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Wie das traditionelle Artustreffen an Pfingsten traditionell ein unerfreuliches Ende nimmt.

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Derweilen wird Ginover in ihrer Kemenate von ihren Hoffräuleins auf das lieblichste eingekleidet, damit sie Artus, ihrem Gemahl, auf dem Feste in gewohnter Weise eine Augenweide sei. Und sie erregt tatsächlich, wie jedes Jahr, einige Aufmerksamkeit, wenn auch Artus, ihr Gemahl, seine Augen ebenso auf den übrigen Damen weiden lässt. Die Königin ist dies gewöhnt, und sie verzeiht es ihm gnädig. Dieses ja, anderes nicht immer, und nur mit schmerzverzerrtem Lächeln. Die Tafel ist voll, in doppeltem Sinne, von den ehrwürdigsten Gästen besetzt und mit den herrlichsten Speisen gedeckt. Spielleute sind im Saal verteilt und draußen auf der Wiese, wo sich jene tummeln, die an der Tafel keinen Platz mehr gefunden. Ein fröhliches Zulangen und Sich-schmecken-lassen herrscht allüberall, und nach dem Mahl geht’s hinaus zum Turnieren. König Sperelot von Arsitz ist dort und Grufenanz von Steinitz, der gelbliche Coldas und Lumis der Zufällige, Salizanz von Ratz und Malscherz der Brummer, der wilde Dodernes und der gute Frandelus. Usus und der Ritter Brie, Iwein der Urige und Iwein von Döner und noch ein Iwein, das ist der Ältere. Onano von Schalott und Gesin der Charmer. Dann ist da der Ritter mit dem goldenen Bogen, den er auch beim Mahl nicht ablegt, weil er sonst nicht zu nennen wäre. Mistram und Karel sowie der Könige und Ritter hunderte mehr, allesamt voll Ehre, erfahren die einen und wild die anderen, schön und edel, das ist wahr, nicht zu vergessen die arthurischen Ritter, Keie der Truchsess, und Gawein der Schöne, Gawein der Tapfere, Gawein der Starke, und das alles wie immer in einer Person. Und natürlich die neuen: Astruganz der Stolprer aus dem Lande Tamiralesche, Lageflot unter dem Turm aus dem Land mit den Bäumen, Grogeflumis der Fette, der von der seufzerlosen Garde gekommen ist, Melozamur vom Strand, vom Strand, Norgeles mit den Beulen aus dem Reich jenseits des Sees, Bliopoheris auf den weißen Füßen vom Lande Gosche, Elausi Helanus im Baum aus der Ferne und schließlich Gwisains Kohedans der Schöne, welcher in allen Frauenherzen zu Hause ist.

Damit sind nun ausreichend Personen genannt, während Sapiens ad Portam Celestem, der bei diesem Fest die Abschrift für die königliche Bibliothek übernommen hat, der Vollständigkeit halber, noch immer beim Buchstaben B weilt. Wir beide aber, Theodor von Toledo und Mediales Antiquus können in Ruhe fortfahren, Artus selbst zum Vergnügen in festloser Zeit sowie zum Gelüsten später geborener Menschen, damit sie Kunde haben, was einst (das ist jetzt) geschah am arthurischen Hof.

Das Turnier ist entschieden, Gwisains Kohedans der Schöne der Sieger, Damen und Herren spenden ihm höflichen Beifall, die ersten lauter und inniger, und während die Knappen die zurückgelassenen Glieder forträumen, die nicht mehr zu gebrauchen, so zerschlagen, zerstochen, zerhauen und zerfetzt, wie sie sind, und mit Sand die Blutlachen trocknen, damit anderen Tags keiner der Edlen darin ausgleite, kehrt die Gesellschaft fröhlich ins Zelt zurück, wo Keie, der Truchsess, sie schon mit abermals knusprigem Braten empfängt, wenn auch einige Damen bei „knusprig“ an manch anderes denken. Gwisains Kohedans der Schöne sitzt dort und genießt auch dieses.

Doch Gott, der Allmächtige, der allem ein Ende gegeben, lässt auch jenes Mahl sich der Suppe nähern, die Artus, dem König, am Abend gereicht wird.

Mit dieser Suppe verhält es sich so. Ausgiebige Mahle schlagen dem König sehr auf den Magen. Als Merlin nun eines Tages das königliche Rumoren bemerkte, bestellte er Artus, den König, in seiner Eigenschaft als Hofmedicus (neben dem Zauberer und dem Propheten nimmt er auch dieses Amt wahr) in seinen Keller, um ihm eine gründliche Untersuchung angedeihen zu lassen. Die Untersuchung war lang, das Ergebnis kurz: Der König leide vor allem an arthurischen Festen sehr unter der Schwere der Speisen, was - wie Artus gestand - sich häufig ebenfalls in düstren Gedanken äußere, dunkeln Vorsehungen und dergleichen mehr. Dies sei, schloss Merlin, sehr signifikant für einen Mann in seiner Position, doch brauche er sich darum keine Sorgen zu machen, denn er habe als Hofmedicus, der er schon bei seinem Vater gewesen, damit Erfahrung: Er solle, so lautete sein Rezept,

das hier nun wieder in Versen geschrieben,

wie’s uns ist im Gedächtnis geblieben,

denn damals ist Reimen erlaubt gewesen.

(Warum heute nicht, kann man vorne lesen.)

Wir werden also nichts riskieren,

wenn wir das Rezept zitieren.

„‚Artus’, spricht Merlin, ‚beide Beschwerden

müssen zugleich behandelt werden.

Nicht nur das schreckliche Grimmen im Bauch,

sondern die düstren Gedanken auch.

Das ist nicht schwer, denn ich habe ein Mittel.’

Damit greift Merlin in seinen Kittel

und zieht mit seiner linken Hand

einen Kohl heraus, den er darin fand.

(Damals waren die Kohle noch klein.)

Und natürlich tat Merlin ihn vorher rein,

bevor er ihn Artus präsentiert,

doch Artus, wie immer, applaudiert.

Er hält das für reine Zauberkunst,

und Merlin steigt in seiner Gunst.

Er sollte bald noch höher steigen,

doch erst muss er dem König zeigen,

wie man aus diesem einfachen Kohl

eine Suppe kocht, und zwar sowohl

gegen des Bauches schreckliches Drücken

als auch der finstren Gedanken Tücken.

‚Das ist ganz einfach. Ihr nehmt ein Messer -

oder ein Schwert, das ist noch besser -

am besten Ihr lasst’s Eure Köche machen,

die verstehen sich ja auf solche Sachen

und können Einmischung ohnehin nicht leiden,

die sollen ihn in Stücke schneiden,

und dann hinein in einen Topf -

jawohl der ganze kohlige Kopf,

so groß wie ‘ne Faust muss er schon sein,

und Wasser in den Topf hinein,

und dann muss das Ganze ordentlich sprudeln -

ja, in etwa wie bei Nudeln,

und dann wird das Ganze heiß geschlürft -

nein, auf keinen Fall: Ihr dürft

nichts anderes dazu mehr essen,

sonst könnt Ihr das Ganze gleich vergessen!

Ich verspreche Euch, mit dieser Speise

habt Ihr auf angenehme Weise

Eure Beschwerden bald verloren.’

‚Lasst mich ein wenig weiter bohren’,

sagt der König wissbegierig,

‚das klingt alles gar nicht schwierig.

Doch grade bei diesen einfachen Dingen

frag’ ich, ob sie so einfach gelingen,

und komme dabei natürlich ins Grübeln -

Ihr mögt mir das bitte nicht verübeln.

Eins will ich wissen, antwortet wahr:

Ist vielleicht in der Suppe ein Haar,

und Ihr wollt es mir nicht sagen?

Sprecht, ich kann die Wahrheit ertragen.’

Merlin kaut an der Fingerkuppe.

‚Ein Haar ist wirklich in der Suppe.

Wie konnte ich Eure Intelligenz

so unterschätzen, Exzellenz?’

Und dann gesteht er den Nachteil ein

seines Rezepts gegen des Königs Pein.

Er betont noch einmal, wie der Kohl

sich auswirkt auf des Königs Wohl,

nicht nur unten, sondern auch oben,

insofern sei er durchaus zu loben.

‚Doch der Haken, das ist der -

liebt Euch eigentlich Ginover?’

‚Was hat das damit zu schaffen?

Sprecht schon: macht Euch nicht zum Affen!’

Merlin, bedrängt von dieser Mahnung

- Artus hat wirklich keine Ahnung -,

zappelt rum und hin und her,

doch länger Warten geht nicht mehr.

‚Ich will es mal so formulieren:

Ihr werdet heftig flatulieren.’

‚Sagt mal: warum redet Ihr

so fremdwörterisch mit mir?

Ihr nehmt doch sonst kein Blatt vors Maul,

was ist an dieser Suppe faul?’

(Das ist tatsächlich sein Vokabular!)

Merlin wird endgültig klar,

dass ihm nun gar nichts mehr nützt,

und auf seinen Tisch gestützt,

berichtet er dem König leise

die Folgen dieser Suppenspeise,

bringt ihm die Nebenwirkung bei,

von der sie leider nicht ganz frei.

‚Ihr werdet, Eure Majestät,

eine neue Qualität,

und nicht nur Ihr werdet sie finden,

in Euren königlichen Winden.’

(Merlin stottert, was erwartbar,

er zupft sich am Kinn, an einem Barthaar.)

‚In so einem königlichen Wind,

müsst Ihr bedenken, darin sind,

nachdem Ihr von der Suppe genossen,

darin steckt alles, was Euch verdrossen.

Darin sind, ich muss das betonen,

und deshalb tun sich die Winde lohnen,

alle Eure Nöte verborgen,

die gedanklichen wie auch die bäuchlichen Sorgen.

Und deshalb sind sie zu empfehlen,

doch lassen sie sich kaum verhehlen.

(Merlin spricht als Mediziner,

nicht mehr als des Königs Diener.)

Die Königin wird sich wohl beklagen,

wenn sie die Töne und Düfte plagen.

Drum wollt’ ich wissen, wie sie zu Euch steht,

denn wenn so ein Wind das Zimmer durchweht

oder sich brfeit macht unter den Decken,

wird es die Königin erschrecken,

und sie wird die Nase kräuseln,

wenn solche Winde sie umsäuseln.

Im Großen und Ganzen reagiert

sie höchstwahrscheinlich distanziert.

Denn was Euch im Innern nicht behagt,

darüber man auch außen klagt.

Was ist Euch lieber? Ihr müßt entscheiden,

Ihr habt die Wahl zwischen beiden:

entweder die Qualen bleiben

oder ich werde die Suppe verschreiben,

dann müßt Ihr auf Ginover bauen

und auf ihre Liebe vertrauen.’

Damit schweigt Merlin erst einmal

und wartet auf des Königs Wahl.

Was macht der König? Der König lacht!

Das hätte Merlin nicht gedacht,

der kaum noch seinen Augen traut,

der König, der lacht richtig laut!

Erst nach einer Weile Prusten

und vor lauter Prusten Husten

sagt der König jovial:

‚Das ist wirklich zu banal!

Was seid Ihr, Merlin, für ein Tor?

Sagt mal, was, meint Ihr, geht vor:

Ob ich ein gesunder König bin

oder die Nase der Königin?

Es gibt nun mal keinen gesunden Staat,

wenn der König Beschwerden hat. -

Damit Ihr Euch nicht den Kopf zerbrecht:

Euch kann ich’s ja sagen, wenn Ihr versprecht,

es nicht gleich rumzuposaunen:

Ihr würdet ehrlich staunen,

wenn Ihr wüsstet, was bei Nacht

Ginover mit mir alles macht

und ich mir ihr. Wir lieben uns ehrlich.

Die Suppe wird uns nicht gefährlich.

Her mit dem Ding, und zwar tout de suite,

ich mein’ den Kohl, ich nehm’ ihn mit.’

Bis hierher diese Rückblende,

Gänsefuß oben, Zitatende.“

Das Ende der Mahlzeit naht heran, und Ginover sieht mit unterschiedlichen Empfindungen in ihrem Herzen der Suppenschüssel entgegen. Die Unterhaltungen stocken bereits, da betritt Keie, der Truchsess, den Saal, schleicht sich unbemerkt (unbemerkt will er bleiben, doch er stößt mit dem Fuß gegen den Schoßhund der Königin mit dem Schoßhund und schleudert ihn - er ist in Eile - in den Schoß der Königin mit dem Schoßhund, deren „Huch“ nicht ungehört bleibt), aber ansonsten unbemerkt schleicht sich Keie an Artus heran und flüstert ihm ungefähr Folgendes in das königliche Ohr: „Schlechte Nachrichten aus der Küche. Der Kohl ist zur Neige.“ Artus, zornig wie damals am Grenzfluss Malzide, an jener Stelle, die heute noch den Namen Verlorene Brücke trägt, springt auf und schlägt mit dem Edelstein besetzten Pokal auf den Tisch. „Der Kohl ist zur Neige?“ ruft der König laut, mit fragender Stimme. „Was hat das zu sagen?“ „Es gibt keinen Kohl!“ antworten die versammelten Könige, Herzöge und Ritter sogleich.

„Wer, Keie, liefert den Kohl?“ ruft Artus.

Keie hingegen, der so was im Kopf hat, antwortet ohne Zögern: „Das sind folgende sieben: Leusigan vom Kornfeld bei der Wegscheide Misoltis, Salifor mit den rauen Händen aus dem Unwirtlichen Reich mit den drei Heiden, Turlaharz im Langen Weiler, Schlandine die Ungewisse, Herrscherin in der Stadt mit den sieben Toren, Krun ohne Barmherzigkeit in der Stadt Flokenis, Prosidis, Sohn des unfruchtbaren Königs aus Panis und dessen Erbe, und Schampflitrates aus dem Land mit dem Jammervollen Wald - diese sieben, o Artus, sind die sieben Kohllieferanten. Gewähre mir die Gnade und lass sie mich bekriegen.“ So spricht Keie, der Truchsess.

Doch Artus, der König, ruft Merlin, den Zauberer, herbei, er gebietet der raunenden Runde Schweigen und spricht: „Was hast du, Merlin, über diese mir zu berichten?“

Und Merlin, der Zauberer und Prophet, dem es gegeben ist, in die Ferne zu schauen, erhebt seine Stimme und spricht: „Mein König Artus, es steht, wenn ich recht sehe, schlecht um deinen Kohl, denn höre: Leusigan mit dem Beinamen der Eigenwillige veranstaltet gerade an seiner Wegscheide das in Zukunft sehr traditionelle und hoch beliebte Kohltreten von Misoltis; Salifor jedoch wurde von übel meinenden Kollegen (übel meinend dir gegenüber, während es Kollegen von mir sind) vorgemacht, dass Kohl das rechte Mittel gegen seine rauen Hände sei, und in der Tat, muss ich sagen, da liegen sie nicht falsch, denn Kohlblätter, ordentlich gespalten und gesotten, können in dieser Hinsicht Wunder wirken, was ihnen vor allem Januse, die Gattin, danken wird; Turlaharz im Langen Weiler hat vor Jahresfrist Clambode dem Kleinen eine Prinzessin geraubt, und da sein Hof selbst noch klein und erst im Wachsen begriffen ist, müssen die Bauern von den Kohlfeldern ihm in Ermangelung tüchtiger Ritter, beim Erzählen seiner Aventiure Gesellschaft leisten und vergessen dabei die Arbeit am Kohl; Krun ohne Barmherzigkeit kennt keine Barmherzigkeit und hat, nachdem er von deinen königlichen Beschwerden vernommen, den Kohl einfach für sich behalten; Prosidis stellt sich darauf ein, sich zu vermählen und will den Kohl seines Landes servieren bei der Hochzeit in der Neuen Burg, zur Freude seiner Gäste. Alle diese fünf haben sich in schändlicher Weise gegen den arthurischen Brauch der abendlichen Suppe vergangen. Nicht so die Königin Schlandine, deren Stadt von Halamunt dem Hässlichen belagert wird, da sie ihm erst eine Zusage gab auf ehelichen Beischlaf, diese jedoch, nachdem sie seiner ansichtig geworden, wieder zurückzog. Halamunt ist es, der die Kohlfelder der Stadt verwüstet hat, und das ist nun Monate her.“

„Und was“, spricht der König, „ist mit Schampflitrates?“

„Du solltest einen Ritter hinschicken. Die ersten fünf aber, will ich vorher bemerken“, fährt Merlin fort, „sind allesamt von der Einladungsliste zu diesem Fest gestrichen gewesen, du weißt schon warum. Schampflitrates nun, um zu diesem zurückzukehren, kämpft gegen den Drachen im Jammervollen Wald, und dieser fordert den Kohl, du verstehst, zur Anfeuerung seines inneren Feuers. Damit sind alle sieben Fälle geklärt, das Handeln liegt nun an dir“, schließt Merlin seine Rede.

Da erhebt König Artus die Stimme und legt feierlich einen Schwur ab bei der Seele des Vaters Uterpandragon, dass er in zwei Wochen, das sind 14 Tage und die übliche arthurische Frist, mit großem Gefolge aufbrechen werde, um all diese Missstände zu beseitigen, denn das sei ganz eindeutig eine Provokation, spricht der König und verabschiedet sich ins Bett. Die Königin, Ginover, erleichtert für diesmal, ihm nach.

Doch soll dies keine gute Nacht werden, weder für ihn noch wider Erwarten für sie. Denn wie die Suppe beide Beschwerden auf einmal bekämpft, so ruft das Ausbleiben derselben auch beide Beschwerden wieder hervor.

Später, sagt Merlin, wird’s aber wesentlich schlimmer, darum sparen wir hier die Worte und auch den Platz auf dem Pergament, obwohl dessen Preise, wegen des Festes, bei welchem das Innere verspeist wurde, wieder gesunken sind.

König Artus

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