Читать книгу Die Nadel des Todes - Joachim Bräunig - Страница 10

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Die Streifenpolizisten trafen nach wenigen Minuten am Ort ein und der Platzwart Nils Hansen, den die Streifenpolizisten gut kannten, erläuterte ihnen die vorgefundene Situation.

„Wer hat den leblosen Mann gefunden?“, fragte ein Streifenpolizist.

„Meine Frau“, erwiderte Heinz Schlosser.

„Wie ist ihr Name?“

„Heinz Schlosser und meine Frau heißt Ulrike.“

„Was wollte ihre Frau um diese Zeit in dem Duschraum?“

„Bestimmt nicht angeln“, antwortete er kurz angebunden und verwundert über diese nicht sehr intelligente Frage des Polizisten.

„Antworten sie bitte auf meine Frage.“

„Sie hatte einen Strandlauf gemacht und wollte duschen.“

„Wann hat ihre Frau den Mann gefunden?“

„Meine Frau kam gegen 22 Uhr vom Strandlauf zurück und ist sofort zum Duschen gegangen, wovon sie nach wenigen Minuten mit der Hiobsbotschaft des gefundenen toten Mannes zurückkam. Sie können demnach davon ausgehen, dass der Mann gegen 22 Uhr gefunden wurde.“

„Sind andere Personen am Fundort gesichtet worden?“

„Wir haben niemand gesehen.“

„Hat ihre Frau andere Personen gesehen?“

„Danach habe ich sie noch nicht gefragt“, sagte Heinz Schlosser.

„An dem Mann sind keinerlei äußere Verletzungen festzustellen. Ich gehe von einen normalen Todesfall, wahrscheinlich Herzversagen, aus“, stellte der Polizist fest und schaute die anwesenden Personen mit entschlossenem Blick an und wollte die Angelegenheit damit abschließen.

„Sind sie von ihrer These überzeugt?“, fragte nun Hauptkommissar Klaus Ullmann.

„Zweifeln sie an meiner Feststellung?“

„Ja.“

„Darf ich fragen, wieso?“

„Schauen sie sich den Mann genauer an. Er hat blau angelaufene Lippen und der Mundbereich riecht eigenartig. Ich glaube nicht, dass der Mann eines natürlichen Todes gestorben ist“, sprach Ullmann mit entschlossener Stimme und schaute dem Polizist fest in die Augen.

„Wer sind sie?“

„Klaus Ullmann.“

„Die Männer sind Kommissare und ermitteln in Mordprozessen“, schaltete sich nun Nils Hansen in das Gespräch ein.

„Kennst du die Männer?“, wurde Hansen gefragt.

„Ja.“

„Woher?“

„Sie sind Gäste auf unserem Campinggelände.“

„Können sie sich ausweisen?“, fragte nun der andere Streifenpolizist, der sich bis zu diesem Augenblick ruhig verhalten hatte.

„Selbstverständlich, aber wir haben unsere Ausweise selbstverständlich jetzt nicht bei uns, sondern in unseren Wohnwagen“, erwiderte Schlosser.

„Wie kommen sie nach Tossens?“, wollte er weiter wissen.

„Wir verbringen einen gemeinsamen Urlaub hier, nachdem wir bereits eine Woche an der Ostsee waren.“

„Darf ich sie nochmals fragen, nach der Aussage von Nils sind sie Kriminalkommissare.“

„Ja und gemeinsam auf Urlaub.“

„Wo arbeiten sie und was ist ihr Aufgabenbereich?“

„Wir sind bei der Mordkommission Brandenburg, Bereich Gewaltverbrechen, speziell Morde, tätig und das bereits seit vielen Jahren“, antwortete Klaus Ullmann.

„Wenn ich sie richtig verstehe, gehen sie in diesem Fall von keinem natürlichen Tod aus?“

„Die exakte Todesursache kann nach meiner Meinung nur eine Obduktion des Leichnams ergeben, aber es spricht nach meiner Auffassung einiges für ein Gewaltverbrechen“, beharrte Ullmann weiter.

„Ich glaube, ich kann mich ihrer Meinung anschließen, da mir hier auch einiges rätselhaft erscheint“, sprach der nunmehrige Wortführer der Streifenpolizisten

„Wie werden sie jetzt weiter vorgehen?“, fragte Ullmann.

„Ich werde sofort meine Vorgesetzten informieren und die Möglichkeit eines Gewaltverbrechens nicht ausschließen. Ich bitte sie, mit mir auf deren Entscheidung zu warten.“

„Selbstverständlich“, antworteten Ullmann und Schlosser. Der Streifenführer war wesentlich überlegter mit der Beurteilung der Situation umgegangen, als sein deutlich jüngerer Mitarbeiter.

„Kann ich zu Ulrike, ich glaube sie benötigt meine Unterstützung?“, fragte Heinz.

Klaus Ullmann schaute bewusst den Streifenführer an, um ihn in seiner Rolle als Herr der Situation zu bestärken und ihn in seinen Entscheidungen nicht zu beeinflussen.

„Ja, ich bin auch der Meinung sie sollten ihre Frau jetzt nicht allein lassen.“

„Danke“, erwiderte Schlosser.

„Es wird sich jedoch nicht umgehen lassen, ihrer Frau später einige Fragen zu stellen.“

„Ja. Meine Frau ist eine sehr starke Frau und wird die Situation meistern“, antwortete Hauptkommissar Heinz Schlosser mit fester Überzeugung und ging in Richtung Wohnmobil.

„Schicke bitte Philipp zu unserer Unterstützung her“, bat Ullmann Schlosser.

„Selbstverständlich“, sagte dieser.

„Wir müssen den vermeintlichen Tatort sichern“, sprach der Streifenführer.

„Richtig, aber wenn möglich unauffällig“, stimmte Ullmann zu.

„Wie soll das gehen?“, fragte nun der jüngere Streifenpolizist, der sich offensichtlich von seinem älteren Kollegen in den letzten Minuten zurückgesetzt gefühlt hatte, sich nun davon erholte und wieder in die Diskussion eingebunden werden wollte.

„Wir sind genügend Männer, wenn Philipp dazu kommt, da benötigen wir keine Sirenen oder ähnliches“, sagte Ullmann mit fester Stimme.

Klaus Ullmann und der wieder am Fundort eingetroffene Philipp Schroeder sowie die Streifenpolizisten verließen den Duschraum und begaben sich vor das Gebäude. Der Streifenführer bot allen eine Zigarette an und Klaus Ullmann griff zur Überraschung von Philipp sofort zu. Der Hauptkommissar war prinzipiell kein Raucher, aber in besonderen Situationen, wenn er sehr aufgeregt war, griff er gern zur Zigarette, was ihn nach seiner Meinung beruhigte. Die Situation war für die Kriminalisten, die sich im Urlaub befanden, aufregend genug und sie wussten nicht recht, wie sie sich verhalten sollten. Klaus Ullmann und Philipp hatten sich, ohne dass die Polizisten es bemerkten, verständigt sich vorerst zurückzuhalten und die Aktivitäten den ansässigen Revierbeamten zu überlassen.

„Ihren Urlaub haben sie sich bestimmt anders vorgestellt“, sagte der Streifenführer zu Ullmann.

„Da können sie sicher sein“, erwiderte Ullmann.

„Wie gefällt es ihnen an der Nordsee?“

„Prinzipiell gut, wobei der Strand nicht mit der Ostsee vergleichbar ist.“

„Da gebe ich ihnen recht. Ich war selbst bereits mehrere Male an der Ostsee, speziell auf Usedom. Die ganze Gegend ist sehr schön.“

„Ja, zu DDR-Zeiten war dies das Haupturlaubsziel der Bürger.“

„Konnte man problemlos an der Ostsee Urlaub machen?“, fragte sein Gesprächspartner.

„Es war nicht einfach, einen Urlaubsplatz an der Ostsee zu ergattern. Die offiziellen Urlaubsplätze wurden größtenteils zentral vergeben und auch bei der Vergabe von Campingplätzen gehörte viel Glück zum Erwerb eines Platzes. Zusätzlich kam hinzu, dass einige Bereiche durch Grenzsicherungsmaßnahmen für die Bevölkerung nicht zugängig waren“, erläuterte Ullmann. Er fand seinen Gesprächspartner im Verlaufe der letzten Minuten immer sympathischer und er hatte seinen ruhigen Umgang mit der Situation zu schätzen gelernt.

„Wissen sie, Herr Kommissar, wir sind im Umgang mit Gewaltverbrechen nicht sehr geübt. Ich kann mich nicht entsinnen, wann in unserer Umgebung in den letzten Jahren ein solches Verbrechen, falls es sich bei unserem Fall um ein derartiges Delikt handelt, geschehen ist.“

In diesem Augenblick läutete das Funktelefon der Polzisten.

„Ja“, meldete er sich und lauschte den Worten seines Gesprächspartners, wobei er wiederholt mit dem Kopf nickte, aber das Gespräch nicht unterbrach.

„Sollen die Gäste, ich meine die Kommissare, vor Ort bleiben?“, fragte er.

Nach einigen Sekunden und wiederholtem Kopfnicken wurde das Gespräch beendet und der Polizist schaute Klaus Ullmann an und sagte: „Sie sollen unbedingt vor Ort bleiben, sie werden noch gebraucht.“

„Wer sagt das?“

„Das war der Chef des Polizeireviers von Bremerhaven. Sie schicken sofort zuständige Mitarbeiter zu uns. Wir sollen uns nicht von der Stelle bewegen.“

„Was ist gemeint mit der Bemerkung, dass wir noch benötigt werden?“, fragte Ullmann verwundert.

„Die Frage kann ich nicht konkret beantworten, Herr Kommissar“, sagte sein Gegenüber und konnte ein Lächeln nicht verbergen.

„Irgendwie komme ich mir im Augenblick veralbert vor“, brummte der etwas erstaunte Hauptkommissar Klaus Ullmann und schaute Philipp Schroeder an.

„Ich weiß nicht, was gemeint ist“, antwortete dieser.

Die Zeit verging. Die Funkstelle hatte schon mehrmals die Streifenwagenbesatzung angefunkt, doch jedes Mal musste der Streifenführer darum bitten, andere Fahrzeuge einzusetzen, da er nach Weisung seines Vorgesetzten den Fundort nicht verlassen durfte.

„Allmählich könnten die Zuständigen bei uns eintreffen“, sagte Ullmann.

„Um diese Uhrzeit dauert es länger, da der Fährbetrieb bereits eingestellt ist und die Leute deshalb eine Umgehung fahren müssen, aber es kann nicht mehr lange dauern“, versuchte der Streifenführer Ullmann zu beruhigen. Sie rauchten eine weitere Zigarette und schauten aufs Meer.

„Was glauben sie, wann der Tod eingetreten ist?“, fragte der Streifenführer Klaus Ullmann.

„Der Mann hat noch eine gewisse Wärme, zumindest ist er nicht ausgekühlt.“

„Der Raum ist auch warm, was bei der derzeitigen Außentemperatur nicht ungewöhnlich ist.“

„Die Benutzung der Duschen schafft eine zusätzliche Wärme.“

„Wir sind circa zehn Minuten nach ihrem Anruf eingetroffen.“

„Ulrike hat den Mann gegen 22 Uhr gefunden.“

„Nach jetzigem Erkenntnisstand wird es keine Zeugen geben. Während wir hier sind, ist niemand zum Duschen vorbeigekommen. Viele der neuen Wohnmobile haben kleine eingebaute Duschen, sodass ihre Besitzer oder Mieter die öffentlichen Duschen nicht benötigen.“

„Dem kann ich mit ruhigem Gewissen zustimmen. Ich kenne alle Wagen, die bei mir auf dem Platz stehen und die überwiegende Mehrzahl der Fahrzeuge hat Duschen“, stimmte Platzwart Nils Hansen zu.

„Das Gelände ist eigentlich gut ausgeleuchtet, daher wundert es mich dennoch, wie ein möglicher Täter ungesehen den Ort verlassen konnte“, warf der Streifenführer ein.

„Wissen sie, um diese Uhrzeit haben sich die meisten Urlauber in ihre Wagen zurückgezogen und verbringen den Abend vor dem Fernseher.“

„Es gibt immerhin zwei Gaststätten auf dem Gelände.“

„Ja, aber um diese Uhrzeit sind dort nur wenige Gäste. Die Einwohner sind nach Hause gegangen und in den Gaststätten sind nur noch die Stammgäste und die sind zumeist mit ihren Problemen beschäftigt oder vertreiben sich mit irgendwelchen Spielen die Zeit. Diese Leute schauen nicht auf ihre Umgebung, zumal sie meist genügend Alkohol zu sich genommen haben. Es sind alles nur einfache Gaststätten ohne Übernachtung, sonst wäre die Chance, dort Zeugen zu finden, größer“, meinte der Platzwart.

„Dennoch stellt sich mir die Frage, wie sich der mögliche Täter vom Fundort entfernt hat“, sinnierte der Polizist und schaute sich um.

„Wenn man sich in der aufkommenden Dunkelheit, die jetzt eingetreten ist, unauffällig bewegt und sich in der Gegend gut auskennt, dürfte es kein Problem sein“, behauptete Hansen.

„Erklären sie das genauer“, wurde Hansen aufgefordert.

„Hinter der Düne auf der Landseite befindet sich ein gut befahrbarer Weg, der nur eine Fahrspur hat und selten genutzt wird. Der Täter kann auch mit einem Fahrrad gekommen sein und dieses unauffällig an der bewachsenen Seite der Düne gut versteckt haben. Sein einziges Problem, wo er hätte gesehen werden können, ist der Weg von den Sanitäreinrichtungen zur Düne oder er war ganz frech und ist einfach auf dem Gelände Richtung Düne gelaufen, weil er sich, nachdem er sich gut umgeschaut hatte, sicher war, das niemand auf dem unterwegs war“, stellte der Platzwart seine These auf.

„Interessante Gedanken“, sprach Ullmann.

„Werden die Sanitäreinrichtungen nachts geschlossen?“, fragte Ullmann Nils Hansen.

„Nein, sie sind stets geöffnet.“

„Ich frage mich ständig, was der Mann in den Duschen für Frauen wollte. War er eventuell orientierungslos oder war es die Absicht des Täters?“, fragte Philipp.

„Es gibt viele offene Fragen“, kam die Antwort und die Männer schauten wieder aufs Meer.

Sie waren bereits bei der dritten Zigarette und warteten auf die zuständigen Ermittler.

Die Nadel des Todes

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