Читать книгу Vergeben und Vergessen - Jenny Kutzner - Страница 9
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ОглавлениеFast schon ein bisschen beschämt verließen John und ich am nächsten Morgen die Bar. Der Regen der letzten Tage hatte endlich nachgelassen, so dass die Sonne ihre wärmenden Strahlen, an den kleinen Quellwolken vorbei, auf die Erde werfen konnte. Alles schien einen wunderschönen Tag zu verheißen, während wir uns gegenüberstanden und nach den richtigen Worten zum Abschied suchten.
»So etwas mach ich normalerweise nicht.«, fand John sie zuerst.
»Also ich normalerweise auch nicht.«, erwiderte ich etwas schnippisch.
»Nein...So hatte ich das nicht...«
»Lass gut sein. Ich sollte jetzt wirklich gehen.«
Eigentlich hätte ich es besser schon letzte Nacht tun sollen. Aber es war nun mal geschehen. Ich zog mir den Kragen meines Mantels tief ins Gesicht und ging an John vorbei.
»Warte« Er packte mich am Ellenbogen.
Ich tat ihm den Gefallen. Er ließ meinen Arm los und holte etwas aus seinem Geldbeutel.
»Wir fliegen heute Abend wieder zurück. Aber ich würde mich freuen, wenn du…«
Er hielt mir eine Visitenkarte entgegen. Ich wollte sie zuerst gar nicht nehmen, steckte sie dann aber doch ungesehen in meine Manteltasche. Nachdem ich die letzte Nacht ohne die geringsten Schuldgefühle mit ihm verbracht hatte, kamen sie, jetzt nüchtern, umso heftiger zum Vorschein. Der Mann, dem ich mein Jawort gegeben hatte, wartete in unserem neuen Haus auf mich. Der Mann, der eigentlich einen romantischen Abend mit mir verbringen wollte. Ich beschloss die letzte Nacht zu vergessen und nach Hause zu gehen.
Vor unserer Haustür zögerte ich. Es war bereits acht Uhr. Ich war die ganze Nacht über weggewesen und hatte keine Ahnung, wie ich es Peter erklären sollte. Regungslos stand ich mit dem Schlüssel im Schloss steckend da und hoffte darauf, dass Peter mir den Entschluss abnahm – dass er die Tür aufriss und mich zur Rede stellte. Die Kälte war es, die mich letzten Endes hineintrieb und so trat ich zähneklappernd ein und schloss die Tür hinter mir und lauschte. Ich hörte lediglich das nervige Klopfen der Heizkörper, um das sich Peter schon seit Wochen kümmern wollte und fing an mir leise die Schuhe auszuziehen. Ich wollte unter gar keinen Umständen Peter wecken bevor ich geduscht hatte. Also schlich ich mich langsam weiter, jeder Schritt dabei perfekt ausbalanciert, bis ich an unserem Schlafzimmer vorbeikam. Ich stoppte und wartete auf ein Lebenszeichen. Denn auch wenn ich es mir wünschte, so konnte ich nicht daran glauben, dass meine nächtliche Abwesenheit unbemerkt geblieben war. Doch ich hörte noch immer nichts und als ich das Badezimmer erreicht hatte, ließ meine Anspannung langsam nach. Ich drehte den Wasserhahn am Waschbecken auf und ließ ein paar Liter Wasser den Ausguss hinunter laufen bis es wunderbar kalt war und schüttete mir zwei Hände voll ins Gesicht. Ohne es abzutrocknen stellte ich mich wieder aufrecht vor das Waschbecken und blickte in den Spiegel. Das Wasser tropfte von meinem Kinn und fing an meinen Pullover zu durchnässen. Obwohl ich es nicht wollte, gingen meine Gedanken immer wieder zurück zu letzter Nacht. Zu John, aber auch zu diesen Bildern in meinem Kopf, zu diesen verschwommenen Erinnerungen, die vielleicht gar keine waren. Ich zog mich aus, band mir ein Handtuch um und schlich mich abermals auf Zehenspitzen an unserem Schlafzimmer vorbei in die Küche, um die Autogrammkarte, die John mir gegeben hatte, aus meiner Jeans zu holen und begann sie zu betrachten. Ich hoffte auf eine Eingebung, doch es geschah nichts. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich gar nicht merkte, wie ich die Kaffeemaschine einschaltete und mir eine Tasse aus dem Schrank nahm. Ich bekam auch nicht mit, wie sich Peter direkt hinter mir in den Türrahmen stellte und mich beobachtete. Ich goss mir den frisch gebrühten Kaffee ein und begann ihn von der Tasse abzuschlürfen. Er war so heiß, so dass ich mir den Mund verbrannte und ich schrie vor Schreck laut auf. Ich legte panisch die linke Hand auf den Mund, um weitere Schmerzensschreie zu unterdrücken, während ich mit der rechten versuchte die Tasse zu balancieren, was mir auch einigermaßen gelang, bis ich mich umdrehte.
Alle Kraft verließ mich, als ich Peter mitten im Türrahmen stehen sah. Die Tasse fiel zu Boden und zersprang in tausend Einzelteile. Der heiße Kaffee ergoss sich über meine nackten Füße und ein weiterer Schrei verließ meine Kehle.