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Der verfluchte Zaun

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In dieser Nacht schlief ich wie ein Stein. Ohne Gefühle, ohne Gedanken, ohne Träume. Die Erinnerung an die Nacht war im Nachhinein nicht vorhanden. Ich legte mich hin, schloss die Augen, öffnete sie und da war er, der neue Morgen, einfach so. Und noch erstaunlicher war die Tatsache, dass ich mit einem Schlag hellwach war und mich überhaupt nicht erschöpft oder geschwächt fühlte. Als wäre ich aus einem Tagelangen Alptraum endlich erwacht, der mich solange terrorisiert hatte, bis ich sogar an meiner Vernunft zweifelte und an meiner geistigen Zurechnungsfähigkeit. Nun hing das alles wie ein schwarzer Schatten in der Vergangenheit, abgespeichert, als ein Hauch von böser Erinnerung, doch ohne den Wunsch, näher darauf einzugehen. Ich blieb eine Weile liegen, starrte an die Decke und ordnete meine Gedanken neu. Mein Entschluss stand noch immer Felsenfest, doch die Art und Weise, auf die man mir zu dieser Erkenntnis verholfen hatte, war mehr als fragwürdig und unangenehm. Diese Folter der Sinne, so hoffte ich, sollte möglichst nicht fortgesetzt werden, auch wenn sie mir wenigstens die Richtung gezeigt hatte, in die ich mich bewegen musste.

Meine Bettdecke von mir werfend sprang ich auf und stellte erleichtert fest, dass mich weder Schwindel noch Migräne überfiel, nur der Hunger warf mich fast um. Meine Vergesslichkeit musste zugenommen haben. In einem Moment am vergangenen Abend hatte mich der Hunger noch gequält und ich hatte gedacht, dass es unaushaltbar sei, noch längere Zeit ohne Essen zu verbringen und im nächsten Moment war der Hunger einfach weg gewesen.

Nun war er zurück und hatte mit ungebändigter Macht zugeschlagen, so dass ich schnellen Schrittes aus dem Zimmer stürzte und mir erst auf der Treppe auffiel, dass ich noch immer vollständig bekleidet war. Sogar meine Schuhe hatte ich noch an, nur die Jacke und den Schal musste ich gestern Abend abgelegt haben. Kurz blieb ich verwundert stehen, feststellend, dass in meinem Gedächtnis eine Lücke klaffte, die ich selbst durch intensives Nachdenken nicht würde schließen können, setzte meinen Weg dann dennoch fort und landete in der Küche. Die Uhr dort zeigte kurz vor Mittag. Madeleine war vermutlich arbeiten und wo Constanze war, interessierte mich im Augenblick nicht. Ich nahm mir soviel wie ich tragen konnte aus dem Kühlschrank und setzte mich mit Teller, Brot und allem, was sonst noch zu einem ordentlichen Frühstück gehörte, an den Küchentisch, faszinierend auf den unverhofften Reichtum an Nahrung blickend, die mir nun plötzlich zur Verfügung stand.

Nachdem ich erfolgreich die Ereignisse der letzten Tage aus meiner Erinnerung verdrängt hatte, konnte ich mich auch endlich ganz meiner Speisenvielfalt widmen, wobei ich das weiße Hemd mit reichlich Marmelade und die schwarze Hose mit erstaunlich viel Milch bekleckerte, doch das verbesserte meine ohnehin schon erstaunlich gute Laune noch. Schließlich bot mir das einen Anlass, wieder in meine eigenen Sachen zu schlüpfen und die mir von meiner Schwester in einem Moment der alles überragenden Schwäche aufgezwungenen endlich abzulegen. Ich nahm mir vor, in der nächsten halben Stunde eine Verwandlung zu durchlaufen, die mich wieder zu meinem alten Ich zurückbringen sollte, dass nicht so sehr an sich selbst zweifelte, sondern eher an seinem Umfeld. Lange hatte ich mich nicht so erleichtert gefühlt, wie an diesem Morgen, denn alle Last der letzten Tage, schien von mir abgefallen zu sein, wie ein Tuch von meinen Augen, dass mir die Klarsicht verwehrt hatte. Das alles machte mich so glücklich, dass ich darüber einige Geschehnisse völlig vergaß, die sich allerdings als wichtig hätten erweisen können. Dieses Vergessen sollte den weiteren Verlauf meiner Geschichte noch bestimmen, doch so etwas lässt sich selbstverständlich immer erst im Nachhinein sagen. In diesem Augenblick war wirklich alles für mich in Ordnung, wäre da nur nicht dieser leichte, eiskalte Hauch von Ahnung gewesen, der sich nicht abschütteln, sondern nur auf unbestimmte Zeit verdrängen ließ. Es war noch nicht vorbei mit meinem Fluch.

Die Kirche suchte ich an diesem Tage tatsächlich auf, und zwar unmittelbar nach dem Frühstück, und nachdem ich mich umgezogen hatte. Das Duschen schob ich auf, denn wenn ich aus der warmen Dusche in die winterliche Kälte getreten wäre, hätte ich vermutlich auf der Stelle alle Körperfunktionen eingestellt und wäre erfroren. Ich fühlte mich zwar unwohl, ungewaschen wie ich nun einmal war, doch daran ließ sich nun einmal im Augenblick nichts ändern.

Eingehüllt in Mantel, Schal und Mütze trat ich schließlich aus dem Haus, nachdem ich mich eingehend mit den drei kleinen Kätzchen beschäftigt hatte. Die drei entwickelten sich großartig und ich war stolz wie ein Vater auf die Kleinen, die wie Kletten an mir klebten, sobald ich in ihrem Blickfeld auftauchte.

Die Sonne war kaum zu sehen, denn der Himmel war fast vollständig mit grauen Wolken bedeckt, die unglaublich ungemütliche Nässe ausstrahlten und schon nach wenigen Metern wusste ich, dass es ein Fehler gewesen war, keinen Regenschirm mitzunehmen. Eigentlich wäre Schnee passender gewesen, denn er hätte meiner Umgebung, ergänzend zu der sibirischen Kälte, einen winterlichen Schimmer gegeben. Im Augenblick wirkten die dreckigen Matschhaufen an den Straßenrändern und die schwarzen Pfützen daneben eher wie der traurige Rest eines nicht zufrieden stellenden Weihnachtsfestes, und dieser Rest schmolz nun bekümmert vor sich hin, um auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Ich blieb vor einer besonders großen und hässlichen Pfütze stehen. Pfützen faszinierten mich seit einem bestimmten Moment im Biologieunterricht, in dem mir meine Biolehrerin einiges über die Bewohner von Pfützen berichtet hatte. Bis dahin hatte ich Pfützen immer für abgestandenes, totes Wasser gehalten, das sinnlos vor sich hin verdunstete und dann irgendwo wieder hinunter regnete. Doch mittlerweile wusste ich von faszinierendem Leben in den Pfützen. Denn dort lebten Geschöpfe, die zwar unheimlich klein, aber irgendwie auch unglaublich interessant waren, nämlich Pantoffeltierchen. Diese Pantoffeltierchen begleiten einen Schüler oft bis zum Abitur, denn sie werden immer wieder einmal als Beispiel für irgendetwas im Unterricht herangezogen. Das Interessante an Pantoffeltierchen war für mich, das mehrere Arten von ihnen in derselben Pfütze leben konnten, ohne sich gegenseitig auszulöschen. Das funktionierte, weil die eine Pantoffeltierchenart das Wasser an der Oberfläche bevorzugte und eine andere beispielsweise das Wasser weiter unten. Deshalb kamen sie sich nicht in die Quere. Ich stellte mir vor, dass es sich so auch mit meinem wirklichen Leben verhalten musste. Es war zwar ganz nah an meinem jetzigen dran, aber ich erkannte es nicht, weil ich es nicht sah. Und wie einem Pantoffeltierchen war es auch mir im Augenblick unmöglich, meinen Lebensraum zu verlassen und in einen anderen hineinzuschnuppern, da ich von meinem jetzigen abhängig war. Es bestanden also einige Parallelen zwischen mir und diesen putzigen kleinen Einzellern. Ich betrachtete die Pfütze lange und eingehend, bis mir ein vorbeifahrendes Auto das Pfützenwasser ins Gesicht und auf den Mantel spritze. Ich schüttelte den Kopf über soviel Unachtsamkeit. Damit waren die Lebensräume der Pantoffeltierchen vielleicht zerstört, aber auf jeden Fall ziemlich durcheinander. Wenn es so einfach war, mehrere Lebensräume zu vermischen, dann fragte ich mich, wie es kam, dass ich meinen eigenen noch nicht gefunden hatte. Aber wahrscheinlich passierte so etwas nicht allzu häufig, weshalb ich meinen Weg mit der Hoffnung fortsetzte, das ich in nächster Zeit durch einen solchen Zufall nach Hause finden würde. Leider war diese Hoffnung nur sehr schwach, denn sie basierte auf einer verwegenen Theorie, die sich Pfützenbewohner als Beispiel nahm. Darauf konnte man nicht bauen. Selbst ich nicht.

Ich hatte mir das kalte Wasser, und mit ihm vielleicht kleine, verwunderte Tierchen, aus meinem Gesicht gewischt, und das dazu verwendete Papiertaschentuch in die nächste Pfütze geworfen, damit meine kleinen Freunde, sofern sie denn die Achterbahnfahrt von der Pfütze in mein Gesicht und von meinem Gesicht ins Taschentuch überlebt hatten, eine Chance hatten, sich ein neues Leben bei anderen Artgenossen aufzubauen, in einem ähnlichen Lebensraum. Schließlich hatte ich diese Chance auch erhalten, dann wollte ich sie auch anderen ermöglichen. Auch wenn es bei mir bis jetzt noch nicht so gut geklappt hatte mit der Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Ich machte mir keine Illusionen, dass diese Tat, so christlich sie auch sein mochte, irgendeinen Sinn hatte, zumal ich durch das weggeworfene Taschentuch schließlich auch noch die Umwelt verschmutzt hatte, aber ich fühlte mich doch wie ein guter Mensch, als ich an den folgenden Pfützen vorbeiging und mir die Mütze noch tiefer ins Gesicht zog. Der eisige Wind machte mir das Denken fast unmöglich. Wenn es jetzt noch regnete, was die dunklen Wolken leider Gottes zu verkünden schienen, dann wäre es um mich geschehen, oder zumindest um meine Gesundheit. Denn dann könnte ich den Erkältungstee wirklich gebrauchen und ich könnte mich trotz der neu gewonnenen Energie gleich wieder ins Bett legen, wenn ich nach Hause käme. Natürlich erschien es mir viel kälter, als es eigentlich war, denn sonst wären die Pfützen sicherlich gefroren und statt Regen würde höchstens Schnee fallen, wenn überhaupt. Aber ich neigte ja zu einem Frostbeulen-Dasein, das ich nicht so einfach überwinden und abstellen konnte, auch nicht durch einen ungläubigen Blick auf das Thermometer.

Aus Angst vor dem Regen beschleunigte ich also meine Schritte und eilte, so schnell, wie es der rutschige Bürgersteig erlaubte, in Richtung Kirche. Dabei schickte ich ein stummes Stoßgebet gen Himmel, dass die Tür nicht verschlossen sein möge, denn auch Kirchen wurden manchmal verschlossen, um sie vor Dieben oder Randalierern zu schützen, obwohl sie den Gläubigen eigentlich immer offen stehen sollten, wie ich fand. Eine Kirche mit geschlossenen Türen war für mich ein Widerspruch in sich, aber wahrscheinlich musste es so sein. Es fehlte den Menschen einfach am Respekt für die Religion.

Ich kürzte den Weg ab, indem ich über einen voll geparkten Parkplatz rannte und dann schnell einen relativ hohen Maschendrahtzaun überqueren wollte, was mir aber nicht ohne weiteres gelang. Nachdem ich nämlich an der einen Seite hochgeklettert war und hinüber stieg, rutschte ich mit meinen nassen Gummisohlen auf dem glitschigen Draht aus, verlor das Gleichgewicht und landete auf dem Bürgersteig auf der anderen Seite, gegenüber der Kirche. Vermutlich waren nicht nur die Gummisohlen schuld, sondern auch meine strikte Vernachlässigung sportlicher Betätigung, die mich ungeschickter denn je machte. Ganz zu schweigen davon, dass ich mit dem Überklettern von Zäunen nicht viel Erfahrung hatte, ja ich konnte mich nicht einmal daran erinnern, einen Zaun dieser Größenordnung erklommen zu haben. Das konnte ja nicht gut gehen. Eine Weile blieb ich verwundert liegen und hielt die Augen geschlossen. Ich war auf meinen linken Arm gefallen, Schmerz spürte ich allerdings nicht. Als ich die Augen öffnete und mich aufrappelte, registrierte ich mehrere interessierte Beobachter, die mich von einer gewissen Distanz her observierten, als wäre ich eine dreiköpfige Heuschrecke. Helft mir bloß nicht, dachte ich und bedachte die Gaffer mit einem vorwurfsvollen Blick, die daraufhin weitergingen, und sich nicht mehr umschauten. Ich stützte mich auf den rechten Arm und setzte mich hin. So etwas Unhöfliches! Es gingen einfach alle vorbei, ohne dass sich einer nach meinem Befinden erkundigt hatte. Ich war enttäuscht und wirklich in meinen Grundwerten erschüttert. Wer hatte noch gleich gesagt, die Welt sei ein großes Irrenhaus? Auf jeden Fall stimmte ich ihm zu. Während ich meine aufgeratschte linke Handfläche genau studierte, zog ich mit der rechten ein sauberes Taschentuch aus meiner Jackentasche und tupfte damit vorsichtig das Blut ab. Der Schmerz, den ich soeben vermisst hatte, war nun da, allerdings nicht sehr stark. Es hätte schlimmer sein können. Vielleicht war der Arm aber auch nur betäubt. Im Sportunterricht hatte ich einmal einen Hockey-Schläger ins Gesicht bekommen, und obwohl meine Lippe aufgeplatzt war und blutete und meine linke Wange anschwoll und sich blau verfärbte, hatte ich nur ein taubes Gefühl darin, wie nach einer Spritze beim Zahnarzt (eklige Assoziation). Ich verwarf den Gedanken, denn etwas anderes zog meine Aufmerksamkeit auf sich.

Nun fing es nämlich leider doch noch an zu regnen, und zwar so sehr, dass ich auf einen Schlag klatschnass war. Ich musste mich direkt im Zentrum der großen, schwarzen Wolke platziert haben, die wohl mit ihren Tropfen genau auf mich zielte. Verwünschungen murmelnd zog ich mich am Drahtzaun hoch und rannte schnell über die Straße, den linken Arm an den Körper gepresst. Rennen war auch so eine Sache. Von wegen Kondition.

Vor der Kirchentür angekommen, warf ich einen gequälten Blick gen Himmel, der wohl ausdrücken sollte, wenn Du mich schon vom Zaun fallen und nass werden lässt, dann lass mich nun wenigstens in Dein Haus! Das war ja wohl nicht zu viel verlangt.

Ich drückte die kühle Messingklinke in Form eines Fisches nach unten und schob mit einem leisen Ausruf der Erleichterung die massive Holztür auf. Drinnen war es dunkel und still, bis auf das Geräusch des Regens, der auf das Dach trommelte. Einige Kerzen erhellten den Innenraum und wenige Leuchter, die von der Decke hingen, verbreiteten spärliches künstliches Licht. Die Kerzen gruppierten sich vorne um den Altar, so schloss ich die Tür hinter mir und ging bedächtigen Schrittes den Gang entlang. Die schönen bunten Fenster ließen nur an äußerst sonnigen Tagen genug Licht durch, um die Kirche zu erhellen, und da draußen gerade die zweite Sintflut tobte und der Himmel beinahe schwarz war vor Regenwolken war, hätte es genauso gut Nacht sein können. Aber ich genoss das Zwielicht, denn ich fand, dass es zu der ausgeglichenen und feierlichen Stimmung dieser Kirche passte, die zwar nicht besonders groß war, aber in gewisser Weise doch die Gegenwart Gottes verdeutlichte, die ich in diesem Augenblick spüren wollte. Sicher war Gott überall allgegenwärtig, doch für mich reichte dieser Glauben im Moment nicht, denn ich wollte jetzt, dass Gott mir zuhörte und mir, wenn möglich, auch noch antwortete.

Ich ließ also den Blick durch die Kirche schweifen und nachdem ich mich vergewissert hatte, dass kein anderer Mensch anwesend war, setzte ich mich auf die erste Bank und legte meine Jacke ab, die mich, da sie selbst nass war, nicht wärmen konnte. Nun warf ich erst einmal einen Blick auf meinen linken Arm, indem ich den Ärmel meines Pullovers vorsichtig hochschob und die leicht bläuliche Schwellung betrachtete, die sich von meinem Ellbogen bis zum Handgelenk erstreckte. Immerhin ist die Hand nicht gebrochen, dachte der unerschütterliche Optimist in mir, während der Pessimist meine Dummheit verfluchte, über einen hohen, nassen Drahtzaun geklettert zu sein, was zu allem Überfluss auch noch verboten war. Zusätzlich musste ich nun auch noch die Zähne zusammenbeißen und den Schmerz ignorieren.

Madeleine hatte gewiss eine Salbe, und sicherlich würde sie mich auch gern verarzten, wenn ich nach Hause zurück käme, doch in diesem Augenblick ging es mir um mein geistiges Wohl, nicht um das körperliche. Im Zweifelsfalle musste der Körper bei mir immer warten. Ich zog meinen Ärmel also langsam wieder herunter und richtete meinen Blick auf den Altar, der das Leben Jesu in mehreren Bildern darstellte, angefangen mit der Geburt, beendet mit der Auferstehung und dem Auffahren in den Himmel. In der Mitte war auf dem größten Bild, um das sich alle anderen versammelten, die Kreuzigung dargestellt. Das fand ich traurig. Ich hätte dort stattdessen die Auferstehung dargestellt. Gekreuzigt wurden schließlich viele, da war ja an sich nichts Besonderes daran. Der Jesus am Kreuz blickte aus traurigen Augen zu mir hinunter. Du warst auch in der falschen Geschichte, dachte ich. Ihn hatte man auch in ein Leben gesteckt, dass eigentlich gar nicht seines war. Ich fühlte mich ihm in gewisser Weise verbunden. Aber er hatte es schließlich schon hinter sich und es hatte auch noch einem guten Zweck gedient. Mein Leid war sinnlos.

Jetzt wendete ich mich an Gott, zu Beginn noch mit leiser zittriger Stimme, da es mir wenig vertraut erschien, meine Stimme mit so viel Hall zu hören, dass sie völlig fremd wirkte, doch nach einigen Sätzen festigte sie sich und wurde lauter und deutlicher. Jetzt musste Gott mir einfach zuhören. Ich erzählte also alles, was ich von mir wusste, erzählte ausführlich von meinem Problem und davon, nicht zu wissen, wo ich hingehörte und ich erzählte von meiner Pflegefamilie, die ich zwar tolerierte, aber in die ich einfach nicht gehörte. Schließlich berichtete ich von meinen merkwürdigen Kopfschmerzen, von den Träumen und von der Schwäche, die mich nun schon einige Male heimgesucht hatte. Ich endete mit der Bitte, Gott möge sich doch auch dazu äußern, was Er davon hielte, denn Er habe ja immerhin den Überblick und müsse wissen, wie man mein Problem lösen könnte. Mit mehr Essen und etwas mehr gesellschaftlichem Umgang war es sicherlich nicht getan.

Als meine Stimme in der Kirche verhallte, machte sich Stille breit und ich wartete. Ich wartete auf eine Antwort, egal in welcher Form, völlig gleich, was sie beinhaltete.

Der Schmerz in meinem Arm pochte ungeduldig, doch ich zog es vor zu schweigen und es Gott zu überlassen, wann Er antwortete und ob Er überhaupt antworten wollte. Immerhin hatte Er mir zugehört, mehr konnte ich eigentlich nicht von einem so viel Beschäftigen erwarten. Trotzdem hoffte ich auf eine Antwort, die mir wenigstens einen Wink geben könnte, in welche Richtung ich als nächstes gehen sollte und ob meine Entscheidung, die Familie zu verlassen und in ferne Lande zu ziehen richtig war. Doch die Stille blieb. Keine mächtige Stimme erfüllte plötzlich den Raum, keine Taube kam aus dem Nichts und flog über meinen Kopf, nur die Kerzen flackerten leise und stumm, als wenn auch sie keine Antwort wüssten.

Während ich noch wartend verharrte und auf den armen Jesus starrte, der jetzt noch trauriger und verlassener wirkte als vorher (mochte wohl am Zwielicht liegen), hörte ich plötzlich Schritte, die den Gang entlang hallten und immer näher kamen, bis sie plötzlich neben mir verstummten. Der Pfarrer setzte sich neben mich auf die Bank, den Blick ebenfalls nach vorn auf den leidenden Christus gerichtet. „Manchmal braucht Er lange, bis Er antwortet.“, sagte er leise und sanft, wie ein Hirte zu seinen Tieren spricht, um sie zu beruhigen. „Manchmal verstehen wir auch erst nach vielen Jahren, dass Er damals geantwortet hat, weil Er uns nie direkt seine Antwort wissen lässt. Wir müssen die Augen danach offen halten. “ Ich nickte, schwieg aber. Ob der Pfarrer mir wohl zugehört hatte? Natürlich hatte er das, er musste jedes Wort von der Empore aus gehört haben.

„Aber antworten tut Er immer, darauf kann man sich verlassen, du musst nur etwas Geduld haben.“ Wieder Schweigen. Ich zitterte vor Kälte. Die Wärme war gewichen und meine nasse Kleidung tat nun das Übrige um mich frieren zu lassen.

„Ich weiß nicht, was ich tun soll“, murmelte ich leise, mehr zu mir selbst, als zu dem Pfarrer, doch dieser nickte verständnisvoll und drehte seinen Kopf in meine Richtung, bis er mich direkt ansah. „Du wirst es bald erfahren.“ Ich sah ihn ungläubig an. Woher wollte er das wissen? Konnte er mehr über mich wissen, als ich selbst? War das möglich? Oder war das nur so ein Spruch, mit dem er mich beruhigen wollte? Ich beschloss, es einfach erst einmal so hinzunehmen. Mir ging es nicht besonders gut.

„Ich möchte nach Hause“, flüsterte ich, kaum hörbar. Und obwohl ich nicht genauer definierte, welches Zuhause ich meinte, antwortete der Pfarrer: „Du wirst es finden, du wirst es schon bald finden.“ Da ahnte ich, dass ich meine Antwort erhalten hatte. Gottes Wege sind eben doch nicht immer unergründlich. „Was muss ich tun?“, fragte ich den Pfarrer gespannt, doch dieser lächelte nur geheimnisvoll und sagte: „Abwarten.“

Na gut, dachte ich, dann werde ich warten. Warum auch nicht. Wahrscheinlich löst sich tatsächlich alles von allein. Eine erstaunliche Ruhe breitete sich in mir aus. Ich war plötzlich ganz entspannt. Eine Weile saßen wir noch nebeneinander und betrachteten den Altar, jeder für sich und jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend. Dann stand ich auf, zog vorsichtig meine Jacke an. „Danke“, sagte ich, was sowohl dem Pfarrer, als auch Gott galt. „Leg dich am besten gleich ins Bett, damit du nicht ernstlich krank wirst“, murmelte der Pfarrer. „Und gib acht auf deinen Arm“, rief er mir hinterher, als ich schon ein gutes Stück in Richtung Ausgang gegangen war. Ich lächelte, drehte mich aber nicht mehr um. Gewiss würde ich nicht noch einmal über diesen Zaun klettern, soviel stand fest.

Draußen regnete es kaum noch, nur wenige, feine Tröpfchen stürzten sich auf die Erde. Selbst wenn es stärker geregnet hätte, wäre es egal gewesen, denn ich war schließlich schon nass. Klitschnass. Der Himmel war noch immer grau und verhangen, doch ich warf keinen Blick hinauf, sondern schlenderte langsam und gelassen am Zaun vorbei und um den großen Parkplatz herum, der nun nicht mehr so voll war. Die Mittagszeit war vorbei, die Autobesitzer waren wieder an ihrer Arbeitsstellte und wartenden auf den Feierabend. Ich aber hatte Zeit. Ich musste warten. Auf meinem Weg betrachtete ich eingehend den Inhalt der Schaufenster, die noch weihnachtlich dekoriert waren, und blieb sogar das ein oder andere Mal stehen. Aber ich betrat kein einziges Geschäft. Das Einkaufen lag mir nicht. Aber trotzdem erwischte ich mich manchmal dabei, wie ich lange vor einem Schaufenster stand und mir die ausgestellten Dinge bewundernd ansah.

Das Pochen in meinem Arm hatte nachgelassen, doch ich spürte die starke Schwellung und wagte gar nicht nachzusehen, welche Farben mein Arm mittlerweile angenommen hatte. Wahrscheinlich war er mittlerweile gar nicht mehr als Arm erkennbar.

Als ich mein Ziel erreichte und die Haustür aufschloss, schlug mir angenehme Wärme und der Duft von frisch gebackenem Apfelkuchen entgegen. Ich zog meine Schuhe aus, hängte Jacke, Mütze und Schal zum trocknen über die Heizung und ging dann durch den Flur zur Treppe, um mich umzuziehen.

„Ben, bist du das?“, hörte ich plötzlich Madeleines Stimme aus der Küche. Gleich darauf trat sie in den Flur mit einem Handtuch in der Hand. „Wo warst du?“, fragte sie und musterte meine nasse Kleidung. „Ich war in der Kirche“, antwortete ich, nicht bereit, mehr zu erzählen. Madeleine fragte sich wohl einen Augenblick, warum ich denn gerade heute da gewesen sei, wo doch gar kein Gottesdienst war, doch sie wusste, dass sie es vermutlich nicht aus mir herausbringen konnte. Wenn ich es hätte erzählen wollen, hätte ich es sicher schon getan. Dafür kannte sie mich gut genug.

Ich drehte mich herum und ging nach oben in mein Zimmer. Eigentlich wollte ich Madeleine die Geschichte mit dem Zaun nicht unbedingt erzählen. Vielleicht sollte ich einfach sagen, ich sei gestolpert. Doch im lügen war ich nicht besonders gut. Ich hätte mich verhaspelt und dann hätte ich schließlich doch die Wahrheit sagen müssen. Das wäre dann umso schlimmer gewesen.

Nachdem ich mich umgezogen hatte, hängte ich mir einen Pullover über den Arm und ging im T-Shirt hinunter, denn wenn Madeleine den Arm verarzten wollte, wäre der Pullover sicher nur hinderlich.

Ich hatte mich noch nicht getraut, ihn anzusehen und vermied auch jetzt, auf meinem Weg nach unten, jeden Blick in diese Richtung. Wenn er so aussah, wie er sich anfühlte, konnte ich auf den Anblick gut verzichten.

Madeleine war nun im Wohnzimmer und deckte den Tisch zum Kaffeetrinken. Der warme Apfelkuchen stand bereits auf dem Tisch. Ich setzte mich auf das Sofa und wartete, bis Madeleine sich umdrehte, um Teller aus der Küche zu holen. „Ich bin vom Zaun gefallen.“, sagte ich dann, und bevor Madeleine etwas antworten konnte fuhr ich fort: „Dabei bin ich auf meinem linken Arm gelandet. Ich wollte den Weg zur Kirche abkürzen, weil ich nicht nass werden wollte und da bin ich über den großen Drahtzaun geklettert und abgerutscht.“, ich streckte ihr den geschwollenen linken Unterarm entgegen, in der Hoffnung, dass sie über diesen Anblick vergaß, dass es verboten war, über diesen Zaun zu klettern. Das erwies sich als gute Taktik.

Tatsächlich setzte sie sich erst einmal neben mich und zog den Arm zu sich heran. Jetzt riskierte auch ich einen Blick. Von meiner aufgeratschten Handfläche an, bis zu dem äußerst blauen und angeschwollenen Ellbogen, strahlte mein Unterarm in allen möglichen Farbabstufungen von gelb über grün zu blau, bis zu einem besonders dunklen Violett.

Darüber hinaus war er so sehr angeschwollen, dass er fast nichts Menschliches mehr an sich hatte. Ein bunter Klumpen Schmerz. Madeleine schluckte eine Bemerkung herunter, in Anbetracht dieses Anblicks und verschwand im Bad. Ich ließ mich zurücksinken und starrte an die Decke. Hoffentlich schickte sie mich nicht zum Arzt.

Nach einer Weile kam sie wieder, mit einer dicken Tube Salbe und mehreren Mullverbänden. Doch bevor sie die Salbe auftrug, tastete sie auf sehr unangenehme Weise meinen Knochen ab, um sicher zu gehen, dass nichts gebrochen war. Das alles tat sie mit dem gleichgültigen Blick einer Mutter, die viele Jahre Krankenschwester gewesen war, und der solche Verletzungen, besonders bei Schuljungen, die gern Fußball spielten, sehr vertraut waren. Ich wusste, dass ich keine Gnade zu erwarten hatte, und biss stattdessen die Zähne zusammen. Um nicht zu Arzt zu müssen, würde ich beinahe alles über mich ergehen lassen.

„Eigentlich müsstest du zum Arzt“, sagte Madeleine und ich stöhnte hörbar. Immer dieser Arzt, der mit seinem Herumgequetsche alles nur noch schlimmer machte, als vorher. Darauf konnte ich gut verzichten. „Ich bin mir nicht sicher, ob er gebrochen ist. Wir müssen ihn röntgen lassen.“, sagte Madeleine und schmierte mit großer Sorgfalt eine dickte Schicht angenehm kühlende Salbe auf meinen Arm, den sie danach mit schnellen, geübten Bewegungen verband. „Sonst hast du dir nirgends weh getan?“, fragte sie und betrachtete mich mit einem Blick, der jede Lüge sofort erkannt hätte. Ich schüttelte den Kopf und fügte hinzu, dass sonst alles in Ordnung sei. Dabei verdrängte ich, dass ich mich gewiss erkältet hatte. Das wusste meine Mutter mit Sicherheit selbst, hielt mich aber für alt und vernünftig genug, um zu entscheiden, was ich in einer solchen Situation zu tun hatte.

„Am besten fahre ich dich jetzt erst einmal zum Arzt“, sagte Madeleine, stand auf und holte ihre Jacke und die Autoschlüssel. Ich bewegte mich nicht und schaltete auf stur. Sie wusste doch genau, wie sehr ich den Arzt verabscheute. Leider zwang sie mich doch dazu, mitzukommen. Sie erzählte mir auf der Fahrt dorthin furchtbare Geschichten, von Menschen, die sich etwas gebrochen hatten, und danach war der Knochen schräg zusammengewachsen. Der musste dann wieder gebrochen und gerichtet werden. Ich schauderte, wie immer, wenn sie Geschichten aus ihrer Zeit im Krankenhaus erzählte. Ich hatte Angst, dass mir so etwas auch passierte, aber genau darauf hatte sie es mit ihren Geschichten ja angelegt. Trotzdem war mir nicht wohl bei dem Gedanken, zum Arzt zu fahren.

Leider waren wir schon nach wenigen Minuten da. Das Wartezimmer war vollkommen überfüllt und wir hatten keinen Termin. Da saßen Mütter mit ihren Kindern, die so aussahen, als wären sie mehr als einmal von dem Baum im Garten gefallen. Auch Erwachsene waren da, die irgendein Körperteil in Gips hatten und gelangweilt vor sich hinstarrten. So ein Wartezimmer war meistens bis zum Bersten gefüllt mit Langeweile, die einem schon an der Rezeption entgegen strömte. Dazu noch der Geruch von Krankheit und Elend. Wirklich fürchterlich. Wenigstens saßen wir hier in der Abteilung für Knochenverletzungen und nicht dort, wo einen von allen Seiten Menschen mit starker Erkältung anhusteten und anniesten. In diesen Wartezimmern wurde man dann garantiert richtig krank, wenn man es vorher noch nicht gewesen war. Da lobte ich mir doch den Tierarzt.

Natürlich dauerte es auch dementsprechend lange, bis ich endlich zum Arzt gerufen wurde. In der Zeit hatte Madeleine alle Zeitschriften auf dem Tischchen in der Mitte durchgeblättert und ich hatte alle Flecken und Risse an den Wänden genau studiert und untersucht, weil Zeitschriften mich nicht interessierten. Da blieben mir nur die Patienten und die Wände zur Auswahl. Ich hatte mich für die Wände entschieden, weil die nicht so gereizt reagieren, wenn man sie die ganze Zeit anstarrte. Patienten werden dann in der Regel ungehalten.

In regelmäßigen Abständen warf ich meinem Arm böse Blicke zu, der immer noch pochte und sich gar nicht beruhigen wollte. Ich sah schwarz für ihn, vermutlich musste er in Gips. Und alles nur wegen dieses dummen Zaunes.

Als ich nun endlich zum Arzt kam, warf dieser einen Blick auf meinen Arm, sagte: „Oh weiha“, und schickte mich zum Röntgen nach nebenan, wo ich wieder eine halbe Stunde warten musste, bis ich meinen Arm endlich durchleuchten, fotografieren lassen und wieder zum Arzt bringen durfte. So konnte man seinen Tag auch verbringen. Der betrachtete dann lange mit erstem Blick mein Röntgenbild und eröffnete mir anschließend mit Grabesstimme, mein Arm sei nicht gebrochen, ich hätte noch einmal Glück gehabt und eine Krankenschwester würde mich verarzten. Als ich endlich wieder zu Hause ankam fühlte ich mich unglaublich schlecht und müde. Man hatte mir Schmerztabletten mitgegeben, mein Arm lag in einer Schlinge, aber immerhin nicht in Gips. Ich sollte jeden Tag eine bestimmte Salbe auf ihn auftragen und ihn neu verbinden. Natürlich müsse ich ihn auch schonen. Das war alles, das hätte ich mir auch selbst denken können. Dafür hatte ich nun den ganzen Nachmittag fern meines Bettes verbracht, obwohl sich meine Erkältung schon meldete.

„Ich leg mich jetzt ins Bett“, nuschelte ich und verzog mich nach oben, als wir in Flur unsere Jacken aufhängten. „Dann bring ich dir nachher ein Stück Kuchen und Tee“, rief Madeleine mir hinterher, als ich schon auf der Treppe war. Erkältungstee, dachte ich und verzog mein Gesicht.

Unterwegs sammelte ich meine drei Kätzchen ein, die im Flur mit den Fransen des Teppichs spielten. Ein bisschen Gesellschaft würde mir jetzt sicherlich gut tun. Oben in meinem Zimmer legte ich mich ins Bett und die Kätzchen auf meinen Bauch. Dabei gab ich aber Acht darauf, dass die drei nicht an meinen linken Arm kamen. Immerhin halfen die Tabletten ein wenig.

Außer mir und den Kätzchen saßen in meinem Bett mehrere Stofftiere, die alle Namen hatten, und mich schon als wirkliche Freunde seit meiner frühen Kindheit begleiteten. Niemals würde ich eins von ihnen hergeben.

Kleine Katzen finden große Stofftiere mit Fell und Ohren, in die sie hineinbeißen können, unheimlich interessant. Sie balgten sich mit den großen, haarigen Wesen, zupften Watte heraus und kauten an ihren Nasen. So spielte ich immer noch mit den Kätzchen, als Madeleine mit Kuchen und Tee hereinkam. Sofort stieg mir der abscheuliche Geruch des Erkältungstees in die Nase, und meine Nackenhaare sträubten sich.

Madeleine stellte die Tasse und den Teller auf den Nachttisch und setzte sich zu mir auf die Bettkante. Ich spielte weiter unbeirrt mit den Kätzchen, spürte aber den Blick meiner Pflegemutter und wartete geduldig. Wahrscheinlich wollte sie reden. Sie wollte immer reden, aber ich wollte es nicht. Sie wollte immer wissen, was mich bedrückte, warum ich nur in mir selbst lebte, und meine Gedanken mit niemandem teilte. Ich wollte nicht. Ich wollte nicht, dass jemand anderes über mich Bescheid wusste, nur Gott und der Pfarrer waren eingeweiht. Und die würden sicherlich dicht halten.

„Ich habe einen Termin für dich gemacht, beim Psychologen.“ Ich sah auf. Damit hatte sie schon öfter gedroht, aber dass sie es tatsächlich machen würde, hatte ich nicht erwartet. Sie ignorierte meinen erstaunten Blick. „Morgen früh, um Zehn. Ich fahre dich hin.“ Sie ging also auf Nummer Sicher, damit ich nicht auf halbem Wege kehrt machte. Ich starrte sie immer noch an, fassungslos. Ich verstand wohl, dass sie sich um mich sorgte, und ich verstand auch, dass es ihr Angst machte, dass ich nie mit irgendjemandem über meine Probleme sprach, und dass diese Verschlossenheit, je älter ich wurde, auch noch zunahm. Doch ich verstand überhaupt nicht, was sie sich von einem Gespräch mit diesem Psychologen versprach. Vielleicht glaubte sie, es läge an ihr, dass ich nicht sprechen wollte, vielleicht glaubte sie, der Psychologe würde etwas ändern. Ich wusste, dass niemand etwas ändern konnte, doch ich sagte nichts. Ich schwieg nur und streichelte Figaro, der auf meinem Bauch saß und den Kuchen fixierte und belauerte.

„Wenn du es willst, dann geh ich dahin“, sagte ich und registrierte Erleichterung in Madeleines Augen. Ich wollte sie schließlich nicht verärgern oder noch mehr traurig machen, indem ich ein Gespräch mit diesem Menschen ablehnte. Ich musste ihm ja nichts erzählen. Gott wusste Bescheid, das musste reichen. Wenn selbst die höchste Instanz keinen Rat wusste, hatte dieser Psychologe erst recht keine Chance. Ich schwieg aber beharrlich. Das waren meine eigenen Gedanken.

Nachdem Madeleine das Zimmer verlassen hatte, stand ich auf, nahm die Tasse mit dem Erkältungstee und kippte sie in eine meiner Topfpflanzen auf der Fensterbank. Ich fürchtete nicht, dass sie eingehen könnte, denn sie hatte auf den Tee noch nie negativ reagiert, und das, obwohl sie ihn im Winter relativ oft zu schmecken bekam. Ich betrachtete das grüne Gewächs eine Weile und legte mich dann zurück ins Bett. Mein Kopf fühlte sich heiß an, doch ich wusste, dass es kein Fieber war, sondern nur der ganz normale Vorgeschmack auf eine fiese Erkältung, die einen zwar nicht schwer krank machte, aber unfähig, irgendetwas konzentriert zu tun.

Deshalb hatte ich auch keine Lust zu lesen. Während Felicitas und Balthasar in einer Ecke des Bettes mit dem Deckenzipfel spielten, hatte Figaro sich auf meinem Bauch zusammengerollt, starrte mich aber aus tief blauen Babyaugen an. Als würde er etwas erwarten.

Der warme Apfelkuchen strömte einen angenehmen Duft aus, dem ich mich bald nicht mehr entziehen konnte, doch kaum hatte ich den Teller in der Hand, als ich mich schon umringt von drei kleinen, immer hungrigen Mäulern sah, die den Kuchen hypnotisierten, als wäre er Beute. Es dauerte nicht lange, bis wir zu viert den Kuchen aufgegessen und in still schweigendem Einverständnis beschlossen hatten, zu dösen. Eigentlich war ich nicht müde und erschöpft fühlte ich mich auch nicht, nur nicht so ganz wohl. Ich lag auf dem Rücken und starrte meine Augenlieder von innen an, ein angenehmes Dunkelrot, durchzogen von vielen kleinen Lichtblitzen.

Als ich meine Zimmertür aufgehen hörte, öffnete ich sie langsam und erblickte Bernhard, der wohl auch seinen Teil zur Krankenpflege beitragen wollte. Heuchler, dachte ich, da ich genau wusste, dass ich ihn nicht im Mindesten interessierte. Es ging ihm einzig und allein um Madeleine. Er kam auf uns vier Dösende zu, kraulte die Kätzchen nacheinander hinter den Öhrchen und strich in väterlicher Manier schließlich auch mir einmal durch die wirren Haare. „Du müsstest mal zum Friseur“, sagte er und grinste. Bei mir kam der Friseur sogar noch vor dem Arzt, was meine Abneigung an Besuchen betraf. Bernhard zog den Schreibtischstuhl neben das Bett und setzte sich darauf, er nistete sich hier ein, plante wohl ein längeres Gespräch. Ich wusste, dass es nicht Bernhards Art war, mich auszufragen, so wie Madeleine es oft versuchte. Damit hatte man bei mir eben keinen Erfolg. Was wollte er denn nun? Sich bei mir einschmeicheln? Hatte Madeleine ihn gebeten, etwas Nettes zu mir zu sagen? Als wenn ich das aus seinem Munde glauben könnte.

„Ich glaube, sie übertreibt ein bisschen mit dem Psychologen“, meinte Bernhard und fuhr fort: „Aber sie macht sich eben Sorgen. Ich habe in deinem Alter auch nicht viel mit meinen Eltern gesprochen, das tut man eben nicht.“ Er schwieg eine Weile, als warte er auf eine Bestätigung. Ich starrte nur durch ihn hindurch. „Es ist nur so, dass du wirklich gar nichts erzählst. Nichts von der Schule. Oder von Freunden. Und wir sehen, dass dich etwas bedrückt, kriegen aber nicht heraus was es ist.“

Ich starrte Bernhard an. Dieser unmissverständliche Appell hatte irgendwie den Drang in mir geweckt, mich zu verteidigen.

„In der Schule ist es immer gleich“, murmelte ich und begann Figaro intensiv zu streicheln. „Und Freunde brauche ich nicht. Was soll ich da denn erzählen?“ Bewusst verzichtete ich auf die Stellungnahme zu Bernhards letzten und wichtigsten Aspekt. Bernhard starrte mich an. „Ist es ein Mädchen?“, fragte er, als wäre das das einzige Problem, dass er sich für einen siebzehnjährigen Jungen vorstellen könnte. Ich sah ihn ungläubig an, erwiderte aber nichts. Sollte er das doch glauben, wenn er fand, dass das ein angemessener Grund war, Gespräche mit seinen Eltern zu verweigern. Ich würde ihm da nicht widersprechen, vielleicht beruhigte ihn das ja. Ich wendete seinen Blick zur Decke. Das Gespräch war für mich beendet. „Mein Gott, Benvolio! Ich habe wirklich alles versucht, Madeleine zur Liebe, um dich in diese Familie zu integrieren und dir eine zweite Chance zu geben. Aber du willst sie ja nicht. Du hast es ja nicht nötig dich dafür dankbar zu zeigen. Du hast diese Familie überhaupt nicht verdient!“

Bernhard seufzte und verließ das Zimmer. Die Tür schlug er hinter sich zu, wie nach einem Streit. Ich zuckte bei dem unerwarteten Knall zusammen. Wieso ließen sie mich nicht einfach so, wie ich war? War ich so unausstehlich, dass man mich unbedingt ändern musste?

Der Wecker, eine scheußliche Erfindung, klingelte um halb neun. Der durchdringende Piepton riss mich aus halbwegs angenehmen Träumen und war geradezu haarsträubend motiviert dazu, mich zum Aufstehen zu bewegen. Fluchend versenkte ich meinen Kopf im Kissen und versuchte das aufdringliche Piepen zu überhören. Es war aber unmöglich. Ich hätte Lärmschutzwälle errichten oder mich sonst wie von dem Foltergerät abschirmen müssen, um dessen Weckruf zu entgehen. Schließlich gab ich doch nach, da ich begriff, dass ich gegen diese Form der modernen Technik nicht gewinnen konnte, und schaltete den Wecker aus. Draußen war es tief grau, doch es regnete nicht. Immerhin ein Fortschritt. Von Regen hatte ich auch wirklich die Nase voll. Ein Blick aufs Thermometer zeigte mir, dass es noch viel kälter war, als gestern. Also vermutlich auf dem Thermometer -1 Grad und gefühlte -10 Grad. Wie immer. Wenigstens zu kalt für Regen. Ich zwang mich dazu, aufzustehen, obwohl ich kaum geschlafen hatte. Ich schlief immer spät ein und musste dann aufstehen, wenn der Schlaf gerade am allerschönsten war. Furchtbar war es besonders im Winter, wenn es auch noch stockfinster war und man den Morgen von der Nacht nicht unterscheiden konnte. Mein Körper zeigte sich in diesen Monaten ständig verwirrt. Auch in den Ferien.

Als ich schließlich den Fuß auf den Teppichboden setzte, trat ich auf allerlei Dinge, die ich wohl im nächtlichen Halbschlaf ziellos auf den Boden gepfeffert hatte. Er war nämlich übersät mit Taschentüchern, Socken und einigen Schmerztabletten, die leider nicht mehr so viel halfen. Auf dem Nachtisch lag Aspirin. Das musste eine ereignisreiche Nacht gewesen sein, kein Wunder, dass ich mich wie überfahren fühlte. Langsam trottete ich durch mein Zimmer und sammelte diverse Kleidungsstücke auf, die ich gestern Nacht nacheinander durch das ganze Zimmer geworfen hatte. Sie lagen überall verteilt. Mein linker Arm fühlte sich an, als hätte ihn jemand mehrere Stunden lang in eine Schraubzwinge geklemmt. Alles in allem war es also ein durchaus übler Morgen, an dem ich mich besser hätte sofort wieder ins Bett legen und weiterschlafen sollen, bevor der Schlamassel die Gelegenheit dazu bekäme, noch größere Ausmaße anzunehmen. Ich stand trotzdem auf.

Müde schleppte ich mich ins Bad und schloss die Tür hinter mir ab. Eine Weile stand ich da und versuchte mich zwischen der Badewanne und der Dusche zu entscheiden. Eine schwierige Entscheidung angesichts der misslichen Lage, in der ich mich befand. Ich war schließlich so müde, dass warmes Wasser meine Sinne wohl noch mehr trüben würde.

Schließlich warf ich meine Kleider auf den Fußboden und meinem Spiegelbild einen bösen Blick zu. Mein T-Shirt flog in hohem Boden in den Wäschekorb. Ein Wunder, dass ich ihn traf, denn normalerweise neige ich auch bei geringer Entfernung nicht dazu, mein Ziel zu erreichen. Nachdem ich ein großes Handtuch aus dem Schrank gezupft hatte, registrierte ich mehrere blaue Flecken an meiner linke Seite, an meiner Schulter und ein aufgeschürftes linkes Knie. Das war mir gestern gar nicht aufgefallen. Gegen meinen kaputten Arm waren das allerdings Kinkerlitzchen. Wobei mein Knie schon ab und zu ganz schön weh tat.

Widerwillig machte ich mich nun daran, den Verband von meinem Arm zu entfernen, der an diesem Morgen noch bunter, aber dafür nicht mehr ganz so dick war. Jedenfalls bildete ich mir das ein.

Da ich keine Zeit dazu hatte, mich eine Stunde in die Badewanne zu legen, verschob ich das auf den Abend und drehte den Duschhahn auf. Das heiße Wasser spritze heraus und ich entledigte mich meiner restlichen Kleidung. Ich hoffte, dass ich nach der Dusche etwas frischer und weniger zermatscht aussehen würde, damit der Psychologe mich nicht gleich als Dauerpatienten einwies.

Das heiße Wasser war sehr angenehm, nur das Shampoo und das Duschgel brannten in den aufgeschürften Stellen. Trotzdem blieb ich noch eine ganze Weile in der Dusche stehen und hörte so auch nicht das ungeduldige Klopfen Madeleines an der Tür, die nicht zu spät kommen wollte. Ich ließ mir Zeit und als ich schließlich fertig angezogen und gekämmt das Badezimmer verließ, fühlte ich mich wie ein neuer Mensch. Das heiße Wasser hatte Farbe in mein blasses Gesicht gezaubert und ich bemühte mich um ein sorgenloses Lächeln. Das war meine neue Taktik. Madeleine schaute mich an, als habe sie mich noch nie gesehen. Ich frühstückte Müsli, trank ein Glas Saft und stand schlussendlich warm angezogen und aufgesetzt fröhlich vor der Haustür. Madeleine enthielt sich jedem Kommentar, als wir in das Auto stiegen, doch auf der Fahrt löcherte sie mich mit Fragen, die ich alle kurz und knapp beantwortete, doch nichts darüber hinaus sagte. Erst als ich das Pochen in meinem Arm spürte, fiel mir ein, dass ich vergessen hatte, ihn wieder zu verbinden. Meine vorgetäuschte gute Laune bekam einen tiefen Riss. Ohne die Salbe dauerte es gewiss ewig, bis die Blutergüsse verschwanden. Ich machte einen mentalen Knoten in meinem Kopf, um das auf keinen Fall zu vergessen, sobald wir nach Hause kamen.

Madeleine parkte vor einem großen Haus, in dem wohl mehrere Ärzte ihre Praxen hatten, denn die Wand neben der Tür war voll von Schildern, die auf verschiedene Gebiete der Medizin verwiesen. Der Doktor, den ich aufsuchen sollte, war im dritten Stock. „Ich komme mit und warte im Wartezimmer“, sagte Madeleine und hatte das Gebäude schon betreten, bevor ich ihr widersprechen konnte. Na schön, dachte ich, wenn sie gerne möchte.

Wir waren eine Viertelstunde zu früh da, und mussten noch eine Weile warten, bis ich ins Sprechzimmer gerufen wurde. In dieser langen Zeit fühlte ich mich in der Annahme bestätigt, dass in Wartezimmern hauptsächlich Zeitschriften über Pferde, Autos und den neusten Klatsch über irgendwelche Prominente auslagen. Ich konnte mit keinem dieser Themen auch nur im Mindesten etwas anfangen. So war ich fast schon erleichtert, als ich im Sprechzimmer auf einem gemütlichen Stuhl, wider Erwarten keinem Sofa, Platz nehmen konnte, und mich einem älteren Mann mit weißem Bart und weißen Haaren gegenübersah, der mich musterte, wie eine Elster einen goldenen Ohrring. Er erinnerte mich etwas an den Tierarzt, der die Kätzchen untersucht hatte und ich fühlte mich gleich herausgefordert. Auf diese Art und Weise wollte ich mich nicht behandeln lassen.

Zu Beginn befragte er mich nur zu unwichtigen Dingen wie Name, Adresse und ähnlichem. Ich bemühte mich beim Antworten möglichst normal zu wirken.

Dann wurde ich aufgefordert, etwas über mich selbst zu erzählen und ich schwieg eine Weile, bevor ich begann über meine Kätzchen zu erzählen und meine Vorliebe für Bücher.

„Würdest du dich selbst als verschlossen bezeichnen?“, fragte der Mann und beobachtete meine Reaktion. Madeleine hatte also schon berichtet, was das Problem war. „Ich rede nur nicht sehr gern. Ich war schon immer sehr ruhig“, antwortete ich und beobachtete nun seine Reaktion. Aus seiner Miene sprach die berufliche Gleichgültigkeit eines Menschen, der tagtäglich Fälle wie mich behandelte. Fälle, die eigentlich keine sein wollten.

„Du hast einen sehr ausgefallenen Namen“, stellte der Psychologe fest. Ich nickte. „Wie bist du denn dazu gekommen?“, erkundigte er sich mit geheucheltem Interesse und ich starrte ihn düster an, weil ich es natürlich nicht wusste, nicht wissen konnte. Es war immer einer meiner größten Wünsche gewesen, endlich zu erfahren, warum man mir einen solchen Namen gegeben hatte und warum er so gut zu mir passte. Wie gesagt, ich liebte Shakespeare. Er war für mich der beste Schriftsteller, der je gelebt hatte und leben würde.

„Würdest du sagen, dass der Name zu dir passt?“, ging es mit der Fragerei weiter. Ich überlegte einen Moment und erzählte schließlich von meinem berühmten Namensvetter aus Shakespeares „Romeo und Julia“, der sich immer um die Schlichtung des Streits bemühte und sehr ruhig und ausgeglichen wirkte. Ich meinte, dass ich mich vielleicht ein wenig bemühte, mich so zu verhalten wie er. Allerdings verschwieg ich, was ich wirklich dachte, nämlich, dass dieser andere Benvolio in seiner Funktion versagte. Wie das Stück ausgeht, wissen wir alle.

Danach starrte ich aus dem Fenster und betrachtete die Hauswand gegenüber, deren Weiß schmutzig und an mehreren Stellen abgebröckelt war. Jetzt hatte ich schon mehr erzählt, als ich es bei jedem anderen getan hätte. Nun war es gut.

Der Psychologe bekam nun nichts mehr aus seinem Patienten heraus. Ich hatte abgeschaltet, antwortete nur noch einsilbig und vermied es den Arzt direkt anzusehen. Ich hatte genug davon, ausgefragt zu werden. Von da an begann ich mir häufiger die Nase zu putzen und entschuldigte mich damit, dass ich mich erkältet hätte. In Wirklichkeit war es eher mein Arm, der mich störte. Wahrscheinlich bildete ich mir nur ein, dass er wieder mehr angeschwollen war, aber ich wollte nun nach Hause zurück. Ich fühlte sich nicht wohl, wenn alle Aufmerksamkeit auf mich gerichtet war. Außerdem fürchtete ich ein Kreuzverhör dieses Mannes. Er schien mir ein guter Inquisitor sein zu können. Vermutlich war das seine eigentliche Berufung, er hatte sie nur noch nicht erkannt.

Als die fünfundvierzig Minuten um waren und ich endlich das Zimmer verlassen konnte, sagte der freundliche ältere Mann: „Bis zum nächsten Mal.“

Ich wurde böse. Schließlich hatte ich hier nichts zu suchen, ich war nicht verrückt. Ich brauchte niemanden, der mich aushorchte und versuchte, mir meine tiefsten Geheimnisse zu entlocken. Eine tickende Zeitbombe war ich auch nicht. Ich wollte schließlich nur meine Ruhe, doch das schien absolut unnormal zu sein. Ohne ein weiteres Wort verließ ich die Praxis und stürmte die Treppen hinunter. Unten wartete ich neben dem Auto und lehnte mich an die Beifahrertür. Ich war bereit für einen Kampf.

Madeleine folgte einige Minuten später und stellte sich mir gegenüber auf den Bürgersteig. „Was sollte das?“, fragte sie und bemühte sich, ruhig zu bleiben. „Du bist kein kleines Kind mehr, Ben, ich dachte du wüsstest das!“ Ich starrte sie nur beleidigt an.

„Dein nächster Termin ist am Dienstagnachmittag, ich möchte, dass du da hin gehst!“

Ich schüttelte stumm den Kopf. „Kannst du mir nicht einmal vernünftig antworten? Ich weiß doch, dass du sprechen kannst, warum sprichst du nie mit mir?“, rief sie und durchbohrte mich mit bitteren und enttäuschten Blicken. Ich schwieg beharrlich, obwohl ich wusste, dass ich sie dadurch noch mehr verletzte. Aber ich wollte ihr nicht antworten. Ich wollte nicht immer zum Sprechen gezwungen werden, sondern es dann tun, wenn ich es wollte. Außerdem hätte sie die Antwort nicht verstanden.

Die Ohrfeige knallte. Ich steckte sie weg, ohne ein Wort zu sagen. Madeleine weinte, stand eine Weile steif vor mir und stieg dann ins Auto. Ich setzte mich neben sie, vermied aber sie anzusehen.

Schuldgefühle stiegen in mir auf. Ich hatte sie nicht traurig machen wollen, ich war auch eigentlich nie richtig böse auf sie gewesen, nur auf die Situation, auf mein ganzes Leben und auf all mein Pech, das seine Tentakeln in mich geschlagen hatte wie eine Seewespe. Es war nicht richtig, das an anderen Leuten auszulassen und schon gar nicht an Madeleine, die es wohl mit Abstand am wenigsten verdient hatte. Sie fuhr immer noch nicht los. „Es tut mir leid“, sagte ich leise und es dauerte eine Weile bis sie nickte. „Mir auch.“

Dann fuhr sie los.

Das war der schlimmste Streit, den wie je gehabt hatten, und ich war schuld gewesen, nicht sie. Sie konnte nichts dafür. Sie war nur verzweifelt. Doch ich konnte ihr einfach nicht sagen, was mich bedrückte, es ging einfach nicht. Und sicherlich würde es sie noch trauriger machen.

„Ich werde den Termin für Dienstag absagen“, sagte sie, als wir vor unserem Haus hielten. „Danke“, erwiderte ich, sonst nichts. Ich sprach den ganzen Tag nicht mehr, kein einziges Wort. Und sie fragte mich nicht.

Schlussakt

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