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Von Jennifer Hauwehde
ОглавлениеBis zu meinem 20. Lebensjahr habe ich – ohne es zu wissen – ausgesprochen nachhaltig gelebt, wenn man den Kriterien für einen individuell nachhaltigen Lebensstil folgt: Ich aß seit meinem 16. Lebensjahr vegetarisch, besaß nur wenige Kleidungsstücke, die sehr alt waren (und auch so aussahen, aber nicht auf die gute Art), kaufte mir wenige Dinge, lieh Bücher konsequent aus der Stadtbücherei aus, reiste so gut wie nie und flog genau ein einziges Mal. Trotzdem war ich nicht glücklich.
Wie kann das sein?
Mein erster Zugang zu Nachhaltigkeit als einem erstrebenswerten Lebenskonzept für mich und die Welt, die mich umgibt, fand unter anderem durch Bücher über Nachhaltigkeit statt, in denen saubere, weiße und aufgeräumte Welten in Wort und Bild dargestellt wurden: hohe Decken mit Stuck, Balkone mit geschmackvoll platziertem Grün, dezente Kingsize-Betten mit Leinenbettwäsche. Ich habe, trotz meiner Leistungsbesessenheit und meines Fleißes, bereits Erfahrung mit den menschenunwürdig mahlenden Mühlen des Sozialhilfesystems machen müssen und schrammte permanent gerade so an der Armutsgrenze vorbei (ohne Sicherheitsnetz). Ich fand mich in diesen Büchern nicht wieder.
Ich wusste, wie sich das Gefühl in der Schlange vor dem Schalter auf dem Arbeitsamt anfühlte, was es bedeutete, weder eine Waschmaschine noch das Geld für Waschsalons zu besitzen, hatte bisher nie in einem Taxi gesessen und fühlte mich ein paar Jahre zuvor wie eine Königin, als ich mir mit meinem ersten selbst verdienten Geld einen Trenchcoat für 40 Euro in einem Discount-Fashion-Store kaufte.
Besagtes Geld verdiente ich in einem Dönerimbiss, in dem ich Salat, Tomaten und Zwiebeln schnitt, Tische und Böden putzte. In den Pausen lernte ich für mein Abitur, auf meinen Unterlagen über Messenger-RNA sind Fettflecken. Den einzigen Lehrer, der irgendwann in einer Zwischennotenbesprechung meine Leistungen lobte und in demselben Atemzug fragte, was ich so trieb und wie es mir ging, werde ich nie vergessen. Er sagte, es mache ja schon einen Unterschied, vor welchem Hintergrund Dinge passierten.