Читать книгу Die Magie der Sucht - Joachim Bräunig - Страница 6
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ОглавлениеIn der Anwaltskanzlei „Sorge und Partner“ herrschte an diesem sonnigen Freitagnachmittag unter den Mitarbeitern gute Stimmung und alle freuten sich auf das bevorstehende Wochenende. Die Meteorologen sagten viel Sonnenschein und trockenes Wetter vorher. Zu den Mitarbeitern der Kanzlei gehörten der Inhaber Ulf Sorge sowie zwei weitere Anwälte und zwei Sekretärinnen. Ulf Sorge war der alleinige Besitzer der Kanzlei, nachdem sein ehemaliger Freund und Miteigentümer der Kanzlei vor drei Jahren verstorben war. Er hatte dennoch den Namen der Kanzlei „Sorge und Partner“ in Ehren seines Freundes beibehalten und zudem wollte er diesen im Interesse seiner Kunden nicht ändern.
Die beiden Freunde hatten das Büro mit viel Mühe und großem Aufwand aufgebaut, was nicht einfach und außerdem mit einem hohen finanziellen Risiko verbunden war. Sie mussten in den ersten Jahren des Bestehens der Kanzlei Kredite in nicht unerheblichem Umfang aufnehmen, aber auf Grund ihrer guten Arbeit konnten sie diese ziemlich kurzfristig zurückzahlen. Das Unternehmen besaß in der Umgebung bald einen guten Ruf, sodass sie in den folgenden Jahren zusätzlich weitere Anwälte und Sekretärinnen einstellen mussten. Die derzeitigen Mitarbeiter der Kanzlei arbeiteten seit nunmehr fünf Jahren zusammen und hatten ein gutes Arbeitsverhältnis. Gelegentlich trafen sie sich außerhalb der Arbeitszeit zu gemeinsamen Stunden, was jedoch durch die unterschiedlichen Arbeitszeiten im Rahmen der Betreuung ihrer Klienten nur schwer möglich war und deshalb nicht häufig vorkam.
Ulf Sorge ging aufs Rentenalter zu und er beschäftigte sich seit geraumer Zeit mit dem Gedanken, die Kanzlei einem Nachfolger zu übergeben, wobei er beabsichtigte, einen seiner beiden bei ihm beschäftigten Anwälte das Unternehmen zu übertragen. Die beiden Anwälte waren Kai Schulten und Christoph Scholz.
Kai Schulten hatte sich auf Vermögensrecht spezialisiert, wozu auch Fragen des Kaufes beziehungsweise des Verkaufes von Immobilien gehörte. Auf diesem Gebiet war im Wesentlichen auch Ulf Sorge tätig und dieses Fachgebiet war der Grundpfeiler der Anwaltskanzlei von Beginn an gewesen. Christoph Scholz bearbeitete das Gebiet des Familienrechtes und war sehr erfolgreich und besonders bei den Frauen beliebt, da er in den vergangenen Jahren bereits mehrere Scheidungsklagen betrogener Ehefrauen zu deren Gunsten gewonnen hatte, was sich in der Umgebung sehr schnell herumgesprochen hatte.
Mit beiden Mitarbeitern war Ulf Sorge sehr zufrieden und er wünschte sich von Herzen, dass einer der beiden zur Übernahme seiner Kanzlei bereit war, wobei er persönlich Kai Schulten leicht bevorzugte. Er wäre allerdings auch nicht abgeneigt, beiden in Partnerschaft, wie er es mit seinem Freund bei der Gründung getan hatte, das Geschäft zu übertragen. In den letzten Wochen hatte er mit jedem einzeln erste Gespräche geführt, ohne jedoch konkret zu werden. Er hatte noch keinen endgültigen Entschluss gefasst, sondern wollte sich noch etwas Zeit lassen und die Übergabe in Ruhe vorbereiten.
Eine Bedingung für die Übergabe sollte die weitere Beschäftigung der beiden Sekretärinnen sein, ohne die sich Ulf Sorge das Fortbestehen der Kanzlei nicht vorstellen konnte. Beide Frauen hatten sich bestens eingearbeitet und konnten sehr gut mit den Klienten umgehen. Oft mussten sie diese vertrösten oder anderweitig besänftigen, da keiner der Anwälte verfügbar war oder keine kurzfristigen Termine vergeben werden konnten.
Die beiden Sekretärinnen waren Mitte vierzig, hatten erwachsene Kinder und die Familienplanung war abgeschlossen, sodass sie weiterhin voll zur Verfügung standen.
Rita Schmoll war die Chefsekretärin und die rechte Hand von Ulf Sorge. Er hatte grenzenloses Vertrauen in sie und wusste zugleich, dass sie jederzeit für sein Unternehmen zur Verfügung steht und bei Arbeitsende nicht auf die Uhr schaut. Häufig fielen Überstunden an, ohne, dass sie nach einer zusätzlichen Vergütung fragte. Sie war eine äußerst charmante Frau mit großem Selbstvertrauen. Ihre attraktive Erscheinung setzte sie immer vorteilhaft ein und sie war stets dem neuesten Trend entsprechend gekleidet. Rita Schmoll war seit Bestehen des Büros angestellt und hatte ihre Kollegin Bea Lutz in die Belange der anfallenden Tätigkeiten eingearbeitet. Sie war glücklich geschieden und ihr Exehemann war im Rathaus von Waren/Müritz beschäftigt und zugleich als Stadtrat tätig. Beide hatten zwei Kinder, die jedoch bereits ihre eigenen Wege gingen und aus dem elterlichen Haus ausgezogen waren. Sie trug ihr langes blondes Haar immer offen und band es gelegentlich, wenn keine Kundengespräche anstanden, zu einem Pferdeschwanz zusammen.
Bea Lutz war als zweite Sekretärin im Büro angestellt und erledigte den Großteil der anfallenden schriftlichen Arbeiten und war für die ordnungsgemäße Archivierung aller Vorgänge verantwortlich. Sie konnte bezüglich der Schönheit von Rita Schmoll nicht mithalten und ging auch nicht so modebewusst gekleidet. Mit ihrer etwas schüchternen und zurückhaltenden Art besaß sie dennoch einen gewissen Charme und war bei den Klienten gleichfalls beliebt, wobei sie an den Gesprächen mit ihnen nicht beteiligt war, dies war ausschließlich das Aufgabengebiet von Rita Schmoll. Sie trug, im Gegensatz zu Rita Schmoll, ihr Haar stets streng nach hinten gekämmt, was ihr eine gewisse Härte verlieh.
Die Räume der Anwaltsbüros lagen direkt an der Unterwallstraße, welche eine Verlängerung der Strandstraße war. Der Weg zum Stadthafen betrug lediglich fünf Minuten. Der Stadthafen, an dem zu guten Zeiten und bei schönem Wetter bis zu circa 50 Boote anlegen konnten, war mit zahlreichen Bistros und Cafés gesäumt. Die Gaststätten hatten alle Terrassen mit mehreren Plätzen zum Aufenthalt im Freien eingerichtet, die stets sehr gut besucht waren. Vom Stadthafen waren es gleichfalls nur wenige Minuten bis ins Zentrum von Waren, dessen Mittelpunkt ein großer Marktplatz bildet. Der Weg zum Markt vom Stadthafen aus wurde von zahlreichen Läden und Boutiquen gesäumt, die verschiedenste Waren zum Kauf anboten. Auf dem Marktplatz selbst befanden sich wiederum mehrere Läden, Gaststätten, Eisbars und Cafés. Zudem boten in den Sommermonaten viele Einzelhändler ihre Waren oder saisonale Früchte in extra aufgestellten Ständen an.
Die Stadt war ein großer Touristenmagnet und lockte jährlich zahlreiche Urlauber und andere Feriengäste an. In der Nähe des Marktes befanden sich das Stadtgeschichtliche Museum sowie mehrere Hotels und Pensionen, welche stets gut ausgebucht waren und bei denen meistens eine längerfristige Vorbestellung von Nöten war. Vom Marktplatz führten beidseitig Fußgängerzonen in die immer sehr belebten Außenbereiche des Zentrums. Die Einwohner waren sehr freundlich und gaben den Touristen, welche nach gewissen Orten fragten, bereitwillig Auskunft.
Die Büroräume der Kanzlei „Sorge und Partner“ waren vor drei Jahren großzügig umgebaut worden und besaßen insgesamt fünf Räume. In dem etwas größeren hatte Ulf Sorge sein Büro, des Weiteren hatten die beiden Anwälte Kai Schulten und Christoph Scholz je ein kleineres Büro von ungefähr zwanzig Quadratmetern. Die beiden Sekretärinnen teilten sich gemeinsam ein Büro, welches gleichzeitig als Vorraum zu den Büros der Anwälte und Ulf Sorge bildete, wobei der Eigentümer des Unternehmens außerdem einen getrennten Zugang zu seinem Büro hatte. Außerdem verfügte die Kanzlei über einen separaten Konferenzraum, der zumeist bei gleichzeitigen Gesprächen mit den jeweiligen Klageparteien genutzt wurde. Die Räume verfügten über modernste Informationstechnik, sodass bei Erfordernis ein sofortiger Zugriff zu notwendigen Daten oder Vergleichen möglich wurde. Alle Vorgänge wurden computerunterstützt erfasst und registriert, was die Arbeit der Sekretärinnen wesentlich erleichterte und zugleich einen geringeren Aufwand bei der Archivierung bedeutete. Die Räume waren mit neuen großzügig gestalteten Fenstern ausgestattet worden, was einen bedeutend größeren Lichteinfall wie vor dem Umbau zur Folge hatte. Gleichzeitig war das gesamte Mobiliar erneuert worden, welches jetzt in hellen Farben gestaltet ist. Die Räume wirkten sehr freundlich, wozu auch die weichen Sitzgelegenheiten einen wesentlichen Beitrag leisteten. Sie befanden sich im ersten Obergeschoß eines ebenfalls vor drei Jahren gründlich sanierten Hauses, welches auch von außen einen einladenden Eindruck erweckte. Ulf Sorge und sein damaliger Partner hatten sich zu Beginn ihrer gemeinsamen Tätigkeit ein Haus in Ufernähe mit Blick zum Hafen gewünscht, jedoch war das zum damaligen Zeitpunkt für beide aus finanziellen Gründen nicht möglich. Sie hatten sich im Laufe der Jahre mit den Räumen arrangiert und wollten nicht nochmal umziehen und durch die gesamte Sanierung des Gebäudes kamen die Anwälte ihren ursprünglichen Wünschen, außer dem Uferblick, sehr nahe.
„Frau Schmoll, habe ich heute noch wichtige Termine?“, fragte Ulf Sorge seine Sekretärin.
„Nein, sie haben erst am Montag früh den nächsten Termin“, antwortete Rita Schmoll.
„Dann gibt es auch morgen keinen Termin?“
„Nein, Herr Sorge.“
„Gut, dann kann ich mich wiedermal auf ein langes Wochenende freuen.“
„Das haben sie sich verdient.“
„Ja, das war eine anstrengende Woche“, erwiderte Ulf Sorge.
„Bei diesem schönen Wetter können sie einen Ausflug unternehmen“, schlug Frau Schmoll vor.
„Nein, ich werde mich ausruhen und völlig entspannen. Ich werde mich in meinem Garten auf die Liege legen und auf den Anruf meiner Tochter warten.“
„Wie geht es ihr?“, erkundigte sich Frau Schmoll.
„Sie haben sich sehr gut eingelebt. Das Juweliergeschäft ihres Mannes läuft sehr gut und Martina hat sich in dem Hotel als Managerin gut eingearbeitet“, erwiderte Ulf Sorge.
„Das freut mich für sie. Wie lange ist ihre Tochter bereits in Australien?“, fragte die Sekretärin.
„Knapp ein Jahr. Ich freue mich für sie, auch wenn ich sie vermisse.“
„Das geht mir mit meinen Kindern ebenso, aber das ist der Lauf der Dinge, das die Kinder größer werden und ihre eigenen Wege gehen.“
„Wir haben es ebenso gemacht und sind zu Hause ausgezogen, um auf eigenen Beinen zu stehen, aber wenn es die eigenen Kindern sind, versteht man erst, warum die Eltern damals so traurig waren“, philosophierte Ulf Sorge.
„Sie haben recht, aber die Telefonate werden sicher sehr teuer“, mutmaßte Frau Schmoll.
„Sicher, aber für meine Tochter ist mir nichts zu teuer“, gab ihr Vorgesetzter zurück.
„Wie geht es ihrer Frau?“, erkundigte sich Rita Schmoll.
„Ich glaube, es geht ihr nicht besonders gut und ich bin fast überzeugt, dass sie die Betreuung ihrer Eltern zu Hause nicht mehr lange aufrechterhalten kann. Der Aufwand ist größer wie erwartet, trotz der Hilfe eines Pflegedienstes. Ich hoffe, sie verlangt nicht zu viel von sich selbst.“
Ulf Sorge hatte sich mit seiner Frau geeinigt, dass sie zur Betreuung ihrer bettlägerigen Mutter und des gleichfalls gesundheitlich angeschlagenen Vaters nach Berlin in ihr Elternhaus zieht. Seine Frau wollte ihre Eltern nicht in ein Pflegeheim geben, aber nach dem gestrigen Telefonat schien seine Frau bald am Ende ihrer Kräfte zu sein und sie überlegte nun ernsthaft, dies doch zu tun.
In diesem Augenblick traten gleichzeitig die beiden Anwälte Kai Schulten und Christoph Scholz aus ihren Büroräumen und wollten sich ins Wochenende verabschieden. Beide lächelten ihrem Chef und den Sekretärinnen zu und Kai Schulten sagte: „Ich möchte ihnen ein schönes und erholsames Wochenende wünschen. Ich denke, wir haben uns das nach dieser Woche redlich verdient.“
Rita Schmoll lächelte Kai Schulten zu und schaltete dabei ihren Computer aus, was den Anwalt zu einer Bemerkung veranlasste.
„Sie wollen doch nicht etwa auch bereits nach Hause gehen?“
„Ich habe mir den Feierabend ebenso verdient wie sie“, antwortete die Sekretärin.
„Davon bin ich überzeugt, aber ich wundere mich darüber, weil sie ansonsten immer die Letzte sind und erst nach uns die Kanzlei verlassen.“
„Wir bekommen am Wochenende Besuch und da gibt es für die Frauen stets viel zu tun.“
„Ja, das weiß ich von uns zu Hause. Meine Frau regelt diese Arbeiten auch immer allein.“
„Es ist vielleicht auch besser. Männer haben für diese Vorbereitungen kein Händchen.“
Diese Wortgefechte zwischen Kai Schulten und Rita Schmoll kamen nicht selten vor und es war unverkennbar, dass die Sekretärin für den Anwalt eine leichte Schwäche hatte. Der lockere Umgangston von Kai Schulten sowohl mit ihr als auch mit seinen Klienten gefiel ihr, obwohl sie bei der Erledigung der anstehenden Aufgaben ihn gegenüber Christoph Scholz nicht bevorteilte. Bea Lutz hatte ebenfalls ihren Schreibtisch aufgeräumt und verabschiedete sich von ihren Kollegen und dem Chef. Die Stimmung der Mitarbeiter der Kanzlei war bestens und alle freuten sich auf das bevorstehende Wochenende. Sie verließen gemeinsam die Geschäftsräume und traten hinaus in die strahlende Sonne, die zu dieser Nachmittagszeit voll in ihrem Zenit stand. Sie gingen zu ihren Fahrzeugen, die auf dem Parkplatz in der Nähe des Stadthafens standen. Nachdem sie sich alle nochmals förmlich verabschiedet hatten, stiegen sie in ihre Fahrzeuge.
Ulf Sorge fuhr mit seinem BMW in Richtung seiner Wohnung in Röbel, das ungefähr fünfzehn Kilometer von Waren entfernt gelegen ist. Er wollte noch verschiedene Kleinigkeiten für das Wochenende einzukaufen, entschied sich aber, erst zu Hause vorbeizufahren und zu kontrollieren, was er wirklich benötigte. Er überlegte, eventuell seinen Freund, den Immobilienmakler Detlef Schmidt, zum Abendbrot einzuladen, aber verwarf diesen Gedanken wieder. Detlef Schmidt war seit der Studienzeit mit Ulf Sorge befreundet und hatte sich nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten als Immobilienmakler selbstständig gemacht. Die beiden Familien waren befreundet, wobei diese Freundschaft sich in engen Grenzen hielt, da die beiden Ehefrauen keinen direkten Draht zueinander fanden, was Ulf und Detlef sehr bedauerten. Detlef Schmidt wohnte seit dem plötzlichen Tod seiner Frau allein, da der Sohn bereits vor einigen Jahren an die Ostsee gezogen war und nur noch loser Kontakt bestand. Detlef Schmidt wohnte in Vipperow, was ungefähr zehn Kilometer von Röbel entfernt liegt. Sein Maklergeschäft lief sehr gut, aber er wollte niemals einen Partner einstellen, sondern seine Geschäfte allein durchführen. Die Ausübung seiner Tätigkeit bedingte, dass er mit vielen verschiedenen Menschen, auch unterschiedlicher Berufszweige, zusammenarbeiten musste, was oft zu Schwierigkeiten führte. Detlef Schmidt war ein sehr selbstbewusster und kritischer Mann, der keine Zweifel an der Richtigkeit seiner Festlegungen zuließ. Dieser Charakterzug brachte ihm nicht nur Freunde, sondern im Gegenteil eine Reihe von Feinden und Widersacher ein. Er war jedoch als ein sehr gut und gerecht kalkulierender Makler bekannt, der die Käufer auch auf mögliche Folgekosten des Neuerwerbes eines Grundstückes aufmerksam machte. Diese sachlichen Einschätzungen hatten ihm, trotz seiner teilweisen spröden Umgangsformen, einen guten Ruf eingebracht.
Ulf Sorge entschloss sich jedoch den Feierabend allein zu genießen und es sich bei einer schönen Flasche Rotwein und klassischer Musik gemütlich machen. Er fuhr am Hafen von Röbel vorbei in Richtung ihres Grundstückes, welches sich an der Ringstraße befand, die eine Nebenstraße der Straße des Friedens war, die sich durch den Ort schlängelte. Für die Fernfahrer gab es eine Umgehungsstraße vorbei an Röbel. Röbel war eine wunderschöne Kleinstadt direkt an der Müritz gelegen. Das Grundstück der Familie Sorge befand sich am Ende der Straße mit einem großen Gartengelände, was Frau Sorge akribisch pflegte. Sie hatten damals beim Kauf bewusst das letzte Grundstück der Straße ausgewählt, damit sie möglichst ungestört und von Zaungästen unbeobachtet ihre Freizeit verbringen konnten. Ulf Sorge fuhr auf das Grundstück und öffnete mittels Fernbedienung die Garage. Er verschloss das Fahrzeug und ging zur Eingangstür ihres Hauses, wobei er mit großem Wohlwollen feststellte, dass die Nachbarn nicht zu Hause waren. Das Grundstück des Nachbarn lag zwar einige Meter von ihrem entfernt, aber die Frau des Nachbarn war arbeitslos und suchte stets nach Kontakt zu ihnen, was der Familie Sorge eigentlich ungelegen kam, wobei die Nachbarin nicht unfreundlich war und auch gern zu gelegentlichen Hilfeleistungen bereit war. Er betrat den Flur des Hauses und schaute zuerst in die Küche und im Kühlschrank nach möglichem Abendbrot nach. Er bereitete sich abends gern eine warme Mahlzeit zu, möglichst ohne viel Aufwand. Er entdeckte in Folie verpackte Schnitzel und Bratkartoffeln und entschloss sich, daraus seine Abendmahlzeit zuzubereiten. Er schaute auf die Uhr und stellte fest, dass es zu einem Abendbrot eigentlich noch zu früh war und entschloss sich daher, einen starken Kaffee zuzubereiten und etwas Kuchen zu essen. Kuchen war im Hause der Familie Sorge immer vorhanden, da beide große Kuchen- und Tortenfans waren. Nachdem der Kaffee fertig war, nahm sich Ulf Sorge ein Stück Kuchen und ging mit Kuchen und Kaffee in die Stube und setzte sich in den Sessel, der in passender Höhe zum Tisch gekauft worden war.
Er trank einen Schluck Kaffee, griff zum Kuchen und lehnte sich im Sessel zurück, als ihm blitzschnell und sehr plötzlich von hinten ein Stahlseil um den Hals gelegt und mit brutaler Gewalt zugezogen wurde. Ulf Sorge war auf Grund des überraschenden Angriffes nicht in der Lage, die Hand zwischen Stahlseil und seinen Hals zu bringen, sodass er nicht die geringste Chance hatte, sich gegen diesen brutalen Überfall zur Wehr zu setzen. Sein Kampf gegen seinen gewaltsamen Tod währte nur wenige Sekunden, denn der Täter zog die Schlinge um seinen Hals mit aller Gewalt zusammen. Nach wenigen Sekunden hatte er Ulf Sorge getötet und der Anwalt saß mit hängenden Armen in seinem Sessel. Der Täter schaute mit einem spöttischen Lächeln auf sein Opfer herab.
Der Täter war durch das Badezimmerfenster, welches Richtung Garten zeigte und damit den Blicken von Passanten oder Nachbarn verborgen blieb, eingestiegen. Er hatte bereits am Tag zuvor mittels eines Diamantschneiders ein Loch in Höhe des Fenstergriffes eingebracht, sodass er völlig unbemerkt nach dem Eintreffen von Ulf Sorge in das Haus einsteigen konnte. Er hatte einige Zeit gewartet und den Anwalt von außen beobachtet, denn er wollte vollkommen sicher sein, dass sein mörderischer Plan gelingt. Zugleich hatte er das Umfeld des Grundstückes beobachtet und war sicher, dass niemand in der Nähe war. Als sich Ulf Sorge seinen Kaffee zubereitete, sah er seine Chance zur Vollstreckung seiner abscheulichen Tat gekommen. Er beobachtete, wie sich der Anwalt in seinen Sessel setzte, stieg durch das geöffnete Badezimmerfenster ein und bewegte sich lautlos durch den Flur Richtung Wohnstube, um seine grässliche Tat zu vollbringen. Nachdem er Ulf Sorge getötet hatte, ging er in die Küche und schaltete die Kaffeemaschine aus, die der Anwalt zum weiteren Aufwärmen des Kaffees angelassen hatte. Er hatte für die Tat Gummihandschuhe benutzt und sich über die Schuhe Füßlinge gezogen, die er auch weiterhin anließ. Der Täter schaute sich in der Wohnstube und in anderen Räumen um und suchte anscheinend bestimmte Unterlagen, denn er durchwühlte den Schreibtisch und die Regale des Anwaltes, in denen unzählige Bücher und Unterlagen von verschiedensten Prozessen aufbewahrt waren. Er nahm verschiedene Unterlagen an sich und versteckte sie unter seinem Pullover. Nachdem er offensichtlich mit seiner Suche am Ende war, ging er nochmals in die Wohnstube zu seinem Opfer und beugte sich über ihn, wobei er eine verächtliche Miene zog. Er schaute sich nach möglichen Spuren, welche er hinterlassen haben könnte, um und war anscheinend zufrieden. Er hatte versucht, nach der Durchsuchung des Schreibtisches und der anderen Möbel alles wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. Der Täter ging ins Badezimmer und verließ das Haus, nachdem er den kreisrunden Ausschnitt des Fensterglases wieder mit transparentem Klebeband am Glas befestigt hatte, sodass auf den ersten Blick der Einbruch nicht sichtbar war. Er schritt in Richtung Straße des Friedens und bemühte sich keine Aufmerksamkeit zu erregen. Der Täter hatte sich unauffällig wie ein Tourist, der seinen Sommerurlaub genoss, gekleidet, was bedeutete, dass er sehr leger gekleidet war. Zudem hatten die Touristen, die sich zum Großteil in Röbel aufhielten, damit zu tun, sich den Schweiß aus der Stirn zu wischen oder sich anderweitig Frischluft zu verschaffen.
Er bewegte sich an der direkt an der Hauptstraße gelegenen Kirche St. Nicolai vorbei Richtung Hafen und hatte großes Glück, im Restaurant „Müritzterrasse“ noch einen freien Tisch zu bekommen, denn er hatte kein Verlangen, sich mit anderen Gästen zu unterhalten. Er bestellte ein Kännchen Kaffee und ein Stück Sahnetorte und brannte sich eine Zigarette an. Nachdem der Kellner den Kaffee und die Torte brachte, überkam ihn die Angst, möglicherweise gesehen und später von einer anwesenden Person wiedererkannt zu werden und er bezahlte schnell die Zeche und ging. Er verließ das direkte Ufergelände und setzte sich auf eine Bank am Parkplatz gegenüber. Er grübelte über seine Tat nach und war sich sicher, dass alles nach seinen Vorstellungen abgelaufen war. Die Füßlinge und die Handschuhe knotete er zusammen und wollte sie bei einer passenden Gelegenheit mit einem Stein verbunden in die Müritz werfen, sodass diese für immer verschwinden. Er wusste, dass sein gesamtes Vorhaben noch nicht zu Ende war, aber er war fest entschlossen, seinen Plan bis zu Ende durchzuführen.