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Vorwort

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Eigentlich ist es eine Binsenweisheit: „Der Mensch ist, was er isst“. Mit diesen Worten brachte es Ludwig Feuerbach (1804–1872) einst auf den Punkt und wandte sich damit gegen idealistisch geprägte Philosophie. Weiter führt er aus: „Der Anfang der Existenz ist aber die Ernährung, die Nahrung also der Anfang der Weisheit. Die erste Bedingung, dass du etwas in dein Herz und deinen Kopf bringst, ist, dass du etwas in deinen Magen bringst.“ Recht hatte er, möchte man hinzufügen. In der Soziologie dachte Pierre Bordieu (1930–2002) weiter und betonte die feinen Unterschiede in der Gesellschaft, die sich in Details der Lebensführung – und eben auch in der Küche und an der Tafel – äußern. Die Kulturgeschichte besitzt hier einen unbedingt weiterführenden Ansatz. Kaum etwas prägte menschliches Miteinander so sehr wie das Essen.

Besonders in der interessierten Öffentlichkeit greift eine gut nachvollziehbare Neugierde an dem, was war. Was wurde wie zubereitet und gegessen?


Dem Interesse stehen – leider häufig wenig befriedigende – Versuche von Römerküche bei gymnasialen Sommerfesten oder Ritterschlemmen auf Mittelaltermärkten gegenüber.

Beim Verfasser dieses Kochbuchs liegen die Wurzeln ungleich tiefer. Achim Werner, von Hause aus prähistorischer Archäologe, beschäftigt sich seit über 10 Jahren kompetent mit dem Thema. 2004 erschien sein kommentiertes Kochbuch „Steinzeit-Mahlzeit“. Danach veröffentlichte er 2007 „Keltische Kochbarkeiten“. Als Co-Autor neben Achim Werner zeichnet dann im 2010 realisierten Folgeunternehmen „Kochen durch die Epochen“ ebenso wie 2013 bei der Neuausgabe des Steinzeitkochbuchs der Künstler Jens Dummer mitverantwortlich. Auch im vorliegenden Band, der sich dem Frühmittelalter widmet, kümmerte sich Dummer wieder um die Gestaltung und die Anfertigung der Rezeptfotos.

Hauptnahrungsmittel im europäischen Frühmittelalter waren sicherlich für alle weniger begüterten Menschen verschiedene Getreidebreie und die stark sättigende Buchweizengrütze. Bis heute isst man in Schweden „Havregröt“ und kennt in Österreich die Buchweizengrütze als „Heidensterz“. Was aber alles kulinarisch möglich gewesen sein kann, zeigt das vorliegende Kochbuch in drei Blöcken auf.


Die Quellenlage im Frühmittelalter ist sehr unterschiedlich. Für die Wikingerzeit (9.–11. Jahrhundert) geben die freilich erst später schriftlich fixierten Sagas Hinweise auf die Ernährung. Insofern ergibt sich die besondere Bedeutung archäologischer Funde. Richtig lebendig wird die Wikingerzeit bei einem Besuch in Haithabu bei Schleswig, wo in Museum und Siedlungsrekonstruktion natürlich auch das Thema „Essen und Trinken“ nicht fehlt. Das dortige Bootskammergrab zeigt Beigaben für das Jenseits in Form einer Bronzeschale und eines Glasbechers, aber auch drei mitbestattete Pferde. Aus volkskundlicher Sicht nimmt man an, dass die traditionellen Speisen auf Island am ehesten eine Vorstellung von Zubereitung und Geschmack bieten können. Zu nennen sind hier Pökelfleisch (saltkjöt) und Trockenfisch (harðfiskur). Archaisch anmutende Fischgerichte sind der in Erdgruben fermentierte Knorpelfisch (hákarl) oder Rochen (kœst skata), aber auch der in Schweden bekannte Stinkefisch in Salzlake (surströmming). Hinzu kommen isländische Schafspezialitäten wie abgebrannter und gekochter Schafkopf (svið, seyðahøvd auf den Färöern), Schafkopf-Sülze (sviðasulta), sauer eingelegte Schafinnereien (lundabaggar), im Schafmagen gekochte Schafinnereien (slátur), in Molke eingelegte Hammelhoden (súrsaðir hrútspungar) und der in Norwegen als Nationalgericht bekannte Schaffleisch-Kohl-Eintopf (Får i kål). Der proteinhaltige Skyr, der getrunken (Trink-Dickmilch) oder dickflüssig wie Quark gegessen werden kann, ist bis heute als süße Variante mit Beeren oder herzhaft gewürzt mit Senf und Dill bekannt. Hartbrot (flatbrauð), das malzig-süßliche Schwarzbrot (rúgbrauð) oder das über 12 Stunden mehr gegarte als gebackene dunkle Hverabrauð von pumpernickelähnlicher Konsistenz dürften hohes Alter besitzen. Für Schweden hat ein Archäologe schon einmal mit spöttischem Unterton bemerkt, dass die archäobotanischen Funde nahelegen, dass die Gemüseversorgung einst doch wohl besser war als in den meisten zeitgenössischen Supermärkten. Für Island sieht das wieder anders aus, aber das traditionelle Rübenmus (rófustappa) dürfte auch schon zur Wikingerzeit gegessen worden sein. Sicher auch rituelle Bedeutung besaß der Verzehr von Pferdefleisch, gegen den sich christliche Missionare wandten.


Im Kapitel „Franken und Frühe Deutsche“ stammt das zugrunde liegende Quellenmaterial vor allem aus der Zeit Karls des Großen (reg. 768–814). Seine Capitulare de villis vel curtis imperii listen 73 Nutzpflanzen (darunter natürlich auch Zwiebeln, Knoblauch, Sellerie, Salbei, Dill, Bohnenkraut, Kerbel, Rosmarin und Kümmel) und 16 Obstbäume (darunter Äpfel, Birne, Kirsche, Pfirsich, Quitte, Haselnuss, Walnuss und Esskastanie) auf, die in den königlichen Gütern angepflanzt werden sollten. Die Versorgung des im Reich mobilen Hofes Karls erforderte eine besondere Logistik. Eine ideale Abtei besaß, wie im St. Galler Klosterplan dargestellt, drei Bäckereien und fünf Küchen für die unterschiedlichen Ansprüche von Abt und vornehmen Gästen, Mönchen, Handwerkern und Pilgern. Freilich ist das Bild wohl falsch, dass in der Karolingerzeit nach den Römern gewissermaßen alles neu erfunden werden musste. Ausgrabungen in merowingerzeitlichen Siedlungen des 6.–7. Jahrhunderts, für die beispielsweise der Besuch des rekonstruierten Bajuwarenhofs in Kirchheim bei München eine Vorstellung zu vermitteln vermag, weisen nämlich Gewürzkräuter wie Petersilie, Dill, Koriander und Senf ebenfalls nach, als Gemüse gab es beispielsweise Mangold und Kohl, aber auch Kirschen und Feigen sind archäobotanisch zu belegen. In den frühmittelalterlichen Siedlungen legen die Tierknochenfunde nahe, dass Rind und Schwein deutlich vor Schaf und Ziege dominierten. Hinzu kommt die Geflügelhaltung.

Auch die im Frühmittelalter im östlichen Norddeutschland, in Mitteldeutschland, aber auch in Nordbayern und Teilen Österreichs ansässigen Slawen dürfen hier nicht fehlen. Sehr zu empfehlen ist allen archäologisch Interessierten der Besuch der Slawenburg Raddusch in Brandenburg oder des Freilichtmuseums Groß Raden in Mecklenburg. Bei den Slawen im Mittelalter war Borschtsch (von westslawisch bzw. polnisch Barszcz für Bärenklau) noch nicht der heute bekannte Rote-Bete-Eintopf, sondern eine Bärenklau-Suppe, die aus den frischen Blättern und Stängeln des Doldenblütlers nur saisonal zu gewinnen war, welche man eine Woche in Wasser einlegen musste, damit eine leicht alkoholische Milchsäuregärung in Gang kam. Slawischen Ursprungs sind übrigens die ins Deutsche übernommenen Bezeichnungen Gurke (ogurek) und Quark (twarog).


Zu wünschen bleibt nur noch viel Freude beim Nachkochen von Rezepten, wie sie in einem vielleicht doch nicht so finsteren Frühmittelalter bestanden haben mögen und natürlich: Guten Appetit – Bene sit tibi (lateinisch) – verði þér að góðu (isländisch) – smaklig måltid (schwedisch) –smacznego (polnisch).

Prof. Dr. Bernd Päffgen, Institut für Vor- und Frühgeschichtliche

Archäologie und Provinzialrömische Archäologie,

Ludwig-Maximilians-Universität München

Kochschätze aus dem Kessel

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