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Das Handwerkszeug Die Kugel

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Im Sommer 2009 ist in der Schweiz ein Billigfabrikat völlig überraschend explodiert. Die Kugel lag in einem Schrank und hat glücklicherweise nur Materialschaden verursacht. Am 4. September 2016 meldet rponline.de: Bei einem Nachbarschaftsfest in Lobberich (Viersen) in der Nähe des Wasserturms ist am Samstag eine Boule-Kugel explodiert. Dabei riss sie ein Loch in die Decke des Zeltes, unter dem gespielt wurde, und hinterließ einen Krater im Boden.

Alle stählernen Pétanquekugeln sind innen hohl und aus zwei Hälften zusammengeschweißt. Billigkugeln werden, um Material zu sparen, mit dünnerer Metallwand als bei zugelassenen Wettkampfkugeln gefertigt. Um dennoch ein normales Gewicht zu erreichen, wird in die Kugeln Füllmaterial eingebracht. Das war im Schweizer Fall ein mörtelähnliches Gemisch. Der Füllstoff enthielt Feuchtigkeit, die zur Korrosion der inneren Metallwand führte und Wasserstoffgas unter hohem Druck erzeugte. Zusätzlich schwächte eine schlechte Schweißnaht die Festigkeit der Kugel. Die Folge war eine Explosion von enormer Wucht, die zu lebensbedrohlichen Verletzungen hätte führen können. (Quelle: Schweizer Fernsehen SF: »Ist Pétanque gefährlich?« in »Einstein« vom 10. Juni 2010, 21:06 Uhr)


Billigkugel nach der Explosion;

Quellen: SF, www.polizeibericht.ch 10. 07. 2009

In Kontrast zur Billigkugel steht die Beschreibung einer zugelassenen Wettkampfkugel. Das Reglement des Deutschen Pétanque Verbandes legt in Artikel 2 fest:

Eigenschaften der zugelassenen Kugeln

Pétanque wird mit Kugeln gespielt, die von der F.I.P.J.P.* zugelassen sind und folgenden Eigenschaften entsprechen:

1.Sie müssen aus Metall sein;

2.Einen Durchmesser zwischen 70,5 mm (Minimum) und 80 mm (Maximum) haben;

3.Ein Gewicht zwischen 650 Gramm (Minimum) und 800 Gramm (Maximum) besitzen; Logo (Marke des Herstellers) und Gewichtsangabe müssen auf den Kugeln eingraviert und immer lesbar sein. Bei Wettkämpfen, bei denen lediglich 11 Jahre alte und jüngere Jugendliche startberechtigt sind, dürfen Kugeln mit einem Gewicht von 600 Gramm und einem Durchmesser von 65 mm eingesetzt werden, vorausgesetzt, sie wurden von einem zugelassenen Kugelhersteller gefertigt.

4.Sie dürfen weder durch Hinzufügen von Metall noch durch Einbringen von Sand verändert worden sein. Generell dürfen die Kugeln nach der Fertigstellung (nur durch zugelassene Hersteller) auf keine Art gefälscht und keiner Verformung oder Veränderung unterzogen werden. Insbesondere darf die vom Hersteller vorgegebene Härte durch nachträgliches Ausglühen nicht abgeändert werden. Name und Vorname des Spielers (oder die Initialen) dürfen jedoch eingraviert werden, ebenso verschiedene Logos, Siegel und Kürzel gemäß dem Pflichtenheft (»Cahier des Charges«) zur Herstellung von Kugeln.

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*Die Féderation Internationale de Pétanque et Jeu Provençal [F.I.P.J.P.] wurde am 8. März 1958 in Marseille gegründet. Sie richtet die Weltmeisterschaften aus. Ihr Reglement wurde vom Deutschen Pétanque-Verband e. V. im Wesentlichen übernommen.


Billigkugeln (B) sind im Vergleich zu Qualitätsfabrikaten (A; hochwertige Freizeitkugeln ohne die für Wettkampfkugeln vorgeschriebene Gewichtsangabe) häufig gefüllt, haben eine geringere Wandstärke und bestehen zumeist aus minderer Stahlqualität.

Im Kern sagt der Artikel aus, dass eine gültige Wettkampfkugel

•ein Herstellerlogo trägt von einem zugelassenen Hersteller,

•das eingestanzte Gewicht der neuen Kugel in Gramm zeigt.

Beide Angaben müssen lesbar sein.

Wenn Sie neue Kugeln kaufen, dann entdecken Sie noch eingestanzte Zeichen (z. B. »5F34«). Mit dieser individuellen Seriennummer (repère) kennzeichnet der Hersteller einen Kugelsatz, das heißt alle 3 Kugeln tragen die gleichen Zeichen. Damit können Sie ähnliche Kugeln auseinander halten. Weiter stanzt der Hersteller noch das Kugelmodell ein. Meine Kugeln tragen fünf unterschiedliche Prägungen:

•OBUT® (Hersteller)

•700 (Gewicht einer Kugel in Gramm)

•5F34 (Seriennummer des Satzes)

•MATCH+ (Kugelmodell)

•Joachim Kopp (mein voller Name, es sind auch Initialen üblich)

Diese Kugeln habe ich im Herbst 2018 gekauft. Sie haben 165 Euro zuzüglich 20 Euro für die Namensprägung (alles inklusive MWSt) gekostet. Es sind gute Kugeln aus halbweichem Stahl, aber nichts Exklusives. Ich habe den Namen einprägen lassen, weil Kugeln gerne verwechselt werden. Wenn auf einem Turnier eine meiner Kugeln verwechselt werden sollte, dann kann anhand der Einschreibeliste sofort festgestellt werden, in welchem Verein ich spiele. Von Zeit zu Zeit schmiere ich Farbe in meine Namensprägung, damit das Erkennen der Kugel im Spiel erleichtert wird, denn es ist lästig, nach jeder Aufnahme das Spiel »meine Kugel – deine Kugel« zu spielen. Manche nehmen einfach einen dicken Flipchart-Marker und markieren ihre Kugeln auf diese Weise. Eigentlich soll diese Funktion die Riffelung einer Kugel übernehmen, aber in der Praxis sind oft nur noch blanke oder einstreifige Kugeln zu sehen.


Die vorgeschriebenen Prägungen der Wettkampfkugeln sind gut zu erkennen: Notwendig sind Angaben zu Gewicht (720 g) und Hersteller (OBUT).

Die Riffelung (la strie = Rille, Riefe) der Kugel beeinflusst das Spielverhalten in der Praxis nicht. Allerdings gleitet das sogenannte »Waffeleisen«, eine Kugeloberfläche, die durch die Riffelung in kleine Felder aufgeteilt ist, schwerer aus der Hand als eine glatte Kugel.

Die Größe der Kugel muss zur eigenen Hand passen. Eine zu kleine Kugel reagiert beim Wurf sehr nervös auf den geringsten Haltungsfehler, während eine zu große Kugel sich nicht richtig steuern lässt (Rückdrall, Effet). Wenn die Kugel in der Hand kein gutes Gefühl vermitteln kann, dann stimmt die Größe nicht. Bei einer passenden Kugel reichen die Fingerkuppen knapp über den »Äquator« der Kugel.

Was die Größenklassen der Kugeln für »Tireurs«, »Milieus« oder »Pointeurs« (Schießer, Mittelspieler, Leger) betrifft, hält sich folgende Legende mitunter noch zäh: Ein Tireur soll Kugeln von 75 mm Durchmesser aufwärts haben, damit das größere Geschoss eine höhere Trefferwahrscheinlichkeit aufweist. Im Gegenzug soll der Pointeur mit möglichst kleinen Kugeln spielen, um dem Tireur ein schwierigeres Ziel zu bieten und um die Kugel schlanker durch Kugelhaufen steuern zu können.

Das gehört, mit Verlaub gesagt, ins Reich der Fabeln, denn das einzig wahre Maß für einen guten Spieler ist genau an die Hand angepasst und sonst nichts. Wenn mir die Kugel gut in der Hand liegt, dann kann ich auch gut spielen. Ich kenne eine Frau mit einer kleinen Hand, die deshalb 72 mm führt – sie schießt gut.

Große Kugeln haben eine bessere Überschreitfähigkeit über kleine Bodenunebenheiten beim Legen, das bedeutet, sie laufen besser geradeaus als kleine. Aber das kann man nicht unabhängig vom Gewicht sehen, weil große und schwere Kugeln (schwerer als 710 g) noch besser geradeaus laufen. Somit sind wir beim Gewicht angelangt.

Eine Kugel kann laut Reglement zwischen 650 g und 800 g wiegen. Das ist ein enormer Unterschied von 150 g. Beim Gewicht (poids) ist jetzt wirklich die hauptsächliche Funktion des Spielers zu berücksichtigen:

•Der Leger bevorzugt schwere Kugeln, weil diese besser mit kleinen Unebenheiten fertig werden. Auch verspringen schwere Kugeln weniger beim Aufprall als leichte. Ab 710 g aufwärts.

•Der Schießer muss bei einem Turnier viele Stunden lang vorrangig schießen. Das braucht bei einer leichten Kugel unter 700 g einfach weniger Kraft und vermindert über die Jahre auch die Beanspruchung für Bänder und Gelenke.

Welche Kugel passt zu Ihnen?

Für die richtige Größe kann als Näherung der Abstand zwischen der ersten Handwurzelfalte und der Fingerspitze des Mittelfingers dienen.

Daraus können folgende Werte resultieren (nach www.planetboule.de):


gemessener Abstand / Durchmesser der Kugel (diametre)

ab 135 mm / 71 mm

ab 150 mm / 72 mm

ab 165 mm / 73 mm

ab 180 mm / 74 mm

ab 195 mm / 75 mm

ab 210 mm / 76 mm

ab 225 mm / 77 mm

ab 240 mm / 78 mm

Aber bitte: Das ist nur eine Näherung. Sie und Ihr Gefühl für die Kugel sind der wirkliche Maßstab. Gehen Sie auf einen Bouleplatz und fragen Sie Spieler nach der Größe ihrer Kugel und nehmen Sie verschiedene Größen in die Hand. Ihr Gefühl sagt Ihnen dann schnell, was für Sie passt. Falls Sie sich bezüglich des Kugeldurchmessers unsicher sind, dann nehmen Sie die Kugel lieber 1 mm kleiner. Fast alle Boulistes fangen mit größeren Kugeln an und nehmen später dann kleinere.


Legen aus der Hocke – der hintere Arm macht eine Ausgleichsbewegung zum Wurf; das gesenkte Knie stabilisiert den Oberkörper nach hinten.

•Der Milieu legt und schießt und macht deshalb einen Kompromiss. Seine Kugeln bewegen sich zwischen 690 und 710 g, ich spiele 700 g.

Jetzt kommt die finale Eigenschaft: das Metall. Um es gleich vorweg zu sagen, es gibt gegossene Kugeln aus Messinglegierungen (Allergiker!) von guter Qualität, die sich jedoch schneller abspielen als weicher Stahl. Die Stanzungen sind dann nicht mehr lesbar, was die Kugeln im Wettkampf ungültig macht – allerdings sind meine Kugeln in den letzten 25 Jahren nie geprüft worden.

Das Metall der Kugel ist zumeist Stahl in verschiedenen Härten und mit unterschiedlichen Eigenschaften:

•Ab 130 kg/mm2 Härtegrad aufwärts ist die Kugel hart (dure) und hat deshalb einen hohen Abprall-Effekt. Für den Leger ist dies von Vorteil, weil die Schusskugel dann weniger im Umfeld der Zielkugel liegen bleibt. Außerdem nützen sich harte Kugeln kaum ab und sind deshalb sehr langlebig.

•Bei ca. 110 kg/mm2 Härtegrad spricht man von weichen (tendre) Kugeln, die der Schießer bevorzugt. Eine weiche Kugel hat einen geringeren Rebond (Abprall-Effekt) als eine harte. Das erhöht die Chance, dass die Schusskugel im Zielbereich liegen bleibt. Weiche Kugeln nutzen sich naturgemäß stark ab. Das ist angenehm, weil die Kugel Struktur bekommt und sich dadurch besser anfühlt. Dafür ist eine weiche Kugel kurzlebiger.

•Der Milieu hat Kugeln von 115 bis 120 kg/mm2 Härtegrad, das sind halbweiche (demi-tendre) Kugeln. Sie stellen analog zur Gewichtsfrage einen Kompromiss dar und sollen für das Legen und Schießen gleichermaßen brauchbar sein.

Aufpassen sollten Sie, wenn Hersteller aufgrund von speziellen Bearbeitungen des Stahls und der Kugeloberfläche Versprechungen zu einem geringen Rebond machen: So sollte eine halbweiche Kugel durch solche Behandlungen das Verhalten einer weichen aufweisen. Ein lizenzierter Trainer hat zu Vergleichszwecken weiche und halbweiche Kugeln mit angeblich reduziertem Rebond aus gleicher Höhe auf planen Stein fallen lassen: Die halbweichen Kugeln seien eindeutig höher zurückgeprallt als die weichen.


Der Bouliste wirft eine rot markierte Kugel (im Flug rechts neben der blaugrünen Anzeigetafel).

Weiter werden rostende oder nichtrostende Kugeln angeboten (nichtrostende Inox-Kugeln fühlen sich glatter an als Karbonstahl). Ich persönlich bevorzuge Kugeln, die rosten können und reibe diese ab und zu mit einem Tropfen Waffenöl ein. Verchromte »Christbaumkugeln« rosten. Mit Rostbefall müssen Sie besonders in Meeresnähe rechnen, da können Ihre Kugeln innerhalb einer Nacht im Freien rostrot werden. Neue Kugeln können auch farbig grundiert sein (meist schwarz oder blau). Diese Grundierung geht ab und Sie haben nach einiger Zeit die normale Farbe des Stahls vor sich.

Zusammenfassend kann man sagen:

•Der Leger spielt mit schweren harten Kugeln (schwerer 710 g, Härtegrad ab 130 kg/mm2).

•Der Schießer spielt leichtere weiche Kugeln (ab 700 g abwärts, Härtegrad 110 kg/mm2).

•Der Milieu bevorzugt mittleres Gewicht und Härte (Gewicht 690 bis 710 g, Härte 115 oder 120 kg/mm2).

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