Читать книгу Stay for Love - Jennifer Sucevic - Страница 8
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Оглавление"Cassidy, dein Vier-Uhr-Termin ist da."
Meine Nase tief in einem Kalkulation-Buch vergraben, murmele ich: "Großartig, Lisa, schick ihn nach hinten."
Lisa, unsere Empfangsdame, steht noch ein paar Minuten in der Tür, bis ich gezwungen bin, hochzuschauen und ihrem strahlenden Blick zu begegnen. Erst dann spricht sie die Worte aus: "Er ist sooo heiß." Als ob sie dramatische Akzente setzen wollte, rollt sie mit den Augen.
Ich rolle ebenfalls mit meinen, bevor ich den Kopf schüttele. Auch um dramatische Akzente zu setzen. Lisa findet die meisten Jungs soooo heiß. Manchmal hat sie Recht … und manchmal liegt sie falsch.
Sehr, sehr falsch.
Aber ich nehme an, Schönheit liegt in der Bierlaune des Betrachters oder so etwas. Nicht, dass Lisa normalerweise bei der Arbeit trinkt, aber manchmal frage ich mich das ernsthaft.
Mit einem Lächeln auf den Lippen warte ich auf meinen nächsten Termin, damit ich sehen kann, wie weit sie heute von der Schönheitsskala entfernt ist. Stattdessen fällt mir das Lächeln aus dem Gesicht, als Cole in den Raum schlendert. Sobald er mich sieht, stutzt er, offensichtlich ist er genauso überrascht wie ich. Aber das hindert ihn nicht daran, ein breites Lächeln auf sein schönes Gesicht zu zaubern.
Da ist es wieder, dieses Scheißglück.
Ich scheine das ständig zu haben, wenn es um ihn geht.
Ich ziehe die Augenbrauen zusammen und starre ihn an. "Du tauchst einfach immer wieder auf, wie ein falscher Fünfziger." Diese Worte klingen ziemlich mürrisch, obwohl mir genau in diesem Moment der Kuss durch den Kopf schießt, den wir neulich geteilt haben.
Argh. Ich kann es nicht verhindern.
Brooklyn hat wahrscheinlich Recht. Ich muss flachgelegt werden, wenn ich nicht aufhören kann, an einen winzig kleinen unbedeutenden Kuss zu denken, der nicht einmal auf meinem Radar sein sollte.
Aber ja, er ist sowas von auf meinem Radar.
Cole tritt in den kleinen Raum, den wir für die Nachhilfe in Mathematik benutzen, bevor er sich gegenüber von mir niederlässt. Irgendwie lässt sein großer, muskulöser Körper den Raum um uns herum schrumpfen. Sein strahlender Blick lässt meinen nicht ein einziges Mal los. Was dazu führt, dass mein Bewusstsein für ihn steigt, aber gleichzeitig das Unbehagen wächst. Meine Nerven beginnen sofort zu flattern.
"Wirklich? Weil ich dachte, dass dies ein größerer Glücksfall ist als alles andere."
Ein Glücksfall … ja, für den Arsch!
Aber ich kann diese Worte nicht wirklich zu ihm sagen. Schließlich ist das hier mein Arbeitsplatz. Auch wenn es nur ein paar Stunden pro Woche sind, ich muss mich professionell verhalten. Na ja, ich muss zumindest versuchen, mich professionell zu verhalten. Wenn ich ihn ansehe, merke ich, dass es für mich beinahe unmöglich sein wird, das zu tun. Ich frage mich schon, ob in naher Zukunft meine Entlassung droht. Aber ich brauche das bisschen Geld, das dieser Job einbringt.
Es ist der Gedanke, tatsächlich gefeuert zu werden, der mich dazu bringt, zu sagen: "Vielleicht wäre es das Beste für dich, mit einem anderen Tutor zu arbeiten."
Seine kräftigen Augenbrauen ziehen sich zusammen. Er sieht wirklich verwirrt aus. Als ob er sich nicht daran erinnert, dass ich ihm vor Kurzem noch vorgeworfen habe, mich zu stalken. Oder dass ich ihm bei unserem letzten Abschied den Stinkefinger gezeigt habe. "Warum sollte ich das tun wollen? Hast du Probleme mit Infinitesimalrechnung?"
"Natürlich nicht", gebe ich sofort zurück, bevor ich darüber nachdenke. "Ich habe es in der Highschool gehabt."
Langsam hebt er eine Augenbraue. "Du hast ernsthaft Infinitesimalrechnen II in der Highschool genommen? Wow. Ich bin beeindruckt. Du bist offensichtlich eine Art Mathe-Genie. Ich habe nur den Grundkurs dazu belegt und habe mich damit schon das ganze Jahr über gequält."
Ich zucke mit den Achseln, ich mag es nicht, wie dieses Gespräch plötzlich nach hinten losgeht.
Als ich nicht antworte, fragt er stattdessen: "Also, in welchem Jahr bist du?"
Ich beiße mir auf die Unterlippe. "Erstsemester."
Was theoretisch gesehen wahr ist. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass ich in Wirklichkeit bereits Studentin im zweiten Jahr sein sollte. Weil er das nicht wissen muss.
"Du bist ein Neuling, der Infinitesimalrechnen III nimmt?"
Seine Frage lässt mich auf dem Plastikstuhl herumzappeln, als er mich forschend ansieht, bevor ein langsames Grinsen seine Lippen hebt. Diese verdammten Grübchen blinzeln und winken mir von der anderen Seite des kleinen Tisches, der uns trennt, zu. Was eine freudige Nervosität in meiner Bauchgegend auslöst.
"Ja." Ich kämpfe gegen all die Schmetterlinge an, die gerade in mir losgelassen wurden, bevor ich ihm meinen besten Ich-versuche-dir-Unbehagen-zu-bereiten-damit-du-mich-allein-lässt-und-nie-zurückkehrst-Blick schenke.
Er pfeift, anscheinend unbeirrt von meinen Todesblicken. "Und du verstehst Infinitesimalrechnen II?"
Meint er das ernst?
Natürlich verstehe ich es.
Ich könnte Infinitesimalrechnen II im Schlaf machen.
"Ich habe mit einer glatten Eins bestanden."
"In der Highschool?" Seine Augenbrauen schießen nach oben, als er mich fragend anschaut.
"Ja." Offensichtlich hat er nicht im Geringsten vor, den Tutor zu wechseln.
Er grinst. "Nun, nach sorgfältiger Prüfung und dem Vorstellungsgespräch mit mehreren potenziellen Kandidaten glaube ich, dass du der beste Nachhilfelehrer für mich bist."
Seine Worte lassen mich heftig auf meine Unterlippe beißen. Anscheinend bin ich doch kein so großes Genie. Ich gebe auf und murre: "Gut, dann fangen wir einfach an." Damit wir das so schnell und so schmerzlos wie möglich hinter uns bringen können.
"Großartig." Dieses verdammte Lächeln zieht sich über sein wunderschönes Gesicht, als er sein Mathe-Buch und einen Notizblock herausnimmt. Mein Bauch ist wieder einmal wie ausgehöhlt. Man könnte ehrlich denken, dass ich mich an dieses Gefühl gewöhnen würde, aber das tue ich nicht. Es stört mich jedes Mal, wenn es passiert.
"Also, dein Name ist Cassidy, ja?" Er stellt diese Frage ein wenig verschlagen. Und da wir beide wissen, dass es so ist, mache ich mir erst gar nicht die Mühe, sie mit einer Antwort zu würdigen.
Stattdessen sage ich: "Warum zeigst du mir nicht, womit du Probleme hast?" Ich muss diese Farce vorantreiben und ihn aus der Tür und aus meinem Leben bekommen. Obwohl ich ernsthaft infrage stelle, ob das überhaupt noch möglich ist.
Unbewusst fällt mein Blick auf seine Lippen, als mir dieser Kuss wahrscheinlich zum hundertsten Mal durch den Kopf schießt. Und es braucht so ziemlich alles, was ich drauf habe, um ihn zu verdrängen.
Sich meines Unbehagens anscheinend nicht bewusst, öffnet er sein Buch und blättert ein paar Seiten durch, bevor er es umdreht, damit ich sehen kann, womit er Probleme hat. Nach ein paar Augenblicken steht er auf und setzt sich auf den Stuhl neben mich, damit wir gemeinsam die Seite studieren können. "Ich habe Schwierigkeiten die parametrischen Gleichungen zu verstehen."
Abgelenkt von seiner Nähe, die ein wachsendes Problem zu sein scheint, nicke ich und versuche, mich auf die Aufgaben zu konzentrieren. Was gar nicht so einfach ist, weil er verdammt gut riecht. Nochmals, irgendwie wie der Ozean und gut … einfach männlich. Es ist berauschend. Leider. Obwohl es ein paar Versuche von mir braucht, ignoriere ich endlich, wie lecker er riecht, versinke in meinen Tutor-Modus und gebe mein Bestes, um parametrische Gleichungen auf eine sinnvolle Weise neu zu erklären. Als sechzig Minuten vergangen sind, hat Cole vier wirklich schwierige Aufgaben gemeistert.
Diese Stunde hat mich über Cole gelehrt, dass er klug und konzentriert ist und komplizierte Zusammenhänge gut versteht, wenn sie richtig erklärt werden. Mist. Als ob ich noch mehr bräuchte, was ich an ihm mag …
Wir beide lehnen uns auf den unbequemen Stühlen zurück und dehnen unsere verkrampften Muskeln.
Müde reibt er sich den Nacken. "Danke. Tatsächlich macht das Ganze jetzt viel mehr Sinn. Ich wünschte, Professor Ling hätte es so erklären können."
Keiner von uns beiden kommentiert die Tatsache, dass Professor Ling kaum passables Englisch sprechen kann. Cole hat ihn für Infinitesimalrechnen II in diesem Semester und ich habe ihn für Infinitesimalrechnen III. Zum Glück ist mir Mathematik immer leicht gefallen weshalb ich wenig Probleme damit haben werde. Ich brauche wirklich nicht einmal an der Vorlesung teilzunehmen, um die Aufgaben zu verstehen. Ich könnte das Buch locker allein durcharbeiten. Aber die meisten Leute tun sich mit Mathematik nicht so leicht.
Genau deshalb funktioniert Nachhilfe als Job auf dem Campus für mich so gut. Ich kann ziemlich genau meinen eigenen Zeitplan festlegen und in den zwei Wochen, in denen ich hier gearbeitet habe, gab es nie Mangel an Studenten, denen ich helfen konnte.
Seinen Blick auf meinen gerichtet, fragt Cole: "Bist du jetzt fertig für heute?"
"Ja." Ich rolle meine schmerzenden Schultern und versuche, alle Verspannungen zu lösen. Heute Nachmittag habe ich drei Stunden am Stück Nachhilfe gegeben. Ich bin nicht nur müde, sondern habe auch noch meine eigenen Studien zu absolvieren. Sein mit Jeans bekleidetes Bein streift meins und meine Gedanken schießen direkt zu ihm zurück. Und die Gedanken an Cole lassen die Schmetterlinge in meinem Bauch wieder fliegen, was sowohl Unbehagen als auch leichte Verwunderung auslöst. Kein Kerl hat mich je so beeinflusst. Es ist beunruhigend.
Dann macht er alles noch schlimmer, indem er sich zu mir hinüberlehnt und ich diesen unglaublichen Goldton sehe, der sich in den whiskeyfarbenen Tiefen seiner Augen abzeichnet. Nein. Ich mag die Wirkung, die er auf mich hat, definitiv nicht. "Willst du etwas essen gehen? Diese ganze Mathematik hat meinen Appetit wirklich angeregt. Ich bin am Verhungern."
Mein Magen nutzt diese Gelegenheit, um mich zu blamieren, indem er unangenehm rumpelt.
Eine Seite seines Mundes verzieht sich in ein wissendes Grinsen. "Soll ich das als ein Ja betrachten?" Er sieht aus, als hätte er bereits seinen Willen durchgesetzt, was mich ärgert.
Schnell schüttele ich den Kopf. All die zerbrechliche Kameradschaft, die wir in der letzten Stunde aufgebaut haben, löst sich sofort auf, als ich wieder einmal meine Schutzpanzerung um mich herumziehe. "Tut mir leid, ich kann nicht. Ich habe einen Proteinriegel in meinem Rucksack. Ich muss in die Bibliothek gehen und ein paar Stunden lernen."
"Komm schon, Cassidy", schmeichelt er leise. Diese Grübchen auf seiner Wange blinzeln, fast so, als ob sie versuchen, meinen Widerstand ganz allein zu brechen.
Verdammte Grübchen.
Und ich würde total lügen, wenn ich nicht zugeben würde, zumindest mir selbst gegenüber, dass der Klang meines Namens, der über seine sexy Lippen kommt, mir seltsame Dinge antut. Aber was mich betrifft, ist das nur ein Grund mehr, mich so weit wie möglich von Cole fernzuhalten.
Das Wort Gefahr blinkt immer wieder wie ein helles Neonzeichen in meinem Gehirn. Und ich bin klug genug, diese Warnung nicht zu ignorieren.
Ich schüttele den Kopf und sage schließlich: "Ich glaube nicht, dass das eine so gute Idee wäre." Mehr Zeit allein mit Cole zu verbringen, ist definitiv keine gute Idee. Mein Kampf-oder-Flucht-Instinkt setzt ein. Zu schade, dass er ein Jahr zu spät auftaucht.
"Gib mir einen guten Grund, warum es keine fantastische Idee ist." Er lehnt sich zurück und verschränkt seine kräftigen Arme über seiner breiten Brust, als ob das eine Herausforderung wäre. Was es nicht ist. Ich habe diesem Kerl absolut nichts zu beweisen. Mein Blick fällt kurzzeitig auf seine gut definierten Brustmuskeln. Selbst durch sein eng anliegendes T-Shirt sehe ich die Kontur von ihnen. Als ich feststelle, dass ich unverhohlen starre, richte ich meinen Blick wieder auf seine Augen.
Glücklicherweise verzichtet er darauf, sich zu meinem Sabbern zu äußern.
Ich räuspere mich und brauche eine Ablenkung vom Anblick vor mir. "Nun, wir stehen jetzt in einem Arbeitsverhältnis. Ich sollte nicht mit jemandem rumhängen, dem ich Nachhilfeunterricht gebe." Ich fuchtele mit der Hand in der Luft. "Ich bin sicher, es gibt Regeln oder so etwas."
"Gibt es tatsächlich Regeln, die dies besagen? Denn wenn ja, würde ich sie gern sehen." Als ich hartnäckig stumm bleibe, macht er ganz selbstverständlich weiter. "Ich bin neugierig, haben sie dich dazu gebracht, eine Art Nachhilfeeid zu leisten, als du hier angefangen hast, wegen einer möglichen Verbrüderung mit einem Studenten?"
Ich presse meine Lippen zusammen, weil er sich über mich lustig macht. "Okay, wie wäre es dann mit dieser Antwort. Ich will nicht wirklich jemanden ermutigen, der mich eventuell stalken könnte. Passt dir das besser?"
"Nun, das ist zumindest ein legitimerer Grund, nicht mit mir essen zu gehen. Aber trotzdem wissen wir beide, dass ich dir nicht nachstelle." Er sieht für einen Moment nachdenklich aus. "Ich sehe es eher als eine aktive Handlung um länger in deiner Gesellschaft zu sein."
Mein Gesicht trübt sich vor Angst und Nervosität. "Und was ist, wenn ich deine Gesellschaft nicht wünsche?" Ich flüstere die Frage und das Lächeln fällt ihm fast aus dem Gesicht, während wir uns weiterhin in die Augen sehen.
Mit dem nächsten Atemzug streckt er die Hand aus, bis seine große Hand meine vorsichtig bedeckt.
Mein Blick fällt auf unsere Hände. Normalerweise mag ich es nicht, berührt zu werden. Als er auf dieser Party meinen Arm packte, war alles in mir in Panik geraten. Aber seine Hand, die gerade sanft über meiner liegt, löst nichts aus. Eigentlich ist das eine Lüge. Es hat etwas mit mir zu tun. Etwas, das ich wirklich nicht wahrhaben will.
Ich schüttele den Kopf, nur ein wenig, und konzentriere mich auf seine Worte. Ich kann nicht verstehen, warum er das tut. "Du kennst mich nicht einmal." Und ich will auch nicht, dass er mich kennt. Nicht mein wahres Ich. Nicht diejenige, die letztes Jahr so ein Durcheinander aus ihrem Leben gemacht hat.
Ich halte den Atem an und warte weiter darauf, dass die scharfen Messer der Panik in mir aufsteigen.
Überraschenderweise tun sie das nicht.
Er drückt meine Hand sanft, bevor mein Blick wieder auf seine Augen fällt. "Was ich bisher von dir kenne, bringt mich dazu, mehr über dich erfahren zu wollen. Ist das so schwer zu glauben?"
Ich schlucke, bevor ich meinen Blick von ihm wende. Während ich das tue, atme ich einen langsamen zittrigen Atemzug aus, bevor ich vorsichtig meine Hand unter seiner größeren herausziehe.
"Ich verabrede mich nicht." Das ist nicht verhandelbar. Es gibt Regeln, die ich dieses Jahr für mich selbst aufgestellt habe. Und nach dem, was ich gelernt habe, ist das größte Problem mit Regeln, wenn man anfängt, sie zu biegen oder zu brechen. Plötzlich gibt es nichts, was einen davon abhält, sie völlig zu ignorieren und außer Kontrolle zu geraten.
Und ich kann es mir nicht leisten, außer Kontrolle zu geraten.
Nicht schon wieder.
Als ich vor ein paar Wochen auf der Western anfing, war ich darauf vorbereitet gewesen, dass die Panikattacken wieder von vorn anfangen, aber sie kamen nicht. In den zwei Wochen, die ich auf dem Campus bin, hatte ich die einzige Panikattacke, als Cole meinen Arm gepackt hat. Und dieses lähmende Gefühl reicht aus, um vorsichtig zu sein, wenn es um ihn geht.
"Wie wäre es dann mit einem Nicht-Date?"
Verloren in meinen Gedanken, wiederhole ich mit einem kleinen Stirnrunzeln: "Ein Nicht-Date?" Das klingt verdächtig nach einer hinterhältigen Art, tatsächlich ein Date daraus zu machen. Denkt er, dass ich ein Idiot bin?
"Ja, weißt du, nur zwei Freunde, die etwas essen gehen." Er hebt eine Augenbraue. "Du hängst doch mit Freunden rum, oder?"
"Natürlich."
Nur nicht sehr oft. Ich bin neu hier dieses Jahr und ich bin nicht wirklich die Art von Person, die losgeht, um neue Freunde zu finden. Sicher, ich bin mit Brooklyn unterwegs. Und ich gehe mit, wenn sie einen Wingman braucht … oder eher eine Wingwoman.
Was das Aufmischen all der Bruderschafts- und Off-Campus-Partys angeht … Mit anderen Worten, das Abhängen, das Trinken mit einer Reihe von Fremden bis man besinnungslos ist, und das Rumvögeln mit zufälligen Typen, mit denen man nie wieder sprechen wird?
Nein. Das tue ich nicht. Nicht mehr.
Blinzelnd versuche ich, die eiskalten Erinnerungen abzuschütteln, die versuchen, mich hinterhältig einzuwickeln. Nein, ich kann diesen Weg nicht noch einmal gehen.
"Cassidy?" Cole streckt die Hand aus und streichelt zaghaft meine Hand mit sanften Fingern. "Geht es dir gut?" Ich warte darauf, dass mich dünne Fäden der Panik packen, aber aus irgendeinem seltsamen Grund tun sie das nicht.
Schließlich lächle ich steif. "Ja, mir geht es gut." Ich ziehe meine Hand unter seiner heraus und konzentriere mich darauf, meine Bücher einzusammeln, bevor ich sie völlig ungeordnet in meine braune Ledertasche schiebe. Immer noch nicht auf ihn schauend, sehe ich auf meine Füße. "Abendessen klingt toll, aber ich muss wirklich los. Tut mir leid. Vielleicht beim nächsten Mal."
Aber es wird kein nächstes Mal geben.
Für jemanden, der so groß ist, ist er überraschend agil, als er auf die Beine kommt und sich vor mir aufbaut. "Man braucht mehr als nur einen Proteinriegel, wenn man in der Bibliothek arbeiten will. Komm schon, du wirst wahrscheinlich tödliche Kopfschmerzen bekommen, wenn du kein anständiges Essen zu dir nimmst. Ich verspreche, wir werden schnell etwas finden, damit du dich wieder auf die Bücher stürzen kannst."
Ich beiße auf meine Unterlippe und diskutiere hastig mit mir selbst, was ich tun soll. Mein Blick gleitet zurück zu seinem, während ich die Folgen abwäge, wenn ich mehr Zeit allein mit ihm verbringe. Er ist gefährlich, flüstert mein Verstand. Er lässt dich Dinge fühlen, für die du noch nicht bereit bist.
"Okay." Entgegen besseres Wissen gebe ich nach, bevor ich betone: "Aber das ist kein Date. Es ist genau so, wie du vorhin gesagt hast – wir sind nur zwei Leute, die gemeinsam zum Essen gehen." Es bedeutet gar nichts. Mein Bauch rumpelt wieder, als ob er meine Entscheidung begrüßt.
Seine Lippen verziehen sich zu einem zufriedenen Lächeln, als hätte er diese Runde gerade gewonnen. "Also gibst du endlich zu, dass wir Freunde sind?"
Ich erstarre, aber ich kann einfach keine wirkliche Wut auf ihn empfinden. "Nicht drängeln", murmele ich. Weil wir so was von keine Freunde sind.
Er hält die Tür für mich auf und grinst. "Okay."
Als ich aus dem Mathe-Tutoring-Center gehe, verabschiede ich mich von Lisa. Obwohl sie mir zurückwinkt, schaut sie zu Cole. Neugierig blicke ich ihn aus dem Augenwinkel an, um zu sehen, ob er die Wirkung bemerkt, die er auf das andere Geschlecht hat. Ich erinnere mich an das Mädchen vom letzten Freitag, als wir zusammen zum Unterricht gingen, und dann an das andere, das ihm ziemlich verzweifelt zugewinkt hatte.
Cole scheint bei den Mädchen der Western ein Favorit zu sein.
Nun, sie können ihn haben, soweit es mich betrifft, weil ich kein Interesse daran habe, etwas mit jemandem anzufangen. Nein. Ich bin völlig desinteressiert. Auch wenn er traumhaft aussieht und köstlich riecht und Grübchen hat, die mein Höschen feucht werden lassen.
Ich zucke leicht zusammen bei diesem Gedanken.
Er lächelt Lisa charmant an und nickt ihr höflich zu, aber das ist auch schon alles. Er flirtet nicht mal mit ihr. Wirft ihr keine bewundernden oder verweilenden Blicke zu, soweit ich das sehen kann. Tatsächlich checkt er sie nicht ab, überhaupt nicht. Was seltsam ist, denn Lisa ist supersüß. Mit den langen dunklen Haaren, kühlen blauen Augen und Brüsten, die so aussehen, als ob sie nicht von diesem Planeten sind, ist es normalerweise so, dass die Jungs, die zum Nachhilfeunterricht kommen, ihr aus der Hand fressen.
Und Cole blinzelt nicht einmal in ihre Richtung.
Was sie auch nicht versteht, wie ich an dem leichten Stirnrunzeln erkenne, das Lisas normalerweise hübsches Gesicht verunziert.
Ich wünschte fast, er hätte sie direkt vor mir abgecheckt. Es würde alles so viel einfacher machen. Weil ich Cole nicht mögen will. Es gibt schon viel zu viel, was ich an ihm mag. Ich kann buchstäblich spüren, wie ich von ihm angezogen werde, und ich versuche immer noch, gegen die Verlockung anzukämpfen. Aber es fühlt sich immer mehr wie ein verlorener Kampf an.
Hoffentlich wird dieses Abendessen schnell vorüber sein, denn ich bedauere bereits meine Entscheidung, etwas mit ihm zu unternehmen. Anstatt sich Richtung Campus zu wenden, wie ich es erwarte, geht Cole auf den Parkplatz zu. "Wohin gehen wir?"
"Mein Auto steht gleich da drüben. Ich dachte, wir könnten etwas von Lenos holen."
Das lässt mich abrupt stehenbleiben. "Gehen wir nicht ins Union?"
"Lenos ist nur ein paar Blocks entfernt und die Sandwiches sind fantastisch. Ganz zu schweigen von dem schnellen Service. Viel besser als alles, was wir im Union bekommen würden." Als ob das Thema damit geklärt wäre, geht er weiter über den Parkplatz. Die Dämmerung hat gerade erst begonnen einzusetzen, sodass sich die Schatten dehnen und länger werden. "Komm schon, Cassidy, ich verspreche, höchstens vierzig Minuten und dann setze ich dich in der Bibliothek ab, okay? Wenn wir zum Union gehen, müsstest du den ganzen Weg über den Campus laufen. So oder so, es wird am Ende die gleiche Zeit in Anspruch nehmen. Und das Essen ist bei Lenos viel besser."
Ohne bewusst zu entscheiden, folge ich ihm langsam. Ich meine, was er sagt, macht Sinn … irgendwie. Sobald ich an seiner Seite bin, streckt er die Hand aus und greift nach meiner. Ich blicke auf unsere ineinandergelegten Hände, bevor ich meinen verwirrten Blick auf ihn richte. Natürlich grinst er. Etwas Unerwünschtes taucht in den Tiefen meines Bauches auf.
Ich wünschte, ich könnte mich einfach an das Gefühl, das er in mir hervorruft, gewöhnen. Dann wäre es so viel einfacher, es zu ignorieren.
"Das ist kein Date", wiederhole ich mit einer Stimme, die nicht nach meiner normalen klingt. Sie klingt höher und zittrig.
"Was immer du sagst." Aber seine Worte klingen nicht überzeugend. Was mich nur zittriger macht.
Ein diffuses Bedauern erfüllt mich, während er mich über den gut gefüllten Parkplatz hinter sich herzieht, bis wir schließlich bei seinem Auto ankommen. Ich stoppe und starre es an, bevor ich langsam eine Augenbraue hochziehe. "Ein Shelby Mustang?"
Ich beobachte, wie Überraschung in seinen goldenen Augen aufflammt. "Echtes Detroiter Musclecar, Baby." Er streicht mit einer Hand andächtig über sein Auto. Offensichtlich ist es eine echte Liebesbeziehung zwischen ihnen. Ich grinse fast. Vielleicht gibt es doch nichts, worüber ich mir Sorgen machen müsste.
Ich lasse meinen Blick wieder über das Auto gleiten und kann dem sanften Lächeln nicht widerstehen, das meine Lippen berührt, denn sie ist wirklich eine Schönheit. Electric-Blue mit zwei dicken weißen Ralleystreifen in der Mitte.
"2008?", frage ich, komplett von dem strahlenden Mustang vor mir eingenommen.
Mein Blick geht weiter über das Auto, während ich auf seine Antwort warte. Obwohl ich ehrlich gesagt überrascht wäre, wenn ich mich irre. Ich werde ungeduldig, weil ich immer noch auf eine Erwiderung warte, und schaue endlich zu ihm hinüber. Ich habe genug Musclecars gesehen, um Mustang-Marken und -Modelle zu identifizieren. Auf Oldtimer-Shows zu gehen, war etwas, was mein Vater und ich zusammen gemacht haben. Corvettes und Mustangs. Das waren seine Lieblingsmarken. Versteh mich nicht falsch, ich mag Mustangs. Aber ich liebe Camaros. Es ist schon weit über ein Jahr her, dass ich auf einer Autoshow war. Das Lächeln verrutscht ein wenig auf meinen Lippen.
Als ich ihm endlich wieder in die Augen sehe, sagt er mit einer absolut ernsten Stimme: "Ich glaube, ich könnte mich in dich verlieben, Cassidy."
Ich schnaube, weil ich weiß, dass er scherzt, weil Jungs bei ihren Autos alle so sind. Jedes Mal, wenn eine Frau auch nur das geringste Detail über ein Musclecar oder Autos im Allgemeinen weiß, explodiert ihr Verstand buchstäblich. Es ist total lächerlich, ganz zu schweigen sexistisch, aber ich würde lügen, wenn ich nicht zugeben würde, dass es mich auch ein winziges bisschen anmacht.
Ich ignoriere es und fahre mit der Hand über die glatten, polierten Linien. Und ja, sogar ich bezeichne den Wagen als sie. Seltsam, ich weiß, aber da ist einfach etwas Schönes und Erotisches, fast Heißes an den Musclecars, also verstehe ich völlig, warum Jungs so auf sie abfahren.
"Fünfhundertvierzig Pferdestärken und ein V-8-Motor. Sie ist umwerfend, Cole." Dann starre ich ihn an: "Du bist ein Idiot, weil du sie hier bei der Uni abgestellt hast."
Er zwinkert einmal, dann zweimal mit seinen goldenen Augen. "Sag das noch einmal", murmelt er. Seine Stimme ist ganz schwer und rau.
Ich senke konsterniert den Blick. "Gern." Dann wiederhole ich mit mehr Betonung als beim ersten Mal: "Du bist ein Idiot."
Er winkt mit der Hand ab. "Nein, den anderen Teil. Flüstere es ganz langsam. Vielleicht leckst du deine Lippen dabei ein wenig." Er hebt die Augenbrauen und wartet gespannt.
In Ordnung, ich kann einfach nicht anders. Ich fange an zu lachen, bevor ich den Kopf schüttele. "Komm schon, lass uns gehen. Ich muss noch viel lernen, um durchzukommen. Ich kann nicht die ganze Nacht hier rumstehen und auf dein kostbares Auto starren."
Bevor ich die Tür für mich selbst öffnen kann, ist Cole da und öffnet sie für mich. Gerade als ich in den weichen Ledersitz rutsche, greift er über mich, um mir den Gurt anzulegen, unsere Blicke treffen aufeinander. Ich spüre fast die Hitze seines Blicks, die mich von innen heraus versengt. Mein Atem stockt, als wir uns für einen lang anhaltenden Moment in die Augen sehen.
"Das ist jetzt schon das zweite Mal, Cassidy. Pass besser auf, denn ich habe einen Lauf."
"Das zweite Mal?" Die Worte klingen leicht atemlos, sogar für meine Ohren.
Er klickt den Gurt an seinen Platz, sein Blick ist immer noch auf meinen gerichtet. "Dass ich es geschafft habe, dich zum Lachen zu bringen."
Ich wende meinen Blick von seinem ab und starre aus der Windschutzscheibe, während ich tief einatme, denn er hat Recht.
Das ist das zweite Mal.
Zwei mehr als sonst.
Gefährlich, hallt es durch meinen Kopf. Total gefährlich.