sich um und verlässt den Bahnsteig. Der Zug kommt erst in einer Dreiviertelstunde, der Lavendelduft draußen wird sie ein wenig beruhigen, wird sie daran erinnern, dass sie in Südfrankreich ist, dass sie vierzig Jahre alt ist ... und nicht zwanzig, wo man sein Herz noch leichtfertig verschenkt und dann ein Leben lang dafür braucht, um es wieder zurückzubekommen.
Nein, sie ist vierzig, wo man die Sache unter Kontrolle haben sollte.
Sie muss Wasser auftreiben. Wasser wird sie kühlen, wird sie daran erinnern, dass die Wüste weit fort ist, auch wenn sie im Augenblick umkommt vor Hitze.
»Warte! Wo willst du hin? Du kannst nicht einfach weglaufen, nicht einfach so, als wäre nichts zwischen uns!«
Robert ist froh, Anna noch vor dem Bahnhof anzutreffen. Er hat ihren Zettel auf dem Bett gefunden. Den Zettel, auf dem steht, dass sie abreist und ihm alles Gute für sein weiteres Leben wünscht. Nichts davon versteht er.
»Was tust du hier?«, Anna scheint nicht sehr erfreut darüber zu sein, ihn zu sehen. Hat sie wirklich geglaubt, er ließe sie so einfach gehen?
Sie geht weiter, an ihm vorbei, weiter zum Rand der Lavendelfelder. Sie scheint aufgeregt zu sein, ihre Wangen haben einen rosafarbenen Hauch, den er nicht an ihr kennt, und ihr Atem geht schneller als normal. Ihre Schritte sind fest und entschlossen, sie läuft vor etwas davon, denkt er und wird vorsichtig. Wer weiß schließlich schon immer, was in einer Frau vor sich geht. Ist wirklich er es, vor dem sie flieht?
Sekundenlang überlegt er fieberhaft, ob er heute etwas falsch gemacht hat, etwas, was sie beleidigt oder verletzt haben könnte, doch ihm fällt nichts ein. Er hat ihr sogar das Frühstück ans Bett gebracht ... Verstehe das wer will! Es ist ihm zu hoch. Das Einzige, was ihm einfällt, ist Jules. Klar, er hat sich gefreut, dass der Junge kommen will. Es ist schließlich eine Weile her, dass sie sich gesehen haben. Aber nur, weil er sich Sorgen um Jules gemacht hat und ein bisschen unruhig im Haus herumgelaufen ist, muss sie doch nicht gleich abreisen, muss sie doch nicht eifersüchtig sein! Für so kleinlich hätte er sie eigentlich nicht gehalten. Aber es ist die einzig logische Erklärung, die ihm einfällt.
»Ich muss mit dir reden«, sagt er und will sie am Arm berühren, doch dann lässt er es. Sie ist plötzlich so unnahbar, wie hinter einer Wand aus Glas. Mit hochgezogenen Schultern, als würde sie in dieser Hitze frieren, schaut sie über das fliederfarbene Feld hinweg.
»Es war doch alles so schön.« Robert versucht es mit leiser Stimme, spricht wie mit einem verängstigten Kind.
Aber sie schweigt.
All die Monate, die sie jetzt zusammen waren, war sie die perfekte Frau. Schön, anschmiegsam, lustvoll. Nie hat sie ihm eine Szene gemacht, er kennt so etwas nicht an ihr. Wer hätte das ahnen können, dass sie auf einmal eifersüchtig reagiert. Noch dazu auf Jules! Auf eine andere Frau, dass hätte er ja noch verstehen können, aber so? Es ist doch alles zwischen ihnen in Ordnung gewesen. Sie haben wunderbaren Sex gehabt. Selbst heute noch! Weiß sie denn nicht, dass er ihren Körper begehrt? Ist er nicht aufmerksam genug gewesen, hat er es ihr nicht deutlich genug gezeigt. Für ihn müsste es ein so langes Vorspiel, wie er es ihr zuliebe immer wieder hingelegt hat, überhaupt nicht geben. Er hat sich doch extra für sie so ins Zeug gelegt, hat ihre Brüste bis zur Bewusstlosigkeit liebkost, obwohl er am liebsten etwas ganz anderes gemacht hätte: Für ihn ist ihre Muschi das Größte, er liebt es, wenn sie, so wie heute, ihn einfach ran lässt, wenn sie einfach nur seinen Schwanz haben will, wenn sie die Beine auseinanderstellt und ihm ihre Pussy hinhält. Das feuchte rosa Fleisch ist wie eine Offenbahrung für ihn, besonders wenn es vor Geilheit schimmert. Genau das liebt er, und es war toll, dass er hinterher nicht noch irgendeinen Schmus machen musste! Von wegen Nachspiel und so. Da hätte er eh keinen Kopf für gehabt, schließlich wollte Jules kommen.
Aber wenn das mit dem Nachspiel nun der Grund ist, dass sie ihn verlässt?
Herrgott, dann wird er es wieder ändern! Er hat diesen schnellen Sex nie verlangt, er hat sich immer angestrengt und sich ganz auf ihre Bedürfnisse eingestellt, und das wird er auch weiter tun. Sie muss es ihm nur sagen, was sie wirklich braucht. Und auch das mit Jules wird sich klären, vielleicht ist er nur aufgehalten worden, aber vielleicht kommt er ja auch gar nicht, vielleicht hat er seinem Vater nur einen üblen Streich gespielt ...
»Du solltest besser gehen!« Ihre Stimme unterbricht seine Gedanken.
Erschrocken schaut er sie an. Plötzlich wird ihm klar, wie ernst die Situation ist.
»Ist das alles, was bleibt? «, fragt er zärtlich. »Du solltest besser gehen? Sollen wir wirklich wortlos auseinandergehen? Was ist denn nur los, Anna? Habe ich plötzlich einen ekligen Ausschlag bekommen oder sonst etwas, vor dem man Hals über Kopf fliehen musst?«
Anna wendet sich von ihm ab und läuft schon wieder an ihm vorbei, diesmal an dem Lavendelfeld entlang. Ihre Hände zittern, das kann er sehen.
»Hör zu, wir sollten wirklich reden«, sagt er, und Anna müsste an seiner Stimme hören, dass er sie darum bittet, ja, er bittet sie um dieses Gespräch. Kennt sie ihn denn so wenig? Weiß sie nicht, wie er sie braucht, wie er es braucht, sie zu spüren, mit ihr zu schweigen ... ja, vor allem zu schweigen. Er kann sehr gut schweigen und das Leben vorbeiziehen lassen wie eine bunte Parade, an der man nicht teilnehmen muss. Und am liebsten tut er es mit Anna gemeinsam. Im Sessel sitzen, schweigen, Musik hören oder lesen. Er würde es jetzt gern tun.
Robert strafft den Rücken, da ihm schmerzlich auffällt, wie oft es genau diese Situation schon in seinem Leben gegeben hat. Selbst seine Mutter musste er immer um ein Gespräch bitten, und all die anderen Frauen. Nie war es umgekehrt. Immer ist er derjenige, der in die Knie geht. Es war bei Jules’ Mutter nicht anders. Marlies hat immer auf schwierig gemacht, genau wie Anna jetzt.
Wer soll sich dabei dann noch auskennen? Da heißt es, Frauen wollen immer nur reden, zerreden am Ende alles – doch bei ihm gehen sie einfach wortlos davon. Lassen ihn zurück wie abgelegte Kleidung. Doch damit nicht genug, geben sie ihm auch noch das Gefühl, als wäre es verschwendeter Atem, sich ihm überhaupt zuzuwenden. Als wäre er ein letztes Wort zum Abschied oder eine schlichte Erklärung einfach nicht mehr wert.
Er wischt sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn, und zum ersten Mal stört ihn die Hitze. Es war ein verdammt heißer Tag. Normalerweise liebt er diese glühende Sommerzeit, mit ihrem gleißenden Licht, in der die Luft flimmert. Er zieht Kraft und Energie daraus, aber jetzt ist es anders. Er wünscht, der Schirokko würde einen Augenblick zur Ruhe kommen. Für gewöhnlich mag er den Wüstenwind, der von der Sahara übers Meer bis nach Südfrankreich zu ihnen herüberzieht. Doch im Augenblick erscheint er ihm wie ein wütender Reiter der Beduinen, der die Hänge einer Düne herabstürmt, um ihn zur Strecke zu bringen, um sein Leben in flirrender Hitze auseinanderzureißen.
Zum ersten Mal sehnt er sich nach einem kühlen Wind von den Bergen, der ihm einen klaren Kopf beschert und ihm die richtigen Worte eingeben würde, damit Anna nicht fortgeht.
Es ist lange her, dass er sich so beeilt hat. Die drei Kilometer ist er mit dem alten Fahrrad gefahren, sein Hemd ist klitschnass, und er hat sich die Leinenhose an der Kette eingesaut, aber auch das zählt wahrscheinlich nicht für sie.
Nein, das zählt alles nicht. Sie weist ihm nur die kalte Schulter. Plötzlich ist er nicht sicher, warum er überhaupt gekommen ist. Ihre dunklen Augen sind ihm so fremd, als habe er sich noch nie darin gespiegelt, nein, so fremd, als habe bereits jemand anderes darin seinen Platz gefunden.
»Es gibt nichts zu sagen, verzeih, ich muss einfach gehen.« Ihre Lippen bewegen sich kaum, doch er hat das Gefühl, sie wirft ihm die Worte wie einen nassen Putzlappen vor die Füße. Und er weiß, wenn er weiter fragt, wird sie ihm irgendeine Lüge erzählen. Etwas von einem Gefühl, das nicht stimmt, dabei ist er doch sicher, dass sie ihn liebt.
Er kann sich nicht so sehr getäuscht haben! Sie hat nächtelang in seinen Armen gelegen, da kennt man sich doch! Anna ist schließlich die Frau, mit der er geglaubt hat einen neuen Anfang machen zu können. Sie liebt die Provence und den Sommer, genau wie er. Auch wenn sie es nie gesagt hat, aber das ist ja gerade das Schöne an ihr. Sie ist eine Frau, die er auch ohne Worte versteht. Sie hat sich bei ihm wohl gefühlt, war glücklich. Anna passt genau in sein Leben, dessen ist sich Robert absolut sicher. Ihre sanfte Art, sich einzufügen und niemals ein lautes Wort zu sagen. Da gab es schließlich andere Frauen, die sich ständig in den Vordergrund spielen mussten und ihm furchtbar auf die Nerven gegangen waren. Frauen, die laut nein geschrien hätten, wenn er ihnen von Jules erzählt hätte, die sofort mit der Entweder-oder-Frage angekommen wären. Aber Anna hat nur dagesessen und gefragt, ob sie nicht gemeinsam ein Zimmer für Jules zurechtmachen sollen. Ja, das ist seine Anna!
Sie ist still und hilfsbereit, sie ist liebenswürdig und auf ihre leise Art glücklich neben ihm. Nur manchmal ist da dieser fremde Blick über geschlossenen Lippen. Oder ihre sonderbare Angewohnheit, hin und wieder nachts ein eigenes Bett zu wollen. Aber das sind Kleinigkeiten. Wahrscheinlich hatte sie dann ihre Tage. Dann sind Frauen nun einmal ein bisschen schwierig, das weiß man ja.
Er versucht noch einmal, gegen ihre kalte Schulter anzukommen.
»Bitte, es ist doch nicht nötig, dass du jetzt mit dem Zug fährst. Du kannst doch bis morgen warten, und ich bringe dich dann zum Flughafen. Ich meine, wenn du dann immer noch weg willst. Lass uns hier einfach einen Wein trinken und reden ... über irgendwas ... über das, was dich bedrückt. Ich meine, ich war heute wirklich sehr in Gedanken wegen Jules, das tut mir auch leid, Anna, bitte. Weißt du, Jules ist mein Herzstück. Ich würde dir gern alles erklären. Du musst wissen, er war kein einfacher Junge, schon seine Geburt war für Marlies nicht leicht, sie hat viel Blut verloren, und dann die Zeit, als er die Schule geschwänzt hat, weil wir uns getrennt haben, wo er auf Partys ging und drohte abzurutschen, aber dann hat er die Kurve gekriegt und es hat mich stolz gemacht, dass er nach Australien gegangen ist. Weißt du, ich wollte auch immer nach Australien. Ach, wenn du ihn nur kennen gelernt hättest, dann wüsstest du, was ich meine. Und, na ja, er ist vielleicht dort draußen sogar ein Mann geworden ... «
Wenn Robert sie nicht besser kennen würde, könnte er glauben, Anna sei wütend bis unter die Haarwurzel, so rasch wie sie jetzt den Kopf umwendet. Aber das hat gewiss nichts zu sagen, Anna ist keine hysterische Frau, sie hat sich immer unter Kontrolle. Wut ist ihr fremd. Sie wird nie ausfallend.
Robert geht um sie herum, bis er wieder vor ihr steht. Wahrscheinlich ist sie nur müde. Aber ihre Stimme ist hart und ihre Worte kommen ihr wie zischend über die Lippen.
»Lass mich endlich in Ruhe, Robert!«
O Gott, was hat er nur getan? Sie muss geradezu fertig mit den Nerven sein! So hat er sie noch nie erlebt. Was zur Hölle ist da passiert? Sie kann doch nicht wirklich eifersüchtig sein auf seinen Sohn, der ja noch nicht mal gekommen ist. Es wird doch wohl noch erlaubt sein, dass er von ihm spricht, Jules lebt schließlich in Australien ...
»Wenn es wegen Jules ist ... ?«
»Ich möchte heute Abend fahren, Robert, bitte lass mich jetzt allein. «
»Aber warum? Komm, ich bring dich ins Haus zurück, da kannst du dich erst einmal ausruhen. Sei vernünftig! Du bist ja total fertig! «
Anna wendet sich wieder von Robert ab.
»Verschwinde!«, sagt sie. Ihre Hände, ihre Arme, ihre Schultern, ihr ganzer Körper scheint zu zittern.
Einen Moment sieht er sie sprachlos an. Dann dreht auch er ihr den Rücken zu und blickt über die grünen Hügel, die von der untergegangenen Sonne goldgesäumt sind, als ständen sie in Flammen. Er ballt die Hand zur Faust und geht langsam zurück zu seinem Fahrrad.
Das muss er sich nicht sagen lassen! Nicht in diesem Ton! Er liebt die Provence, er hat sie ihr zu Füßen gelegt, er hat sich selbst dieser Frau zu Füßen gelegt, und wie dankt sie es ihm? Als wäre er eine leergetrunkene Packung Apfelsaft, die man zusammenquetscht und in den Müll wirft. Was bildet sie sich überhaupt ein? Oder denkt sie, dass dies zum Service gehört? Glaubt sie, dass er jede mit hierher genommen hat? Von wegen! Sie ist die erste Frau nach Jules’ Mutter, die sein sommerliches Heiligtum betreten durfte! Halt, er will ehrlich sein, da gab es noch eine Frau, die hier war, eine, die er auch hätte lieben können, aber sie war verheiratet. So reich verheiratet, dass er nie gewagt hätte, diese Ehe zu gefährden. Es hätte ihn seinen Job kosten können. Er hatte mit dieser Frau, deren Namen er nicht einmal auszusprechen wagte, eine wundervolle Nacht hier verbracht. Dann war sie weitergereist, zu ihrem Mann an die Côte d’Azur, und er hatte sich bemüht, sie zu vergessen. Was ihm durchaus auch gelungen war.
Also war Anna irgendwie doch die einzige Frau in seinem Sommerhaus. Die einzige, die mit ihm dort ihre Ferien verbringen sollte. Ihretwegen hätte er das alte Haus mit dem Rosengarten sogar gekauft, ja, warum auch nicht, er kommt schließlich seit Jahren her, wenn sie es gewollt hätte, hätte er es am Ende dieses Sommers gekauft! Die Vermieter in Paris hätten gewiss mit sich reden lassen. Er kennt sie gut, und sie wissen, dass er dieses Haus liebt. Aber das alles war ihr ja nicht gut genug.
Nein, ganz offensichtlich ist Anna einfach nicht die Richtige.
Verdammt, er wird die Frauen nie verstehen. Niemals! Wenn man sie wirklich liebt, wenn man sein Herzblut für sie gibt und sie auf Händen tragen möchte, dann schicken sie einen weg, als wäre man ein dummer Junge.
Was zur Hölle habe ich falsch gemacht? , möchte er rufen, und die Worte brennen ihm auf der Zunge. Er möchte es wirklich verstehen. Doch er beißt sich auf die Lippen. Er sehnt sich plötzlich zu sehr nach ihrem Arm, er wünscht sich zu sehr, sie würde zu ihm zurückkehren und ihn festhalten. So wie sie ihn manchmal in der Nacht festgehalten hat, bevor sie auf nackten Füßen in ihr eigenes Schlafzimmer hinübergetapst ist. Er liebt den Kokosduft ihres roten Haars, die weißϐe Linie ihres Nackens, ihre Haut, die wie Porzellan schimmern kann, ihre schön geformten Brüste ... Ach, er fängt schon wieder an zu schwärmen. Es ist wie verhext.
Warum macht sie es nur so kompliziert? Es könnte doch alles ganz einfach sein. Wer weiß schließlich schon, wie lang so ein Leben geht. Sie ist doch auch nicht mehr die Jüngste, was sucht sie da draußen? Sie weiß doch gar nicht, wie lange sie beide diese Sommer hier noch genießen könnten, gemeinsam zwischen den blühenden Feldern. Er möchte seine Zeit nicht länger allein verbringen, und sie auch nicht, das weiß er genau.
Doch als er sich nach ihr umsieht, um einen allerletzten Versuch zu starten, ist sie schon wieder in dem kleinen Bahnhof verschwunden, als würde sie seine Anwesenheit keinen Augenblick länger ertragen.
»Dann eben nicht!« Fluchend schwingt er sich auf sein Fahrrad und hält den Kopf gesenkt. Falls sie an einem der Fenster vorübergeht, dann soll sie nicht sehen, dass er mit den Tränen kämpft. Nein, sie soll nie wissen, wie sehr sie ihn damit verletzt hat, ihn so zu verlassen!
Anna flüchtet auf die Toilette, beugt sich über das Waschbecken und lässt kaltes Wasser über ihre Hände laufen. Sehr kaltes Wasser. Sie formt ihre Hände zu einer kleinen Schale und wirft sich Wasser ins Gesicht, auf den Hals, spürt, wie es ihr unter dem T-Shirt bis auf die Brust tropft. Alles an ihr ist feucht und klebrig von dem kochenden Wind da draußen. Sie hasst diese Hitze, sie will nicht mehr denken, will nichts mehr von diesem Tag wissen. Nichts mehr von sich selbst, von Yakim und der Wüste und auch nicht von Robert. Nie mehr.
Warum kann das Leben nicht einmal leicht sein, warum zum Beispiel kommt dieser fremde Junge, der auf dem Bahnsteig sitzt, jetzt nicht einfach herein, stellt sich hier hinter sie, schiebt ihre Jeans herunter und ...
Sie möchte hören, wie er den Reißverschluss seiner Hose aufzieht, möchte im Spiegel sehen, wie er hinter ihr den festen Schwanz herausholt, und sie möchte spüren, wie er ihn gegen ihren Hintern drückt. Sie möchte diesen jungen, schönen Mann in sich spüren, so wie man einen süßen Likör trinkt, um sich zu berauschen, um sich vorzumachen, die Welt wäre in Ordnung, um zu glauben, das süße Leben gäbe es wirklich, während ihr das Wasser über die Hände fließt und den Schmerz wegspülen soll.
Ja, weiche, zärtliche Stöße will sie an ihrem Hintern fühlen, er soll diesen prachtvollen Kerl in ihrem zuckenden Loch versenken, Stück für Stück in sie dringen, er soll ihre Grotte ausfüllen und dorthin gelangen, wo tief in ihr die Geister der Wüste, die Dschinns, ihr Unwesen treiben. Er soll endlich diese unermessliche Leere, diese völlige Stille in ihr ausfüllen. Er soll ihr die Hitze, die eigene Hitze wiedergeben, das Feuer, das sie dringend braucht, um zu vergessen. Sie möchte sich an ihn schmiegen, an seine Jugend und an seine Kraft, weil sie es allein nicht schafft, weil sie sich längst schon viel zu alt fühlt, weil das Leben in ihr zu alt ist.
Sie betrachtet ihr Gesicht im Spiegel und weiß, dass es unmöglich ist. Der Junge würde sie in einen feurigen Abgrund stürzen. Er würde ihre Seele zu einem Dschinn machen, zu einem ruhelosen Geist, der die Wüste nie mehr verlassen kann. Und dabei wäre es für ihn wahrscheinlich nur ein netter Fick auf einem ungemütlichen Bahnhofsklo. Nicht jeder verlässt die Wüste, so wie sie es einst getan hat. Der Sand auf seinen Schuhen muss nicht dasselbe bedeuten, o nein, auch wenn sie das glauben möchte.
Nein, eine Affäre am Rande der Dünen, das rettet Anna nicht!
Das wäre die Hölle!
Aber was blieb ihr? Denn etwas Passendes, wie Sylvia es nennt, einen passenden Mann so wie Robert, den wird Yakim ihr nicht gönnen, das weiß sie jetzt. Denn Yakim ist ein eifersüchtiger Mann, er wird es mit dem heißen Wind der Wüste verhindern, der bis hier herüberweht. Er wird es mit seinen Sandstürmen und allen Dämonen verhindern, die in ihrer inneren Leere zu Hause sind. Er wird ihr die Traumbilder aus rötlich schimmernden Sandbergen schicken, unter denen ihre Seele begraben liegt, so wie er es des Nachts manchmal tut, als wären diese Hügel die geheimen Rundungen einer Frau. Seiner Frau, die er irgendwann vor zwanzig Jahren in ihr liebte.
Anna wirft einen letzten Blick in den Spiegel, streift sich das rote Haar aus dem Gesicht und verlässt eilig den Waschraum. Draußen wirft sie einen Blick auf die Uhr, dann auf den jungen Mann, der immer noch dort sitzt, gegen seinen Rucksack gelehnt. Er schaut zu ihr her. Er hat auf sie gewartet, das kann sie sehen, doch er ist zu schüchtern, um anzufangen, und das ist gut so.
Sie sind nicht mehr allein auf dem Bahnsteig, einen Augenblick denkt sie darüber nach, was eigentlich wäre, wenn dieser Junge dort Jules wäre, wenn er der Junge aus der Wüste wäre, wenn er mit den sandigen Schuhen in das Haus gekommen wäre. Robert hat schließlich gesagt, dass Jules in Australien war, um die Wüste zu sehen. Was also, wenn sie sich dort in dem Haus begegnet wären, in der Hitze des Tages, wenn sich ihre Hände berührt hätten, wenn sie ihn beim Schwimmen im Pool beobachtet hätte, wenn seine sanften, blonden Locken zärtlich über ihr Gesicht gefallen wären, irgendwo bei den Rosen, wenn seine Hände über ihren Körper gestreichelt, ihr Geschlecht berührt hätten und in sie gedrungen wären. Roberts Worte und der Roman, den sie gelesen hat, fallen ihr wieder ein . Er wird dir gefallen! Welch eine Ironie!
Der hier hätte ihr gefallen! Dort im Haus wäre sie ihm vielleicht nicht so einfach entkommen. Dort hätte sie sich ihm vielleicht hingegeben, eines Nachts, im Pool, umgeben von viel kühlem Wasser.
Sie mustert den Jungen noch einmal.
Nein, unmöglich! Das ist nicht Jules. Sie sieht seine blauen Augen, die über ihre Brüste streicheln, über ihren Bauch bis hinunter zu ihrem Geschlecht. Nein, er hat nichts mit Robert gemeinsam. Gar nichts. Auch wenn Robert sagte, dass Jules groß und blond und anders wäre als er. Nein, das wäre absurd!
Warum sollte er auch hier am Bahnhof herumhängen und auf den Zug nach Paris warten? Warum sollte er eine Frau wie sie anschauen, als wäre sie nackt. Jules hat doch bestimmt eine Freundin, ein hübsches Mädchen in Australien. Dort gibt es ja nicht nur die Wüste.
Sie wendet sich ab und kann nicht verhindern, dass ihr Herz eine Spur zu schnell klopft. Es wird Zeit, dass sie diesen Ort endgültig verlässt. Mit festen Schritten geht sie zu der kleinen Unterführung und wechselt den Bahnsteig. Sie will nicht mehr nach Paris, und sie will auch nicht nach Hause, zumindest nicht dorthin, wo sie geglaubt hat, zu Hause zu sein.
Sie schaut den Jungen ein letztes Mal an. Sie sieht seinen fragenden, erschrockenen Blick, der nach ihr greift. Hat er gedacht, dass sie ihm nicht mehr entkommt, weil sie beide denselben Zug nehmen?
Wahrscheinlich versteht er noch nicht viel vom Leben. Von Richtungen, die man plötzlich einschlägt, von Wegen, sandigen Wegen, die man geht, die hinter einem verwehen. Er versteht wahrscheinlich nichts vom Zurücklassen und vom Zurückgelassenwerden. Er ist noch jung. Was wird er schon von der Wüste verstehen? Selbst wenn er mit seinen Turnschuhen dort war? Mit dem Herzen war er es nicht, nicht tief genug, nicht tief genug für sie, um das bleiche Skelett ihrer Liebe aus dem Sand zu graben und mit neuem, jungem Fleisch zu überziehen.
Anna schaut auf den violetten Abendhimmel, die Berge im Hintergrund sind nur noch ein dunkler Schatten.
Jeder muss allein reisen, möchte sie ihm sagen, solange allein, bis man sich selbst gefunden hat. Denn die Wenigsten wissen, dass der Großteil der Wüste eben nicht aus weichen, wandernden Dünen besteht, die sich jedem Wind anpassen und sich verformen. Sondern dass der größte Teil aus hartem Fels besteht, der fest und unverrückbar in der gnadenlosen Sonne ausharrt.
So ist das!
In diesem Moment fährt der Zug nach Marseille in den Bahnhof ein. Es ist ein alter Bummelzug, der die kleinen Dörfer der Provence abklappert, die außerhalb der TGV-Strecke liegen, und deshalb auch hier hält. Aus einer Laune heraus wirft sie dem Jungen eine Kusshand zum Abschied zu, dann verdeckt der Zug ihr die Sicht, und sie steigt ein. Marseille ist nicht allzu weit fort, von dort geht ein Schiff nach Nordafrika, und von dort ... von dort ist es nicht mehr weit bis zur Wüste.