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DAS SCHLECHTE GEWISSEN KAUFT MIT EIN

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Je mehr wir über bestimmte Branchen und Produkte wissen, desto schwieriger wird es, sich »richtig« zu entscheiden. Vor ein paar Jahren habe ich (why not?) ein Buch über Zucker gelesen, das mich erst mal ziemlich ratlos zurückgelassen hat. Plötzlich erschien mir jedes Produkt im Supermarkt wie ein Produkt aus der Hölle, alles nur Verarsche, überall steckte deutlich mehr Süßzeug drin als vermutet. Zunächst wusste ich nicht so richtig damit umzugehen, lief frustriert durch die Gänge und genoss selbst das Essen im Restaurant kaum noch. Eine Freundin, der ich davon erzählte, schien sich nicht so sehr an den Fakten zu stören oder konnte sie ausblenden. Der Anspruch an mich selbst lag hier offensichtlich deutlich höher, obwohl wir uns beide in derselben Welt bewegten. Dabei konnte ich ihr Verhalten gut nachvollziehen: Sich in einer nicht zuckerfreien Welt zuckerfrei ernähren zu wollen ist nahezu utopisch. Warum sich also damit stressen? (An dieser Stelle: Respekt an alle, die es trotzdem schaffen!) Ein Bewusstsein für das Zucker-Problem ist gut, aber Askese auch nicht die Lösung. Ganz ausblenden kann ich die Tatsache im Alltag trotzdem nicht, das Bewusstsein verschwindet schließlich nicht. Eben dieses Gefühl lässt sich auf Konsumentscheidungen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit übertragen – wobei es sich hier nicht nur so anfühlt, als würde ich mir selbst schaden, wenn ich das Falsche kaufe, sondern gleich der ganzen Welt.

Umso beunruhigender, dass es anderen auch so schwerfällt, stets die nachhaltigste Entscheidung zu treffen. In einer Studie zum Umweltbewusstsein der Deutschen, die das Umweltbundesamt alle zwei Jahre durchführt, gaben 2018 zwar 64 Prozent an, Umwelt- und Klimaschutz als eine der wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderungen anzusehen, und schätzten ihren Umweltaffekt und ihre Umweltkognition, also die emotionale Betroffenheit und die rationale Einschätzung, recht hoch ein (7,2 und 7,9 von zehn möglichen Punkten). Beim umweltbewussten Verhalten lag der Wert jedoch bei gerade einmal 4,6 Punkten.6

Wenn wir dann letztlich doch etwas kaufen, von dem wir definitiv wissen, dass es nicht die richtige Entscheidung ist (von manchen Medien verspielt »Öko-Fails« genannt7), meldet sich schnell das schlechte Gewissen. Mittlerweile ist dieses Gefühl offensichtlich so weitverbreitet, dass es gar einen eigenen Begriff wert ist: Eco Guilt oder Green Guilt, grüne Schuld. Sie spüren wir, wenn der Versuch, alles richtig machen zu wollen, scheitert – also eigentlich ständig. Selbst wenn wir uns aus unserer Sicht schon wirklich viel Mühe geben. Wenn wir wieder einmal merken, dass es einfach unfassbar schwer ist, als Einzelperson tatsächlich etwas zu bewirken, weil die konsumfreundliche Realität eben komplexer als unsere ökologischen Absichten ist. Wir verspüren dieses Gefühl, obwohl wir wissen, dass wahrscheinlich niemand alles richtig macht. Wie oft bin ich in Gesprächen über ethischen Konsum bei »Um wirklich nachhaltig zu leben, müssten wir irgendwo in einer Hütte im Wald leben und uns selbst versorgen« gelandet.8

Warum aber schaffen wir es trotz starker Absicht nicht, uns auch entsprechend dieser zu verhalten? In dem Zusammenhang sprechen unter anderem auch David Scholz und Leonie Kott von Psychologists for Future, angelehnt an die Arbeiten der beiden Psychologen Paschal Sheerans und Thomas L. Webbs9, von der sogenannten Intentions-Verhaltens-Lücke. Sie geht oft mit Rechtfertigungen einher, mit denen die getroffenen Entscheidungen schöngeredet werden. Etwa, wenn man einen Flug bucht und sich einredet, dass es ja nur das eine Mal sei. Oder wenn man sich neue Kleidung kauft, die unnötig, aber angesagt ist, weil man sich ausnahmsweise auch mal etwas gönnen will. Ähnliches Verhalten kennen auch viele Menschen, wenn die Neujahrsvorsätze schon nach wenigen Tagen gescheitert sind: Sorry, es fehlt mir einfach die Zeit für Sport.


Weshalb Menschen entgegen ihrer Überzeugungen handeln, hängt von mehreren Faktoren ab. Zunächst ist die Qualität der Intention entscheidend. Ist das Ziel klar definiert und tatsächlich erreichbar? Ist der Wunsch nach Veränderung intrinsisch, also kommt er von der Person selbst, oder basiert er auf den Erwartungen anderer? Hinzukommen selbstregulatorische Schwierigkeiten, also Hürden bei der Umsetzung, entweder weil man nie anfängt, nicht dranbleibt (etwa weil kein Fortschritt beobachtet wird) oder weil man nicht zum Ende kommt. Die Psychologists for Future empfehlen deshalb auch, kleine Ziele zu stecken und Kompromisse einzugehen, also etwa erst mal nur unverpacktes Obst und Gemüse zu kaufen, statt direkt Zero Waste als Megaziel zu verfolgen, sowie die eigene tatsächliche Motivation zu hinterfragen.10

Aber genau in diesen (durchaus auch hilfreichen) Tipps versteckt sich das Grundproblem, mit dem wir alle kämpfen: Wie sollen wir in einer nicht nachhaltigen Welt nachhaltige Entscheidungen treffen? Hinzu kommt, wie das Oatly-Beispiel zeigt, dass manchmal gar nicht ersichtlich ist, wie nun die sinnvollste Lösung aussähe.

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