Читать книгу Schwertprinz - Jennifer Roberson - Страница 6

PROLOG

Оглавление

Schwert durchbohrte Haut, brach Knochen. Ich spürte es eindringen, spürte die Biegsamkeit, die Spannung in meinen Handgelenken, während der Stahl in den Körper schnitt. Ich hörte meinen eigenen heiseren Schrei, während ich erneut leugnete, dass ich das wollte, es beabsichtigt hatte ...

... und erwachte mit einem merkwürdigen Aufwärtsruck, wodurch ich mit dem Hinterkopf gegen Holz stieß.

Das ist vermutlich auch eine Möglichkeit, einen Traum abzubrechen: sich ihn einfach aus dem Kopf zu schlagen.

Durch die Wucht des Aufpralls niedergestreckt, lag ich mit dem Bauch nach unten auf der fadenscheinigen Decke, verzog vor Schmerz und Schreck das Gesicht und biss die Zähne zusammen. Ich konnte kein Wort hervorbringen, sondern fluchte in meinem erschütterten Schädel zwar stumm, aber kräftig.

Über mir erklang ein vorsichtiges: »Tiger?«

Ich antwortete nicht. Ich war zu sehr damit beschäftigt, meinen misshandelten Hinterkopf zu umfassen und zu versuchen, ihn zusammenzuhalten.

»Geht es dir gut?«

Nein, es ging mir nicht gut, vielen Dank. Ich hatte gerade beinahe mein Gehirn in der kleinen Kabine verspritzt, die wir uns an Bord eines Schiffes teilten, das ich vom ersten Tag unserer Reise an zu hassen gelernt hatte. Aber zu sagen, dass es mir nicht gut ging?

Ich wandte den Kopf vorsichtig in einen Streifen messingfarbenen Sonnenlichts, der unregelmäßig durch knarrende, Tropfen klebrigen Pechs ausschwitzende Bordwände schlich. »... gut.« Zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Über mir regte sich etwas. Kurz darauf ergoss sich üppiges helles Haar, das im von Nebelranken durchzogenen Morgenlicht kaum sichtbar war über die Seite der schmalen Schlafkoje über mir, an der genau ich mir den Kopf gestoßen hatte. Dann erschien das Gesicht. Umgekehrt.

Del ist aus jeder Richtung betrachtet, in jeglicher Lage und mit jedem Gesichtsausdruck schön. Aber gerade jetzt war ich nicht in der Verfassung, diese Schönheit würdigen zu können. »War das dein Kopf?«

Ich lockerte meinen Kiefer ein wenig und hob die Wange von dem Bündel modrigen Stoffs, das nur unzureichend als Kopfkissen diente. Es stank nach Salz und Fisch und ... nun, nach mir. »Ich könnte vermutlich darauf hinweisen, dass monatelanges getrenntes Schlafen in Kojen, die kaum für einen Hund groß genug sind, es einem Mann schwer macht, na ja, seine Bewunderung und Zuneigung zu zeigen ...«

»Wollust«, unterbrach sie mich völlig ungeschönt. »Und es sind erst zwei Wochen. Außerdem hatten wir den Boden.« Sie hielt inne, um sich zu korrigieren. »Das Deck. Welches wir benutzt haben. Mehrere Male. Oder hast du das bereits vergessen?«

Um durch diese ärgerliche und komplizierte Unterbrechung, die nur dazu gedacht war, mich in die Abwehr zu locken, nicht mundtot gemacht zu werden, fuhr ich mit mühsamer Würde fort: »... und daher könnte ich behaupten, etwas völlig anderes sei mit solcher Wucht gegen die Unterseite deines Bettes geprallt, dass die Erde wackelt ...«

»Schmücken wir gerade die Geschichte des Jhihadi aus?«

»... aber wenn man bedenkt, dass ich stets ein ehrlicher Messias, also, Mann bin ...«

»Wenn es dir passt.«

»... gebe ich zu, dass es tatsächlich mein Kopf war.« Ich tastete vorsichtig in drahtigem Haar. »Ich glaube, er ist noch heil.«

»Nun, wenn nicht, passt er zu deiner übrigen Erscheinung. Das bewirkt das Alter bei einem Mann nun einmal.« Und sie zog ihren Kopf – und ihr Haar – zurück, sodass ich nichts mehr anzuschauen hatte.

»Deine Schuld«, murmelte ich.

Sie schwang sich von ihrer Schlafkoje herab. Kurze, schmale Kojen, zu klein für uns beide zusammen oder getrennt. Del ist eine große Frau. Sie landete leichtfüßig und stützte sich gegen das beängstigende Rollen des Schiffes mit einer Hand gegen einen salzverkrusteten, zerbrochenen Kojenrahmen. »Meine Schuld? Dass du dein Alter spürst? Also wirklich, Tiger – man könnte glauben, es sei immer meine Idee gewesen, wie du es ausdrückst, ›Bewunderung und Zuneigung auszudrücken‹.«

»Hoolies«, murrte ich, »ich bin froh, wenn wir wieder an Land sind. Wenn wir an Land Platz haben, uns zu bewegen.«

Del saß auf der Kante meiner Schlafkoje. Es war keine bequeme Lage, weil sie sich vorbeugen und zusammenkauern musste, damit sie sich nicht den Kopf an der Unterseite ihrer Koje stieß. Ich verlagerte meine angezogenen Beine, um ihr so viel Platz zu machen wie möglich. Ich würde mich nicht aufsetzen und es riskieren, mir erneut den Kopf zu stoßen. »Blutet es?«, fragte sie nüchtern und klang dabei eher wie ein Mann als wie eine Frau, bereit, eine Verletzung vergnügt als höchst belanglos abzutun, wenn kein Körperglied abgehackt war.

Ich wurde einmal gefragt, was es bedeutete, wenn Del jemals nett wäre. Ich antwortete – ernsthaft –, dass sie dann wahrscheinlich krank wäre. Oder sich um mich sorgte, aber das war unwahrscheinlich. Einerseits hasste ich Getue. Andererseits war Dels Art, sich zu sorgen, auch wenig trostreich. Ein Schlag auf den Hintern entspricht eher ihrer Art zu ermutigen, ganz ähnlich, wie man einem Pferd einen Klaps gibt, wenn man es auf die Weide entlässt.

Ich untersuchte meinen Schädel erneut, tastete vorsichtig durch salzverkrustetes Haar. Kein Blut. Nur eine Beule. Und es juckte. Aber es war zu weit von meinem Herzen entfernt, um mich zu töten.

Dann ließ ich Kopf und Spott gleichermaßen los. Ich streckte die Hand aus und umfasste ihren Arm, umschloss ihr Handgelenk mit meiner Hand. Del war weder im Wesen noch von Körpergröße, Können und Verstand her eine kleine Frau, aber ich bin auch kein kleiner Mann. Ihr Handgelenk passte ausgezeichnet in meine Hand. »Ich habe von dir geträumt«, sagte ich. »Und von dem Tanz. Auf Staal-Ysta.«

Del wurde sehr still. Dann nahm sie beredt meine Hand und führte sie an ihre Rippen, wo sie sie öffnete und flach an das dünne Leder ihrer Tunika drückte. »Ich bin heil«, sagte sie. »Ich lebe.«

Ich zitterte. Fühlte mich älter als achtunddreißig. Oder möglicherweise neununddreißig. »Du weißt nicht, wie das ist. Du warst tot, Bascha ...«

»Nein. Fast. Aber nicht wirklich tot, Tiger. Du hast den Stoß rechtzeitig abgefangen. Erinnerst du dich?«

Ich hatte den Stoß nicht rechtzeitig abgefangen. Ich konnte ihn nur verlangsamen, mich – gerade so – daran hindern, sie in zwei Teile zu zerschneiden.

»Ich erinnere mich daran, dass ich hilflos war. Ich erinnere mich, dass ich zuerst nicht mit dir tanzen wollte und dass mich dieses verfluchte magiebeladene Schwert dennoch dazu zwang. Und ich erinnere mich daran, dass ich dich verletzt habe.« Ich spürte die Wärme ihrer Haut unter meiner Handfläche, ihren beständigen Herzschlag. Und die harte Kruste des Narbengewebes ragte deutlich aus der Haut unter ihrer linken Brust hervor. »Ich erinnere mich daran, dass ich gegangen – nein, davongerannt – bin, weil ich dachte, dass du sterben würdest. Ich war mir dessen sicher ... und ich konnte es nicht ertragen, dem zuzusehen ...« Ich richtete mich auf einen Ellenbogen auf, legte meine freie Hand um ihren Hinterkopf und zog sie mit mir herab. »O Bascha, du weißt nicht, was das an jenem Morgen auf der Klippe für ein Gefühl war, als ich von der Insel fortritt. Von dir fortritt.« Aber nicht aufgrund der Schuld und der Selbstvorwürfe. Ich war sicher, dass sie nur noch Stunden zu leben hätte. Während mir Jahre blieben, mich zu erinnern und mir den Tod zu wünschen.

Ich veränderte meine Lage erneut, als sie sich niederließ. Die Koje war zu klein, zu beengt für etwas anderes als zwei sich umschlingende Körper. »Und als du mich dann später fandest, mich mit diesem dreimal verfluchten Schwert ...«

»Es ist vorbei«, sagte sie. Und das war es, seit fast zwei Jahren. »Das alles ist vorbei. Ich lebe – und du auch. Und keiner von uns besitzt ein Schwert, das mehr wäre als ein Schwert.« Sie hielt inne. »Jetzt.«

Jetzt. Del hatte Boreal, ihr Jivatma, zerbrochen, um mich von der Magie zu befreien. Und mein eigenes Schwert, dasjenige, das ich selbst geschmiedet, geformt, in Blut getränkt und auf der eisigen Insel namens Staal-Ysta benannt hatte, lag unter Tonnen herabgestürzten Gesteins begraben. Wir waren einfach wieder Menschen: die Schwertsängerin aus dem Norden und der Schwerttänzer aus dem Süden.

Ich zuckte zusammen, als sie ihre Hand an die Narbe in meiner Haut legte, die genauso verwachsen und entzündet war wie ihre – über ihren inzwischen verheilten Rippen. Sie hätte mich in demselben Kreis niemals getötet. Aber es war nicht ihre Berührung, die die innere Reaktion hervorrief. In Wahrheit war ich nicht einmal mehr ein Schwerttänzer, kein wahrer Schwerttänzer. Der Sandtiger war jetzt ein Borjuni, ein ›Schwert ohne Namen‹. Und es gab keinen stolzen – und stolz verteidigten –, Titel mehr, der während der Lehrzeit und Meisterschaft innerhalb des Systems erworben worden war, das den ritualisierten Zweikampf des Südens und die Eide und Ehrenkodexe von Menschen beherrschte, die mit Schwertern in Kreisen tanzten und die Kriege der Tanzeers, der Prinzen der Punja, der gnadenlosen Wüste des Südens, bestritten.

Nach der Geburt verlassen und dann als Sklave aufgenommen; daraus durch Eide dem Mann, dem Shodo, gegenüber befreit, der mich das Kämpfen – das Tanzen gemäß den Kodexen – gelehrt hatten und jetzt von anderen verlassen, die die gleichen Eide geschworen hatten und mich daher töten mussten, weil ich die Kodexe gebrochen hatte.

Und doch war es, trotz des Preises, leicht gewesen, sie zu brechen, weil es für Delilah geschehen war. Für ihre Eide und Ehre.

Und so war ich im Süden, in meiner Heimat, eine von jedem lebenden Schwerttänzer zu jagende Beute, die außerhalb des Kreises ehrlos getötet werden musste, weil ich nicht mehr Teil davon war. Im Norden, in Dels Heimat, war ich ein Mann, der dem Glanz Staal-Ystas, des Ortes der Schwerter, und den Schwertsängern, die mit magischen Klingen im Kreis tanzten, den Rücken gekehrt hatte.

Aber hier, jetzt, mit ihr, war ich nur ich selbst. Manchmal genügt das.

Schwertprinz

Подняться наверх