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Emma

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In meinem alten Zimmer im Haus meiner Eltern frische ich meinen Lippenstift auf, wobei ich mein Spiegelbild im Spiegel anstarre. Ich trage ein umwerfendes babyrosa Minikleid, das ich mit einer Diamanthalskette und Ohrringen kombiniert habe. Meine Haare sind geflochten und nach oben gesteckt und nur ein paar Haarsträhnen hängen strategisch an meinen Schläfen nach unten.

Das Einzige, das ich jetzt noch hinzufügen müsste, ist ein Diadem und ich wäre eine perfekte Prinzessin…

Ich seufze. Meine Eltern würden es lieben, wenn ich jemanden daten würde, der königliches Blut hat. Sie würden es ihren so genannten Freunden in ihren Kreisen bei jeder Gelegenheit unter die Nase reiben.

Denn so benehmen sich die Alderisis nun einmal. Sie haben Asher und mich dazu erzogen, ihre Vorzeigejuwelen zu sein, und sie waren sich nicht zu schade, Druck einzusetzen, wenn es für sie wichtig war, dass wir glänzten.

Natürlich hat Asher vor langer Zeit damit aufgehört, ihr Geld anzunehmen und sich von ihren merkwürdigen reiche Leute Reden Schuldgefühle einreden zu lassen. Wenn ich doch nur das Gleiche tun könnte… aber ich kann nicht, zumindest nicht, bis ich das Jurastudium abgeschlossen habe.

Wenn Asher hier wäre, würde er Witze darüber machen, wie aufgetakelt ich bin. Er würde mich wenigstens zum Lachen bringen.

Zu blöd, dass Asher momentan auf meiner Liste der Nicht-Lieblingsmenschen steht. Tja, das und dann ist da noch die Tatsache, dass er nicht einmal im Traum daran denken würde, heute Abend meine Eltern zu feiern.

Es klopft an meiner Tür und meine Mom öffnet sie. Das Geräusch von Stimmen und Klaviermusik dringt an meine Ohren; die Party muss bereits begonnen haben.

„Bist du bereit, Emmaline?“

Ich drehe mich um und schaue zu meiner Mutter, die ein silbernes Paillettenkleid trägt. Sie ist zudem geradezu überladen mit Diamanten. Ich zwinge mich dazu, sie anzulächeln, und greife nach meiner Clutch.

„Das bin ich. Alles Gute zum Jahrestag übrigens.“

Meine Mutter neigt ihren Kopf einen Augenblick, ihre Art, ein Kompliment anzunehmen. „Komm, dein Vater wartet.“

Ich verlasse mein Schlafzimmer, das noch so pink und makellos ist wie eh und je, und laufe mit meiner Mutter durch den Flur. Die Geräusche von Gesprächen und dem Klirren von Gläsern werden lauter, als wir uns der Haupttreppe nähern.

Ich lasse meine Mutter als Erste gehen und lege dann meine linke Hand auf das Geländer. Meine Absätze klackern auf dem Marmorboden unter uns. Wir gleiten in absolut synchronen Bewegungen die Stufen hinab, lebenslange Übung, die nun allen vorgeführt wird.

Als wir das Ende der Treppe erreichen, öffnen sich diese zu einer Art Rotunde, die wiederum zu dem führt, was meine Mutter die Unterhaltungsetage nennt. Ein Spielzimmer, ein riesiges Esszimmer, ein Wohnzimmerbereich mit großen Terrassentüren, die weit geöffnet sind. Im hinteren Teil des Raumes befindet sich sogar eine Küche, um das Essen für Partys wie diese vorzubereiten.

Dass meine Eltern eine ganze Etage haben, die nur dazu gedacht ist, Gäste zu unterhalten, ist mehr als extravagant. Ich unterdrücke ein Seufzen und bereite mich innerlich auf einen Abend vor, an dem ich mit Leuten reden muss, für die der Reichtum meiner Eltern nichts Außergewöhnliches ist.

„Leslie, da bist du ja!“, sagt eine Frau in einem roten Abendkleid. „Oh, du hast die kleine Emma vom College nach Hause kommen lassen! Das ist wundervoll.“

„Karen“, sagt meine Mutter und begrüßt sie mit einem Nicken.

Ich setze meine Maske auf und lächle höflich. Meine Mutter begrüßt Karen und Karen gibt mir ein kurzes Küsschen auf die Wange.

„Karen, ich muss meine Tochter einen Augenblick herumführen.“ Der Blick meiner Mutter huscht zu mir. „Sie ist kaum noch zu Hause. Ist es nicht so, Emmaline?“

Ich lächle. „So ist es.“

„Komm mich danach suchen“, verlangt Karen. Sie beugt sich verschwörerisch zu uns. „Du wirst nicht fassen, was ich über Megan Denning gehört habe. S-C-H-E-I-D-U-N-G.“

Meine Mutter neigt ihren Kopf und führt mich weiter. Wir laufen durch einen Flur, der den Spielraum und das Esszimmer trennt und gehen ins Wohnzimmer. Dort sind eine Menge brauner Ledersofas kunstvoll arrangiert worden zusammen mit cremefarbenen Teppichen und einer kleinen Bibliothek an einer Wand.

Mein Vater steht dort und lehnt an der Leiter des Bücherregals, einen hübschen in Leder gebundenen Band in einer Hand. Er ist größer als die meisten der Männer, die sich um ihn geschart haben und ihm zuhören… nun, er schwingt Reden, wenn ich ehrlich sein soll.

Die Männer stehen in ihren Smokings in einem Kreis und ähneln damit nichts mehr als einer Schar verwirrter Pinguine. Ich verkneife mir ein Grinsen.

Ich bemerke, dass die Männer, mit denen zu umringen er sich entschlossen hat, viel jünger sind als er, die Söhne von Ölbaronen und Handelsmagnaten. Meine Augen verengen sich; Alan Alderisi würde sich normalerweise nicht mit einem Haufen junger Männer wie diesen abgeben.

Bevor ich eins und eins zusammenzählen kann, ruft meine Mutter meinem Vater zu. „Alan, mein Lieber, sieh nur, wer endlich runtergekommen ist!“

Acht Paar Augen wenden sich mir zu. Plötzlich stehe ich dank des Wirkens meiner Eltern im Mittelpunkt des Interesses. Ich will mich umdrehen und wegrennen, doch die Hand meiner Mutter landet auf meinem Unterarm. Ihr Griff ist so hart wie Stahl.

„Emma“, sagt mein Vater und drängt mich, nach vorne zu treten. „Ich habe gerade einigen deiner Altersgenossen hier eine Geschichte von damals erzählt, als ich in ihrem Alter war. Komm, komm lerne die Gentlemen kennen…“

Ich habe mich noch nie zuvor so sehr wie ein Stück Fleisch gefühlt wie in diesem Moment, in dem mich sieben fremde Männer anstarren, Erwartungen offenkundig in ihren Augen. Ich trete nach vorne in die Öffnung im Kreis und bemühe mich, das Lächeln in meinem Gesicht beizubehalten. Ich bin so rot wie ein Radieschen, dessen bin ich mir sicher.

„Hi“, sage ich und verschränke meine Hände ineinander. „Freut mich, Sie alle kennenzulernen.“

Sie stellen sich vor, ihre Namen gehen in einem Ohr rein und direkt wieder beim anderen raus. Der letzte Kerl ist ein großer, schlaksiger Blonder in einem teuer aussehenden Smoking. Er schiebt die Verehrer links und rechts von sich mit den Ellbogen beiseite, erpicht darauf, einen Eindruck zu hinterlassen. Ich betrachte ihn, jede Menge Prahlerei, aber nichts dahinter, und ich verspüre sofort Abneigung.

Er nimmt meine Hand und umklammert sie mit seinem klammen Griff. „Emma, ich bin Rich. Darf ich sagen, wie hübsch du bist?“

Ich will meine Hand zurückreißen, aber ich tue es nicht. Stattdessen schenke ich ihm ein vages Lächeln und neige meinen Kopf. Das ist ein Verhalten direkt aus dem Regelwerk meiner Mutter.

Rich scheint völlig ahnungslos, wie merkwürdig das Ganze ist. Nicht, dass ich mit irgendeinem von ihnen reden wollte, aber was ist mit den sechs anderen Kerlen, die hier stehen und mich anstarren? Er zieht meine Hand in seine Armbeuge und kehrt der gesamten Gruppe den Rücken zu. „Ich denke, wir sollten einen Spaziergang machen.“

Ich drehe mich ebenfalls um in dem Bemühen, mir nicht die Hand von ihm zerquetschen zu lassen. Ich werfe meinem Vater über meine Schulter einen alarmierten Blick zu, doch er ist bereits davon geschlendert.

„Wenn du nichts dagegen hast –“, beginne ich.

„Komm, lass uns nach draußen gehen“, sagt Rich, der sich nicht aus der Ruhe bringen lässt. Ich bin mir ehrlich nicht sicher, ob er meine Reaktion überhaupt registriert hat. „Dein Vater hat erzählt, dass du Jura studierst. Das muss schwer sein.“

„Ähhh… ja?“, ist alles, das mir einfällt.

Er führt mich aus dem Wohnzimmer, durch die breiten Terrassentüren und die Steintreppe hinab zu den weitläufigen Gärten. Die Sonne scheint noch, was der einzige Grund ist, dass ich das hier überhaupt zulasse.

Wenn die Sonne untergeht, werde ich verdammt nochmal besser wieder drinnen sein. Ich verziehe finster das Gesicht, doch Rich ist so mit sich selbst beschäftigt, dass er es nicht einmal bemerkt.

„Ich habe auch darüber nachgedacht, Jura zu studieren, aber beschloss dann stattdessen einen MBA zu machen. Ich bin natürlich nach Wharton gegangen. Und davor Harvard…“

Er lässt sich über seine gesamte Lebensgeschichte aus, wobei er sich viel Zeit dafür nimmt, mir seinen Stammbaum zu erläutern. Seine Geschichte ist lang, gewunden und stinklangweilig. Ich verliere ziemlich schnell das Interesse. Ich konzentriere mich auf die Blumen, die gerade blühen, während wir den Gartenweg entlangschlendern.

Beim Reden gestikuliert Rich, um zu untermalen, was er gerade erzählt. Seine Hand fällt mir ins Auge und mir wird bewusst, dass er eine Maniküre hatte. Und noch dazu keine subtile… er hat tatsächlich eine Schicht durchsichtigen Nagellack auf seinen Nägeln.

Während ich mich zwar bemühe, niemanden zu verurteilen, verdeutlicht mir dieses Detail doch, wie lächerlich es ist, dass ich meinen Eltern erlaubt habe, mich in diese Situation zu manövrieren. Asher und Jameson würden Rich dafür hassen, dass er so geckenhaft ist, so viel ist mal sicher.

Wenn ich ehrlich bin, fühlt sich das alles allmählich sehr wie ein längst verlorener Plot aus Stolz und Vorurteil an. Ich stelle mir mich in einem aufwändigen Kleid der damaligen Zeit vor, wie ich mit einem meiner vielen Verehrer durch die Gärten spaziere. Ja, das entspricht für meinen Geschmack etwas zu sehr der Realität.

„Also, wie sieht es bei dir aus?“, fragt Rich.

Oh, er stellt mir eine Frage. Ich erröte, denn ich habe ihm nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt, um antworten zu können.

„Äh… was meinst du?“, frage ich.

Er blickt hochmütig auf mich hinab und drückt mitleidig meinen Arm. „Ich meine, du bist ein wunderschönes Mädchen. Aber ich möchte alles über deine Schulbildung, deine Vergangenheit und so weiter wissen. Du kannst nicht hoffen, nur aufgrund des Namens deiner Eltern einen Ehemann zu ergattern, würde ich doch meinen.“

Ich wölbe meine Brauen. „Mir war nicht bewusst, dass ich versuche, einen Ehemann zu ergattern.“

Er verdreht seine Augen über mich. „Wir sind alle auf der Suche nach einem Partner. Ich möchte nur die bestmögliche Partnerin für mich finden, was der Grund dafür ist, warum ich dich nach deinem Hintergrund frage.“

Ich bleibe abrupt stehen und ziehe meinen Arm aus seinem Griff. Ich hebe meine Hand und schirme meine Augen vor Sonne ab. „Um ehrlich zu sein, interessieren mich deine Wünsche und Bedürfnisse nicht sonderlich. Ich bin hier, weil meine Eltern wollen, dass ich an ihrer Party teilnehme.“

„Ja, aber –“, beginnt er zu erklären.

„Ja, nein“, sage ich und schüttle den Kopf. „Ich gehe jetzt zurück ins Haus.“

Ich wende mich ab und fange an, zurückzulaufen. Er holt mich mit zwei langen Schritten ein.

„Warte, warte“, sagt er. „Das läuft gar nicht, wie ich es geplant habe.“

„Oh?“ Ich laufe weiter, weigere mich, meine Schritte zu verlangsamen.

„Ich… ich denke nur, du bist sehr hübsch –“

„Das ist kein guter Grund, um zu versuchen, jemanden zu daten“, erwidere ich.

„Nun, du bist auch klug und du kommst aus der richtigen Sorte Familie –“

Ich stoppe abermals und wirble zu ihm herum. Er sieht den wütenden Ausdruck auf meinem Gesicht und weicht einige Zentimeter zurück.

„Du weißt rein gar nichts über mich, nur wer mein Vater ist. Du machst dir schon Gedanken darüber, ob du und ich in deiner Kompatibilitäts-Matrix zusammenpassen oder nicht, bevor du überhaupt irgendetwas über mich weißt!“

„Ich gehe einfach nur praktisch an die Sache ran“, verteidigt sich Rich. „Ich möchte meine Zeit nicht verschwenden, oder deine.“

„Das ist genau der Grund, warum ich meinen Eltern nicht erlaube, Verabredungen für mich auszumachen“, sage ich und werfe die Hände in die Luft. „Wenn du nichts dagegen hast, werde ich jetzt einen Spaziergang machen. Allein.“

Er wirkt verblüfft, aber das ist mir wirklich schnuppe. Ich bin wütend auf meine Eltern, wütend auf diese ganze kleine Elitewelt, die sie für mich erschaffen haben. Es macht mich fuchsteufelswild, in dem Hamsterrad festzustecken, das sie erfunden haben.

Ich verlasse den Pfad und steuere auf das Gästehaus zu. Ich muss mich ein wenig abkühlen, ohne dass ich von meiner Mutter oder irgendwelchen der Möchtegernverehrern bedrängt werde.

Der Pfad ist zunehmend von Grünzeug überwuchert, je weiter ich laufe. Grüne Bäume erheben sich in den Himmel, als ich unsere Grundstücksgrenze erreiche. Obgleich ich auf dem Weg zum Gästehaus bin, verlangsame ich meine Schritte, als ich mich meiner Lieblingsstelle im Garten nähere.

Eine kleine Lichtung, die zur ältesten Eiche auf dem Grundstück führt. Sie ist gigantisch, ihre Äste breiten sich mindestens drei Meter in alle Richtungen aus. Vor dem Baum steht eine kleine Betonbank. Nichts Edles, nur eine gute Stelle, um seinen Gedanken nachzuhängen.

Ich laufe zu der Bank und setze mich mit einem Seufzen. Diese Bank hat schon vieles gesehen und der Baum hat im Verlauf seines Lebens sogar noch mehr gesehen.

Ich fange an, an Asher und Jameson zu denken, daran, wie lange ihre Freundschaft schon andauert. Es ist fast schon nobel, dass Jameson das, was auch immer zwischen uns hätte entstehen können, aufgegeben hat, um Asher nicht wehzutun. Ich meine, es ist nach wie vor beschissen, aber es ist beinahe verständlich.

Ich gebe mich meinen Tagträumen hin, einer Party, die nur ein Echo weit in der Ferne ist.

Hasse mich nicht

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