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Kapitel 5 Natalia

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In unserem Badezimmer stand Cristiano direkt unter der sanft scheinenden Lampe, die ihn beleuchtete, als wäre er eine Statue in einem Museum. Von der Tür aus bewunderte ich ihn im Spiegel. Er trug tief auf der Hüfte hängende schwarze Jogginghosen, die seine kräftigen Muskeln und seine V-Form betonten, und putzte sich die Zähne. Seine trainierten Muskelstränge gingen so tief Richtung Süden, dass ich mich fragte, ob seine Größe das Ergebnis irgendeiner Art von Spezialtraining war.

Ich verschränkte die Arme über dem Nachthemd, um meine harten Brustwarzen zu verstecken. „Du gehörst ins Bett.“

Die weißen Mullbinden leuchteten weiß auf seinem Bauch. Seine glatte, dunkle Haut war gezeichnet und vernarbt. Nicht nur von dem letzten Angriff.

„Doc hat gesagt, dass ich über die letzten Tage gut geheilt bin“, sagte er.

Er bemühte sich redlich, das schmerzverzerrte Gesicht zu verstecken, als er sich nach vorn beugte, um die Zahnpasta ins Becken zu spucken, aber ich sah es. „Wirklich? Denn ich habe heute früh mit ihr gesprochen und sie will, dass du mindestens noch eine Woche das Bett hütest.“

Er schnaubte. „Eine Woche? Nein, meine Liebe. Ich drehe durch, wenn ich länger als ein oder zwei Tage im Bett bleibe. Und es waren jetzt ein paar Tage.“

Wir diskutierten nicht das erste Mal darüber. Ich versuchte mitfühlend zu sein, weil er ein traumatisches Erlebnis hatte, aber das hatte ich auch. Und ich … ich wollte nicht noch einmal diese lähmende Angst verspüren, bei dem Gedanken, ihn noch einmal zu verlieren.

„Man kann sich nicht innerhalb von ein paar Tagen erholen, du …“

„Das habe ich schon öfter getan. Für mich ist es viel gefährlicher, ans Bett gefesselt zu sein, Natalia. Das macht uns verletzlich.“ Er spülte die Zahnbürste ab. „Das beste Rezept, das ich kenne, um gesund zu werden, ist aufzustehen und wieder an die Arbeit zu gehen.“

„Ich verbiete es dir“, sagte ich. „Ich verbiete dir, das Bett zu verlassen.“

Cristiano hielt inne. Dann blickte er zur Decke. „Ja, meine Liebste, ich habe lange darauf gewartet, dass du das sagst. Ich bleibe gern noch ein paar Wochen im Bett, wenn du mir Gesellschaft leistest.“

Seine versauten Gedanken und sein unersättlicher Hunger, mich ins Bett zu kriegen, hatten sich offensichtlich schnell wieder erholt. „Wenn du operiert werden musst, wirst du noch viel länger das Bett hüten.“

„Eine Nacht mit dir wäre es wert.“

Jaz trat ein und hatte Salbe, Tabletten und alle Utensilien zum Waschen dabei. „Senior, du gehörst ins Bett.“

Ich machte mir nicht die Mühe, mein Ich-hab-es-dir-doch-gesagt-Grinsen zu verstecken.

Er blinzelte bei den Gegenständen in Jaz’ Händen und schüttelte den Kopf. „Ich habe euch beiden gesagt, dass ich absolut dazu in der Lage bin, zu duschen.“

„Frau Doktor hat gesagt, du sollst noch nicht herumlaufen“, sagte Jaz und legte alles neben das Waschbecken. „Natalia muss die Verbände wechseln. Ich habe ihr gezeigt, wie das geht. Es dauert nur zwei Minuten. Du musst nur hier stehen bleiben.“

„Jaz, in fünf Sekunden bin ich unter der Dusche“, sagte er und öffnete die Schnur an der Jogginghose. „Also werde ich in drei Sekunden die Hose ausziehen.“

„Du bist noch zu wackelig auf den Beinen. Du könnest stürzen.“

Jaz hatte recht, er könnte ausrutschen und sich den Kopf aufschlagen. Vor lauter Schmerzen war er nicht in der Lage, die Arme zu heben, auch wenn er versuchte, es nicht zu zeigen. Er brauchte Hilfe, aber er würde es niemals zugeben. „Ich komme mit in die Dusche“, sagte ich.

Seine Augen leuchteten, als er meinen Blick im Spiegel fand. „Du kommst mit? Unter die Dusche?“ Das Necken in seiner Stimme bewog mich fast dazu, mein Angebot zurückzuziehen.

„Ich schulde es dir“, sagte ich. Letzten Monat war ich die Verletzte gewesen und saß in meinem Bad, während er mir Glassplitter aus den Fußsohlen holte. „Dafür, dass du mir nach dem Lagerhausbrand geholfen hattest.“

Jeglicher Humor entwich seiner Miene. „Dass du dort verletzt wurdest, war meine Schuld.“

„Was ich nicht vergessen habe.“ Aber er hatte mich gerettet. Er war an der Seite des Gebäudes, das jeden Moment hochgehen konnte, hochgeklettert, nur um mir zu helfen. Unterdessen hatte Diego mich allein um mein Leben kämpfen lassen, als er an dem Versuch scheiterte, die Drogen der Maldonados zu retten.

Ich ging einen Schritt auf Cristiano zu, wobei ich hoffte, dass meine Wangen nicht rot wurden. Vor ein paar Tagen mit meinem Ehemann zu flirten, hatte ein wenig Spaß gemacht. Und ein bisschen Spaß konnten wir gebrauchen, in dieser dunklen Zeit. „Du hast mich sauber gemacht, meine Wunden versorgt“, sagte ich. „Lass uns das wiederholen.“

„Danke, Jaz“, sagte Cristiano. „Du kannst gehen.“

Mit einem Zucken um die Mundwinkel nickte sie und verließ das Badezimmer. Wenigstens hatte sie keinen Streit angefangen. Oder gesehen, womit ich mich arrangierte. Mit den Dingen, die sich zwischen mir und Cristiano veränderten.

Dieses forsche Verhalten kannte ich nicht von mir, aber ich hatte es schon einmal gesehen. Bei dem Mann, der vor mir stand und sehr zufrieden aussah, bei meiner Forderung, mich selbst um ihn zu kümmern. Ich machte meinen Besitzanspruch klar.

Er hatte es mir schon oft gesagt. Ich gehörte zu ihm. Und zum ersten Mal hatte eine leise Stimme geantwortet.

Er gehört zu mir.

Cristiano betrachtete mich im Spiegel, als ich mich ihm von hinten näherte. „Kannst du deine Arme etwas anheben?“, fragte ich.

Er hob sie langsam an, damit ich besser an die Bandagen um seinen Oberkörper kam.

„Tut es weh?“, fragte ich, während ich mich darauf konzentrierte, den Verband abzuwickeln.

„Wirst du mir dann die Stelle küssen, damit es schneller heilt?“

Er ließ nicht nach. Ich verkniff mir ein Lächeln. „Nein.“

„Dann tut es nicht weh, nein.“

Ich betrachtete die sauberen, roten Schnittwunden genau. Sie waren nicht länger als ein Zahnstocher, aber breit genug, dass sie mit dicken, dunklen Nähten zusammengehalten werden mussten. Nachdem ich den Verband abgewickelt hatte, warf ich ihn in den Mülleimer. Ich ging zur Dusche und drehte das Wasser auf. Als ich mich wieder umdrehte, stand er direkt vor mir.

„Damit kann ich nicht duschen gehen“, sagte er.

Mein Blick fiel auf seine Hose. „Brauchst du Hilfe?“

„Ja.“ Er räusperte sich. „Es tut überall weh, wenn ich mich vorbeuge.“

Ich zweifelte nicht daran, dass es ihm wehtat, aber da er selten erwähnte, dass er Schmerzen hatte, erkannte ich die Hintergedanken. Allerdings ließ ich ihn heute Abend damit davonkommen.

Meine Finger berührten seine Haut, als ich die Jogginghose über seinen muskulösen Hintern zog. Ich atmete aus, war dankbar, dass er keine Erektion hatte. Doktor Sosa hatte Cristiano eindeutig davor gewarnt, sich zu überanstrengen. Aber wenn es um Sex ging, war ich nicht sicher, ob er auf die Warnungen hören würde. Allerdings schürte sein entblößter und auf meine Hilfe angewiesener Anblick mein Verlangen.

Die Bezeichnung Ehemann hatte während der vergangenen Wochen die verschiedensten Bedeutungen angenommen. Folterknecht. Beschützer. Lehrer. Bei der Gewissheit, dass sie sich bald wieder ändern würde, erschauerte ich. Liebhaber. Der Gedanke an Sex mit ihm hatte mich immer erregt. Auch, wenn es mir Angst machte und ich mich schämte. Aber während die Tage dahinstrichen und Cristiano langsam gesund wurde, wurde mein Verlangen, mich ihm und seinen Avancen endlich hinzugeben, immer drängender. Allerdings durfte es nicht heute passieren. Er war noch weit davon entfernt, wieder gesund zu sein.

Aber für all die Male, die er es genossen hatte, mich zu erregen, konnte ich mich endlich einmal revanchieren.

Ich hielt seinem Blick stand, während ich mir das Nachthemd über den Kopf zog und neben seiner Hose fallen ließ. Er sah auf meine Brüste. Meine Nippel waren immer noch zwei feste Knospen, die ihm eine Show boten. Ich betrat die Dusche und hielt ihm meine Hand hin. Als er unter den warmen Wasserstrahl trat, gab ich etwas Duschgel auf einen Badeschwamm und berührte damit seinen Rücken.

„Da habe ich keine Wunden“, merkte er an und sah über die Schulter. „Du musst nicht so vorsichtig sein.“

Ich schob den Schwamm über die gesamte Länge bis zu seinen Schultern und folgte einer langen Narbe von der rechten Schulter, die bis über sein Rückgrat reichte. An seinen Seiten, Armen und auf dem Rücken erzählten andere Narben von einem gewalttätigen Leben.

„Das war nicht deine erste Bekanntschaft mit einem Messer.“ Mit dem Daumen fuhr ich über eine dicke, rote Narbe unter seinem Schulterblatt. „War das eine Schussverletzung?“

„Ich sagte ja schon, man hat mich schon ein paar Mal von den Füßen geholt.“

Vor Jahren hatte ich einmal in einer Zeitung über den berüchtigten, unbekannten Anführer des Calavera-Kartells gelesen. Darin stand, dass er in seinem Leben mehr Kugeln im Körper gehabt habe, als Drogen. Ich trat um ihn herum, sodass ich vor ihm stand. Ich war fasziniert von jeder kleinen Information über seine Vergangenheit. „Was ist passiert?“

„Vieles. Eines Tages werde ich es dir erzählen, wenn du möchtest, aber die lange Narbe auf meinem Rücken ist die einzig Wichtige. Alles begann … mit dem Gürtel meines Vaters.“

Ich erstarrte und sah ihm in die Augen. Ich wünschte, es hätte mich mehr überrascht, aber es war kein Geheimnis, dass sein Vater brutal war. Ab und zu hatte Diego davon erzählt, aber er hatte es immer heruntergespielt. Hatte er das getan, weil er vielleicht meistens verschont wurde? Hatte sein älterer Bruder das Meiste eingesteckt, um seinen jüngeren zu beschützen? Vor ein paar Wochen noch hätte ich das nicht so gesehen, aber ich begann zu begreifen, dass Cristiano so ein Mensch war. Einer, der alles auf sich nahm, damit er andere beschützen konnte.

„Ich hasse deinen Vater“, sagte ich. „Und es tut mir leid, dass er das getan hat.“

„Ich habe mich damit abgefunden und meine Probleme, die ich mit ihm hatte, aufgearbeitet.“ Mit Mühe hob er eine Hand und stützte sich an der gefliesten Wand ab. „Für mich war es nicht überraschend, dass er so weit gehen würde. Bei Diego allerdings … seinen Verrat habe ich nicht kommen sehen.“

Diego und Cristiano waren die einzigen noch lebenden direkten Verwandten zueinander. Also war es ganz natürlich, dass sie sich einst nahegestanden hatten. Allerdings konnte ich jetzt die Dinge klarer aus Cristianos Perspektive erkennen. Diego hatte sich gegen seinen Bruder gestellt, indem er Cristiano für einen brutalen Mord verantwortlich machte, der Cristiano leicht das Leben hätte kosten können.

Ich betrachtete eine weitere Schussnarbe über seinem rechten Brustmuskel. „Du hast so viel durchgemacht, wovon ich keine Ahnung habe.“

„Es hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin. Die restlichen Narben sind kaum der Rede wert, Natalia, also mach dir keine Gedanken darüber. Das gilt auch für die frischen Narben, sowie sie verheilt sind. Wir machen weiter und sind stärker als vorher, verstehst du?“

„Ich verstehe.“ Ich begann, ihn zu waschen und versuchte, mich nicht auf die Tatsache zu konzentrieren, wie körperlich nah wir uns gerade waren. Und wie nackt. Zum ersten Mal hatte ich weder Angst noch war ich nervös.

Während ich ihn stumm einseifte, zuckte sein Schwanz. Früher hätte mich das erschreckt. Jetzt erinnerte es mich an unsere letzte gemeinsame Nacht, bevor das alles passierte. Im Schlafzimmer seines Nachtclubs, La Madrina, als ich ihm geraten hatte, zu suchen, was er finden wollte, ohne dass ich wusste, in welche Gefahr es ihn bringen würde. Und daran, wie ich auf meine Knie gesunken war, um ihn …

Ich drehte mich weg, als ich rot wurde, legte den Schwamm ab und nahm das Shampoo. Für ihn war jede Bewegung anstrengend, und es war ihm nicht möglich, die Arme über den Kopf zu strecken. Ich bräuchte allerdings eine verfluchte Trittleiter, um an seine Haare zu kommen.

Ich quetschte etwas Shampoo in die Handfläche, ging zum anderen Ende der Dusche und stellte mich auf die eingebaute Sitzbank. Als er mich nur anstarrte, sagte ich: „Kommst du?“ Ich hob eine Augenbraue.

Ich hätte schwören können, dass er leise in sich hineinlachte, als er zu mir kam. Ich vergrub meine Hände in seinen Haaren. So nass, kamen sie mir noch viel fülliger vor. Unfassbar seidig und schwarz in meinen Händen.

Er schloss die Augen und lehnte die Stirn gegen meinen Bauch, während ich ihn einschäumte. Er hob den Kopf und schabte mit seinen Bartstoppeln über den empfindlichen Punkt zwischen meinen Brüsten. Ich biss mir auf die Lippe, um ein Aufstöhnen zu unterdrücken. Das würde ihn nur anspornen und dass er sich kaum im Griff hatte, hatte er schon bewiesen. Wir mussten uns benehmen, also musste ich Stärke beweisen.

Er schob die Hände von meinen Oberschenkeln hoch zu meinen Hüften, seine Finger spreizten sich über meinen Pobacken.

„Natalia“, murmelte er. „Du fehlst mir.“

Ich war genau hier, und doch verstand ich. Während der letzten drei Tage, in denen jeder um sein Wohlergehen besorgt war und Tasha und Alejandro seine Zeit in Anspruch genommen hatten, sowie all den Dingen, die ich erledigt hatte, damit der Haushalt wieder weitergeführt wurde, waren wir nicht wirklich allein gewesen. Die Medikamente ließen ihn nachts tief schlafen und ich schlief auf der Couch, um ihm etwas Raum zu geben.

Ich spürte meinen Pulsschlag in meinem Bauch. Vielleicht war ich nicht nur besorgt darüber, ob Cristiano sich im Griff hatte. So nackt, mit diesen riesigen Händen auf mir, und da ich mich jetzt nicht mehr von meiner Gegenwehr ihm gegenüber zurückhalten ließ, überflutete mich ein Verlangen nach ihm, das aus meinem tiefsten Innersten kam. So hatte ich nicht mehr empfunden, seit dem Tag, als er fortging. Ich hatte mich so lange gegen ihn gewehrt. Und brauchte es nicht mehr. Wollte es nicht mehr.

Als Cristiano das Bewusstsein wiedererlangt hatte und wir uns angesehen hatten, war mir diese Erkenntnis gekommen. Bis zu dem Augenblick hatte ich Todesangst gehabt, dass er nicht überleben würde. Dass ich ihn verlieren würde. Dass ich auf dieser Erde ganz allein gelassen werden würde, um mich gegen Diego, die Belmonte-Ruiz und sogar gegen meinen Vater zur Wehr setzen müsste. Die Erleichterung, die ich empfunden hatte, war greifbar gewesen, aber auf eine andere Art auch beängstigend. Ich dachte nicht, dass er nicht immer noch der Mann war, der mir eine Ehe aufgezwungen hatte. Der über dem leblosen Körper meiner Mutter gestanden und mich, ein trauerndes kleines Kind, stundenlang in einem dunklen Tunnel allein gelassen hatte. Aber er war auch derjenige, der einst meine Familie beschützt und sichergestellt hatte, dass es mir an nichts mangelte, seit meiner Ankunft in den Badlands.

Bei unserem letzten Telefonat hatte ich ihn bitten wollen, zu Hause zu bleiben. Ich hatte nur nicht gewusst, wie. Und ich hatte ihn fast verloren. Zeit war ein wertvolles Gut, wie er immer sagte, und sollte nicht verschwendet werden.

Statt zu versuchen, ihm das zu sagen, legte ich meine Arme um seinen Nacken und zog ihn an mich.

Er legte seine Lippen auf meine Haut, fuhr mit dem Mund bis hoch zu meiner Brust, bevor er den Kopf neigte. „Bitte, weise mich nicht mehr ab.“

Ich könnte mich vorbeugen und ihn zum allerersten Mal küssen, seit der Nacht im La Madrina. Und dieses Mal könnte ich zugeben, dass ich es freiwillig tat. Dass ich es wollte. Ich wollte, dass er gesund wurde. Dass er bekam, was er brauchte. Was bedeutete, dass ich etwas für ihn empfand. Allerdings tat ich das auch für Diego. Ich hatte alle Warnsignale übersehen und ihm alles abgekauft, was er mir erzählte oder getan hatte. Wie konnte ich mir selbst noch glauben, nachdem ich eine so fürchterliche Menschenkenntnis bewiesen hatte? Konnte ich Cristiano vertrauen?

Schaum lief ihm aus den Haaren übers Gesicht, also zog ich mich vorsichtig aus seinen Armen. „Du musst dich abduschen.“

„Du weißt nicht, was ich muss, Natalia.“

Ich seufzte und stieg von der Duschbank. Dann führte ich ihn zum Wasserstrahl. Er nahm mein Gesicht zwischen die Hände und sah mir tief in die Augen. Als ich näher trat, drückte sich seine Erektion gegen meinen Bauch. Ich wollte nachgeben. Um seine Schmerzen zu lindern. Vielleicht lag er richtig damit, wenn er glaubte, dass ich das Einzige war, was ihn heilen konnte.

„Erinnerst du dich an das letzte Mal, als du mich gesehen hast? Bevor das alles passiert ist?“

„Ich wurde fast erstochen, nicht auf den Kopf geschlagen.“ Er fuhr mit den Daumen über meine Mundwinkel. „Meine Erinnerung ist so gut wie immer. Es war der Abend, an dem ich dich mit dem Handy erwischt und dich im Club dafür bestraft habe. Bist du immer noch wütend?“

Ich schüttelte den Kopf. „Das ist nicht das letzte Mal gewesen.“

„Stimmt. Du hast geschlafen, während ich meine Tasche gepackt habe.“

„Darüber rede ich nicht.“ Ich nahm ihn in die Hand. „Ich meine den Moment, als ich vor dir gekniet habe und zu dir hochsah.“

„Himmel, Natalia.“ Er holte tief Luft, seine Finger bohrten sich in meine Wange und lösten damit eine Erregung aus, die direkt zwischen meinen Beinen landete. „Sei vorsichtig mit dem, was du sagst.“

Beim letzten Mal war es dunkel gewesen. Jetzt konnte ich alles sehen. Er war fast so dick wie mein Handgelenk, noch mehr von Adern überzogen, als seine kräftigen Unterarme. Die zarte, rosige Haut zog sich glatt, während er in meiner Hand noch größer wurde.

Sein Blick wurde gequält, als ich ihn streichelte. Noch nie hatte ich einen so starken Drang, die Dämonen einer anderen Person zu verjagen.

„Wir können uns nicht küssen, du weißt genau, wo das endet“, sagte ich. „Aber wird das hier helfen? Du musst mir versprechen, ganz stillzustehen und dich nicht zu überfordern.“

„Ich könnte niemals ganz still stehen, wenn deine Hände auf mir liegen.“ Wasser tropfte ihm über den Nasenrücken. Er nahm mein Handgelenk und ich ließ von ihm ab. An unseren Seiten verschränkte er unsere Hände. „Das ist es sowieso nicht das, was ich brauche.“

„Was dann?“

Er nahm eine Hand hoch, hob mein Kinn an und blickte in mein Gesicht. „Jetzt, wo du mich fast verloren hast, haben sich deine Gefühle geändert?“

Ich hielt seinem Blick stand. „Ja. Aber du kannst nicht erwarten, dass sich unsere Beziehung über Nacht total verändert.“

„Das tue ich nicht. Aber wenn es irgendetwas gibt, das du mir sagen willst, dann jetzt.“

Die Entschlossenheit in seiner Stimme ließ meine Alarmglocken schrillen. „Warum?“, fragte ich und meine Schultern spannten sich an.

„Ich muss gehen, Natalia.“ Er presste die Lippen aufeinander. „Ich kann Max nicht länger in den Händen von Belmonte-Ruiz lassen.“

Gottverflucht noch mal. Frustration flammte in mir auf. Ich trat einen Schritt zurück und verschränkte die Arme. Vor ein paar Tagen war er fast umgebracht worden. Was brauchte es denn noch, damit er mal einen Gang zurückschaltete? „Ich weiß, dass du sie nicht davonkommen lassen kannst. So ist diese Welt nun einmal. Aber du kannst nicht selbst losziehen. Mach einen Plan und schicke Alejandro und deine Männer los, um Max zu befreien.“

„Ich bin derjenige, der Max in Gefahr gebracht hat.“ Auf seiner Stirn bildete sich eine Falte. „Ich kann nicht andere losschicken, damit sie meinen Job erledigen. Ich bin es leid, mit diesen Cabrónes Spielchen zu spielen und versteh mich nicht falsch. Ich werde diese Hurensöhne ein für alle Mal in die Luft sprengen.“

Ich konnte das nicht. Nicht jetzt. Ich ließ mich endlich Cristiano im richtigen Licht betrachten, für all das, was er war, und er wollte losziehen und sich schon wieder in die Schusslinie begeben? War nicht das hier alles, worum er mich in den letzten Wochen gebeten hatte? Dass ich mich ihm und dem Gedanken von uns beiden zusammen öffnete? Dass ich aufhörte, mich gegen ihn zu wehren? Und jetzt, wo ich bereit war dazu, zog er wieder los, obwohl er nicht einmal die Hälfte seiner Kräfte wiederhatte, um sich umbringen zu lassen? „Du bist noch nicht dazu in der Lage.“

„Du musst mir glauben, dass ich selbst weiß, wozu ich in der Lage bin.“

„Du bist ein Narr.“

Er hielt inne und sah mich an.

Jetzt, wo ich seine Aufmerksamkeit hatte, hielt ich mich nicht weiter zurück. „Du denkst, du wärst ein Superheld, aber das bist du nicht. Du bist verwundbar. Du kannst sterben.“

„Ich habe nie das Gegenteil behauptet.“

„Du benimmst dich aber so. Körperlich bist du noch nicht einmal in der Nähe von geheilt. Wenn du jetzt gehst, kommst du in einem Sarg wieder.“

„Glaubst du das wirklich?“ Er richtete sich wieder auf, wobei er seinen Blick nicht von mir ließ. „Oder willst du mich provozieren, in der Hoffnung, dass ich dir beweise, wozu mein Körper in der Lage ist?“

„Mental bist du auch noch nicht bereit. Du hast dir kaum eine Chance eingeräumt, dich von einem Mordanschlag zu erholen. Du bist irrational, emotionsgesteuert …“

„Wenn du das glaubst, dann kennst du mich kein bisschen.“

„Du kennst dich selbst kein bisschen.“ Ich streckte mich zu voller Größe und hielt seinen Blick, der sich verdüsterte. „Du bist ein Mensch und kannst scheitern, Cristiano. Du hast hier Leute, die auf dich angewiesen sind.“

„Glaubst du, ich wüsste das nicht?“ Er biss die Zähne aufeinander und sah weg. „Ich denke unentwegt daran. All die Leben, die ich in Gefahr bringe, wenn ich selbst in Gefahr bin. Das ist der Grund, warum ich gehen muss.“

„Das ist genau der Grund, warum du dich nicht auf die Suche nach Max begeben kannst. In deinem Zustand bist du noch verletzlicher als sonst. Und das bringt alle in deiner Nähe in Gefahr. Sei doch nicht so dumm, Cristiano.“

Er kam einen Schritt näher. „Tapferes kleines Mädchen. Du glaubst also, du kannst mich beleidigen?“

„Du kannst ja versuchen mich einzuschüchtern, damit ich den Mund halte. Aber wenn es dein Leben ist, das auf dem Spiel steht, werde ich nicht schweigen.“

„Warum?“

„Du wärst fast gestorben!“

„Ich war dem Tod schon näher.“

Ich wollte ihn anschreien, damit es in seinen dicken Schädel ging, dass er Max zu Hause hilfreicher war als draußen im Einsatz. Aber das würde uns nicht weiterbringen. Ich holte tief Luft und versuchte es mit Vernunft. Er zuckte zusammen, als ich meine Hand auf seine Wunde an der Brust legte. „Hör mir gut zu, Cristiano. Es ist keine Schwäche, sich auf deine Männer zu verlassen, wenn es sein muss. Kannst du nicht erkennen, dass es dich stärker macht, wenn du weißt, dass du selbst einmal einen Schritt zurücktun kannst und Leute helfen lässt, die besser dazu in der Lage sind, als du gerade?“

Er ballte die Faust. Es schmerzte ihn, dass es einem Feind gelungen war, ihn außer Gefecht zu setzen und ihn davon abzuhalten, für seinen Gefährten alles zu tun, was er konnte. Seine Faust öffnete sich. Er legte sie über meine auf seiner Brust.

„Jede Berührung von dir gibt mir Trost. Heilt mich. Aber während du meine Wunden linderst, passiert Max das genaue Gegenteil. Er ist ein Gefangener, kein Gast.“

Ich schloss die Augen, um das zu verdrängen, aber das Bild wurde im Dunkeln nur noch klarer. Sollte Max noch am Leben sein, gab es keinen Zweifel daran, dass er gefoltert wurde. Ich versuchte, die Vorstellung von ihm, wie er in einem dunklen Raum gefesselt wurde, blutig und geschunden, zu bekämpfen. „Ich verstehe es“, sagte ich. „Ich will auch, dass Max nach Hause kommt. Aber wir brauchen mehr Infos. Vielleicht haben sie ihn als Lockvogel für dich mitgenommen.“

„Man kann einen Toten nicht locken.“

„Vielleicht hast du nicht sterben sollen.“

Nach einem Moment zog er die Brauen zusammen. „Was?“

„Ich hatte viel Zeit, darüber nachzudenken. Du selbst hast mir beigebracht, dass wenn du auf jemanden zielst, es nur mit der Absicht zu töten tun sollst. Also warum haben sie Max mitgenommen? Warum geben sie sich so eine Mühe, dein Zuhause anzugreifen, wenn sie vorhatten dich in diesem Hotel umzubringen?“

Erkenntnis machte sich breit, als Cristiano meinem Gedankengang folgte. „Jede Botschaft wäre sinnlos, wenn ich tot wäre“, sagte er und sein Ausdruck wurde entspannter. „Sie wollten, dass ich lebe. Und du auch.“

„Ich?“ Ich schüttelte den Kopf. „Mein Angreifer hat mich fast erwürgt. Er hat mir fast die Kehle aufgeschlitzt.“

„Ja, fast. Er hatte vielleicht den Befehl, dich lebendig hier rauszuschaffen. Er hatte eine Spritze bei sich.“

„Was?“ Dunkel erinnerte ich mich an den Mann, der etwas in der Hand hielt, was ich für ein Messer gehalten hatte. „Eine Betäubungsspritze?“

„Du wärst ihr erstes Ziel gewesen. Warum haben sie dich nicht sofort erschossen?“ Er schluckte. „Meine größte Angst, als ich im Sterben lag war, dass sie dich entführen, Natalia.“

Ich unterdrückte ein Erschaudern. Diese neuen Erkenntnisse veränderten diese Nacht komplett. Hier stand mehr auf dem Spiel, als mein Leben. Ich hätte an Max’ Stelle sein können. In den Händen des feindlichen Kartells, das ein Hühnchen mit Cristiano zu rupfen hatten.

Ich wollte Max befreien. So sehr. Aber Cristianos Leben bedeutet mir mehr. Also sprach ich mit ihm in einer Weise, von der ich wusste, dass sie zu ihm durchdrang. „Nimmst du mich mit, wenn du Max befreist?“

Seine Mundwinkel zogen sich nach unten. „Warum sollte ich das?“

„Weil du mich schutzlos in den Badlands zurücklässt, wenn du wieder gehst. Wenn sie mich wollen, werden sie es noch mal versuchen.“ Er sah gepeinigt aus, aber das beirrte mich nicht. Ich musste ihm klarmachen, was er verlor, wenn er unbesonnen handelte. „Vielleicht warten sie nur darauf, dass du kopfüber in ihre Falle rennst“, sagte ich. „Und wenn sie dich haben, dann haben sie mich ebenfalls.“

Er legte meine Hand an seine Brust. „Ich … ich kann ihn dort nicht hängen und verrotten lassen, Natalia. Und wenn ich ihm nicht helfe, dann lasse ich ihn im Stich.“

Ich schlang meine Arme um seinen Nacken. Unsere nackten Körper schmiegten sich aneinander. „Es gibt eine Zeit für alles. Eine Zeit zu töten und eine Zeit zu heilen. Du hast diese Entscheidungen nicht allein getroffen. Max wusste, worauf er sich einlässt. Er kann damit umgehen. Er würde nie von dir verlangen, dass du ihn rettest und dabei alle anderen in Gefahr bringst. Er ist stark.“

Er erschauderte. „Was soll ich bloß machen?“

Ich hatte einen der skrupellosesten Unterweltbosse in meinen Armen, der mich um Hilfe bat. Es war nicht das erste Mal. Mein letzter Ratschlag im Schlafzimmer seines Nachtclubs war falsch gewesen. Wenn ich ihm nicht gesagt hätte, zu gehen, vielleicht wäre er geblieben und keiner von uns hätte eine Begegnung mit dem Tod gehabt.

Andererseits wären wir dann nicht an diesem Punkt angekommen. Er war zu mir zurückgekehrt. Nicht nur körperlich, auch emotional. Er war zurückgekommen, um mich um Hilfe zu bitten.

Im möglichen Fall seines Todes, war mir klar gewesen, dass ich an seiner Stelle hätte antreten müssen. Warum sollte sich das jetzt geändert haben? Mehr denn je konnte ich die Frau sein, die er glaubte in mir zu sehen. Die Königin, die er sich zu seiner Braut gewählt hatte.

Ich rieb meine Wange an seinem stoppeligen Kinn, während er mit seinen nackten einsfünfundneunzig so mächtig da stand. Von dem Gegensatz seiner Männlichkeit und seiner Verletzlichkeit ermutigt, zog ich mich etwas zurück und sagte: „Du arbeitest einen Plan aus. Du wählst ein Team aus. Du überstürzt nichts. Max ist ein zäher Kerl und stur. Er wird durchhalten, bis deine Männer zu ihm vorstoßen können.“

Cristiano legte die Stirn an meine. „Wir“, sagte er, „wir werden einen Plan ausarbeiten. Wir werden ein Team auswählen. Wir werden ihn befreien.“

Jetzt war ich dabei. Das war ich schon eine ganze Weile. Mit ein paar Worten hatte Cristiano mir klargemacht, dass ich nicht mehr länger gegen meinen Willen hier lebte. Ich hatte es akzeptiert. Hatte Cristiano an mich herangelassen. Hatte eine Rolle übernommen, die er mir unentwegt hinschob. In diesem Elfenbeinturm stand ich nun an seiner Seite.

Wir waren der König und die Königin der Calavera.

Violent Triumphs - König und Königin

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