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2 Die Mutter gibt einen guten Rat

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Eines Tages ging ich zu meiner Mutter und sprach eingehend über die Sache mit ihr. Als sie alles gehört hatte, sagte sie mir unter anderem:

„Ich kann dein Verlangen gut verstehen, Nonni. Du hast so viel Schönes über die grosse Welt draussen gelesen. Es ist ganz natürlich, dass du das alles auch sehen möchtest.“

„Aber, Mutter“, fragte ich sie, „gibt es denn kein Mittel, um diese grosse Reise in die weite Welt hinaus zu machen?“

Auf diese Frage gab sie mir eine Antwort, die einen tiefen Eindruck auf mich machte.

„Wenn ein Mensch“, sagte sie, „einen heftigen Wunsch hat, gerade wie du jetzt, und wenn das, wonach er sich sehnt, nicht etwas Böses, Schädliches oder Törichtes, sondern etwas Gutes oder wenigstens etwas Vernünftiges ist, so kann er es immer erlangen. Es gibt ein unfehlbares Mittel dazu.“

Man wird verstehen, wie aufmerksam ich bei diesen Worten wurde. In grösster Spannung bat ich meine Mutter, mir dieses Mittel mitzuteilen. Sie erwiderte:

„Das will ich gern tun, Nonni. Es ist etwas sehr Einfaches und Leichtes. Wenn das, was man sich wünscht, so ist, wie ich vorher sagte, dann braucht man nur sich an Gott zu wenden und ihn darum zu bitten. Gott ist allmächtig. Er kann uns alles geben. Er ist auch unendlich gut und will uns nur Gutes tun. Er hat uns sogar ausdrücklich versprochen, uns alles geben zu wollen, um was wir ihn bitten würden.“

Hier machte meine Mutter eine kleine Pause und warf mir einen mütterlich lieben, aber auch ernsten Blick zu. Dann fuhr sie fort:

„Wenn du also, mein kleiner Nonni, ein so grosses Verlangen darnach hast, in die weite Welt hinauszufahren, dann brauchst du nur den lieben Gott darum zu bitten. Er wird deine Bitte ganz sicher erhören.“

Mit aufgerissenen Augen schaute ich meine Mutter an, wusste aber vor lauter Erstaunen nicht, was ich sagen sollte. Denn, was sie mir da mitgeteilt hatte, war so wundervoll, dass ich es kaum glauben konnte. Ich fürchtete, ich habe sie vielleicht nicht richtig verstanden.

Sie schien meine Gedanken zu erraten und erzählte weiter:

„Was ich dir eben gesagt habe, Nonni, ist wahr. Du kannst dich ruhig darauf verlassen. Ich will es dir aber etwas näher erklären.

Wie ich dir sagte, gibt Gott uns alles, um was wir ihn bitten, vorausgesetzt, dass es etwas Gutes und Vernünftiges ist. Aber merke dir wohl: Gott hat eine merkwürdige Eigentümlichkeit: er lässt die Menschen auf die Erhörung oft lange warten, zuweilen sogar sehr lange.

Wenn wir also etwas von Gott erreichen wollen, da kommt es für uns vor allem darauf an, dass wir Geduld haben, und dass wir mit unserer Bitte so lange fortfahren, bis Gott sie uns gewährt, auch wenn wir lange warten müssen. Unser Gebet muss anhaltend sein. Das beste ist, dass wir unser Gebet jeden Tag wiederholen und damit fortfahren, bis wir erhört werden. Lange Gebete braucht man nicht herzusagen. Ein kurzes Gebet, das man täglich wiederholt, wird immer erhört. Und wenn Gott uns lange auf die Erhörung warten lässt, so ist das kein schlechtes Zeichen. Es ist im Gegenteil ein Zeichen, dass Gott uns etwas besonders Grosses und Schönes geben will.“

Ich lauschte diesen Worten meiner lieben Mutter wie einer himmlischen Offenbarung. Und voll Begeisterung sagte ich mir: „Jetzt weiss ich endlich, wie ich in die weite Welt hinauskommen kann!“ Sofort war auch mein Entschluss gefasst: Ich werde Gott jeden Tag darum bitten und damit fortfahren, bis er mich erhört.

Um diese tägliche Bitte nicht zu vergessen, nahm ich mir vor, sie Gott jeden Abend in meinem Bette vor dem Einschlafen vorzutragen.

An diesem ersten Abend fing ich auch schon an. Meine Bitte war kurz und einfach. Keine bestimmte Formel, sondern nur eben die Worte, die mir jedesmal gerade einfielen.

Gewöhnlich lautete meine Bitte so: „Lieber Gott, ich bitte dich, hilf mir doch, in die weite Welt hinauszukommen! Ich habe so ein Verlangen danach.“

Und jedesmal schlief ich dann freudig ein mit der Überzeugung, mein Gebet sei zum Ohre des lieben Gottes gedrungen, und er sinne schon auf Mittel und Wege, um mich über das grosse Meer in die märchenhafte Wunderwelt draussen zu führen.

So tat ich jeden Abend.

Und es vergingen Tage und Wochen, ja es vergingen Monate, und — nichts geschah.

Ich verlor aber deshalb den Mut nicht, sondern betete unentwegt jeden Abend weiter. Endlich war ein ganzes Jahr verflossen. Und während dieser langen Zeit auch nicht das geringste Zeichen von Erhörung zu entdecken!

Es war hart. Aber ich dachte bei mir selbst: „Meine Mutter hat es ja vorausgesagt. Und wahrhaftig, sie hat recht: Gott lässt lange warten.“ — Keinen Augenblick aber kam es mir in den Sinn, an der schliesslichen Erhörung zu zweifeln.

Ich fuhr also fort und betete jeden Abend frisch und fröhlich und mit festem Vertrauen das kurze Gebetlein weiter. Und es vergingen noch weitere Monate, und — auch nicht das Geringste geschah. Nun war sogar das zweite Jahr zu Ende!

Wieder sagte ich mir: „Meine Mutter hat recht: Gott lässt lange warten!“ Und dann fügte ich hinzu: „Das ist aber ein gutes Zeichen: Gott bereitet sicher etwas ganz besonders Schönes für mich vor.“

Und ich fuhr treulich fort — im dritten Jahre — Gott meine Bitte jeden Abend vorzutragen. So vergingen noch einige Monate im dritten Jahre.

Und dann....

Ja, was jetzt kommt, ist etwas so Erstaunliches, dass ich es kaum erzählen kann: die Erhörung kam — auf einmal, plötzlich, wie ein Blitz aus heiterem Himmel! Und was für eine Erhörung! Sie war so herrlich, so wunderbar, dass sie alle meine Erwartungen weit übertraf ...!

Ich will aber doch versuchen, dieses Ereignis — wohl eines der grössten in meinem ganzen Leben — kurz zu erzählen.

Wie Nonni das Glück fand

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