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BRIEF VON CYRUS

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Schließlich nahm ich all meinen Mut zusammen und ging hinein. Es war ein sehr großer, wunderschöner Raum. Er war in zwei Teile geteilt. Die eine Seite diente als Schlafzimmer und die andere Seite war zum Arbeiten. Der Ausblick aus dem Fenster war traumhaft. Ich konnte den Wald sehen und wie die Baumwipfel sich im Wind sanft bewegten. Ich ging zum Bett und stellte mir vor, wie mein Vater hier schlief. Mir war, als ob ich seine Anwesenheit spüren konnte. Dieses Zimmer sah nicht aus, als ob es Jahre ungenutzt geblieben war.

Gut, Ben hatte gesagt, dass Mr. Albus hier immer sauber machte. Doch das allein konnte nicht der Grund sein, denn das Zimmer fühlte sich irgendwie lebendig an. Ich öffnete die obere Schublade neben seinem Bett und sah einen Bilderrahmen mit der Fotografie eines kleinen Mädchens, das blonde lockige Haare hatte. Es musste wohl eine der Nichten meines Vaters sein, dachte ich und legte das Bild zurück in die Schublade neben dem Bett. Obwohl mir nicht sehr wohl dabei war, wollte ich so viel wie möglich über meinen Vater erfahren. Also ging ich zum Schreibtisch. Als ich davor stand, durchfuhr es mich heiß und kalt. Ich schaute mich verwundert um. Auf dem Schreibtisch lag ein Umschlag mit meinem Namen. Erst zögerte ich, aber nahm dann den Umschlag und schaute ihn mir genauer an. Ich spürte, wie meine Beine versagten und ich setzte mich auf den Schreibtischstuhl, der vor dem Tisch stand. Vorsichtig hielt ich den ungeöffneten Umschlag in der Hand, bevor ich ihn langsam öffnete. Schließlich nahm ich den Brief aus dem Kuvert und faltete ihn auseinander.


Liebe Sarah,

wenn du diesen Brief liest, weißt du, dass ich es nicht geschafft habe, zurückzukehren. Es tut mir sehr leid, dass ich an eurem Leben nicht teilnehmen konnte, denn nichts auf der Welt war mir wichtiger als ihr.

Ich muss mich auch dafür entschuldigen, dass ich jetzt bei deinem Training nicht da sein werde, denn es wäre meine Aufgabe gewesen, dich darauf vorzubereiten, was auf dich zukommt und nicht die von Ben. Aber ich weiß, er wird seine Aufgabe gut machen, schließlich hat er alles von mir gelernt, und er wird es dir nun weitergeben. Ich hätte dir die vor dir liegende Aufgabe gerne erspart. Bitte verzeih mir, dass ich dir so eine große Verantwortung aufbürde.

Ich liebe dich und deine Mutter sehr.

Bitte, du kannst Ben vertrauen. Tue alles, was er sagt, denn er würde sein Leben dafür geben, damit dir nichts passiert. Seine einzige Aufgabe besteht darin, dich zu beschützen.

In Liebe, dein Dad.

PS: In der zweiten Schublade rechts ist noch ein kleines Geschenk von mir zur Erinnerung an unsere glücklichen Tage.


Erst als ein Tropfen auf das Papier fiel, merkte ich, dass mir die Tränen übers Gesicht liefen. Ich hielt einen Brief meines Vaters, den er mir vor Jahren geschrieben hatte, in der Hand. Ich war so glücklich darüber, denn das war der Beweis dafür, dass Ben die Wahrheit gesagt hatte.

Dass es wirklich mein Vater geschrieben hatte, erkannte ich an der Schrift. Es war dieselbe Schrift, die ich von den Briefen meines Vaters an meine Mom kannte.

Er hat uns nicht verlassen, weil er uns nicht mehr wollte. Er musste uns verlassen, um uns zu schützen. Er liebte uns!

Ich hatte nie geglaubt, dass mein Vater bei einem Flugzeugabsturz starb, denn wenn meine Mutter es mir erzählt hatte, hatte sie einen traurigen Gesichtsausdruck, keinen trauernden.

Warum hatte mein Vater kein Grab? Auch wenn es ein Absturz gewesen wäre und sie die Leiche nicht gefunden hätten, wäre die Bestattung in einem leeren Sarg üblich gewesen.

Ich hatte meine Mutter nie darauf angesprochen, denn ich wollte nicht, dass sie mich anlügen musste. Es schmerzte sie genug. Ich öffnete die Schublade und sah einen umgedrehten Bilderrahmen. Als ich ihn aufhob und umdrehte, zeigte er mir ein Bild von meiner Mutter und meinem Vater mit einem kleinen Mädchen auf dem Schoß. Das musste wohl ich sein. So ein Bild hatten wir nicht, Mama hatte nie Fotos von uns Dreien zu Hause liegen. Sie hatte auch keins von meinem Vater. Die einzigen Bilder, die wir hatten, waren alle nach dem Verschwinden meines Vaters aufgenommen worden.

Ich musste mir eine ganze Weile das Bild angeschaut haben, als ich ein Klopfen an der Tür hörte. Ich schrak auf.

»Miss Clarus?«

»Ja?«

»Mr. Albus wartet im Wagen auf Sie. Es ist zehn vor 11.00 Uhr.«

»Oh! Natürlich! Ich komme sofort.«

Als ich an die Tür kam, war der Butler nicht mehr da. Wie war er nur so schnell verschwunden? Ich lief die Treppe schnell nach unten und trat vor die Villa. Das Auto stand schon mit laufendem Motor vor der Tür. Ich öffnete die Beifahrertür, stieg ein und Ben fuhr los.

»Es tut mir leid. Mir ging in dem Zimmer das Zeitgefühl verloren.«

»Ist schon gut. Ich weiß. Es tut mir leid, dass du nicht mehr Zeit hattest. Deswegen habe ich die Unterhaltung vorhin abgebrochen, damit du ein bisschen länger in dem Zimmer deines Vaters bleiben konntest.«

»Danke.«

»Du kannst jederzeit kommen, wenn du Zeit hast und dich im Zimmer deines Vaters aufhalten möchtest, solange unser Training nicht darunter leidet.

Wir müssen uns überlegen, wie wir das Training gestalten können. Ein paar Stunden am Tag werden uns nicht reichen. Ich werde mir was einfallen lassen und sag dir dann Bescheid.

So, wir sind da. Hier lass ich dich raus. Du hast noch fünf Minuten. Das letzte Stück kannst du mit dem Rad fahren. Jane darf mich nicht sehen.«

»Ok.«

Er stieg aus, hob mein Rad aus dem Kofferraum und gab es mir.

»Ruf mich an, wenn ich dich abholen soll.«

»Ich habe deine Nummer nicht!«

»Ich stehe unter Ben in deinem Handy. Ich war so frei und habe meine Nummer gestern Abend, als ich in deinem Zimmer war, gespeichert.«

»Ok, ich glaube, mich sollte nichts mehr überraschen.«

Ben lächelte.

»Bis später, Sarah.«

»Bis später.«

Er stieg ins Auto und fuhr los. Ich nahm mein Rad und fuhr, so schnell ich konnte, denn ich war spät dran. Auf einmal klingelte mein Handy. Es war Jane. Wenn ich nicht dran gehe, würde sie Zuhause anrufen.

»Hallo Jane, tut mir leid, ich bin in zehn Minuten da.«

»Ok, bis dann.«

»Ok.«

Als ich mich unserem Treffpunkt, einem netten, kleinen Café, näherte, sah ich Jane mit jemandem dort sitzen, den ich nicht erkannte. Er saß mit dem Rücken zu mir.

Mir passte es eigentlich nicht, dass sie jemanden mitgebracht hatte, aber ich wollte es mir nicht anmerken lassen. Schließlich hatte ich sie gestern versetzt und heute hatte ich mich verspätet.

»Hallo, Sarah.«

»Hallo, Jane, tut mir leid, dass ich mich verspätet habe.«

»Schon ok. Ich hatte Gesellschaft. Darf ich vorstellen? Ben, das ist meine beste Freundin, Sarah Clarus«

Ich war sprachlos. Wie konnte das nur sein? Erst sagte er, Jane dürfte nichts von ihm erfahren und jetzt saß er hier mit ihr. Und wie war er hergekommen? Er war doch zurückgefahren? Wenn er in die Stadt gefahren wäre, hätte er an mir vorbeifahren müssen.

»Angenehm, Ihre Bekanntschaft zu machen, Miss Clarus.«

»Ganz meinerseits.«

»Ah, die Förmlichkeiten. Sag doch einfach Sarah. Sie mag die Förmlichkeiten auch nicht.«

»Darf ich das, Miss Clarus?«

»Ja, Mr. …«

»Ben bitte.«

»Ok.«

»Setz dich doch. Du wirst nicht glauben, wie wir uns kennen gelernt haben!«

Ich war sauer. Was hatte er vor? Warum hatte er mich angelogen? Und warum saß er hier und tat so, als ob er sich prächtig amüsierte?

»Hallo! Hörst du mir überhaupt zu, Sarah?«

»Tut mir leid, ich war kurz mit den Gedanken woanders.«

»Nachdem ich mit dir gesprochen hatte, wollte ich gerade auflegen, als ein Junge mein Handy schnappte und weglief. Ben muss es wohl gesehen haben. Er kam zu mir und fragte mich, ob alles in Ordnung sei. Ich erklärte die Situation und Ben lief dem Jungen hinterher, aber der verschwand schon hinter einer Kurve. Ich dachte, dass er schon über alle Berge war, aber als Ben nach kurzer Zeit mit meinem Handy zurückkam, war ich überrascht. Ist das nicht heldenhaft?«

»Was für ein Zufall! Und Ben? Wie hast du es geschafft, den Jungen einzuholen?«

»Ich hatte Glück. Der Junge lief in die falsche Richtung und landete in einer Sackgasse. Als er zurückrannte, lief er mir direkt in die Arme.«

»Sie hatten aber Glück, dass er kein Messer mit sich trug.«

»Oh mein Gott, daran habe ich ja gar nicht gedacht! Ben, ich bin froh, dass dir nichts passiert ist!«

»Danke, ja, das war ein Glück. So, ich muss jetzt los. Da deine Freundin da ist, kann ich euch alleine lassen.«

»Ben, frühstücke doch mit uns. Das ist das Mindeste, was ich tun kann.«

»Tut mir sehr leid, ich habe keine Zeit. Vielleicht ein anderes Mal.«

»Wie wäre es mit heute Nachmittag?«

»Jane, vielen Dank für die Einladung, aber ich muss erneut absagen. Heute Nachmittag habe ich leider auch einen Termin.«

»Ok, nochmal vielen Dank, dass du mir mein Handy wiedergebracht hast.«

»Gern geschehen. Einen schönen Tag wünsche ich euch beiden noch. Sarah, es hat mich gefreut deine Bekanntschaft zu machen.«

»Ganz meinerseits.«

Es kam langsam ein Wagen näher und blieb neben uns stehen. Er stieg hinten ein. Ich konnte nicht erkennen, wer das Auto fuhr, denn die Scheiben waren sehr dunkel. Es war nicht derselbe Wagen, den er sonst fuhr.

»Sieht der nicht gut aus, Sarah?«

»Na ja, darauf habe ich nicht so geachtet. Kann sein.«

»Ah Sarah, wo bist du wieder mit deinen Gedanken? Komm, lass uns endlich frühstücken! Ich habe einen Riesenhunger, dank dir, weil du dich wieder verspätet hast.«

»Ich sagte doch, dass es mir leid tut.«

»Ist schon okay, ich mach doch nur Spaß.«

»Und was machen wir heute?«

»Lass dich überraschen! Ach was soll´s, ich kann nichts für mich behalten. Ich habe mir gedacht, dass wir nach dem Frühstück erst einmal durch die Stadt bummeln. Ich brauche ein paar neue Schuhe. Und dann können wir ins Kino. Es läuft gerade ein schöner Film. Später können wir noch zu mir. Mama kocht heute für uns etwas Leckeres. Was hältst du davon?«

»Gut, wir werden bestimmt viel Spaß haben!«

»Nicht wahr?«

Nachdem wir gefrühstückt hatten, gingen wir in fünf verschiedene Schuhläden, ohne dass etwas dabei gewesen wäre, was ihr gefiel. Schließlich gab sie es auf und wir machten eine kleine Pause. Wir setzten uns in ein Café und tranken eine Tasse Tee.

»Wann läuft der Film?«

»Die Vorführung ist um 14.30 Uhr. Wir haben also noch zehn Minuten. Außerdem brauchen wir uns nicht anzustellen, ich habe die Eintrittskarten heute Morgen schon gekauft.«

Ich bezahlte und wir standen auf. Zum Kino waren es nur fünf Minuten zu Fuß, deshalb ließ ich mein Rad stehen. Als wir ankamen, sah ich, dass die Schlange an der Kasse ganz schön lang war.

Ich war froh, dass Jane die Tickets schon im Vorfeld organisiert hatte. Wir gingen in den Kinosaal und die Vorführung begann. Ich hatte eigentlich keine Lust darauf, aber ich durfte es mir nicht anmerken lassen. Jane wäre sonst sehr traurig. Sie hatte sich so auf den Tag gefreut. Ich wollte ihn ihr nicht verderben, doch meine Gedanken waren die ganze Zeit bei meinem Vater. Mir kam das alles wie ein Traum vor.

Ich fasste in meine Tasche, um zu schauen, ob der Brief noch dort war. Er war noch da. Auf einmal dachte ich, dass es eine sehr gute Idee von Jane war, ins Kino zu gehen. Ich war heute weder besonders gesprächig noch eine angenehme Zuhörerin, somit war ein Film genau das Richtige. Bei einer längeren Unterhaltung hätte Jane meine gedankliche Abwesenheit bemerkt, was eine erneute Lüge meinerseits zur Folge gehabt hätte. Beim Film brauchte ich nur zuzusehen.

Plötzlich spürte ich Janes Hand an meiner Schulter.

»Willst du nicht aufstehen? Der Film ist zu Ende.«

»Ja, aber ich mag es nicht, dass die Leute so drängeln. Ich warte nur, bis alle rausgegangen sind.«

»Sarah, es ist fast niemand mehr im Saal! Lass uns endlich gehen.«

Ich stand auf und wir gingen hinaus. Vor dem Kino waren noch eine ganze Menge Menschen, die sich darüber austauschten, wie der Film war.

Ich wollte nur weg. Im Moment konnte ich keine Menschenansammlungen ertragen, alles war zu viel für mich. Ich hatte nicht die Nerven dafür. Ich wollte endlich zurück, wusste aber nicht, wie ich es Jane erklären sollte. Es würde sehr viel Zeit kosten, wenn wir noch zu ihr zum Essen gehen würden. Ich musste mir etwas einfallen lassen. Als wir wieder vor dem Café standen, sah ich, dass mein Rad einen Platten hatte und ich war sehr froh darüber, es kam wie gerufen.

»Verdammt! Ich habe einen Platten! Jetzt muss ich zu Fuß nach Hause laufen.«

»Spinnst du? Das ist fast eine Stunde Fußmarsch. Du kannst heute bei uns schlafen und deine Mutter holt dich morgen ab. Dann könnt ihr den Platten flicken lassen.«

»Nein Jane, ich kann doch meine Mutter nicht alleine lassen.«

»Wieso nicht? Sie war doch immer alleine, als du bei mir übernachtet hast oder wir einen Schulausflug gemacht haben. Ruf sie nach dem Essen an, damit sie dich morgen abholt. Oder willst du nicht bei mir übernachten?«

»Ich würde ja gerne, aber nicht heute.«

Ich wusste nicht, was ich Jane sagen konnte, um sie zu überzeugen. Aber irgendwas musste ich mir einfallen lassen, sonst war sie sauer auf mich. Plötzlich hatte ich die Idee. Leider musste ich sie erneut anlügen. Aber mir blieb nichts anderes übrig.

»Jane, wir kennen uns schon so lange und du weißt ganz genau, dass ich gerne bei dir schlafe. Es ist nur so, meine Mom hatte beim Saubermachen die Briefe meines Vaters wiedergefunden. Sie wusste nicht mehr, wo sie sie hingelegt hatte. Als ich sah, wie traurig sie war, hatte ich auf einmal ein schlechtes Gewissen, weil ich sie alleine gelassen hatte.«

»Ok, das verstehe ich. Dann ruf sie doch an, damit sie dich abholt. Du kannst doch die Strecke nicht zu Fuß zurücklegen.«

»Das Wetter ist wunderschön und für mich wird es ein netter Spaziergang.«

»Ok, wie du meinst.«

»Dann hören wir uns heute Abend, ich ruf dich an. Bitte sag deiner Mutter noch einen schönen Gruß und dass es mir leid tut, dass ich nicht zum Essen kommen konnte.«

»Mach ich. Sie wird es verstehen. Sag deiner Mom auch einen schönen Gruß von mir, wir hören uns heute Abend. Ich gehe jetzt auch nachhause, bin vom Stadtbummel noch ganz geschafft.«

Unsere Wege trennten sich. Jane bog in eine andere Straße ab und ich konnte in Ruhe mein Rad schieben. Bevor ich Ben anrief, wollte ich noch eine lange Kette für den Anhänger besorgen, die hier war mir zu kurz. Man konnte den Anhänger sehen und das wollte ich nicht. Zum Glück war auf meinem Weg ein Laden, in dem es schöne Ketten zu kaufen gab.

Als ich ankam, sah ich durch das Schaufenster Sally, ein Mädchen aus meiner Klasse. Mit einem Mal war ich mir nicht mehr sicher, ob ich hineingehen sollte, aber ich wollte die Kette unbedingt, da vor allem meine Mom den Anhänger nicht sehen sollte. Sie würde ihn so nicht wieder erkennen und nur Fragen stellen.

Ich lehnte mein Rad an die Wand und ging in das Geschäft, während ich so tat, als ob ich Sally nicht gesehen hätte. Ich hoffte nur, dass sie mich nicht wahrnahm. Sie war schon an der Kasse und würde gleich hinausgehen. Bitte, bitte, dreh dich nicht noch mal um. Verdammt! Sie drehte sich um. Sally war schon immer neugierig und wollte wissen, was vor sich ging. Wer kam ins Geschäft und wer verließ es, das war typisch Sally.

»Hallo Sarah! Was machst du hier? Ich hab nie gesehen, dass du Schmuck trägst! Was willst du dir kaufen?«

»Hallo Sally, ah weißt du, meine Mom hat bald Geburtstag und ich wollte für sie nach einem Geschenk schauen.«

»Oh gut! Sie haben sehr schöne Sachen hier und das auch noch günstig. Sogar du würdest hier etwas finden. Na dann, schönen Tag noch.«

Ich war froh, als sie ging, diese eingebildete dumme Kuh. Ihre Eltern waren wohlhabend, deshalb schaute sie auf alle in der Klasse herab.

Sie bekam alles, was sie wollte. Sallys Eltern kauften ihr sogar ein eigenes Auto, damit sie zur Schule fahren konnte, obwohl sie nur zehn Minuten zu Fuß entfernt wohnte. Leider hatte sie kein Gehirn, das konnten sie ihr nicht kaufen. Irgendwie tat sie mir leid, denn die Welt, in der sie lebte, hatte nichts mit der Realität zu tun.

»Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen?«

»Ich suche eine längere Kette für meinen Anhänger.«

»Hier haben wir verschiedene Modelle, eins davon wird Ihnen bestimmt gefallen.«

»Eigentlich suche ich eher etwas Einfaches.«

»Ich verstehe. Was stellen sie sich vor? Soll es Gold oder Silber sein oder doch eher Modeschmuck?«

»Nein, eher so eine Art Lederband, etwas Unscheinbares.«

»Ach, die Bänder für Anhänger haben wir hier drüben. Was für eine Farbe soll es sein?«

»Schwarz.«

»Wie wäre es mit dem hier ein Leder Band?«

»Die ist zwar genau das, was ich suche, aber haben sie es auch länger?«

»Diese hier sind länger. Aber sind sie nicht zu lang? Dann würde man ja den Anhänger nicht sehen, wenn sie ihn tragen.«

»Das ist auch der Sinn der Sache.«

»Hm? Ich verstehe nicht.«

»Ist schon Ok. Das ist genau das, was ich suche. Ich nehme dieses.«

»Soll ich es für Sie einpacken?«

»Nein, es geht so.«

Ich bezahlte und ging hinaus. Ich spürte, dass die Verkäuferin hinter mir hersah, drehte mich aber nicht um. Erst vor dem Laden blieb ich stehen und schaute hinein. Als sich unsere Blicke trafen, drehte sie sich spontan um und tat so, als ob sie sehr beschäftigt wäre. Es waren aber keine anderen Kunden im Laden, also hatte sie angefangen, etwas an der Kasse zu machen.

Ich nahm mein Rad und lief ein Stück weiter, froh darüber, dass es nicht zu lange gedauert hatte und ich so schnell fündig geworden war.

Als ich weiter weg war, rief ich Ben an und bat ihn, mich am Stadtrand abzuholen. Zum Glück war es nicht weit bis zu der Stelle, an der er mich abholen sollte, da es gar nicht so einfach war, mein Rad mit dem Platten zu schieben. Ich konnte es schlecht hier stehen lassen, schließlich brauchte ich es. Als ich fast am Stadtrand angekommen war, sah ich Ben auf mich warten. Er stand neben seinem Wagen und schaute zu mir hinüber. Er kam mir entgegen und nahm mir das Rad ab.

»Hallo Sarah, wie war dein Tag?«

»Ganz gut.«

Er verstaute mein Rad und wir fuhren los. Ich wunderte mich, warum er nicht wissen wollte, wie es zu dem Platten an meinem Rad gekommen war.

Außerdem war ich immer noch sauer auf ihn, da er mir verboten hatte, irgendjemandem etwas zu erzählen, während er mit Jane dasaß und in Seelenruhe einen Kaffee trank.

Ich wollte ihn darauf ansprechen, aber ich fürchtete, dass er denken könnte, ich wäre eifersüchtig. Er sollte sich darauf nichts einbilden.

»Wie konnten Sie so schnell hier sein?«

»Wir hatten doch ausgemacht, dass du mich duzt. Ich habe dich bereits erwartet.«

»Wie erwartet? Du konntest doch nicht wissen, dass ich jetzt schon komme. Dank des Platten an meinem Rad konnte ich Jane vormachen, dass ich nachhause laufen muss, weil ich Mom nicht alleine lassen kann.«

»Ja, ich weiß. Ich habe den Platten verursacht, damit du früher kommst. Ich sagte doch, dass wir nicht viel Zeit haben.«

»Du konntest doch nicht wissen, dass ich jetzt schon komme! Ich hätte auch bei Jane übernachten können, falls mir nichts eingefallen wäre.«

»Sarah, ich sagte doch, dass ich dich kenne. Ich wusste genau, dass du eine Möglichkeit finden würdest, um zu kommen. Ich habe nur etwas nachgeholfen, damit es nicht zu spät wird.«

Ich schwieg, drehte mich zur Seite und schaute aus dem Fenster. Ich war nicht sauer, im Gegenteil. Ich war froh darüber, dass er mir einen Grund gegeben hatte, Jane zu überzeugen, gehen zu müssen, denn meine Gedanken waren die ganze Zeit bei ihm. Ich wollte so schnell wie möglich alles über meinen Vater erfahren. Auf halber Strecke hielt Ben das Auto an, stellte den Motor ab und stieg aus.

»Du bleibst im Wagen.«

Das Medaillon von Ofon

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