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WIR KONSUMIEREN, WEIL WIR ES MÜSSEN KÖNNEN SOLLEN

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Schwartz hat es ganz treffend beobachtet: Wir leben in einer Konsumgesellschaft. Dadurch stellt sich aber nicht nur die Frage, was wir konsumieren, sondern auch, warum wir nicht aufhören können zu konsumieren. Jede Person in Deutschland besitzt schon jetzt durchschnittlich 10.000 Gegenstände13, von denen sie weit weniger als die Hälfte nutzt. Ein Grund: Wir leben in einem Land, in dem alles im Überfluss existiert, innerhalb einer Wirtschaft, die vom Verbrauch abhängt (mehr dazu in Kapitel 3) und in der der Markt ständig neue Bedürfnisse erzeugt.

Auch in der Greenpeace-Studie mit dem treffenden Titel After the Binge, the Hangover fand man 2017 heraus, dass die Menschen in Europa und Asien mehr Kleidung kaufen, als sie brauchen oder nutzen. Sie konsumieren vor allem, weil sie sich nach Erfüllung sehnen, befeuert durch Social Media und das leicht verfügbare Online-shopping. Tatsächlich hält die Glückseligkeit über neue Produkte aber nicht lange an. Bei einem Drittel der in Deutschland Befragten verflog die Freude bereits nach einem Tag, über die Hälfte fühlte sich nach dem Shopping müde und erschöpft. Ein Drittel der Befragten in China, Hongkong, Taiwan fühlte sich danach sogar noch leerer als zuvor.14 Ein Kaufrausch kann also tatsächlich eine Art Kater nach sich ziehen und negative körperliche und psychische Folgen haben.

Wolltet ihr in den 90ern auch unbedingt Schuhe mit Leuchteffekten haben? Habt ihr euch an einem besonders miesen Tag schon mal etwas besonders Schönes gekauft? Kein Wunder, Shopping ist häufig eher emotional als rational bedingt. Etwa, weil wir uns etwas als Belohnung gönnen, oder auch, weil wir gesellschaftlich dazugehören wollen. Das kann gut und schlecht zugleich sein. Einerseits glauben wir eben deshalb, bestimmte Produkte zu brauchen – die eigentlich unnötig sind. Andererseits können wir aber aus demselben Grund andere Menschen leicht beeinflussen – auch im positiven Sinne. Bestenfalls können wir sie genau deswegen durch unser umweltfreundlicheres Verhalten zum Nachahmen anregen. Oder, wie es Karl Marx einst formulierte: »Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.«15


Davon, dass wir automatisch weniger konsumieren, je glücklicher wir sind, schreibt auch Manfred Folkers im Buch All you need is less, eine Mischung aus buddhistischen Beobachtungen und Denkanstößen für die Wirtschaft: »Wer sich […] dem Mehrungs- und Vergleichungsdruck entzieht, öffnet das Tor zur Zufriedenheit.«16 Obwohl viele Formulierungen in dem Werk sehr pathetisch rüberkommen, steckt in ihnen viel Wahres: Nur wer mit sich selbst im Reinen ist, wird keine Bestätigung durch Konsum suchen. Minimalist:innen werden an dieser Stelle vermutlich heftig nicken.

Dass weniger statt mehr für unser Wohlbefinden durchaus ausreicht, bestätigt auch eine Umfrage der ZEIT während der einschränkenden Coronamaßnahmen im Frühjahr 2020. Auf die Frage, was sie wirklich brauchen würden, um diese Zeit gut zu überstehen, antwortete eine Mehrheit: Sie hätten gemerkt, dass es ihnen auch gut geht, wenn sie nicht immerzu konsumieren.17


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