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Kapitel 3

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Marit

Sobald die mürrische Frau die Hütte verlässt, tauschen Talvi und Isa noch einen kurzen Blick und nicken sich zu. Björn sitzt im ersten Moment nur da und beobachtet die Frauen. Dabei erkennt er, dass Talvi nun etwas verlegen ist, denn sie scheint Probleme damit zu haben, ihn anzusehen.

Björn lächelt leicht, so wie es aussieht, hat ihr gefallen, was er mit ihr gemacht hat, und er nimmt an, dass sie es so noch nicht erlebt hat. Wenn er ehrlich ist, ist ihm in einer Gefangenschaft so etwas auch noch nicht passiert. Als er langsam wieder zu sich kam, rechnete er eher damit, geschlagen und gefoltert zu werden.

Aber dass sich nun zwei hübsche Frauen um ihn kümmern, ist ihm neu. Ist er vielleicht gar kein Gefangener? Jedoch würde er dann keine Fesseln tragen. Isa nähert sich ihm mit der Kelle voll Wasser und führt sie zu seinem Mund.

Björn kommt ihr mit großen Augen entgegen und öffnet seine Lippen. Obwohl er gerade erst den warmen Urin von Talvi kosten durfte, ist sein Durst noch lange nicht gestillt. Ihm entweicht ein Stöhnen, als das kalte Nass über seine Lippen in seinen Mund fließt. Isa ist ganz langsam und vorsichtig, sodass Björn auch genug abbekommt.

Während er das Wasser zu sich nimmt, sieht er aus dem Augenwinkel heraus, dass Talvi einen großen Bottich aus einer Ecke schiebt und ihn mit Wasser befüllt. Björn runzelt die Stirn. Darf er sich etwa ein Bad gönnen?

Sie blickt zu Isa, diese nickt, erhebt sich, tritt hinter Björn und löst seine Fesseln von dem Pfahl. Im ersten Moment ist er erleichtert, endlich wieder frei zu sein, aber seine Freude hält nicht lange an. Isa befiehlt ihm mit den Händen, dass er sich erheben soll. Björn kneift die Augen zusammen und steht mit einem lauten Stöhnen auf, ihm schmerzen alle Knochen und er hat das Gefühl, als säße er schon Jahre hier.

Kaum, dass er mit beiden Beinen auf dem Boden steht, fesselt Isa ihn erneut. Er atmet genervt aus. „Ernsthaft jetzt?“, fragt er mit einer erschlagenen Stimme. Wieder tauschen die beiden einen Blick aus, geben aber kein Wort von sich. Für Björn scheint es so, als unterhalten sich die beiden mit den Augen und das mag er gar nicht. Er will schließlich auch wissen, was in seiner Gegenwart gesprochen wird.

Die Frauen behandeln ihn nun ganz anders. Talvi kommt ihm zu Hilfe, da er noch etwas wackelig auf den Beinen ist. Vorsichtig und langsam führt sie ihn zu dem Bottich und lässt ihn einsteigen. Wieder entweicht ihm ein Stöhnen, als er das warme Wasser auf seiner Haut fühlt.

Wenn er nicht wüsste, dass er ein Gefangener ist, würde er dieses Bad nun wirklich genießen können. Isa und Talvi waschen ihn sehr sorgfältig und er bemerkt, dass sie alles dafür tun, dass er sich nicht unwohl fühlt. Woher auf einmal dieser Sinneswandel? Als sie fertig sind, helfen sie ihm wieder aus dem Bottich, trocknen ihn ab und bekleiden ihn.

Er ist sich sicher, wäre er bei Kräften, würde er die beiden ganz schnell ausschalten und fliehen können, dabei wäre es ihm egal gewesen, ob er nackt oder angezogen ist. Sie hätten keine Chance gegen ihn gehabt. Aber er muss auch Acht geben, denn er weiß nicht, wo er ist, und sein Plan ist, dass er sich erst einmal dem allen fügt.

Ein guter Krieger schlägt nicht einfach drauf los, sondern wägt erst einmal alles ab. Björn hat Glück, denn von Harald lernte er ein wenig die Sprache der Nordländer, denn die Frau, welche mit ihren Dienerinnen gesprochen hatte, verriet ihm damit, dass er in Norwegen gestrandet ist. Diese Kenntnis hat er ihnen schon einmal voraus.

Sobald die Kriegerinnen mit Björn fertig sind, verlieren sie keine weitere Zeit. Talvi stößt mit ihrem Fuß die Tür auf und bedeutet Isa und ihm, dass sie ihr folgen sollen. Zuerst ist sich Björn nicht sicher, ob es so eine gute Idee ist, die Hütte zu verlassen. Er kann sich keinen Reim daraus machen, was sie mit ihm vorhaben. Innerlich schimpft er sich selbst, natürlich hat er eine Ahnung, was mit ihm passieren kann. Er könnte zum Beispiel als Opfer enden. Wenn er so darüber nachdenkt, wäre ihm ertrinken lieber gewesen, da hätte er wenigstens allein sterben können. Wenn man ihn opfert, sehen ihm, wer weiß wie viele Menschen zu.

Björn ist hin- und hergerissen, aber Isa hilft ihm ganz schnell auf die Sprünge. Mit einem kräftigen Stoß gegen seine Schulter bringt sie ihn dazu, sich zu bewegen. Dabei grummelt sie tief, um ihm zu sagen, dass er nicht trödeln soll. Der Krieger macht es ihr nach, brummt wie ein Bär und geht einen schnellen Schritt auf sie zu. Isa weicht erschrocken zurück, worauf Björn grinst und ihr zuzwinkert. Einen Atemzug später kneift sie wütend die Augen zusammen und schubst Björn nach draußen. Ihm bleibt erst einmal nichts anderes übrig, als zu schweigen und abzusehen, was mit ihm passiert.

***

Es ist ein Schwieriges für ihn zu laufen, er ist wohl noch nicht ganz bei Kräften. Das muss sich Björn eingestehen, dies macht er aber nur mit großem Widerwillen. Kein Krieger gibt gerne zu, dass er nicht stark ist oder dass er sich noch etwas ausruhen muss, um das Geschehene zu verarbeiten. Der Boden unter seinen Füßen, welche nur mickrige Sandalen begleiten, ist kalt und weich, und zeugt davon, dass es hier vor Kurzem erst geregnet haben muss. Sobald Björn an Wasser denkt, läuft ihm das Wasser im Mund zusammen, jedoch nicht nur aus Durst, sondern auch ein wenig aus Gier nach Talvis Lust.

Björn wird von Isa durch die Siedlung geführt, wohl eher gezerrt, denn leider hat die kleine Frau kein Erbarmen mit ihm. Er stolpert mehrmals und flucht leise vor sich hin, er versteht nicht, warum sie jetzt auf einmal wieder so grob mit ihm umgeht. Das mag wohl auch daran liegen, dass sie beinahe von jedem Bewohner in dieser Siedlung angegafft werden. Manche verlassen für einen Blick auf den Gefangenen sogar extra ihre Hütten. Björn versucht die Leute so gut es geht zu ignorieren, aber der ein oder andere skeptische Blick trifft ihn trotzdem und bereitet ihm teilweise eine ungeheure Gänsehaut. Er merkt sofort, dass er hier nicht willkommen ist. Wie gerne wünscht er sich jetzt seinen treuen Azzam herbei.

Im Hintergrund hört Björn leise das Rauschen des Meeres, dadurch wird ihm klar, dass diese Siedlung nicht weit von Wasser entfernt liegt. Für Björn ist diese Vorführung eine einzige Folter und ihm kommt der Marsch, wo auch immer er hinführt, wie eine halbe Weltreise vor. Die Dämmerung bricht langsam herein, wodurch fast an jeder Hütte große Feuerkörbe für Licht sorgen.

Auf einmal sieht er auf und bemerkt, dass ihr Weg zu einem der größten Hütten in der Siedlung führt. Sein erster Gedanke ist nicht, dass ihn hinter diesen Türen etwas Schreckliches erwarten könnte. Nein, er hofft, dass es dahinter warm ist und er noch etwas zu trinken bekommt.

Eine Stufe führt zu der Tür und, sobald sie diese bestiegen haben, öffnet sich auch schon der zweiflügelige Eingang. Björn kommt sofort die erhoffte Wärme entgegen, aber auch viel Geschrei, lautes Lachen und Singen und ein mieser Geruch von Schweiß, Erbrochenem und Alkohol.

Isa betritt mit ihm die volle Hütte und führt ihn in den vorderen Teil. Je näher sie nach vorne schreiten, desto stiller wird es um sie herum. Björn wird immer mulmiger und Zweifel breiten sich in ihm aus. Er weiß, dass er nicht hier sein sollte und dass all diese Menschen auf keinen Fall seine Freunde sind.

Im vorderen Bereich der Hütte stehen zwei prunkvolle Stühle, vor ihnen liegen kostbare Felle von Wölfen und Bären. Auf einem Stuhl sitzt die Frau, welche Talvi und Isa dazu aufforderte, ihn zu waschen und anzuziehen und ihn hierher zu bringen.

Björn hätte sich am liebsten geschüttelt und zu all den Leuten gesagt, dass sie doch woanders hinklotzen sollen. Er hasst es, wenn alle Blicke auf ihn gerichtet sind, sogar die Frau fixiert ihn mit einem strengen Ausdruck und Björn weiß nicht, was nun geschieht. Soll er etwas sagen oder sagt sie etwas? Soll er sich vielleicht für die gute und nette Gastfreundschaft bedanken? Soll …?

Ehe Björn seinen nächsten Gedanken zu Ende bringen kann, erhebt sich die Frau. „Mein Name ist Marit, ich bin die Frau von Jarl Torik Hakonson“, stellt sie sich mit einer ruhigen Stimme vor. „Ich habe das Recht, über dich zu bestimmen, da mein Mann nicht hier ist.“ All ihre Bewegungen werden vom Klirren ihres Schmucks begleitet. „Dem Gesetz nach, gehörst du dem, der dich findet, aber die Kinder, welche dich am Strand entdeckten, sind noch etwas zu jung. Deshalb wird mein Mann bestimmen, was mit dir geschieht. Hast du das verstanden?“

Björn verdreht die Augen und er dachte zu Beginn ihrer Rede, dass diese nie enden wird. Er räuspert sich. „Ja, das habe ich verstanden Marit, Frau von Jarl Torik Hakanson“, bekommt die Herrin eine Antwort von ihm. Sobald er auch nur ein Wort von sich gegeben hatte, ging ein verwundertes Raunen durch den Saal. Björn runzelt die Stirn. Dachten die wohl, er könne nicht reden? So dumm sieht er nun auch nicht aus.

Marit sieht ihn verwundert an. „Du sprichst unsere Sprache?“ Mittlerweile herrscht Totenstille, man könne meinen, sie sind allein in dem großen Raum.

Nun ist Björn klar, warum alle so verwundert tun. Er nickt. „Ja, das tue ich. Ein wenig zumindest.“

Marit legt den Kopf schief und sieht sich Björn noch genauer an. „Aber du siehst gar nicht aus wie ein Wikinger. Woher kommst du?“

Björn zuckt mit den Achseln. „Von weit weg“, sagt er mit einem gleichgültigen Ton. „Das ist eine lange Geschichte. Nach vielen Jahren bin ich in meine Heimat zurückgekehrt und bin in einen Sturm geraten, der mich hierhergebracht hat. Aber warum …?“ Er will seine Hände zum Sprechen benutzen, aber dann fällt im wieder ein, dass sie gefesselt sind. „Das wissen nur die Götter … oder GOTT.“

Marit schnappt nach Luft, während ein Tuscheln durch die Menge geht. „Gott? Welcher Gott? Bist du etwa ein Christ?“, will sie auf der Stelle wissen. „Wir haben von ihnen gehört. Dann bist du ein Krieger, wie die Narben auf deinem Körper verraten. Das war ein Grund, warum wir dich gefesselt haben.“

Isa zieht grob an den Fesseln, damit Björn es nicht vergisst. Björn knirscht mit den Zähnen und hätte ihr am liebsten eine Kopfnuss verpasst, aber sie ist nun einmal eine Frau. Er lacht amüsiert. „Ja, und das hat eure lüsterne Dienerin auch gleich ausgenutzt“, kontert er trocken und wirft einen Blick zu Talvi, die nicht weit von ihnen entfernt steht.

Sie senkt sofort den Blick und errötet, worauf Marit lacht. „Nun gut Fremder“, lenkt sie vom Thema ab. „Wie ist dein Name?“

„Mein Name ist Björn“, erwidert er. „Nur Björn, ich habe sonst keinen Namen, da meine Eltern mich als Kind verkaufen mussten, um den Rest der Familie durch den Winter zu bekommen.“ Sein Herz schmerzt, als er an den Abschied seiner Eltern zurückdenkt.

Marit nickt und setzt sich wieder auf ihren Stuhl. „Nun gut, Björn. Bis mein Mann von seiner Reise zurückkehrt, bist du unser Gast. Ich rate dir, dich dementsprechend zu verhalten. Mein Mann Jarl Torik Hakonson wird über dein Schicksal entscheiden, da dich die Götter an den Strand gespült haben und wir dich fanden.“

Mittlerweile spielt sie mit einem Ring an ihrem Finger und sieht Björn gar nicht mehr an. „Ob du nun Sklave oder Opfer der Götter wirst, das allein entscheidet mein Mann. Aber wer weiß, vielleicht ist er auch gnädig und schenkt dir dein Leben und die Freiheit.“

Björn schreit innerlich wie ein Bär in Gefangenschaft auf. Ganz toll, denkt er und würde am liebsten um sich schlagen und fliehen. Aber mit jedem Atemzug, den er länger hier steht, merkt er, dass seine Kräfte mehr und mehr nachlassen. Er muss erst wieder auf die Beine kommen, denn von all den Aufzählungen kommt nur eine für ihn in Betracht. Er kämpft für sein Leben und seine Freiheit.

The Shieldmaid

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