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Sabrina

Nach Annabelles Verschwinden hielt ich es kaum mehr aus. Vollkommen verzweifelt wurde ich, als etwa eine Woche später alle persönlichen Besitztümer Annabelles verschwunden waren. Ich wurde immer irrer, soff wie ein Loch, schrie mit meinen Schülern, die eigentlich mein Ein und Alles waren, beschimpfte sie, bis sie laut heulten. Ich hielt es einfach nicht mehr aus, musste weg. So kündigte ich, bat meine Eltern um eine finanzielle Zuwendung, die sie mir auch gaben. Auch sie litten mit mir. Ich war doch ihr einziges Kind und meine Mutter sah die Chance auf Enkel schwinden.

Dann blieb für mich noch die Frage, wohin ich gehen sollte. Ich hatte genug von der Natur, diesen wunderschönen Wäldern und Bergen der Steiermark, wollte genau das Gegenteil und zog nach Düsseldorf. Dort mietete ich mir eine kleine Wohnung, ging zum Schulamt und bekam auch sofort eine Anstellung. Ich hatte gehofft, dass mein seelischer Schmerz und Irrsinn durch die Entfernung abklingen würde, aber dem war nicht so. Ich soff, ließ mich gehen, meine Wohnung und auch ich verdreckten zusehends. Ich schaffte es gerade so, halbwegs nüchtern im Klassenzimmer zu stehen, schrie auch nicht mehr mit den Kleinen, konnte aber sehen, wie sie sich vor mir doch ekelten. Die Schulbehörde führte Gespräche mit mir, Eltern liefen gegen mich Sturm, das Einzige, was mir vermutlich den Job rettete, war der akute Lehrermangel. Letztlich hätte mir wohl der auch nichts genutzt, denn so wie ich lebte, war ich für nichts und niemanden mehr zumutbar.

Vermutlich hätte ich mich über kurz oder lang zu Tode gesoffen oder selbst umgebracht, da hörte ich zufällig ein Gespräch von zweien meiner Kolleginnen. Ich hörte Worte wie untragbar, nicht zumutbar, Stinker. Ich war schon dabei, diese Bezeichnungen resigniert hinzunehmen, da hörte ich den Satz, »Kein Wunder, dass seine Frau auf und davon ist«. Diese Aussage traf mich tief in meiner Seele. Die noch immer nicht verheilte Wunde, die mir Annabelle zugefügt hatte, riss wieder auf, ich konnte mich nicht halten, trat in das Zimmer, wo beide miteinander gesprochen hatten, und schrie aus lauter Kummer und Verzweiflung: »Nein! So war es nicht, nicht deswegen«, und rannte aus dem Schulgebäude. Wie in Trance lief ich zu meiner Wohnung. Als ich in meiner Wohnung, die zu diesem Zeitpunkt einer Müllhalde glich, ankam, war eine Veränderung in mir vorgegangen.

Was hatte Annabelle gesagt?, fragte ich mich. Ich konnte ihr nicht widersprechen? Rainer nahm ihr Verantwortung ab. Sie konnte sich bei ihm fallen lassen und fand somit einen Ausgleich zu ihrer Machtposition.

Ich riss mir meine stinkende Kleidung vom Leib und lief unter die Dusche. Lange ließ ich das heiße Wasser über meinen Körper laufen, spürte mit jeder Minute, wie meine Selbstverachtung weniger, wie im Gegensatz mein Selbstbewusstsein immer größer wurde. Nach der Dusche starrte ich mich in den Spiegel, sah, diesmal objektiv, was aus mir geworden war, und begann zuerst mit Schere und dann Rasierer meinen wuchernden Bart zu eliminieren. Kaum war ich mit der Rasur fertig, machte ich mich über meine Wohnung her, ich achtete nicht auf die Zeit, es war ein innerer Drang, der mich befallen hatte, ein Drang aus tiefster Seele.

Ich dachte an nichts, setzte automatisch Handgriff um Handgriff. So gründlich hatte ich selbst bei Annabelle nie geputzt. Nebenbei lief die Waschmaschine, Wäsche um Wäsche säuberte ich alles. Als ich fertig war, strahlte die ganze Wohnung vor Sauberkeit, es blitzte und blinkte, und der Duft frisch gewaschener Wäsche strömte durch meine Wohnung. In meinem Inneren ging die Sonne auf und ich hatte nach langer Zeit wieder das Gefühl zu leben.

***

Am nächsten Morgen fuhr ich vor Dienstbeginn zum Bahnhof, kaufte zwei Blumensträuße für genau jene Kolleginnen, die so schlecht über mich gesprochen hatten. Als ich mit den beiden Sträußen, natürlich frisch geduscht und rasiert, nur für meine Kopfhaare hatte ich noch keine Zeit gehabt, das Lehrerzimmer betrat, den Kolleginnen mit einem »Herzlichen Dank« die Sträuße überreichte, da wurde es still. Ich musste damals lächeln, ich konnte mir gut vorstellen, dass mein Auftritt auffiel, ein Pennerlehrer, der plötzlich normal aussah. »Ich bitte alle um Verzeihung«, sagte ich laut, »und danke allen für ihren Langmut mit mir. Euch beiden danke ich jedoch besonders«, dabei verneigte ich mich leicht vor den beiden Kolleginnen, »denn ihr habt mir die Augen geöffnet. Eines muss ich aber wirklich betonen, so war es nicht, es war ein vollkommen anderer Grund.« Nachdem ich es gesagt hatte, ging ich in meine Klasse und ich kann dir sagen, dieser Tag mit meinen Kleinen, er war einer der wundervollsten in meinem Leben.

Irgendwie hatte ich neuen Mut geschöpft. So beschloss ich, am Samstagabend auszugehen und wieder ins Leben einzutauchen. Natürlich putzte und ordnete ich auch abermals meine Wohnung, ging zum Friseur, kaufte mir neue Klamotten und ging am Abend aus. Obwohl ich bereits beinahe ein Jahr in Düsseldorf lebte, kannte ich kaum Lokale, geschweige denn das hiesige Nachtleben. So beschloss ich, es einfach auf mich zukommen zu lassen und spazierte gelassen durch den frühen Abend. Ich sah verschiedene Lokale, hörte in mich, keines erzeugte irgendeinen Widerhall in mir. So spazierte ich weiter, sog die Stimmung in mich auf und betrat vollkommen unbewusst ein Lokal. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt absolut nicht auf Leuchtanzeigen oder sonstiges geachtet, es erschien mir vollkommen selbstverständlich, genau dieses Lokal zu betreten.

Einmal eingetreten, spürte ich sofort die Lebensfreude, die die anwesenden Gäste ausstrahlten, und suhlte mich förmlich darin. So stand ich da, ließ meinen Blick durch das Lokal wandern und plötzlich blieb er an einer Frau hängen. Ich sah nur ihren Rücken, ihr braunes Haar war zu einem schlampigen Dutt gedreht. Irgendetwas wirkte befremdend auf mich und nach wenigen Sekunden konnte ich es auch benennen. Das Lokal war total voll, alle Tische besetzt und an der Theke standen die Menschen in Trauben zusammen, doch in einem Umkreis von etwa einem Meter um diese Frau befand sich niemand. Sie saß am Thekenende und sogar der einzige Barhocker neben ihr war frei.

Langsam ging ich zu diesem Hocker und fragte die Frau, ob er frei sei. Sie sah mich an, nickte leicht und wandte sich dann wieder ab, den Blick starr nach vorn gerichtet.

»Darf ich mich dann neben sie setzen?«, fragte ich lächelnd weiter. Sie wandte sich wieder zu mir, sah mich bewusst an und erst nach einigen Sekunden meinte sie, ob sie es verhindern könnte, dass ich mich setze.

»Natürlich könnten sie es, wenn sie nein sagen würden, dann würde ich gehen. Dies würde ich aber sehr ungern. Sie machen auf mich den Eindruck, als ob sie auf etwas warten würden und zumindest kann ich ihnen die Wartezeit verkürzen. Darf ich also?«

Wieder dauerte es einige Sekunden bis zu ihrer Reaktion, dann nickte sie, sehr zu meiner Freude.

»Würden sie mir verraten, worauf sie warten?«, fragte ich weiter, während ich auf den Barhocker stieg.

»Wenn es sein muss«, kam jetzt eine prompte Antwort, »ich warte auf wenigstens eine intelligente Bemerkung.«

Früher hätte mich so eine Bemerkung, so ein Verhalten verstummen lassen, doch diesmal nicht. Diese Frau reagierte, wie Annabelle reagiert hätte, hart und dominant, das war auch die einzige Ähnlichkeit. Während Annabelle ein ovales Gesicht hatte, war das Gesicht dieser Frau eher länglich, Annabelles Augen waren eher katzenförmig, die Augen der Unbekannten waren groß und wirkten irgendwie unschuldig. Ich horchte in mich, spürte in jeder Faser meines Seins, dass die Härte dieser Frau nur Tünche war, genau wie es bei Annabelle nur Tünche gewesen war, die ihre geheimsten sexuellen Vorstellungen und Wünsche überdeckt hatte. So lächelte ich sie freundlich an, zeigte ihr, dass ich mich so nicht abwimmeln ließ, ich einfach darüberstand.

»Darauf warten doch alle«, setzte ich fort. Ich hatte nicht die Absicht, mit ihr einen verbalen Schlagabtausch zu führen, wollte das beginnende Gespräch in die von mir gewünschte Richtung lenken. Ich setzte sofort alles auf eine Karte, all in sozusagen. Wenn es schieflief, dann war es so, doch ich war mir ganz sicher, dass es klappen würde, zu sehr ähnelte diese Frau in ihrer Art Annabelle.

»Ich will Sie auf eine Entdeckungsreise einladen, eine Reise, deren Ende wir beide nicht kennen. Ich kann ihnen aber versprechen, dass sie sich während dieser Reise fallen lassen können und ich sie dabei auffangen und halten werde, Sie lenken, leiten und auf Sie achten werde. Ich kann ihnen versprechen, sollten Sie die Reise beenden wollen, dann werde ich ihnen beide Hände reichen und sie in der Realität begrüßen. Haben sie den Wunsch und den Mut, mit mir auf diese Reise zu gehen?«, endete ich und sah ihr fest in die Augen.

Sie starrte zunächst zurück, einige Sekunden dauerte der Kampf unserer Blicke, dann gab sie nach, senkte den Blick, ihre Lippen verzogen sich zu einem sanften Lächeln.

»Hört sich interessant an«, antwortete sie. Freude, aber auch Unsicherheit lagen in ihrer Stimme.

»Wann soll die Reise losgehen? Ich bin übrigens Sabrina.«

»Ich bin Ludwig und bin reisefertig«, sprach ich sanft, »wie sieht es mit deinen Vorbereitungen aus?«

»Ich auch«, lächelte Sabrina zurück und blickte mich nun wieder an. Ich sah Vertrauen und Hoffnung nach Erfüllung in ihren Augen, schwor mir, dass zumindest ihr Vertrauen in mich, dass ich mich um ihre Sicherheit kümmern würde, gerechtfertigt war. Ich stand auf, nahm sie an beiden Händen und half ihr, vom Hocker zu steigen. Ich ließ sie auch nicht los, als wir das Lokal verließen. Wir verbrachten die ganze Nacht gemeinsam und als wir uns am Morgen trennten, Sabrina wieder in ihren Alltag zurückkehrte, sah ich an ihren Augen, dass ihre Wünsche in Erfüllung gegangen waren.

***

Ludwig hatte nicht vor, Bernhard Genaueres über diese Nacht zu erzählen, schlicht und einfach deswegen, weil die Erinnerung an diese Nacht allein ihm gehören sollte. Vor seinem inneren Auge lief jene Nacht in jedem Detail ab, so als wäre es vergangene Nacht gewesen.

Er sah Sabrina vor sich, wie sie ihn unsicher angesehen hatte, nachdem er sie in seiner Wohnung aufgefordert hatte, sich auszuziehen, wie er ihr befohlen hatte, sich mit gespreizten Beinen und hinter dem Kopf verschränkten Armen vor ihn zu stellen und die Augen zu schließen. Wie er ihren Dutt löste und ihr volles Haar sich über ihre Schulterblätter ausbreitete. Er sie schweigend beobachtete, sah, wie sich ihre Brüste hoben und sanken, da sie schwer atmete. Schweigend war er zu ihr getreten, hatte mit seinem Atem ihren Hals, ihre Nippel gestreichelt, seine Fingerkuppen hatten zärtlich ihren Körper erkundet. Wie er ihr ins Ohr geraunt hatte, dass ihr ich und ihr Körper nun ihm gehörten, er und nur er darüber bestimmen würde. Wie er sie gefragt hatte, ob das auch ihr Wunsch sei und sie leise zugestimmt hatte.

Danach hatte er begonnen, sie auch mit seinen Lippen zu erkunden. Mal waren es sanfte Küsschen, dann wieder heftigere Bisse gewesen, während seine Hände weiter mit ihrem Körper spielten. Oh ja, er hatte sie erregt, ließ sie immer wieder bis an den Rand der Klippe gehen und riss sie dann doch kurz zuvor zurück und die ganz Zeit ließ er sie still und mit geschlossenen Augen stehen. Ihre Lippen bebten, er sah, wie die immer wieder verweigerten Höhepunkte Sabrina immer stärker peinigten und sie sich von Mal zu Mal stärker nach Erlösung sehnte. Sie schaffte es auch nicht mehr, gerade zu stehen, ihr Körper begann sich zu verbiegen. Jedes Mal, wenn sie sich verbog, hörte Ludwig auf, ermöglichte Sabrina so eine kurze Phase der Entspannung und machte anschließend weiter.

Er hatte ihr soeben wieder einen Orgasmus verweigert, gehört, wie ihr zum ungezählten Male der finale Lustschrei erstarb, da ergriff Sabrina das Wort:

»Bitte, Ludwig, ich halte es nicht mehr aus, lass mich kommen.«

»Was willst du für mich tun, wenn ich es dir erlaube?«, hatte er zurückgefragt.

»Ich würde dein Sperma schlucken«, hatte Sabrina geantwortet und Ludwig hatte ihr daraufhin fest in die Nippel gekniffen. Vor Schmerz hatte Sabrina aufgeschrien, hatte ihre Augen weit aufgerissen und ihn ungläubig angestarrt.

»Schließe wieder die Augen«, hatte er gesagt, dabei sanft ihre Wangen gestreichelt, »dass war die falsche Antwort. Also noch einmal, was willst du für mich tun?«

Wie wundervoll diese Phase damals gewesen war, Sabrina hoch erregt vor ihm stehend auf Erlösung wartend und vor allem nach der richtigen Antwort suchend, jener Antwort, die ihr Erlösung bringen würde. Als Sabrina ihren Mund erneut öffnete, hatte sie die richtige Antwort.

»Du bestimmst, was ich für dich tun soll«.

Er hatte damals nichts gesagt, war nur zu ihr getreten, hatte sie umarmt und sie an diesem Abend zum ersten Mal geküsst. Es waren keine Worte notwendig gewesen, um Sabrina die Richtigkeit ihrer Antwort zu bestätigen, allein dieser Kuss sagte es aus. Als sie sich voneinander gelöst hatten, hatte er ihr seinen Wunsch gesagt, er hatte sie dazu aufgefordert, es sich vor ihm selbst zu besorgen. Sie hatte ihn daraufhin verwundert angesehen und er sie freundlich angelächelt und dabei mit dem Kopf genickt. Sie wollte sich schon auf das Bett legen, doch er hatte nur seinen Kopf geschüttelt und so hatte sie begonnen, sich im Stehen zu befriedigen.

Ganz bewusst hatte Ludwig von Sabrina diese Aufgabe verlangt, er wollte, dass sie die persönlichste, intimste Art der Zuwendung an ihrem eigenen Körper für ihn durchführte, sich ihm damit vollkommen hingab. Wie er diesen Anblick genossen hatte, wie Sabrina mit sich spielte, sich an die Klippe und darüber hinausbrachte, ihr Höhepunkt mit aller Macht aus ihr hervorbrach. Es blieb nicht bei diesem einen, Sabrina spielte weiter mit sich und wurde vom nächsten überrollt. Sie schrie hemmungslos vor Lust, während sie ihre Klitoris rasend rieb, ihre Nippel mit ihrer anderen Hand zwirbelte. Beim folgenden Orgasmus war er dann aufgesprungen und hatte sie gestützt, denn ihre Knie waren weich geworden. Wie er es genossen hatte, als sie die letzten Lustseufzer an seiner Brust machte, es war ein wahrlich berauschendes Gefühl gewesen.

Sachte hatte er sie dann, wie ein kleines Mädchen zu Bett gebracht, zugedeckt und sich, vollkommen bekleidet, wie er noch war, neben sie gelegt. Sabrina lag zusammengerollt auf der Seite und er hatte es einfach genossen, sie anzusehen, ihr ab und zu die Wange zu streicheln, verschwitzte Haarsträhnen aus dem Gesicht zu streichen.

Nach einigen Minuten hatte sie ihre Augen geöffnet, ihn angelächelt und leise Danke gesagt. Ihr Blick war weitergewandert, vielleicht hatte sie erst jetzt bemerkt, dass er noch vollkommen angezogen war, und ihre Hand hatte sich zu seiner Hose getastet. Er hatte ihre Hand wieder zurückgedrückt und gesagt, dass für heute die Reise zu Ende war, sie angelächelt und sanft auf die Stirn geküsst.

So hatten sie still nebeneinander gelegen, er angezogen und Sabrina nackt unter der Decke. Er hatte sie einfach nur angesehen, hatte gesehen, wie sie einschlief. Das sanfte, glückliche Lächeln, welches ihre Lippen umspielte, war für ihn ein Beweis, dass er es richtig gemacht hatte.

***

Diese Erinnerungen hatten Ludwig in Sekundenschnelle durchlaufen und erst die Frage Bernhards brachte ihn in die Realität zurück.

»Und, seid ihr dann ein Paar geworden?«

»Nein, so würde ich es nicht ausdrücken, wir wurden Freunde, hatten Sex miteinander, ein Paar wurden wir nicht. Sabrina war ungebunden und hatte eine Tochter, um die sie sich kümmerte, sowie eine verantwortungsvolle Position in einem Weltkonzern. An diesem Abend war sie auch nur zufällig in diesem Lokal gewesen, weil sie wieder mal einen Reinfall mit einem Dom gehabt hatte. Jedenfalls führte sie mich in die Szene ein und ich lernte die verschiedensten Spielarten kennen. Lernte Frauen kennen, die voll auf Demütigung abfuhren. Andere waren total geil auf Schmerzen. Ich lernte, mit Peitschen, Elektrospielzeugen, Nadeln und so weiter umzugehen, aber vor allem lernte ich, eine Art sechsten Sinn zu entwickeln, der mich erahnen ließ, in welche Richtung jeweils das Spiel gehen sollte.

Verstehst du jetzt, was ich mit, ›Ich hatte es in meinen eigenen Händen‹ meinte?«

Bernhard nickte nur, er hatte nicht einmal die Frage Ludwigs genau verstanden, so sehr war er noch in der Erzählung Ludwigs gefangen und ließ ihn ohne weitere Zwischenfrage weitersprechen.

»Zwar hatte ich die meisten Spielabende mit Sabrina, aber sowohl sie als auch ich spielten auch mit anderen Partnern. Ohne mich allzu sehr loben zu wollen, ich hatte bald einen guten Ruf in der Szene, Männer aber auch Frauen kamen zu mir, um mich um Rat zu fragen. Irgendwann hatte Sabrina die Idee, ob ich nicht einen Club aufmachen wolle, einen Club, wo die Menschen ihre Vorstellungen ausleben und auch lernen könnten, wie sie es leben können, sozusagen ein Spa und Campus für Menschen mit BDSM-Fantasien. So kam es dann auch. Sabrina brachte eine gehörige Summe Geld ein, wir suchten und fanden ein passendes Gebäude, wir renovierten alles von Grund auf. Vor zwei Jahren haben wir die Eröffnung gefeiert. Berni, es läuft fantastisch.

Anfänglich hatten wir zwar Probleme mit Professionellen, die unsere günstigen Zimmerpreise für sich nutzen wollten, das Problem hatten wir aber schnell gelöst. Jetzt nehmen wir schon sechs Monate im Voraus Voranmeldungen entgegen.«

»Wie läuft das Ganze bei euch so ab?«

»Wie gesagt, man muss unterscheiden, will jemand seine Veranlagung ausleben oder lernen, wie er es leben kann. Trifft Ersteres zu, gibt er oder sie uns Bescheid, wir vergleichen die Wünsche der Gäste auf unserer Gästeliste und bringen passende Spielpartner zusammen. Bei Sympathie passt es ja und sollte der Fall eintreten, dass es nicht passt, haben wir fest angestellte Mitarbeiter.«

»Also Nutten und so?«

»Nein keineswegs, unsere Gäste bezahlen ja nicht für deren Dienstleistung, meine Mitarbeiter sind hauptsächlich Sex-Lehrer, die eben manchmal einspringen, wie auch ich. Wenn jemand lernen will, sagt er es uns und geht dann mit Sexlehrer oder -lehrerin mit, wobei wir schon darauf achten, dass die Sessions zielführend sind, besonders dann, wenn Gäste ihre devote Ader erkunden wollen, da passen wir besonders darauf auf.«

»Und Sabrina, arbeitet die auch mit?«

»Nein, außerdem hat sie doch jemanden gefunden und ihn auch geheiratet. Wir sind weiter befreundet, haben allerdings keinen Sex mehr.«

»Bist du deswegen nicht traurig?«

»Nein, ich freue mich für sie. Außerdem passt ihr Mann wirklich gut zu ihr, er ist dominant, dabei herzlich und liebevoll. Sabrina ist glücklich.«

»Trotzdem, es freut mich, dass du jetzt so ein tolles Leben führst und Frauen hast, die dir aufs Wort gehorchen. Wow.«

Nach diesem Satz sah Ludwig Bernhard scharf an, er glaubte erkennen zu können, in welche Richtung Bernhards Gedanken liefen.

»Berni, du verwechselst da etwas, ich spiele ein Spiel mit einer gleichberechtigten Partnerin. Ich bin kein Pick-up Artist.«

»Ja, klar«, kam Bernhards schnelle Antwort, doch Ludwig nahm ihm diese nicht Recht ab.

Ihr Gespräch wurde nun von der Kellnerin unterbrochen, die auf die Sperrstunde hinwies und kassieren wollte. Sie zahlten, verließen das Lokal und verabschiedeten sich.

Ludwig sah Bernhard lange nach, er hatte ein ungutes Gefühl.

»Ach Berni«, dachte er, »du, der große Analytiker, warum hast du nicht die richtigen Fragen gestellt, hast gefragt, ob ich jetzt glücklich bin und ob ich Annabelle vermisse. Sei nicht blöd, und halte deine Nora fest.«

Unwillkürlich griff er sich an den Hals, wo an einer Kette sein Ehering baumelte und machte sich auf den Weg zu seinem Hotel.

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