Читать книгу Kein Drummer zum Küssen - Jennifer Schreiner - Страница 8

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Prolog

Ich starrte meinen Chef an, während seine Worte nur langsam in meinen Verstand tröpfelten und noch langsamer einen Sinn ergaben. Dafür wurde ich umso schneller empört: »Das mache ich nicht!«

»Es ist nur dieses eine Mal«, beschwichtigte mich Ruben, wirkte aber nicht sonderlich überrascht von meiner Reaktion.

»Keine Paare und keine Berühmtheiten«, erinnerte ich ihn nichtsdestotrotz.

Im Gegensatz zu den meisten weiblichen Angestellten des SM-Begleitservices sonnte ich mich ungerne im Glanz irgendeines Stars. Hatte ich schon privat gehabt – war schrecklich schiefgegangen. Zum Glück hatte es aber nichts mit meinem Job als Escort zu tun gehabt, den hatte ich erst vor einigen Wochen angetreten. Hauptsächlich um meinem Sinn für Ästhetik Befriedigung zu verschaffen – und natürlich meiner Lust nach SM-Spielen … von dem guten Geld einmal ganz zu schweigen, schließlich musste Frau ihrer Mutter helfen, wenn die sich selbst mit Hilfe eines vermeintlich reichen Lovers in eine finanzielle Bredouille geritten hatte. Mal wieder.

»Liest du es dir wenigstens durch, bevor du ‚nein‘ sagst?«, drängte Ruben und legte die Akte auf meinen Tisch, um sie anschließend in meine Richtung zu schieben, während er sich mit der anderen Hand durch die Haare fuhr und einen Großteil seiner sorgfältig gekämmten dunklen Lockenpracht zerstörte.

Ich seufzte schwer, öffnete aber die erste Seite und starrte das Foto an, das einen attraktiven, jungen Mann zeigte, bei dem es mir beinahe instinktiv in den Fingern juckte. Sicher würde er sich sehr gut in meiner Sammlung erlesener Männer machen – so von Künstler zu Künstler. Allerdings wusste ich, dass das harmlose und beinahe jugendhaft-natürliche Foto log, denn andere Bilder von ihm zierten nahezu täglich die Klatschpresse. Und auf denen wirkte er eher gefährlich und wie ein außer Kontrolle geratener Rockstar der dringend Dusche, Haarschnitt und Rasur brauchte – von Schlaf und gesunder Ernährung ohne Drogen einmal ganz abgesehen.

»Ernsthaft?«, meinte ich, als ich Ruben tadelnd ansah. »Das Tier? Jacob Demson, den Schlagzeuger von ‚Bad, Bed, Music‘ soll ich begleiten?«

»Nein!« Ruben schüttelte den Kopf. »Du sollst ihn nicht begleiten und eigentlich ist er auch nicht auf der Suche nach sanfter Dominanz.«

Ich starrte meinen Chef über die Akte hinweg an und wusste nicht, ob ich lachen oder nach meiner Kündigung fragen sollte – oder nach einem Hörgerät, denn irgendetwas an Rubens Aussage konnte nicht stimmen.

»Die Jobbeschreibung wäre im Grunde: Eine sehr dominante Escort-Dame mit Hand zu ästhetischen Aufgaben, die ihn sieben Tage lang sinnvoll beschäftigt, während er in der Stadt ist.«

»Ah«, machte ich. Hauptsächlich, weil mir nichts Besseres einfiel. Erst nach dem dritten Anlauf gelang es mir einen vernünftigen Einwand zu formulieren: »Das Problem ist doch schon das zweite Wort.«

Ich schenkte meinem Boss ein Lächeln, um nicht allzu verschnupft zu klingen: »Falls es dir nämlich noch nicht aufgefallen ist, ich bin nicht sonderlich dominant!«

»Aber den Rest würdest du hinbekommen?!«, ließ Ruben nicht locker und fuhr sich mit der Hand durch seine kurzen Locken, um auch noch den Rest seiner Frisur zu zerstören. Doch aus irgendeinem magischen Grund hatte es genau den gegenteiligen Effekt und ließ ihn jünger wirken, gewollt ungestylt. Ein Mann sollte einfach nicht so perfekt unperfekt wirken dürfen, aber Ruben war und blieb einfach der Inbegriff eines Traummannes, ohne sich dafür auch nur im Geringsten anstrengen zu müssen.

»Ich glaube, dass ‚das Tier‘ eine wirklich strenge Führung braucht, jemanden, der ihn sofort einfängt …« Ich verstummte und seufzte abermals. »Und das kann ich einfach nicht.«

Ruben musterte mich einen Moment lang, als sei er von meinen Einwänden immer noch nicht gänzlich überzeugt, weswegen ich mich wieder der Akte widmete. Großteils, um meinen guten Willen zu demonstrieren.

Ich überflog die persönlichen Angaben und Jacobs Erfahrungen mit unserem Service und blieb bei der ersten Buchung hängen. »Ist das nicht …?«

»Trish, die Frau des Leadsängers?« Ruben verzog seine Lippen zu einem bitteren Lächeln und seine nächsten Worte erklärten auch diese Reaktion. »Ja, jetzt schon.«

»Du meinst ‚The sexiest Man alive‘ Alex Roth hat sich deine Escort-Dame geangelt, als sie einen Job bei seinem Drummer Jacob hatte?«, hakte ich belustigt nach, verschwieg aber, dass ich Trish nicht vom Office Escort kannte, sondern von einer Performance für einen gemeinsamen Freund, den Künstler Hagen Taylor.

Ruben knurrte etwas, was verdächtig nach: »Und meine Frau Joanna hat sie unterstützt« klang, bevor er mich ernst ansah. »Genaugenommen haben mir Alex, Joanna und Trish diese Situation eingebrockt, denn Jacob sucht immer noch einen Ersatz für Trish.«

Ich runzelte die Stirn, da ich Trish nie als sonderlich dominant wahrgenommen hatte, eher als verspielt. »Kann ich sie anrufen?«

»Versuch dein Glück«, meinte Ruben und reichte mir den Telefonhörer. »Falls Alex sie nicht inzwischen in einer dunklen Folterkammer gefangen hält.«

Wieder runzelte ich die Stirn, nutzte aber die Zeit, während es am anderen Ende der Leitung bimmelte und las mir Trishs damaligen Auftrag durch. Dabei wunderte ich mich über Rubens Worte, denn der erste von Jacobs Aufträgen passte zu meiner Einschätzung und las sich so, als sei Trish dominant und nicht der Typ Frau, der sich gerne in einer Folterkammer einsperren ließ. Aber was wusste ich schon über die Gefühle von dominanten Menschen und ihren Wunsch, auch einmal dominiert zu werden?


Nach dem Gespräch mit Trish war ich mir sicher, dass Jacob der Falsche war. Er mochte harte Dominanzspielchen, Spiele, die selbst einem deutlich härteren Profi wie Trish zu hart gewesen waren – also müsste er bei jedem anderen als bei mir gut aufgehoben sein.

»Was ist mit Niobe?«, erkundigte ich mich. Wenn es zurzeit in NY eine dominante Begleiterin gab, die hübsch genug war, um auch einem Rockstar zu gefallen, dann war es die exotische Schönheit.

»Niobe ist nur dominant, hat aber keinen Draht zu den Feinheiten, die hier erwünscht sind.«

»Ich lese nichts von Feinheiten«, meinte ich und drehte den aktuellen Auftragszettel in meinen Händen, als könne ich irgendwo eine Notiz übersehen haben. Dabei hatte ich den Text inzwischen dreimal gelesen und wunderte mich, warum Ruben immer noch nicht aufgegeben und Niobe angerufen hatte.

Als mein Telefon schrillte, war ich beinahe erleichtert, da es mir eine Ablenkung erlaubte – und vielleicht eine Ausrede bot, um Ruben und den Auftrag endgültig abzuwimmeln. Ich war definitiv die Falsche!

»Hei, Ava, Trish nochmal.« Ich atmete ein und starrte Ruben an, der gerade »Trish?« auf den zusammengefalteten Zettel geschrieben hatte, den er schon die ganze Zeit in der Hand hielt. Angespannt nickte ich.

»Wieso hat das so lange gedauert?«, erkundigte sich Ruben in Richtung Telefon.

»Weil ich mir erst einmal Gedanken zu dem Auftrag machen musste«, erklärte Trish, die die Worte ihres ehemaligen Chefs gehört hatte, schwieg dann aber. »Ich glaube auch, dass du und deine ästhetischen Fähigkeiten sehr gut zu Jacob passen würden.«

»Er heißt ‚das Tier‘«, erinnerte ich. Wie ästhetisch und künstlerisch konnte er da schon sein? Außerdem erinnerte ich mich spontan an das letzte Foto, das ich in einem Hochglanzmagazin gesehen hatte: ein langhaariger, bärtiger Zausel, der sich auf irgendeiner Party daneben benahm. Für den jungen, attraktiven Mann auf dem Foto in unserer Akte hätte ich sicherlich eine schmückende Verwendung finden können … aber für einen Zausel, der außer Rand und Band war?

»Und deswegen wird Niobe mitspielen und euch beide dominieren«, lenkte mich Trishs Stimme zurück auf das Telefonat und fort von dem gut aussehenden Mann auf dem Bild. »Du machst deine Performance doch sowieso immer mit jemandem zusammen?«

Ruben wirkte erleichtert und reichte mir den gefalteten Zettel. Dort stand fast wortwörtlich derselbe Vorschlag, den mir Trish gemacht hatte. Verwirrt starrte ich meinen Chef an. Trotzdem gelang mir ein ungläubiges: »Ich soll mich also von Niobe dominieren lassen?«

Ruben nickte mit geröteten Wangen und auch Trish meinte: »Ja, ich glaube, das wird bombastisch!«

Nun ja, dachte ich und legte mit einem halbwegs dankbaren Gruß auf. Immerhin zwei von dreien sind hellauf begeistert.

Ich selbst war mir da eher unsicher. Niobe war eine Augenweide, aber sie und ich befanden uns nicht gerade auf einer Wellenlänge, was unsere Sexualität anbelangte. Menschlich war sie ganz okay, aber mir persönlich zu herrschsüchtig und … naja, eben zu dominant. Außerdem stand ich auf eben genannte Feinheiten und war ein sehr visueller Mensch mit einem großen Hang zur Ästhetik. Oder mit anderen Worten: Wo ich ein Präzisionswerkzeug war, war Niobe der Durchschlaghammer.

Ich wog meine Chancen gegeneinander ab, aber so wie ich Ruben einschätzte, würde er ohnehin nicht locker lassen, bis ich zumindest irgendeinen Vorschlag machte. Blieb nur zu hoffen, dass er oder dieses »Tier« ihn ablehnten.

»Die Rollenverteilung ist dann also: Niobe ist die Dominante, ich spiele die Devote und Jacob? Du weißt, dass ich nicht auf Frauen stehe …« Ich ließ den Satz ins Leere laufen, denn eigentlich war ich auch nicht die Devote, sondern die, die die beiden anderen zum Spielen anleitete.

»Jacob wird zwischen Niobe und dir stehen und mit dir spielen dürfen.«

Ich trommelte ungeduldig mit den Fingern auf dem Tisch. Das fehlte mir zu meinem Glück gerade noch. Ein devoter Rockmusiker, der als unbeherrschtes »Tier« verschrien war, durfte an mir versuchen, ob er Spaß an Dominanz hatte – und das unter Anleitung von Niobe.

Seufzend dachte ich daran, wie gut dieser Jacob früher ausgesehen hatte und wie schick er sich in meiner Sammlung machen würde. Scheiße, ich stand auf gut aussehend! Außerdem fielen mir auf Anhieb Spiele ein, die ich diesen Jacob gerne spielen lassen würde!

»Ich bestimme die Grenzen und die Spiele«, verlangte ich.

Ruben nickte. Auch damit schien er gerechnet zu haben.

»Sieben Tage, sieben ästhetische Spiele und Niobes Job ist es lediglich, als Boss aufzutreten, uns heiß zu machen und nicht kommen zu lassen – nicht mehr und nicht weniger! Das letzte Wort habe immer ich«, fixierte ich meine Bedingungen, ohne den Blickkontakt zu meinem Chef zu unterbrechen und mit fester Stimme.

Wieder nickte Ruben, schien aber immerhin für einen Moment überrascht. Sekundenlang wirkte er, als müsste er gegen ein Lachen ankämpfen, dem er schließlich doch nachgab und mich musterte, als sähe er mich zum ersten Mal wirklich. Endlich meinte er, immer noch mit einem leichten, amüsierten Unterton: »Weißt du … für eine semi-devote Escort bist du verdammt dominant!«

Kein Drummer zum Küssen

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