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Fragmentarischer und dennoch literaturtheoretisch bedeutender Prolog, in welchem auch zunächst Merlin und dann die ersten Gäste erscheinen.

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die Freude ist nicht am geringsten

zu Beginn des Sommers, nämlich an Pfingsten,

wenn der Geist, der heilige, kommt vom Himmel,

dann satteln Könige ihre Schimmel

oder aber ihre Rappen,

denn dann geht es Happen pappen

im Land von Uterpandragon,

bei Artus, das ist dem sein Sohn.

Auf diesem großen Artusfeste

gibt’s von allem nur das Beste:

Hasen, Rehe, wilde Schweine,

Enten auch, für jeden eine;

was eben noch im Wald gelaufen

hat dann aufgehört zu schnaufen

und hängt überm Feuer in den Küchen,

umgeben von herrlichen Wohlgerüchen:

große Hirsche, kleine Wachteln -

Hei, da heißt es fröhlich spachteln!

Doch da gibt’s auch schöne Frauen,

sind gar reizend anzuschauen,

und natürlich edle Damen,

die aus allen Ländern kamen,

die wollen auch gesehen sein:

hübsch und blond und schlank und fein.

Starke Männer auch nicht minder -

ein Hoch auf Artus, den Erfinder

dieser Pfingstenlustbarkeit!

Ein Vorbild an Großzügigkeit!

Das alles geschieht aus seiner Huld,

wer nicht kommt, ist selber schuld.

Die Einladung erging auch dieses Jahr

- natürlich mit Gattin, das ist klar,

soweit eine Gattin vorhanden,

oder mit weiblichen Verwandten,

am liebsten Töchter, unbemannt:

am Hofe werden, wie bekannt,

besonders gerne Ehen geschlossen. -

Da kommt plötzlich angeschossen

mit wallendem Mantel, mit rauschendem Bart,

er ist mal wieder mächtig in Fahrt,

Merlin aus dem Zauberkeller.

Was ist das? Er rennt immer schneller

- Merlin ist Zauberer und Prophet,

ein altes Männchen - und jetzt geht

er hin zu Artus seinem Thron,

nein, Moment, da ist er schon!

Er ergreift erbost das Wort,

er schimpft und flucht in einem fort.

„Nun mal langsam“, der König spricht,

„sprichst du so schnell, versteh ich dich nicht.

Trink erst ‘nen Schluck, das tut dir gut.

Also, was ist? Warum diese Wut?“

Merlin verschnauft. Dann legt er los:

„Hörst du das nicht? Nennst du das grandios?

Ich bitte dich, mir dein Ohr zu schenken:

Dies Auf und Ab, dies Heben und Senken,

dies immer gleiche Hoch und Runter,

das ginge auch ein bisschen bunter.

Das sage ich nicht zum ersten Mal,

doch diesmal werd’ ich radikal:

Verbiete den Schreibern endlich das Dichten

und lass sie einfach und nüchtern berichten,

was hier passiert, was du so tust,

z.B. wen du einzuladen geruhst

zu deinem nächsten Artusball!

Hör zu, ich erläutere dir den Fall:

Ich hab’ ja nichts gegen Poesie,

aber manche Könige kommen nie

zu dir, obwohl sie’s gern täten,

wenn wir sie nur darum bäten.

Und warum ist das so? wirst du fragen.

Das will ich dir in Folgendem sagen:

Weil sie sich auf andre nicht reimen!

Du musst damit rechnen, in diesen keimen

schon lange Gedanken an Rache auf,

denn das nimmt niemand gern in Kauf,

dass man sie um das Artusfest prellt,

nur weil deinen Schreibern kein Reim einfällt.

Und außerdem“, fährt Merlin fort,

doch der König selbst ergreift das Wort:

„Du willst mir also damit sagen,

dass manche Könige Unbehagen

empfinden, weil sie schon seit Jahren

nicht auf meinen Festen waren?“

„Seit Jahren?“ ruft Merlin. „Dass ich nicht lache!

Das ist doch grade die brenzlige Sache!

Sie sind doch gar nicht existent,

wenn alle Welt zu Artus rennt,

erst recht nicht, wenn in den Romanen

du und die andern den Ruhm absahnen.

Das lässt man sich nicht gerne bieten,

sie sind ja auch nicht alle Nieten.

Auch sie wollen mal ihren Namen

in Büchern lesen, in arthurischem Rahmen.

Doch können sie’s nicht! Und wieso?

Weil deine Schreiber nirgendwo

auf ihren Namen ‘nen passenden Reim

finden. Und dann? Sie bleiben daheim

und werden niemals literarisch

und schon gar nicht exemplarisch.

Und das heißt“, die Stimme bebt,

„sie haben niemals richtig gelebt.

Und außerdem“, setzt Merlin an,

doch jetzt ist der König wieder dran:

„Du meinst also, die Leute sind sauer?

Das ist nicht gut, denn auf die Dauer

fällt das ja auf mich zurück.

Das ist schlecht. Doch zum Glück

hab ich dich. Was rätst du mir?

Merlin sprich: ich lausche dir.“

„Hast du diesen Reim vernommen?

‚Mir’ auf ‚dir’ und jetzt kommt ‚kommen’.

Klar, was soll man auf ‚vernommen’

andres reimen? Dabei kommen

einem entweder die Tränen

oder man fängt an zu gähnen.

Das ist wirklich nicht erträglich,

ja, ich finde es unsäglich

schlimm und schlecht und mies und ka-

tastrophal!“ schreit Merlin da.

„Das kannst du niemandem mehr bieten,

deine Schreiber, das sind Nieten!“

(So sagte es Merlin freilich nicht.

Er ging zwar mit uns ins Gericht,

doch wir sind hier vom Reim gezwungen,

bei ihm hat es etwas anders geklungen.

Wir gäben uns Mühe, warn seine Worte,

wir wärn noch die besten unserer Sorte,

wir ließen so lange keine Ruh,

bis ein Reim gefunden. Klammer zu.)

(Klammer auf. „Auch wenn er nicht passt“,

sagte er noch und einschränkend: „Fast

stimmt es ja immer oder meist.“

Das fanden wir ein bisschen dreist.

Wenn’s mal nicht stimmt, dann höchstens semantisch,

doch wer wäre da denn so pedantisch?

Bisher ging uns kein Vers daneben,

und wenn wir sie mühsam zusammenkleben

und zusammenfügen, zur Not mit dem Hammer.

Jetzt wieder Merlin! Zu die Klammer.)

„Und außerdem, nein, lass mich sprechen!

Diesmal lass ich mich nicht unterbrechen:

Und außerdem: mir wär’ es leid

um die viele verlorene kostbare Zeit,

die deine Schreiber mit Reimen verbringen,

die sie brauchen, um alles zu zwingen

- ob getan oder gesagt,

ob gedacht oder gefragt -

in die üblichen vier Takte.

Außerdem: das so Verpackte

klingt doch schlichtweg abgehackt;

heut’ ist so was abgewrackt.“

(Das hat Merlin ganz exakt

Wort für Wort so gesagt.

Und er sagte es voller Hohn -

auch nicht grad’ der gute Ton.)

„Heut’ ist das nicht mehr modern!“

„Dann sage mir, wie hättst du’s gern?“

spricht der König in Gedanken.

Er denkt: ‚Ich hasse dieses Zanken

mit Merlin, meinem Zauberer.’

(Stimmt doch, oder?) ‚Ungefähr,

so zirka hab’ ich das gedacht.’

Laut: „Wir wird’s denn heut’ gemacht?

Sprich, wie werd’ ich aktueller?“

Merlin: „Prosa! Geht viel schneller!

Das ist die ganze Zauberei:

Weg mit dieser Reimerei!

Damit sparst du Satz für Satz

außerdem noch ziemlich Platz

auf dem teuren Pergament,

weil Prosa keine Verse kennt.

Also: Keine Reime mehr!

Keine Takte! Prosa her!“

ruft Merlin laut, enthusiastisch.

Und der König? „Na, fantastisch!

Damit wären alle Probleme

wohl gelöst, und ich nehme

an, die drei da drüben,

die sich noch im Versen üben

werden einverstanden sein.“

Was kümmert Artus unser „Nein!“?

Das Reimen haben wir gelernt,

die Prosa nur mal ganz entfernt

gestreift. - Na schön, Befehl von oben,

bevor der anfängt rumzutoben,

schreiben wir eben irgendwie

weiter ohne Poesie.

Begraben wir halt die poetische Feile

in dieser allerletzten Zeile.

Merlin schreit: „Ohne Vers!“

Mit Verlaub, das ist pervers.

Artus hat auf gebundenes Sprechen

schon immer ein Recht. Das wird sich rächen,

wenn er jetzt keine Reime mehr will.

„Ihr seid jetzt“, ruft Artus, „still!“

Bitte, wie er meint, so soll es geschehen,

er ist der König - man wird ja sehen.

Jetzt trudeln die Gäste so langsam ein.

(Der Reim wär’ nicht schwer, doch wir lassen ihn sein.)

Artus, wörtlich: „Kommt herein!

Setzt euch zu uns, hier gibt’s Wein!“

Merlin steht die Wut im Gesicht.

(Auch das könnten wir reimen, doch das tun wir nicht.)

König Artus

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