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Königliche Kunst
… der Künstler, der weniger am Buchstaben hängt, als am Geist …
Charles Lenient
Im Herbst 1787 verließ Schadow mit seiner Familie nach einem zweijährigen Aufenthalt Rom und kehrte nach Berlin zurück. Die wegen der Heirat notwendig gewordene Konversion lastete allerdings «wie ein Alpdruck auf Schadow» (Ulrike Krenzlin: «Johann Gottfried Schadow», Berlin 1990). Es gelang ihm, dem protestantischen Pfarrer der Marienkirche, Johann Friedrich Zöllner (1753–1804), sein Problem vorzutragen und den Geistlichen zu bitten, die Konversion rückgängig zu machen. Zöllner galt als liberaler aufklärerischer Denker. Nicht von ungefähr: Zöllner war Freimaurer (später sogar Nationalgroßmeister der Großen National-Mutterloge «Zu den drei Weltkugeln»). Und er war ein Liebhaber der Satire, wie Johann Gottfried Schadow. Hier folgt eine seiner bezeichnenden Spötteleien, ein «Fabelchen», wie er es nannte. Frei nach Kant augenzwinkernd «Was ist Aufklärung?»:
Ein Affe steckt’ einst einen Hain
von Zedern nachts in Brand,
und freute sich dann ungemein,
als er’s so helle fand.
Kommt Brüder, seht, was ich vermag.
Ich, – ich verwandle Nacht in Tag!
Die Brüder kamen groß und klein,
bewunderten den Glanz,
und alle fingen an zu schrein:
Hoch lebe Bruder Hans!
Hans Affe ist des Nachruhms wert,
er hat die Gegend aufgeklärt!
Zöllner und Schadow waren sozusagen Brüder im Geiste. Spottlust und Ironie verband sie. Pastor Zöllner entsprach dem Wunsch Schadows, zum Protestantismus zurückzukehren, und zwischen den beiden entwickelte sich ein herzlich vertrautes Verhältnis.
Johann Friedrich Zöllner, 1797, verschollenes Porträt von Friederike Julie Lisiewska (Abb. aus «Mecklenburgische Monatshefte», 1929)
Der kontaktfreudige Schadow hatte auch Verbindung zu den führenden Architekten seiner Zeit. Zwei davon wurden Taufpaten bei der Geburt seines zweiten Sohnes Wilhelm im Juli 1788: Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff und Carl Gotthard Langhans. Beide Freimaurer.
Erdmannsdorff war Mitglied der Loge «Minerva zu den drei Palmen» in Leipzig und Langhans Mitglied der Loge «Zur Säule» in Breslau. Dritter Pate war der Kurator der Akademie, Staatsminister von Heinitz.
Schadow hatte natürlich auch Verbindungen zu Künstlerkollegen. Zwei davon sollten eine besondere Rolle spielen. Sie brachten Schadow zur Loge und wurden seine Bürgen bei der Aufnahme zum Freimaurer.
Edward Francis Cunningham (1742–1795), auch Francesco Calza genannt, war ein schottischer Porträtmaler, der nach Kunst-Studien in Parma, Rom, Venedig und Paris in Berlin gelandet war. Josef Friedrich August Darbes (1747–1810) war ebenfalls Maler, Professor an der Akademie der Künste. Karl August Varnhagen von Ense schrieb über ihn: «Professor Darbes, … vorzüglich … als heiterer und kundiger Lebemann geschätzt und gesucht, war in der Berliner Gesellschaftswelt sehr ausgebreitet; seine Kunst, sein unterhaltender Humor, seine gewandte Sprachfertigkeit und besonders auch die Freimaurerei, welche er von Grund aus zu kennen und mit Eifer zu treiben im Rufe stand, gaben ihm in den vornehmsten wie in den mittleren Kreisen leichten Zutritt und ein gewisses Ansehen.»
Cunningham und Darbes sprachen Schadow darauf an, ihn der Freimaurerloge «Royal York de l’Amitié» als Gast zuzuführen. Ob er aufgenommen werden wolle, müsse er selbst entscheiden.
Schadow hatte sich viel mit Inhalten und Idealen des Bundes beschäftigt und mehrere Freimaurer kennen und schätzen gelernt. Darunter war auch der Hauptvertreter der Berliner Aufklärung, Friedrich Nicolai (1733–1811), dessen Porträtbüste er später gestaltete.
Friedrich Nikolai, Gemälde von Ferdinand Kollmann (nach Anton Graff), 1783/1790
Nicolai, Schriftsteller, Freund Lessings und Mendelssohns, war Mitglied der Berliner Loge «Zur Eintracht». 1782 hatte er kurz und treffend geschrieben: Die Freimaurerei «… ist eine international verbreitete Vereinigung, die unter Achtung der Würde des Menschen für Toleranz, freie Entfaltung der Persönlichkeit, Brüderlichkeit und allgemeine Menschenliebe» eintritt.
In diesem Sinn ist die Freimaurerei die Idee des sinnvollen Bauens und Gestaltens von Zeit und Raum. Freimaurerei ist aber auch ein geselliger Freundschaftsbund mit vielfältigen kulturellen Bezügen.
Als Gründungsjahr der modernen Freimaurerei nimmt man das Jahr 1717 an, als sich am 24. Juni in London vier Logen zusammenschlossen, um eine «Großloge» zu gründen.
Die Vorgeschichte der Freimaurerei beginnt mit den mittelalterlichen Bauhütten, an denen sie sich bis heute symbolisch orientiert. Freimaurerei konnte sich aber erst im Zeitalter der Aufklärung entfalten und weltweit verbreiten. Die Emanzipation der Vernunft hat die Entstehung und Verbreitung stark beeinflusst. Die Definition des Philosophen Immanuel Kant (1724–1804): «Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen», könnte auch (immer noch) Wahlspruch der Freimaurerei sein.
Ganz allgemein muss man davon ausgehen, dass die Vorsilbe «frei» nichts anderes bedeutet, als frei zu sein von etwas, also beispielsweise von Abhängigkeiten oder Zwängen (das waren früher z. B. auch Zunftzwänge). Und so ist der «freie Maurer» im übertragenen Sinn jemand, der selbstbewusst und ohne Fremdbestimmung sein eigenes Leben «ausbaut». Die frühen Freimaurer waren «freie Denker, zweifellos Männer des Glaubens, aber eines weiträumigen, unabhängigen Glaubens, wie der Künstler, der weniger am Buchstaben hängt, als am Geist» (Charles Lenient).
Selbst wenn man die geschichtliche Herkunft nicht eindeutig bei den Bauhütten festmachen kann, lässt sich die Symbolik gut darauf beziehen, denn diese meint eine ideelle Übersetzung von der Baukunst in eine Kunst zu leben.
Dass man Freimaurerei auch «Königliche Kunst» nennt, ist zurückzuführen auf den englischen Geistlichen Anderson, der in der freimaurerischen «Konstitution» von 1723 sinngemäß gesagt hatte, die Kunst, recht zu leben, sei die «edelste und vornehmste aller Künste», und darum könne man sie «königlich» nennen.
Zwischen 1788 und 1790 hatte Schadow mehrere vertiefende Gespräche mit verschiedenen Logenbrüdern. Sie wollten ihn, und er war «reif». Cunningham und Darbes unterstützten ihn beim Verfassen seines Aufnahmeantrages und übernahmen die Bürgschaft für ihn.
Zunächst ging es aber beruflich rasant bergauf.