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Die Sonaten

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Bezeichnenderweise übernimmt Beethoven in den ersten drei Sonaten Op. 2 (wie in den drei Trios Op. 1) bereits die viersätzige Anlage der klassischen Sinfonie. Das ist nicht nur bedeutsam, weil dies von Anfang an zeigt, dass dies ein Mann ist, der in großen Dimensionen denkt, sondern weil er sein ganzes Leben hindurch dazu neigte, das Klavier als Ersatzorchester zu betrachten. Die weiten Abstände zwischen den Händen, der häufige Gebrauch wuchtiger, dicht gesetzter Akkorde im tiefen Register, die nie dagewesenen Extreme von Laut und Leise, die Verwendung der Stille als wichtiges strukturelles und dramatisches Element (ironischerweise haben seine Pausen oft die Wirkung eines Hammerschlags): All dies sind Charakteristika, die wieder und wieder in seinen Klavierstücken auftauchen.

Ein sehr gutes Beispiel für diesen kraftvollen rhythmischen Einsatz der Stille ist der langsame Satz der vierten Sonate, Op. 7 Es-Dur, ein großartiges Werk und das zweitlängste nach der kolossalen „Hammerklaviersonate“ der späten Jahre Beethovens. Op. 10 ist eine weitere Trilogie, von der Nr. 1 c-Moll und Nr. 2 F-Dur hervorragend ausgeführt und individuell sind, erstere abwechselnd stürmisch und lyrisch, letztere ein Fest des Witzes, guter Laune und lässiger Kunstfertigkeit. Die dritte Sonate aus Op. 10 in D-Dur ist indessen ein Meisterwerk symphonischer Breite, deren vier Sätze Beethovens Souveränität zeigen. Das eigentliche Herz des Werks ist der langsame Satz, eine Studie der Melancholie, die so traurig ist, dass das folgende Menuett in das Licht tritt wie ein Gefangener, der unerwartet aus einem Kerker freigelassen wird, zunächst ungläubig, sich dann allmählich findend und über seine neue Freiheit jubelnd. Das Stück bietet das Drama einer großen Oper in einem Bruchteil der Zeit.

In der „Pathétique“-Sonate, Op. 13, die schon immer zu seinen beliebtesten Werken zählte, zieht Beethoven bei der Verwendung einer substantiellen langsamen Einleitung wieder einmal symphonische Vorbilder heran (besonders Haydns Sinfonien). Der starke, dramatische Eröffnungssatz ist der erste, in dem Beethoven bedeutende Änderungen an der klassischen Sonatensatzform vornimmt. An strategisch platzierten Punkten bringt er wiederholt die langsame Einleitung zurück – oder wesentliche, fragmentarische Entwicklungen davon. Mit seiner schönen, langgesponnenen Melodie erinnert der langsame Satz uns daran, dass der mit dem Schicksal ringende Beethoven auch ein zutiefst gefühlvoller Komponist war, dessen großer, singender Ton auf dem Klavier von jedem bemerkt wurde, der ihn hörte.

Die zwei eher kleinen Sonaten des Op. 14 sind insgesamt leichtere Kost, voll guten Mutes, geistvollen Gesprächsaustauschs und unschuldigen Herumtollens. Sie sind eine rechtzeitige Mahnung nach der Angst der „Pathétique“, dass Beethoven auch ein Meister der leichten Musik war, der geborene Unterhalter, der zufällig auch ein Genie war.

Die Sonate B-Dur, Op. 22, markiert die Rückkehr zum großen Maßstab von Op. 2, Op. 7 und Op. 10 Nr. 3, war aber nie ein Publikumsliebling. Sie wurde 1800 komponiert und kann als Beethovens festlicher Abschied von den formalen Feinheiten der Sonate des 18. Jahrhunderts gesehen werden. Er scheint den Hörern eine lange Nase zu machen, die wegen der Originalität und des Wagemuts der „Pathétique“ aufgebracht waren. Tatsächlich macht er eine Schau daraus, sich von seiner besten Seite zu zeigen, dass der durchschnittliche Zuhörer sich von dieser subtilen und geistreichen Sonate leicht ausgegrenzt fühlt.

Die sogenannte „Trauermarsch“-Sonate As-Dur, Op. 26, ein gänzlich anderer Entwurf, ist in mehrfacher Hinsicht bedeutsam. Wie Mozarts bekannte A-Dur-Sonate, KV 331, beginnt sie nicht mit dem üblichen Sonatenhauptsatz, sondern mit einem sanften, nach und nach intensivierenden Variationssatz. Diesem folgt ein feuriges Scherzo, das man normalerweise erst an dritter Stelle erwarten würde; dieses ist wiederum gefolgt von einem düsteren Trauermarsch, mit der programmatischen Darstellung von Trommelwirbeln und rituellem Geschützfeuer. Das abwechselnd lyrische und aufgewühlte Finale ist eher von der Art einer Studie, die sich am Ende in Luft auflöst. Keine bedeutende Sonate war bis dahin auf so unkonventionelle Weise angelegt worden.

Die zwei Sonaten aus Op. 27 (die zweite ist die nach wie vor beliebte „Mondschein-Sonate“) sind noch unkonventioneller. Die vier Sätze der Es-Dur-Sonate, Op. 27 Nr. 1 (von denen kein einziger in Sonatensatzform gehalten ist), sind thematisch miteinander verbunden und werden ohne Pause gespielt – ein bis dahin unerhörter Ablauf. Diese Sonate bringt uns den Charakter von Beethovens berühmten Improvisationen sehr nahe. In der „Mondschein-Sonate“ folgt der erste Satz keiner zuvor bestehenden Form, obwohl er Elemente der Sonatensatzform enthält. Der zarte zweite Satz ist eine individuelle Interpretation des klassischen Menuetts und Trios; und erst mit dem stürmischen Finale setzt Beethoven einen Satz gänzlich in Sonatensatzform.

Anders als ihre zahlenmäßigen Nachbarn ist die Sonate D-Dur, Op. 28, eines der relativ vernachlässigten Juwelen Beethovens. Mit dem Beinamen „Pastorale“ (wenn auch nicht von Beethoven selbst) zählt sie zu den sonnigsten aller Sonaten, und das Scherzo ist eines der bestgelaunten. Der Komponist mochte besonders das Andante, aber die meisten Hörer betrachten die übrigen Sätze mit gleichem Wohlwollen.

Von den drei Sonaten Op. 31 (1802) ist die mittlere die bekannteste, die sogenannte „Sturm“-Sonate, deren erster Satz mit seiner wiederkehrenden Einleitung an den gleichen Kunstgriff der „Pathétique“ erinnert. Die revolutionärsten Ansätze sind hier jedoch die lange Pedalisierung mit ihrem absichtlichen „Verschwimmen“ und Mischen der kollidierenden Harmonien – ein ziemlich kühner Streich zu dieser Zeit, der sein Maß an Modernität bis heute beibehält.

Wie auch sonst in Beethovens Schaffen, tragen die zwei Sonaten in g-Moll und G-Dur, Op. 49, eine irreführende Opuszahl. Obwohl sie so zwischen den drei Sonaten Op. 31 und der „Waldstein“-Sonate von 1804 stehen, wurden sie eigentlich 1795–97 komponiert. Ihr Auftreten im Zyklus ist nicht so sehr aus stilistischen Gründen überraschend, sondern wegen ihrer äußersten Kürze (jede hat zwei kurze Sätze) und der Tatsache, dass es die einzigen sind, die recht leicht von Anfängern mit Vorkenntnissen gespielt werden können. Aber wie bei Mozarts „kleinen“ und „leichten“ Sonaten können nur wahre Künstler die Feinheit und das Können offenbaren, die in ihnen liegen. Die g-Moll-Sonate ist historisch von Interesse, da sie das erste Auftauchen, im Menuett des zweiten Satzes, eines Themas markiert, das durch seine Verwendung in Beethovens „Schlager“ von 1799 berühmt wurde, dem Septett Es-Dur, Op. 20.

Die nach der „Mondschein-Sonate“ berühmtesten der mittleren Schaffensperiode sind die Sonate C-Dur, Op. 53 (mit dem Beinamen „Waldstein“, nach ihrem Widmungsträger, Beethovens Mäzen Graf Waldstein), und die f-Moll-Sonate „Appassionata“, Op. 57. In beiden Fällen erreicht die Virtuosität neue Höhen. Die „Waldstein“-Sonate ist vielleicht die erhabenste und größtangelegte aller Sonaten bis dahin und wurde ungefähr zur gleichen Zeit entworfen und ausgearbeitet, als Beethoven die Sinfonie in der „Eroica“ zu bis dato ungeahnten Dimensionen erweiterte. Allein in ihrer Klangwelt erreichen beide Sonaten nie dagewesene Wirkungen, eine der einprägsamsten ist die poetisch „verschwommene“ Pedalisierung im „Waldstein“-Finale. Geistig liegen Welten zwischen den beiden Werken: Die „Waldstein“-Sonate ist eines der freudigsten und heroisch anregendsten Stücke Beethovens, während die „Appassionata“ ein seltenes Beispiel fast absoluter Tragik ist. Nie zuvor war dem Klavier solch ungestüme Leidenschaft anvertraut worden. Tragödie und Aufruhr sind wegen der schmerzlichen Schönheit des langsamen Satzes umso mehr ergreifend, dessen Ruhe durch einen einzigen dissonanten Akkord zerrissen wird, der direkt zur schockierenden Intensität des finalen, todgeweihten Kampfes führt. Beethoven schrieb nun über die Fähigkeiten nicht nur der meisten Pianisten hinaus, sondern des Klaviers selbst. Dadurch beschleunigte er die Entwicklung des Instruments.

Im selben Jahr wie die „Waldstein“-Sonate, 1804, ist die kurze Sonate F-Dur komponiert, Op. 54, eine der am seltensten gespielten Sonaten. Hier kommt Beethoven auf das zweisätzige Modell der Sonaten Op. 49 zurück. Weitere Ähnlichkeiten gibt es jedoch nicht. Der erste Satz des Op. 54, „In tempo d’un Menuetto“, fordert sowohl technisch als auch musikalisch heraus und hat ein Eröffnungsthema, das vage an schottische Volkslieder erinnert; die Melodie steht offenbar mit dem zweiten Thema der „Appassionata“ in Verbindung. Der zweite Satz dagegen ist eine fast verrücktobsessive Studie des „perpetuum mobile“, die auf das Finale der As-Dur-Sonate, Op. 26, zurückgreift.

Was das Klavier angeht ist die Sonate Es-Dur, Op. 81a (mit dem Untertitel „Das Lebewohl“, im Allgemeinen bekannt unter dem französischen Titel „Les Adieux“), zweifach bedeutsam. Auf oberflächlicher Ebene folgt sie einem programmatischen Konzept, ihre drei Sätze gedenken jeweils der Abreise, der Abwesenheit und der Rückkehr seines Freundes und Schülers Erzherzog Rudolph. Das Wort „Lebewohl“ steht über den drei absteigenden Noten des anfänglichen „Mottos“, das im folgenden Allegro regelmäßig wiederkehrt. Das Werk ist nicht nur eines der gehaltreichsten und unmittelbar ansprechendsten des Zyklus, sondern kennzeichnet auch Beethovens Lebewohl von der Klaviersonate für eine Dauer von fünf Jahren sowie einen Abschied von seiner „heroischen“ mittleren Schaffensphase. Die folgende Sonate – Nr. 27 e-Moll, Op. 90, in zwei Sätzen – datiert von 1814 und steht an der Schwelle zu seiner dritten Schaffensperiode.

Nach Meinung vieler Musiker sind die letzten fünf Klaviersonaten (Op. 101, 106 und 109–111) die bedeutendsten, die je komponiert wurden. Op. 101 A-Dur ist ein bemerkenswert konzentriertes Werk in vier Sätzen, mit einem langsam-schnell-langsam-schnell-Rhythmus, in dem der lyrische, nachdenkliche Anfang später wiederaufgenommen wird, um das erhaben bejahende Fugato-Finale einzuleiten (das Anklänge an den von Beethoven verehrten Händel enthält). Wie alle späten Sonaten ist das Werk höchst ernsthaft; dies schließt aber einige typische selbstironische Späße inmitten des im Ganzen imposanten Finales nicht aus. Der zwanghaft punktierte Rhythmus des Marschs des zweiten Satzes (da-dam da-dam da-dam usw.) scheint geradezu Schumann vorwegzunehmen.

Op. 106 B-Dur, die sogenannte „Hammerklaviersonate“, ist die längste, anspruchsvollste und ehrfurchtgebietendste Sonate, die je geschrieben wurde. Der Beiname ist die deutsche Bezeichnung für das Pianoforte, die Aufschrift „für das Hammerklavier“ erscheint auf den Titelseiten von sowohl Op. 101 als auch 109. Aber zweifellos kommt dem Klavier in dieser B-Dur-Sonate die größere hämmernde Rolle zu. Man kann sich nur schwer vorstellen, wie die Klaviere zu Beethovens Zeit dies aushalten konnten. Viele mussten es aber nicht: Beethoven schrieb bereits für spätere Generationen und erwartete vom zeitgenössischen Publikum nicht, dass sie seine Musik verstanden. Für viele Musiker bestätigte dies nur ihre Vorstellung, dass Beethoven, isoliert in seiner Taubheit, geisteskrank geworden war. Die sagenhaft schwierige und ausgedehnte Fuge, die das Werk krönt, ist in vielerlei Hinsicht heute genauso gewaltig, elementar und erstaunlich komplex wie je zuvor.

Die letzten drei Sonaten, Op. 109, 110 und 111, führen uns auf geweihten Boden. Jede erschafft ein eigenes Universum, jede spottet aller sinnvollen Beschreibung. Jede nimmt uns mit auf eine spirituelle Odyssee in unerforschte Seelengebiete, in Erfahrungswelten, die wir uns nie zuvor hätten vorstellen können.

Beethoven

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