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1.3 Traditionelle Orientierungen gegenüber Sterben und Tod

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Unter die Bezeichnung »Orientierungen gegenüber Sterben und Tod« wollen wir mit KASTENBAUM und AISENBERG (1972, S. 191) alle Gedanken, Gefühle und Handlungen fassen, die sich direkt oder indirekt auf das Sterben bzw. auf den Tod (das eigene Totsein, den Verlust eines anderen Menschen) beziehen. Die in der Frühgeschichte und im Verlauf des Mittelalters vorherrschende Haltung gegenüber Sterben und Tod war die einer gelassenen Fügung in das Unvermeidliche (Ariès 1980; siehe auch Schneider 2005; Walter 1994, S. 47 ff.). Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen. Der Tod war das Ende des irdischen Lebens und zugleich der Beginn einer anderen Seinsform. Sterben und Tod waren nah und vertraut, wurden zugleich aber nicht als persönliches Drama empfunden. Eine analoge Einstellung bestand zu den Toten, zur Grablegung und zu Grabstätten. Der Tod eines Menschen wurde nicht so sehr als das persönliche Schicksal des Einzelnen aufgefasst, sondern in erster Linie als eine Prüfung für die Gemeinschaft, denn es galt, trotz des Verlustes den Fortbestand des Gemeinwesens aufrechtzuhalten. Diese Form des gelassenen, relativ angstfreien Umgangs mit Sterben und Tod bezeichnet ARIÈS (1980) als den »gezähmten Tod«; der mehr oder weniger unausgesprochene Gedanke, der sich damit verband, lautete: »Wir sterben alle.«

Das sozialpsychologische Instrument zur Zähmung des Todes war das Ritual. Allgemein kann man Ritualen die Funktion der psychischen Stablisierung in Belastungssituationen zusprechen – in einer ins Wanken geratenen Welt bietet wenigstens das Ritual die Möglichkeit, jeden weiteren Schritt voraussehen zu können, und damit vermittelt es Orientierung und das Gefühl der Sicherheit. Da Rituale sich stets in Interaktion mit anderen Menschen vollziehen, kommt emotionale Unterstützung durch das Gefühl der Zusammengehörigkeit hinzu. Es handelt sich also um die »Institutionalisierung impliziter und expliziter mythisch-religiöser Sinnsysteme« (Nassehi & Weber 1989, S. 11). Der rituelle Umgang mit dem Tod, zum Beispiel im Abschiedsritual, war einerseits Ausdruck der Vertrautheit mit ihm, bewirkte andererseits aber auch diese Vertrautheit. Der Sterbende inszenierte selbst sein Sterben, und in der Regel fand er in seinen Angehörigen die geeigneten Rollenpartner bzw. Mitspieler. »Vertraute Einfachheit [ist] einer der beiden unabdingbaren Wesenszüge des rituellen Todes« (Ariès 1980, S. 30). So ergibt sich für das Sterben wie auch für den Umgang mit den Toten eine »Mischung von Fühllosigkeit, Resignation, Vertrautheit und Öffentlichkeit« (Ariès 1980, S. 40). Die Religion bot Anleitungen, wie Rituale im Einzelnen zu gestalten seien. Gleichwohl wurde der Tod als Unglück und als Manifestation des Bösen (Erbsünde) angesehen.

Warum der Tod kein Sterben kennt

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