Читать книгу Gefechte der Leidenschaft - Jennifer Blake - Страница 6

Оглавление

Zweites Kapitel

»Sie beschützen.«

Caid O’Neills Stimme klang ausdruckslos und Lisette konnte es ihm nicht verdenken. Ihr Einfall, sich um Hilfe an den irischen Fechtmeister zu wenden, hatte ihr selbst fast den Atem verschlagen. Die Idee war ihr vor ein paar Tagen gekommen, als sie sich anhören musste, wie sich ihr Schwiegervater bitter darüber beklagte, dass dieser Mann anscheinend unbesiegbar sei. Doch mittlerweile hatte sie sich an den Gedanken gewöhnt.

»Wenn es Ihnen Recht ist«, bestätigte sie höflich, während ihr Puls so raste, dass ihr fast schwindlig wurde.

»Was genau meinen Sie damit?«

»Nichts, was Ihnen zu viele Umstände machen würde. Ich dachte einfach ..., das heißt – zunächst einmal müssten Sie mir eine Unterkunft besorgen.«

»Sie wollen doch wohl nicht andeuten, dass Sie bei mir wohnen möchten.«

»Das wohl kaum, Monsieur!« Das Blut schoss Lisette heiß in die Wangen. Zugleich bemerkte sie, dass das Französisch des Gentleman, selbst wenn seine Stimme vor Ironie triefte, einen melodischen Klang besaß, der seine Herkunft verriet.

»Eben«, stimmte er grimmig zu. »Sie suchen sicher etwas Respektableres, könnte ich mir vorstellen. Etwas Imposantes.«

»Ich glaube, Sie könnten die Angelegenheit mit Leichtigkeit regeln.« Von Nahem betrachtet sah er aus, als könne er alles Mögliche regeln. Er war größer und kräftiger, als sie erwartet hatte, insgesamt beeindruckender. Sein Teint war nicht olivfarben wie bei vielen Männern, die sie kannte, sondern wies den gesunden Bronzeton eines Mannes auf, der sich nicht um Konventionen scherte, wonach ein Gentleman niemals den Eindruck erwecken durfte, er habe in der Sonne gearbeitet. Er hatte eine klassisch gerade Nase, ein kantiges Kinn und einen klar gezeichneten Mund, dessen geschwungene Winkel ihm einen leicht belustigten Ausdruck verliehen. Dichte, gerade Brauen und dunkle Wimpern umrahmten seine Augen, die im flackernden Licht des reich verzierten Kerzenleuchters auf dem Nachttisch so blau und abgrundtief schienen wie der Golf von Mexiko. Diese Augen zeugten von einer scharfen Intelligenz, mit der er ihre verzweifelte List ebenso leicht durchschauen würde, wie er es schaffte, sie aus der Fassung zu bringen.

Dieser Mann, dieser Degenkämpfer, hatte sie geküsst. Durch die kleine romantische Geste, mit der er seine Lippen auf die ihren gepresst hatte, war sie zu sich gekommen. Bei der bloßen Erinnerung daran begannen ihre Lippen zu kribbeln. Die Empfindung setzte sich wie eine kraftvolle Welle durch ihren ganzen Körper fort und ihr kam der Gedanke, dass er nicht so gefühllos sein konnte, wie er sich gab. Sie durfte also noch hoffen.

»Und wenn Sie eine Bleibe gefunden haben?«

»Dann möchte ich, dass Sie dafür sorgen, dass mir nichts geschieht.«

»Sie brauchen also einen Leibwächter.«

»In gewisser Weise«, erwiderte sie, krampfhaft bemüht, ihr Ansinnen so normal wie möglich erscheinen zu lassen.

»Was ist mit Ihrem guten Namen?«, fragte er. »Man hat mich erst kürzlich daran erinnert, dass er in meiner Gesellschaft in Gefahr ist.«

»Solange kein Unheil droht, muss ja niemand wissen, dass Sie mir zur Seite stehen. Ich erwarte natürlich nicht, dass Sie ständig um mich herumscharwenzeln.«

»Mit anderen Worten«, sagte er gedehnt, »Sie möchten nicht, dass jemand von unserer Bekanntschaft erfährt.«

Ihr Gesicht glühte jetzt beinahe. »Ich wollte Sie nicht kränken und hatte nur Ihre Bequemlichkeit im Sinn. Und, nun ja, die Schicklichkeit natürlich auch.«

»Natürlich.« Seine Lippen kräuselten sich kurz, bevor er weitersprach. »Sie haben doch ein nettes Zuhause bei der Familie Ihres Mannes. Was treibt Sie zu einem solchen Schritt?«

»Vieles, was Sie nicht zu kümmern braucht, Monsieur O’Neill.«

»Sie verlangen von mir, dass ich Sie beschütze, ohne zu wissen, welche Art von Gefahr Ihnen droht?«

»Ich bin gar nicht sicher, dass diese Gefahr noch besteht, wenn ich erst einmal allein lebe«, erklärte sie und setzte sich ein wenig aufrechter hin, als wolle sie sich gegen eine drohende Absage wappnen.

»Ich bin kein junges Mädchen mehr und verfüge über ausreichende Mittel, einen eigenen Haushalt zu bestreiten. Warum sollte ich es nicht Madame Herriot gleichtun und mich unabhängig machen?«

»Madame Herriot ist mindestens zehn Jahre älter als Sie und hat viel mehr Lebenserfahrung. Außerdem wohnte eine ältliche Cousine bis zu deren Tod im vergangenen Winter bei ihr, was dazu beitrug, ihren guten Ruf zu wahren.«

»Eine Gefährtin ist keine Anstandsdame«, widersprach Lisette heftig. »Und was das Übrige angeht, älter werde ich von allein und Erfahrung kann ich auch sammeln.«

»Aber vielleicht erst, nachdem Sie schon irgend eine Dummheit begangen und sich dadurch in der guten Gesellschaft unmöglich gemacht haben.«

»Wie können Sie nur so etwas sagen! So leichtsinnig bin ich nicht.«

»Kaum zu glauben, wenn man bedenkt, dass Sie irgendwelche Männer darum bitten, auf Sie aufzupassen.«

»Ich habe nur einen Mann gebeten und den habe ich sorgfältig ausgewählt.« Als sie sich ein wenig vorbeugte, verrutschte die Decke.

Sein Gesicht wurde ausdruckslos. »Und dieser Mann bin ich?«

»Ja, das sind Sie – oder vielmehr das waren Sie, bevor sie sich so ungefällig gezeigt haben.«

Caid drehte ihr so abrupt den Rücken zu, dass die Schöße seines grauen Gehrocks nur so flogen. Lisette starrte auf seinen Rücken, die breiten Schultern, den Oberkörper, der in einer schmalen Taille auslief, das rabenschwarze Haar, das sich, kürzer geschnitten, als es die Mode verlangte, auf seinem Rockkragen kräuselte, seine langen Beine, die noch länger wirkten, weil die Hosen durch Stege unter den polierten Halbstiefeln stramm gezogen wurden. Gefühle wallten in ihr auf, die ihr ihre Weiblichkeit bewusst machten, und plötzlich fiel ihr ein, dass sie beide als Einzige in dem schlafenden Haus wach waren und wie wenig sie doch von diesem Mann wusste – außer Gerüchten. Lisettes Handflächen wurden feucht und sie wischte sie verstohlen an der Decke ab.

»Es ist unmöglich«, sagte Caid O’Neill über die Schulter. »Das müssen Sie doch einsehen.«

»Das sehe ich überhaupt nicht ein. Sie haben mich in diese Lage gebracht, Sie sind es mir schuldig, mich da wieder herauszuholen.«

»Ihnen schuldig?«, fragte er mit trügerisch sanfter Stimme und drehte sich wieder zu ihr um. »Das müssen Sie mir nun wirklich erklären.«

Die sehr männliche und nicht ungefährliche Kraft, die von ihm ausging, berührte Lisette. Ihr Herz schlug jetzt zum Zerspringen. »Ich meinte nur, wo Sie mir doch den Mann genommen haben ...«

»Genommen ist in diesem Zusammenhang ein etwas merkwürdiger Ausdruck.«

»Wäre es Ihnen lieber, ich hätte ›ermordet‹ gesagt?« Die Augen des Fechters verengten sich und sie fuhr hastig fort: »Nein, bitte. Ich weiß ja, dass es mit dem Duell seine Richtigkeit hatte. Außerdem hätten auch Sie sterben können. Dennoch bin ich durch Eugenes Tod der Gnade meines Schwiegervaters ausgeliefert und dafür sind Sie verantwortlich.«

»Nun gut, das will ich zugeben. Und was weiter?«

Sie wandte den Blick wieder ab. »Ich traue mich kaum es auszusprechen, es klingt so ...«

»So was? Albern?«

»Verrückt. Es klingt verrückt und keiner wird es mir glauben.«

»Probieren Sie es an mir aus«, schlug er vor.

Lisette biss sich auf die Unterlippe und starrte geradeaus. An der Wand hing in Augenhöhe ein Kruzifix aus Elfenbein mit einer sehr realistisch dargestellten Christusfigur. Ihr Blick glitt davon fort und streifte eine Frisierkommode mit Stoffbehang, einen Wandschirm aus Bambusgeflecht und einen großen Mallardschrank mit geschnitzten Türfeldern. Nichts davon half ihr, weitere Ausflüchte zu ersinnen. »Ich glaube, das heißt, ich bin mir fast sicher, dass mein Schwiegervater mich in den Wahnsinn treiben will. Oder vielmehr will er die Leute glauben machen, dass mein Geisteszustand immer schlechter wird und ich daher nicht mehr in der Lage bin, mich um meine Geldangelegenheiten zu kümmern.«

Als Caid nicht antwortete, nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und schaute ihm ins Gesicht. Er sah sie mit gerunzelter Stirn an.

»Ich habe es Ihnen ja gesagt, es ist kaum zu glauben«, sagte sie mit stockender Stimme.

»Wie kommen Sie auf diese Anschuldigungen?«

»Er spricht mit mir wie mit einer Geisteskranken und zwingt mich immer wieder, irgendein Gebräu zu trinken, in das er wahrscheinlich Alkohol und Beruhigungsmittel gemischt hat. Schon öfter, wenn er Gäste hatte, wurde ich in meinem Zimmer eingesperrt, damit ich mich nicht im Salon zeigen konnte. Später erzählten mir die Dienstboten, er habe mich bei den Gästen damit entschuldigt, dass ich durch eine Nervenschwäche indisponiert sei. Was ich nicht war, das kann ich Ihnen versichern. Ich bin nicht nervös und war es auch nie.«

»Dieser Vorfall heute Abend – oder vielmehr gestern Abend, da es ja schon fast Morgen ist ... Sie lagen also nicht auf dem Grab, weil Sie die Absicht hatten, ihrem Mann in den Tod zu folgen?«

»Nein!« Sie schauderte bei der bloßen Vorstellung.

»Wie sind Sie dann auf den Friedhof gekommen?«

»Ich habe keine Ahnung. Ich hätte nicht einmal gewusst, dass Sie mich dort gefunden haben, wenn ich nicht gehört hätte, wie Madame Herriot es Dr. Labatut erzählte.«

»Sie haben auch kein Laudanum getrunken?«

»Aber nein!«

»Sind Sie da sicher?«

Sie starrte ihn ungläubig an. »Selbstverständlich bin ich sicher! Ich will ganz bestimmt nicht sterben.«

»Was haben Sie zum Abendessen getrunken? Wein? Kaffee?«

»Natürlich. Das tut doch jeder, oder?«

»Hatte etwas davon einen eigenartigen Geschmack?«

»Nicht, dass ich wüsste, aber für mich schmeckt mittlerweile alles nach den Mittelchen, die man mir seit ein paar Wochen einflößt.«

»Ja«, murmelte Caid nachdenklich, »so könnte es passiert sein.«

»Sie glauben mir also?« Lisette wagte die Frage kaum zu stellen.

Er antwortete nicht, sondern starrte sie nur mit verwirrender Eindringlichkeit an und ließ dann seinen Blick von ihrem Gesicht zu ihren Schultern und über die Wölbung ihrer Brüste gleiten. Als sie an sich hinunterblickte, bemerkte sie, dass sich das geborgte Nachthemd dicht an ihren Körper angeschmiegt hatte. Unter dem Stoff zeichneten sich überdeutlich ihre weiblichen Rundungen ab – bis hin zu den kleinen vorspringenden Brustwarzen. Einen Augenblick lang fragte sie sich, wie Caid sie wohl sehen mochte. Die meisten Leute hielten sie für klein gewachsen, vielleicht, weil sie zarte Knochen hatte. Sie war sich aber sicher, dass sie von mittlerer Größe und Gestalt war, nicht ganz so vollbusig, wie es die herrschende Mode verlangte, aber ganz passabel. Sie zog die Leinendecke über sich. Als sie wieder aufblickte, waren die Augen des Fechtmeisters auf die Wand über ihrem Bett gerichtet.

»Das erklärt immer noch nicht, wie Sie auf das Grab Ihres Mannes gekommen sind«, sagte er in hartem, abweisendem Ton.

»Jedenfalls nicht in einem Anfall von Schwermut. Das ist alles, was ich Ihnen dazu sagen kann.«

»Ist Ihnen klar, dass Sie an einer Lungenentzündung oder an der Überdosis hätten sterben können, wenn ich nicht aufgetaucht wäre?«

»Also muss ich Ihnen dankbar sein und alles, was Sie mir vielleicht schuldeten, ist damit abgeglichen?« Sie bedachte ihn mit einem finsteren Blick, denn dieses Argument war durchaus stichhaltig, auch wenn sie es nur ungern zugeben mochte.

»Ich finde, es gibt Schlimmeres, als in den Wahnsinn getrieben zu werden.«

»Ja«, stimmte sie traurig zu und richtete ihren Blick wieder auf das Kruzifix, »zum Beispiel, auf einen Friedhof geschafft und dort seinem Schicksal überlassen zu werden.«

»Geschafft«, wiederholte er mit gepresster Stimme.

»Da ich keinen Grund hatte, mich freiwillig dort hinzubegeben, muss ich wohl annehmen, dass es so gewesen ist.«

Es folgte ein langes Schweigen. Lisette wagte kaum zu atmen, während sie auf seine Antwort wartete. Im Haus schlug eine Uhr die vierte Morgenstunde. Unten im Hof, hinter der gläsernen Balkontür, begannen Vögel zu zwitschern und irgendwo krähte ein Hahn. Wie friedlich die Geräusche waren, so ganz anders als die Stimmung in diesem Schlafzimmer …

Caid O’Neill wandte sich von ihr ab, fuhr sich mit der Hand durchs Haar und umfasste dann seinen Nacken. »Sie müssen doch wissen, wie ungeeignet ich für die Stellung bin, die Sie mir zugedacht haben.«

»In gesellschaftlicher Hinsicht, meinen Sie wohl. Das ist mir im Moment ziemlich gleichgültig. Schließlich brauche ich keinen ständigen Begleiter. Während der Trauerzeit sind eh nur die bescheidensten Vergnügungen gestattet.«

»Die Zeit des Kummers wird nicht ewig dauern.«

Es drängte sie, ihm zu offenbaren, wie wenig Kummer sie empfand. Doch was für einen unnatürlichen Eindruck würde es machen, wenn sie ihm verriet, dass sie um ihren Mann nicht stärker trauerte als um einen beliebigen Bekannten. »Das Arrangement müsste ja nicht allzu lange dauern, nur bis alle gesehen haben, dass ich im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte bin und nicht von irgendeiner Krankheit zerrüttet.«

»Das kann Monate dauern.«

»Eher Wochen«, widersprach sie voller Optimismus.

»Es wird Ihnen nicht gefallen, allein zu leben.«

»Im Gegenteil, ich werde es unglaublich genießen. Sie können ja nicht wissen ...«

»Was? Was kann ich nicht wissen? Was finden Sie so erstrebenswert?«

Sie zögerte einen Augenblick lang und platzte dann heraus: »Frei sein, ich möchte frei sein.«

»Frei?« Er schaute sie mit gefurchter Stirn an.

»Frei, zu tun, was immer ich will, ohne meine Gründe nennen zu müssen, oder gehen zu können, wohin es mir passt, ohne jemandem Rechenschaft abzulegen. Ich möchte allein sein, vollkommen allein. Ich war nie allein, müssen Sie wissen. Immer war jemand bei mir, meine Gouvernante, meine Mutter und später meine Zofe oder mein Mann. Sogar, wenn ich in meinem Schlafzimmer eingesperrt wurde, war ich nicht allein, denn meine Zofe blieb bei mir.«

»Was Sie sich wünschen, ist unmöglich«, sagte Caid ruhig. »Wie man es auch dreht und wendet, in der Welt, in der wir leben, brauchen Frauen Schutz.«

Sie starrte ihn an und nahm ihren ganzen Mut zusammen, um dem festen Blick seiner blauen Augen standzuhalten. »Schutz ist eine Sache, Unterdrückung eine ganz andere. Deshalb habe ich mich an Sie gewandt.«

»Am sichersten wären Sie mit einem neuen Ehemann. Das würde Moisants Ambitionen ein für alle Mal ein Ende setzen.« Er lehnte sich gegen die Fensterbank, kreuzte die Arme über der Brust und wartete auf ihre Antwort.

»Ich will keinen Ersatz für Eugene. Ein Ehemann ist sogar das Letzte, was ich will.«

»Im Moment vielleicht.«

»Für immer.«

»Sie sind eine junge Frau und viel zu attraktiv, um lange als Mauerblümchen herumzuhocken«, sagte er mit einem beiläufigen Schulterzucken.

Er hielt sie also für attraktiv. Merkwürdigerweise freute sie sich darüber. »Das alles liegt noch in der Zukunft, in einer sehr fernen Zukunft.«

»Natürlich. Ich verstehe.«

Das bezweifelte sie, doch wenn sie ihn als trauernde Witwe eher dazu bewegen konnte, sich zwischen sie und ihren Schwiegervater zu stellen, dann würde sie diese Rolle bereitwillig spielen. »Was nun das Anmieten eines Hauses betrifft ...«

»Später«, unterbrach er sie. »Ich habe Sie schon lange genug reden lassen. Für den Augenblick sind Sie hier gut aufgehoben. Gestatten Sie mir darüber nachzudenken, was jetzt zu tun ist, dann werden wir das Ganze ausführlicher besprechen.«

Das war ein vernünftiger Vorschlag, dennoch ärgerte sie sich darüber. Am liebsten wollte sie alles sofort regeln, um sicher sein zu können, dass sie entkommen war. Sie konnte noch kaum glauben, dass sie dem Stadthaus der Moisants und seinem Hausherrn vielleicht für immer den Rücken gekehrt hatte. »Oh, gewiss doch ...«

»Sie müssen sich ausruhen«, sagte er, stieß sich vom Fenster ab und ging zur Tür, mit einer kraftvollen Anmut, als habe das harte Training in den zahllosen Stunden auf der Fechtbahn seinen großen, gelenkigen Körper geschmeidig gemacht. »Ich bleibe in der Nähe, das verspreche ich Ihnen.«

Damit musste sie sich zufrieden geben. Mit Nachdruck fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.

Seltsamerweise fühlte sich Lisette plötzlich erschöpft, als habe sie ihre Kraft und Entschlossenheit nur der Anwesenheit des irischen maître d’armes zu verdanken gehabt, der beides mit sich nahm, als er sie verließ. Doch immerhin hatte sie die erste Hürde ihres eilig ausgeheckten Plans überwunden. Es gab noch weitere Hindernisse, doch sie würde die Entscheidung des Fechtmeisters abwarten müssen.

Lisette unterdrückte hinter der vorgehaltenen Hand ein Gähnen und schüttelte leicht den Kopf. Sie hatte schon seit einiger Zeit nicht mehr richtig geschlafen, seit Eugenes Tod traute sie sich kaum noch die Augen zuzumachen. Auch wenn sie zu Hause nicht eingesperrt war, hatte sie ihre Tür stets von innen verbarrikadiert. Ein- oder zweimal hatte jemand am Türgriff gerüttelt, als wolle er mitten in der Nacht in ihr Zimmer eindringen. Wer außer Monsieur Moisant konnte das gewesen sein?

Bei der Erinnerung daran überlief es sie kalt. Hier war sie zumindest vor solchen Besuchen sicher. Der Doktor hatte auch gesagt, dass die Wirkung des Laudanums noch eine Zeit lang anhalten würde. Sie ließ die Augen zufallen, um noch ein wenig zu schlummern, bis es richtig hell wurde.

Einige Zeit später kehrte die Realität wie aus einem betäubenden Nebel wieder in ihr Bewusstsein zurück. Noch halb im Traum hörte sie Stimmen durch das Haus hallen. Eine davon, die wütende Stimme eines Mannes, tat ihr in den Ohren weh, und mit einem Ruck wurde sie gänzlich wach.

Wie ein Orkan stürmte Henri Moisant ins Zimmer, ganz außer Atem vom Aufstieg über die Treppe am Hofeingang. Er trug noch immer seinen Hut und den Ebenholzstock mit dem Silberknauf, als habe er nicht gewagt, beides dem Butler zu überlassen. Er war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet und der Samtkragen seines feinen wollenen Rockes passte genau zur Weste. Die Anhänger an seiner Uhrkette stellten einen Totenschädel mit baumelndem Unterkiefer und eine winzige Begräbnisurne dar. Seine Gesichtszüge verbargen sich hinter einem Schnurrbart und einem Spitzbart vom gleichen Silbergrau wie sein Haar. Auf eine ölige Art sah er gut aus und zeigte die Haltung eines Mannes, der mit Anstand altert und sich dessen wohl bewusst ist.

Angst strömte wie Gift durch Lisettes Adern, während sie sich im Bett aufsetzte. Henri Moisants schmale Lippen waren zu einem falschen Lächeln verzogen, das er für Madame Herriot aufgesetzt hatte, die neben ihm stand. Doch seine Augen funkelten vor Zorn und sein Hals war rot angelaufen. Lisette hatte diese Anzeichen oft genug gesehen und erkannte sie nur zu gut.

»Was ist denn das nun wieder für eine Torheit, chère?«, wollte er wissen. »Ich konnte es kaum fassen, als ich die Nachricht von deiner Gastgeberin erhielt. Ich weiß, du warst in letzter Zeit recht verwirrt, aber dieses Benehmen ist wirklich unglaublich.«

»Es ist tatsächlich alles sehr rätselhaft«, antwortete Lisette mit unbewegter Stimme. »Vielleicht können Sie ja Licht in die Angelegenheit bringen.«

»Ausgerechnet ich, wo ich seit Tagen nicht mehr mit dir gesprochen habe? Deine Zofe sagt, du habest sie gestern Abend fortgeschickt, damit sie einen Trank gegen Kopfschmerzen zubereitet. Als sie zurückkam, fand sie deine Tür versperrt. Sie hat dich anscheinend als Letzte gesehen.«

Seine Worte, scheinbar ganz vernünftig, doch mit einem beschwörenden Unterton, gingen Lisette durch und durch. »Dass ich mich hingelegt und auf ihre Rückkehr gewartet habe, ist auch das Letzte, woran ich mich erinnere.«

Henri Moisant klemmte sich den Stock unter den linken Arm und packte ihre Hand. Sein harter Griff, der für andere stützend wirken mochte, presste ihr schmerzhaft die Knochen zusammen. »Vielleicht bist du eine Schlafwandlerin oder du warst vor Schmerzen völlig durcheinander. Wie ergreifend, dass du bei unserem geliebten Eugene sein wolltest! Ich bin ganz gerührt.«

Lisette blickte zu ihrer Gastgeberin hinüber, die abermals an Moisants Seite getreten war. »Nein, so war es nicht ...«

»Doch, sicher«, entgegnete er beruhigend, als spräche er zu einem Kind. »Lass uns nicht mehr davon reden. Komm, ich habe die Kutsche dabei und Decken, damit du dich behaglich einpacken kannst. Wir bringen dich nach Hause, päppeln dich auf und vergessen die ganze Geschichte.«

»Ich wünsche nicht zu vergessen, Monsieur! Ich könnte es übrigens auch gar nicht. Schließlich bin ich beinahe gestorben und möchte das nicht noch einmal durchmachen.«

»Noch einmal? Das ist unwahrscheinlich, aber letztlich liegt es ganz bei dir, ma chère. Über dein Schicksal bestimmst du natürlich selbst, ebenso wie über dein ach so empfindsames Gemüt.«

Seine Anspielung auf ihren angeblich gestörten Geisteszustand war Lisette ebenso wenig entgangen wie der Blick, den er mit Madame Herriot wechselte, doch sie ignorierte beides. »Vielen Dank, dass Sie es so deutlich gesagt haben, Monsieur. Da ich also meine eigene Herrin bin, so muss ich Ihnen mitteilen, dass ich beschlossen habe, hier zu bleiben, bis ich anderswo unterkommen kann.« Sie wandte sich an Maurelle Herriot. »Das heißt, natürlich nur, wenn Sie es freundlicherweise erlauben, Madame.«

»Gewiss, Sie sind mir willkommen«, entgegnete Maurelle mit einem leicht beunruhigten Ausdruck in ihren schönen dunklen Augen.

»Unfug!«, unterbrach Monsieur Moisant sie und verstärkte den Griff um Lisettes Hand, als wolle er sie aus dem Bett reißen. »Dein Platz ist zu Hause, wo wir uns um dich kümmern können.«

Lisette versuchte, ihre Hand dem schmerzenden Griff zu entziehen. »Dort kann ich nicht in Ruhe leben und ziehe daher die Sicherheit eines eigenen Haushalts vor.«

»Wie kannst du nur so etwas sagen! Deine Nerven sind durch den Schicksalsschlag wahrlich zerrüttet. Was soll Madame Herriot von solch einem wirren Gerede denken?«

Mit einem betrübten Kopfschütteln lächelte er der Dame zu, während sich seine Finger in Lisettes Fleisch gruben. Als sie bemerkte, dass ihre Gastgeberin unsicher wurde, überkam sie ein Anflug von Verzweiflung. Sie schaute fest in Maurelles ausdrucksvolle braune Augen und sagte flehend: »Sie müssen mir glauben, Madame, ich bin nicht überspannt, sondern brauche wirklich Schutz.«

»Es ist schon traurig, nicht wahr?«, stellte ihr Schwiegervater mit einem Achselzucken fest. »Es tut mir wirklich in der Seele weh, dass die Liebe zu meinem Sohn dies alles verursacht hat. Dennoch kann ich nicht zulassen, dass jemand anders mir die beschwerliche Sorge für die Frau meines Sohnes abnimmt. Nein, nein, unser gemeinsamer Kummer legt die Verantwortung für sie in meine Hände.«

»Sie dürfen ihm nicht glauben!«, flehte Lisette, der Verzweiflung nahe.

Die Hausherrin schien unschlüssig. »Sie machen allerdings wirklich einen etwas aufgewühlten Eindruck, chère, wenn ich so sagen darf.«

»Das würden Sie auch tun, wenn jemand Sie gegen Ihren Willen wegschleppen wollte!«

»Jetzt reicht es aber«, erklärte Moisant und schickte sich an, Lisette aus dem Bett zu zerren. »Wir gehen, bevor du noch so hysterisch wirst, dass du womöglich behauptest, ich hätte dich vergiften wollen.«

Lisette riss sich mit aller Kraft von ihm los und klammerte sich an den Bettpfosten, da er erneut nach ihr griff. »Ich gehe nicht mit Ihnen!«

»Da hören Sie es. Seien Sie also bitte so freundlich und lassen Sie die Dame los.«

Die Aufforderung kam hart und schneidend wie eine Degenklinge und Caid O’Neill trat vom Korridor ins Schlafzimmer. Seine Haltung hatte eigentlich nichts Bedrohliches, doch selbst die Luft, die ihn umgab, und das Rascheln seiner Kleidung wisperten von jähem Tod.

Lisettes Herz tat einen Sprung. Caid O’Neill stand ihr in der Not bei, wollte über sie wachen und sie vor Unheil bewahren, wie es seit dem Tod ihrer Mutter niemand mehr getan hatte … So hatte sie vielleicht doch den Beschützer gefunden, der ihr die Freiheit brachte. Sie war ganz überwältigt von Überraschung und Dankbarkeit.

»Sie!« In Moisants Gesicht spiegelten sich Verblüffung und Ungläubigkeit.

»Sie sagen es«, erwiderte Caid und trat ans Bett.

Moisant ließ Lisette los. Er fuhr herum, riss seinen Ebenholzstock unter dem Arm hervor und schwang ihn wie einen Knüppel gegen den Mann, der seinen Sohn getötet hatte. »Was tun Sie hier? Nein, sagen Sie nichts, ich hätte mir denken können, wer hier seine Hand im Spiel hat.«

»Monsieur Moisant!«, rief die Hausherrin und richtete sich voller Entrüstung auf, »Monsieur O’Neill ist nur hier, weil er es war, der Ihre Schwiegertochter gefunden hat.«

»Wie passend.«

»Eher ein Zufall«, entgegnete Caid, »der aber durchaus sein Gutes hat.«

»Sie halten mich wohl für einen Narren.« Moisant fuchtelte mit seinem Stock vor Caids Gesicht herum. »Lisettes verrückten Einfall habe ich Ihnen zu verdanken, denn Sie würden alles tun, um sich an meiner Familie zu rächen.«

»Da sind Sie zufällig im Irrtum, obwohl ich froh bin, der Dame einen Dienst erweisen zu können.«

»Darauf möchte ich wetten. Und ich wette, ich weiß auch, was für ein Dienst das sein soll.«

»Sie vergessen sich, Monsieur«, wies Caid ihn scharf zurecht.

»Was wollen Sie tun? Mich fordern, damit Sie mich ebenfalls abschlachten können?« Moisant stieß ein kurzes, freudloses Lachen aus. »Daran werden Sie sich die Finger verbrennen. Alle werden wissen, dass es nur ein billiger Racheakt war.«

»Ich habe keinen Streit mit Ihnen, Monsieur«, sagte Caid leise.

»Aber ich mit Ihnen!« Mit diesen Worten machte Moisant einen Satz auf Caid zu, den Stock zum Schlag erhoben.

Caid wich dem Streich mit einem Schritt zur Seite aus, packte dann blitzschnell den Stock und hielt ihn fest. Moisant stieß ein unwilliges Grunzen aus und schüttelte seinen Arm heftig auf und ab. Mit einem durchdringenden Knirschen zerbrach der Stock – und Caid hielt das leere Rohr, während der glänzende Stahl einer Degenklinge jäh in Moisants Hand aufblitzte.

»Aufpassen!«

Kaum hatte Lisette die Warnung ausgestoßen, merkte sie, das es überflüssig war. Caid hatte das Rohr herumgewirbelt, hielt es nun am dickeren Ende gepackt und erwartete in geduckter Fechthaltung die Attacke.

»Messieurs!«, schrie Maurelle Herriot, »das können Sie doch nicht machen, nicht in meinem Haus!«

Als Antwort kam nur Moisants knurrendes Lachen, dann ging er zum Angriff über.

Es gab ein scharfes Klacken und Scharren, als Caid den Angriff der kurzen, blinkenden Klinge parierte und dann sofort wieder zurückwich, beweglich wie ein Banner, das sich im steifen Wind entrollt. Moisant machte einen Ausfallschritt und stieß dabei wie wild mit dem Degen nach ihm.

Maurelle hüpfte hin und her, um den kämpfenden Männern nicht in die Quere zu kommen, und huschte schließlich hinter das Bett, wo sie nach ihrem Butler Solon schrie, nach den Gendarmen oder irgendjemandem, der diesem ungleichen Kampf Einhalt gebieten sollte. Lisette saß starr aufgerichtet im Bett und verfolgte den Kampf mit angehaltenem Atem.

Sie erkannte, dass das kleine Schlafzimmer Caid nur wenig Bewegungsfreiheit bot, aber er besaß die schnellen Reflexe und die geschmeidige Behändigkeit des Profis, der jeden Tag von Neuem dem tödlichen Stahl ausweichen muss. Moisant gelang es nicht ihn zu treffen, trotz der peitschenden, pfeifenden Hiebe, die seinen Degen im Licht der Morgensonne aufblitzen ließen. Sein Gesicht lief fleckig-dunkelrot an und sein Atem ging schnell und gepresst. Hass und Blutdurst glitzerten in seinen Augen, während er immer wieder auf den Iren einstürmte, der sich scheinbar mühelos jeder Berührung entzog.

Dann blieb Caid unvermittelt stehen. Vom Krachen splitternden Holzes begleitet, parierte er einen besonders gefährlichen Stoß und wirbelte das zerbrochene Rohr darauf so schnell und kraftvoll herum, dass das Auge ihm nicht folgen konnte. Er durchbrach Moisants Deckung und zwang dessen rechte Hand nach oben, bis die beiden Männer Ellbogen an Ellbogen, Nase an Nase standen. Im Nu entrang der Fechtmeister Moisant die Waffe, sodass sie klirrend zu Boden fiel. Eine blitzschnelle Bewegung – und unversehens hielt Caid das zersplitterte Ende des Rohrs gegen die heftig pochende Ader an Moisants Hals gepresst.

Die Klinge, die Moisants Hand entfallen war, rollte bis zu der hohen Bettstatt hinüber. Lisette warf die Decke zurück, glitt aus dem Bett und kauerte sich nieder, um die Waffe zu ergreifen. Mit dem Degen in der Hand erhob sie sich langsam.

Stille breitete sich aus. Alle standen regungslos und belauerten einander argwöhnisch. Die Sekunden verstrichen.

Schließlich brach Madame Herriot das Schweigen. »Gott sei Dank!«, rief sie aus und schaute zur Tür hinüber, wo der Butler aufgetaucht war. »Monsieur Moisant muss uns verlassen, Solon. Begleite ihn bitte hinaus.«

»Sehr wohl, Madame.« Der Diener trat ein wenig von der Türöffnung zurück und blieb dann, eine Hand auf dem Türgriff, in wartender Haltung stehen.

Lisettes Schwiegervater rückte von Caid ab und zog sich mit einem Ruck den Gehrock gerade. Nur an dem Glitzern in seinen dunklen Augen konnte man ablesen, wie tief gedemütigt er war. »Ich verlasse Sie mit Vergnügen, denn ich bin eindeutig zu spät gekommen, um die Frau meines toten Sohnes vor ihrer eigenen Torheit zu bewahren. Ich hoffe nur, sie wird ihre heutige Entscheidung nicht eines Tages bereuen. Und ich nehme an, sie hat gründlich darüber nachgedacht, warum ihr der Mörder ihres Mannes zu Hilfe kommt.« Dann wandte er sich an Lisette. »Es wird Sie kaum überraschen zu hören, Madame, dass von nun an jedes Band zwischen uns zerschnitten ist. Ich wünschte nur, ich könnte meine Familie ebenso leicht davor bewahren, unwiderruflich in den Schmutz gezogen zu werden.«

Er nickte Maurelle zu und ging aus dem Zimmer, als sei Caid überhaupt nicht vorhanden. Solon folgte ihm langsam. Ihre Schritte entfernten sich und verklangen schließlich.

»Mon cher«, sagte Madame Herriot mit leiser Besorgnis, eilte zu Caid hinüber und ergriff seinen Arm. »Bist du unversehrt? Hat er dich auch nicht verletzt?«

»Nicht mal ein Kratzer«, antwortete er mit sardonischem Lächeln.

»Was für ein schlimmer Teufel, dich so heftig anzufallen! In meinem ganzen Leben hatte ich noch nicht solche Angst.«

Lisette sah, dass Caid zu ihr herüberblickte, während er weiter mit Maurelle redete. »Vielleicht siehst du ja jetzt, wie wichtig es ist, deinen Gast von ihm fern zu halten.« Er machte seinen Arm los und ging zu Lisette hinüber. »Wie steht es mit Ihnen? Alles in Ordnung?«

»Vollkommen«, sagte sie, doch ihre Stimme klang nicht so sicher, wie sie sollte, und der Stockdegen in ihrer Hand zitterte leicht.

Caid nahm mit festem Griff die Waffe an sich. »Ich schlage vor, Sie gehen zurück ins Bett und essen dann eine Kleinigkeit. Es ist schon nach Mittag und Sie haben das Frühstück verschlafen.«

Das hatte Lisette nicht gewusst und sie war auch gar nicht hungrig, doch sie wollte sich nicht streiten. Also stieg sie wieder ins Bett und lehnte sich in die Kissen.

»Ich sorge dafür, dass man Ihnen sofort ein wenig Bouillon und Brot bringt«, sagte Maurelle über die Schulter, als sie aus dem Zimmer ging.

Lisette murmelte einen Dank und starrte einen Moment lang auf ihre unruhigen Hände, bevor sie zum Sprechen ansetzte.

»Nein,« fiel ihr Caid ins Wort. »Falls Sie mir schon wieder danken oder sich gar entschuldigen wollen, lassen Sie es bitte sein.«

»Er hätte Sie töten können.« Die Kehle war ihr wie zugeschnürt, sodass sie nur ein Flüstern hervorbrachte.

»Das ist sehr unwahrscheinlich, nicht mit diesem Spielzeug.« Er warf den Stockdegen auf den Nachttisch.

»Ich hätte nie gedacht, dass es dazu kommen würde, und ich weiß jetzt, dass es ein Fehler war, Sie da mit hineinzuziehen. Glauben Sie mir, es lag nicht in meiner Absicht, den Hass zwischen Ihnen und Eugenes Vater noch zu schüren.«

»Das war wohl auch kaum möglich, so wie er schon vorher zu mir stand. Aber Sie wollen unseren Pakt doch wohl jetzt nicht brechen, oder?«

»Ich denke, das werde ich wohl müssen.« Sie konnte ihn nicht ansehen und begann, die Bettdecke in kleine Fältchen zu legen.

»Meinetwegen nicht. Außer natürlich, Sie fürchten sich jetzt vor mir – nach dem, was Sie mit angesehen haben.«

Lisette warf ihm einen verwunderten Blick zu. »Wie könnte ich, da Sie es doch nur mir zuliebe taten?«

»Oder fürchten Sie sich wegen Moisants Anschuldigungen?«

»Dass Sie mir angeblich aus irgendwelchen finsteren Beweggründen geholfen haben? Ich glaube, das war reine Bosheit.«

»Zweifellos. Aber ich freue mich ungemein, es von Ihnen zu hören.« Er legte seine warme Hand beruhigend auf ihre rastlosen Finger. »Versuchen Sie, sich ein wenig zu entspannen.«

»Ja«, konnte sie nur flüstern, denn bei seiner Berührung begann ihr Puls wie ein aufgescheuchtes Reh zu rennen, so dass ihr ganz seltsam zumute wurde.

»Ich werde mich heute nach einer geeigneten Bleibe für Sie umsehen und komme morgen früh wieder. Dann werden wir sicher viel zu besprechen haben.«

Er drückte kurz ihre Hand, ließ sie dann los und drehte sich um. Ein paar Sekunden später fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.

Lisette lag ganz still, fast ohne zu atmen. Er würde wiederkommen. Sie würden miteinander reden. Das hatte er versprochen. Er wollte wirklich ihr Beschützer sein, ihr beistehen, wenn sie ihn brauchte und wenn Eugenes Vater sie bedrängen sollte. Noch vor kurzem wäre sie bei diesem Gedanken vor Freude ganz außer sich gewesen.

Vor kurzem hatte sie noch nicht gesehen, wie er dem Tod ins Auge blickte und ihn ohne mit der Wimper zu zucken besiegte. Sie hatte weder die Stärke seiner Persönlichkeit noch die Härte gekannt, die sein innerstes Wesen wie ein Panzer schützte. Und sie hatte auch nicht gewusst, welch tödliche Macht er mit dem Degen ausüben konnte. Nicht einmal im Traum hatte sie sich vorstellen können, welche Geheimnisse sich hinter seinem Lächeln verbargen, in dem schimmernden blauen Abgrund seiner Augen, wo grüne Irrlichter flackerten wie auf dem Meer bei Sonnenuntergang.

Sie hatte nicht geahnt, dass sie unter seiner Berührung erzittern würde, die sich ihr so unauslöschlich eingeprägt hatte wie das Zeichen, mit dem, wie es hieß, der Teufel seine Opfer brandmarkt.

Vielleicht hatte sie sich den falschen Beschützer ausgesucht. Nun musste sie zu le bon Dieu beten, dass dieser Irrtum ihr nicht zum Verhängnis wurde.

Gefechte der Leidenschaft

Подняться наверх