Читать книгу Weg mit dem Schussreflex! - Jes Lysgaard - Страница 9

Einführung

Оглавление

Ich arbeite mich langsam durch meinen Schussablauf.

Mein Zeigefinger ist genau am Ankerpunkt am Eckzahn – das Zielbild ist fast erfüllt, langsam senke ich den Bogenarm um ein paar Millimeter bis das Zielbild perfekt ist.

Ich habe den Eindruck von Zeitlosigkeit – alles fühlt sich kontrolliert und gut an.

Ich bin in Göteborg und es ist das Jahr 2018 im Spätsommer und ich schieße bei der 3D Europameisterschaft. Zum sechsten Mal bin ich Mitglied der dänischen Nationalmannschaft.

Zwei Jahre lang hatte ich Probleme mit Scheibenpanik, mit wechselnder Intensität. Durch einen Sturz, bei dem ich mir das Schlüsselbein ausgerenkt habe, entwickelte sich dieser unglückliche Reflex, mit dem ich dann so lange zu tun hatte.

Nur noch ein Millimeter, und der Pfeil steht dort, wo er sein soll. Dann verreiße ich den ganzen Schuss mit meiner Zugschulter, die Zughand fliegt seitlich weg, anstatt schön nach hinten zum Nacken zu gleiten, mein Bogenarm fällt und der Pfeil fliegt über das Ziel hinweg.

Da stand ich, beschämt über diesen schlechten Schuss in Gesellschaft der besten europäischen Schützen. Ich musste auch an meinen Sponsor Falco aus Estland denken, der mich jahrelang unterstützt hatte, mit den besten Bögen und Pfeilen. Was für eine miserable Leistung.

Dann ein einfacher Schuss und eine weitere Fahrkarte! Ich habe Angst, völlig von der Rolle zu kommen und versuche mit all meinen Mitteln und Techniken die Kontrolle zurückzugewinnen.

Bewusste Atmung, positives Selbstgespräch, positive Affirmationen, ja sogar schwedischer Schnupftabak! Aber ich komme einfach nicht zurück in den grünen Bereich, nichts hilft. Einige Schüsse gelingen gut und kontrolliert. Aber in meinem Hinterkopf lauern die schlechten, unkontrollierten Schüsse. Ich kann sie nicht vertreiben.

Jetzt bin ich völlig in der Abwärtsspirale gefangen, ich habe Scheibenpanik, so wie es viele Schützen kennen. Ich hatte es schon erlebt, aber noch nie so heftig wie dieses Mal.

Als mir klar wurde, in welche Richtung sich meine Punktzahl bewegte, musste ich das als völlige Niederlage hinnehmen. Ich fing an, das so zu akzeptieren und entspannte mich in Folge dessen. Das wiederum verbesserte mein Schießen und meine Ergebnisse wurden wieder konstant, aber für diesen Wettkampf war der Zug abgefahren.

Währenddessen dachte ich über mein Gefühlsleben nach, ausgelöst durch den Kontrollverlust und die mentalen Umwege als Folge der verrissenen Schüsse, die immer und immer wieder vorkamen. Durch den Wettkampfdruck und die starke internationale Konkurrenz war das alles verstärkt worden. Mit diesen Schützen hätte ich mich auf Augenhöhe messen müssen.


Europameisterschaft in Göteborg

Ich war durch die Aufregung angespannt und konnte die Techniken, die ich trainiert hatte, nicht so anwenden wie geplant. Ich konnte auch meine eigene Erwartungshaltung nicht ausblenden, genauso wenig wie die Erwartungshaltung und das Urteil anderer.

Die ganze Situation fühlte sich furchtbar an.

Ich wurde nicht Letzter, das konnte ich verhindern. Die dänische Nationalmannschaft lieferte ein besseres Ergebnis ab als je zuvor, und ich konnte mich mit den anderen freuen, obwohl ich selbst so schlecht abgeschnitten hatte. Aber mir wurde klar, dass ich nun von Grund auf ganz neu anfangen muss.

Lass uns zuerst klären, was der Schussreflex eigentlich ist und warum die meisten traditionellen Schütz*innen damit zu tun bekommen.

Weg mit dem Schussreflex!

Подняться наверх