Читать книгу kontrolliert & korrumpiert - Jessa James - Страница 6
Katherine
ОглавлениеIch renne so schnell ich kann vor den Cops weg, die mich verfolgen. Zu was ich renne, weiß ich nicht. Ich renne auf die zwei verlotterten Lagerhäuser zu, die nebeneinanderstehen.
Mein Herzschlag klingt donnernd in meinen Ohren.
Ka-bumm.
Meine Muskeln bewegen mich vorwärts, aber meine Arme und Beine protestieren bei jedem Schritt.
Ka-bumm.
Meine Gedanken rasen und versuchen, ein Puzzle zusammenzusetzen, für das ich nicht alle Teile habe. Ich kann kaum kohärente Gedanken fassen, sondern handle nur auf Grundlage reiner Instinkte.
Ka-bumm.
Ich erreiche die Engstelle, an der mich die zwei Lagerhäuser in Schatten hüllen. Meine Bewegungen werden vor jedem hinter mir verborgen. Ich renne durch die schmale Lücke und halte mich weiterhin rechts. Nur zwanzig Meter vor mir sehe ich eine halb geöffnete Tür. Meine Lungen brüllen mich an, sofort anzuhalten, weshalb ich zu der Tür sprinte und hindurch schlüpfe.
Sobald ich durch die Tür trete, vermisse ich das dämmrige Licht. Hier drinnen ist es dunkel und nasskalt und schimmlig und meine Augen brauchen einen Moment, um sich an die veränderten Lichtbedingungen anzupassen. Das Lagerhaus ist voller alter Kisten und Schachteln, die viermal so hoch gestapelt sind, wie ich groß bin.
Ich muss in Bewegung bleiben. Wenn ich so herumstehe, bin ich leichte Beute. Drei Wege sind zwischen den Kartons zu sehen, wodurch ich gezwungen bin, mich für einen zu entscheiden. Ich wähle den linken und bewege mich so rasch und leise wie möglich durch die Reihe der Kartons, die über meinem Kopf aufragen.
Zwischen den Schachteln gibt es hier und dort weitere Gänge, wo ein Stapel einfach endet und eine Lücke entsteht, ehe der nächste beginnt. Ich sehe bald, dass es nicht nur die drei Wege gibt, sondern tatsächlich ein ganzes Netzwerk aus begleitenden Pfaden.
Indem ich nach rechts und vom Hauptweg abbiege, arbeite ich mich durch das Labyrinth. Beim Gehen muss ich mein Tempo reduzieren, denn die Pfade, auf denen ich mich bewege, werden immer kleiner, sodass ich fast zwischen den hoch aufragenden Kartons gefangen bin.
Dasselbe klaustrophobische Gefühl, das ich vorhin im SUV aufsteigen gespürt hatte, überkommt mich auch jetzt. Wenn ich hier drinnen sterbe, könnten die Cops meinen Körper einfach zwischen den Kartons liegen lassen und es würde vermutlich niemand bemerken.
Vorausgesetzt, dass überhaupt irgendjemand nach mir suchen würde.
Aufgrund der Tatsache, dass der Bruder, der mir am nächsten stand, Tony, mich gerade einfach an die Cops verkauft hat, die mich jetzt verfolgen, hege ich daran ernste Zweifel.
Ich greife mir an die Brust und kämpfe dagegen an, dass diese Gedanken in meinem Gehirn Wurzeln schlagen. Nicht, wenn so viel anderes auf dem Spiel steht.
Ich erreiche den Ort, der scheinbar das Zentrum des Labyrinths ist, und erkenne das Hauptproblem, wenn man sich zwischen Kartons aufhält. Es gibt hier keinerlei Versteckmöglichkeiten.
Ich stoppe, betrachte den dicken Karton zu meiner Rechten und untersuche ihn nach einer Möglichkeit, hineinzugelangen. Ich finde eine Schnittstelle und folge ihr mit meinen Fingern um den Karton herum. Aber ich müsste den Karton einreißen, um hineinzugelangen.
Ich sehe an dem hohen Kartonstapel darüber hoch und beiße mir auf die Lippe. Es ist unmöglich zu sagen, ob die unterste Schachtel des Stapels nicht zusammenbrechen und mich in ihrem Inneren begraben würde. Und das auch nur, wenn es mir gelingt, hineinzugelangen ohne die Hilfe irgendwelcher Werkzeuge.
„Hey, hier drinnen!“, erklingt die Stimme eines Mannes. Obwohl die Stimme noch leicht entfernt ist, erkenne ich sie, denn sie gehört einem der Cops. „Sie könnte durch diese offene Tür gerannt sein.“
Scheiße. Sie kommen in meine Richtung, es ist nur noch eine Frage der Zeit. Ich sehe mich panisch um. Ich muss mich in Bewegung setzen, so viel ist sicher.
Ich beschließe weiter in den hinteren Teil des Lagerhauses vorzudringen, da ich denke, dass sich dort vielleicht ein Ausgang oder wenigstens ein Fleckchen befinden könnte, an dem ich mich verstecken kann. Ich meiner Eile, mich schnell zu bewegen, stoße ich mit meiner Schulter so fest gegen einen der Kartonstapel, dass er tatsächlich eine Sekunde lang vor und zurück schwankt.
Zurückschreckend, husche ich von den Kartons weg und bete, dass sie nicht umfallen. Diese Möglichkeit hatte ich noch gar nicht bedacht, aber ich möchte die Cops nicht darauf hinweisen, dass ich im Inneren dieses speziellen Lagerhauses bin. Einige dieser riesigen Schachteln umzustoßen, wird allermindestens das erreichen.
Weit hinter mir höre ich einen der Cops fluchen und ich vermute, dass er gerade ebenfalls herausgefunden hat, dass sich die Schachteln bewegen lassen.
Als ich weiterlaufe, öffnet sich der Pfad langsam. Ich eile durch den breiter werdenden Korridor und versuche, zu erkennen, was am anderen Ende liegt. Meine Atmung klingt in meinen Ohren abgehackt und scharf.
Ich bete stumm, dass niemand sonst meine Atemzüge hören kann. Ich laufe weiter, bewege mich nur noch angetrieben von reiner Willenskraft und dann renne ich plötzlich aus dem Labyrinth.
Ich schaue nach links und rechts. Auf der linken Seite, ganz am Ende scheint eine Flügeltür zu sein. Vor mir befindet sich ein zweites Stockwerk mit, wie es scheint, Büros. Ganz zu meiner Rechten ist eine Treppe, die hinauf zu dem zweiten Stock führt.
Ich rase zu dem Ausgang, wobei ich eine Ratte ignoriere, die vor mir über den Weg saust. Ich hole die letzten Kraftreserven aus meinen Armen und Beinen, während ich volle Pulle zu den Türen sprinte. An den Wänden hier ist Graffiti, ganz in rot und schwarz, der Künstler hat sein Zeichen praktisch immer und immer wieder gesprüht.
„Skinx“, steht dort. „Skinx. Skinx. Skinx. Skinx. Skinx.“
Ich kann die Cops einander zubrüllen hören, während sie sich durch das Labyrinth kämpfen. Ich kann nicht ausmachen, was sie sagen, weil ihre Stimmen von all dem Karton gedämpft werden, aber ich weiß, dass sie mir immer noch auf den Fersen sind.
Ich schaffe es zu den Flügeltüren, nur um festzustellen, dass sie mit einem Vorhängeschloss verriegelt sind, eine abgesperrte Kette ist zwischen ihren individuellen Türgriffen durchgezogen worden. Ich drücke trotzdem gegen eine der Türen, denn ich spüre, wie die Panik wieder in mir aufsteigt. Sie öffnet sich einen halben Zentimeter, bevor sich die Kette strafft.
Scheiße! Ich klatsche mit der Hand gegen die Tür, nur um gleich danach wegen des Lärms zusammenzuzucken. Ich brauche einen anderen Fluchtweg oder zumindest ein Versteck.
Ich blicke hinter mich, dann zu meiner Rechten. Ich will hier nicht eingesperrt sein, aber es sieht so aus, als bliebe mir keine andere Wahl. Ich beginne, zum anderen Ende zu rennen und richte all meine Energie auf die wacklig aussehende Metalltreppe, die hinauf zum zweiten Stock führt.
Meine Lungen brennen, als ich sie erreiche. Ich kraxle die ersten paar Stufen hinauf, ehe ich registriere, wie laut ich bin. Während ich einen Blick in den Wald aus Kartons werfe, reduziere ich mein Tempo und hoffe, dass ich meinen Standort nicht bereits verraten habe.
Jeder langsame Schritt dreht mir den Magen um. Ich schleiche auf leisen Sohlen die Treppe hinauf und rase in dem Moment los, als ich die oberste Stufe erreiche. Eines der Büros befindet sich direkt vor mir. Die Tür steht achtlos offen und ich husche hinein. Ich schließe die Tür hinter mir, doch sie schwingt nur drei Viertel des Weges zu.
Ich sehe mich um und versuche, mich zu orientieren. Rechts hinter mir ist ein großes Glasfenster, das einen Teil der Bürowand ausmacht. Das ist mir jedoch schnuppe. Wenigstens bin ich hier nicht so schrecklich ungeschützt, wie ich es auf der Treppe war. Ich sehe mich in dem Büro um, das mit dutzenden Stapeln kleinerer Schachteln gefüllt ist. Hinter all den Schachteln erspähe ich einen Schreibtisch.
Bingo. Dort kann ich mich verstecken.
Ich gehe tief in die Hocke, damit ich nicht gesehen werde, und watschle so zwischen den Stapeln hindurch, bis ich den Schreibtisch ganz hinten in der rechten Ecke finde. Er ist aus muffigem altem Holz gemacht und biegt sich unter dem Gewicht der Schachteln, die auf ihm gestapelt sind, fürchterlich durch. Es sieht aus, als könne er jeden Moment zusammenbrechen, aber das spielt jetzt keine Rolle für mich.
Ich gehe gerne auf meine Knie und krabble darunter, dankbar für den Schutz, den er mir bietet. Ich bekomme einen Krampf in meinem Schenkel, sowie ich meine Bewegungen einstelle. Urplötzlich protestiert mein Körper gegen die Aktivitäten der letzten Stunde.
Ich massiere mein Bein, so gut ich kann, während ich dort sitze und die Ohren spitze, um nach Geräuschen der Cops zu lauschen. Ich versuche so regelmäßig wie möglich zu atmen, während meine Gedanken verzweifelt durcheinanderwirbeln.
Ist es möglich, dass sie einfach aufgeben werden in der Annahme, dass sie vielleicht das falsche Lagerhaus erwischt haben? Kann ich bitte, bitt eine einzige Pause an diesem Schreckenstag bekommen?
Als ich das schwache Klacken von Stiefelschritten auf der Treppe höre, schlucke ich. Ich hätte wissen sollen, dass ich kein solches Glück haben würde. Ich kneife meine Augen eine Sekunde zu und dränge die Tränen zurück, die in meinen Augen brennen.
Jetzt ist keine Zeit für Tränen. Ich schlage eine Hand über meinen Mund aus lauter Furcht, dass sie wissen werden, wo sie mich finden können, wenn ich einen Laut von mir gebe.
Klonk, klonk, klonk…
Ich lausche dem Geräusch der schweren Stiefel, die die Metallstufen hinter sich lassen und in meine Richtung marschieren. Schauder beginnen meinen Körper zu schütteln, während der Lärm immer näher kommt.
„Hier drin, Hunt“, sagt einer direkt vor dem Büro. „Schau, der Staub wurde hier und hier aufgewirbelt.“
„Könnte derjenige gewesen sein, der unten sein Graffiti verteilt hat.“
„Hast du jemals einen Sprayer gesehen, der eine Gegend erkundet hat, ohne sein Zeichen zu hinterlassen?“, gluckst der Cop.
Ein langes, trauriges, seufzendes Knarzen ist zu hören, als die Bürotür geöffnet wird.
„Du solltest jetzt sofort rauskommen!“, ruft mir der Cop zu. „Wir werden dir nicht wehtun, wenn wir es nicht müssen.“
Nein, ihr werdet mich einfach an irgendeine verrückte Person verkaufen. Eine Person, die denkt, dass sie Menschen besitzen kann und sollte.
Ich klappe den Mund zu und versuche, die bitteren Tränen, die mich zu überwältigen drohen, zu unterdrücken. Unter dem Tisch kauernd, bete ich zu Gott, obwohl ich nicht an ihn glaube.
Bitte. Bitte, wenn du zuhörst… rette mich. Bitte!
Ich zucke zusammen, als die Cops einen der Schachtelstapel umwerfen.
„Komm schon!“, ruft die gleiche Stimme. „Zwing mich nicht, nach dir zu jagen! Komm einfach raus!“
„Sie ist nicht hier drinnen“, sagt der andere Cop mit gelangweilter Stimme.
„Doch, das ist sie.“ Die Stimme kommt näher. „Und sie kommt jetzt besser raus, wenn sie weiß, was gut für sie ist.“
Ich kann mich nicht rühren. Ich kann nicht atmen. Ich kann nicht denken.
Das Einzige, das ich höre, sind die Schritte, die sich im Kreis bewegen, bereit, beim kleinsten Anzeichen von Leben zuzuschlagen.
„Lass uns ein paar der anderen Räume hier oben überprüfen, Mann.“ Der Cop klingt ungeduldig. „Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit, um das Mädel abzuliefern. Ich habe ein Haufen Zeug zu tun.“
Es entsteht eine lange Pause. Ich sitze verängstigt dort, während der Cop versucht, eine Entscheidung zu treffen. Dann ein unzufriedenes männliches Seufzen.
„Ja, okay.“
Die Schritte beginnen zu weichen. Ich bin so erleichtert, dass ich beinahe laut ausatme. Ich lehne mich leicht nach links und der Schreibtisch knarzt laut.
Die Schritte halten inne. Es ist ein leiser Fluch zu hören.
„Ich hab‘s dir doch gesagt, dass sie hier drin ist, verflucht nochmal“, schimpft der Cop. „Ich hab’s dir doch gesagt!“
Ihre Schritte hasten in meine Richtung. Ich schließe die Augen und zittere am ganzen Leib, unfähig, den Cops auf der Suche nach mir zuzuschauen. Er packt meine Arme und zerrt mich unter dem Schreibtisch hervor. Meine Augen klappen auf, als er mich nach oben reißt.
„Du verdammtes dämliches Miststück“, zischt er triumphierend. „Du wirst es bereuen, dass du uns weggerannt bist. Wir werden dafür sorgen, dass du an jemanden verkauft wirst, der dich dazu bringt, um den Tod zu betteln.“
Ich sehe, wie sich der andere Cop mit einer Spritze in der Hand nähert. Ich öffne den Mund, um zu antworten, aber was soll ich schon sagen? Stattdessen beginne ich einfach nur zu heulen und gebe unverständliche Laute von mir.
„Spritz sie direkt hier, in den Arm“, befiehlt der erste Cop und streckt meinen Arm aus.
Der Officer piekst mich in den Arm, ein kurzer nadelstichartiger Schmerz. Alles beginnt zu verschwimmen, die ganze Welt um mich herum verliert ihre Form.
„Das sollte sie direkt ins Traumland befördern“, murmelt einer von ihnen.
Und dann wird alles schwarz.