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Was versteht man unter Initiation?
ОглавлениеEs ist nicht leicht, das Wort Initiation zu definieren oder zu analysieren. Initiation ist das höchste Mysterium. Die Essenz unseres Lebens ist das Göttliche - das alles Sein Umfassende, das größte Mysterium. Es ist das Tao, das Universelle Sein, Gott oder die Kraft - wie immer man es nennen mag. Von Leben zu Leben schwingen wir uns auf zu immer höheren Ebenen und handeln dementsprechend. Solange wir uns vorgaukeln, nicht göttlich - nicht Teil des Ganzen - zu sein, werden uns unsere Initiationen Stufe um Stufe zu diesem Wissen führen. Da sich das Leben immerfort entfaltet, erleben auch die größten Meister wie Jesus oder Buddha Initiationen.
Initiationen sind Erweiterungen des Bewusstseins, die aus innerer Erfahrung entstehen. Sie können unbedeutend sein, sie können unser Leben aber auch völlig verändern. Das kann auf tausenderlei Art geschehen: durch ein Aha-Erlebnis, wenn du die Straße überquerst oder die Küche aufräumst. Du vergibst jemandem, der dir weh getan hat. Zaghaft erwacht das Vertrauen. Aus einer lebensbedrohlichen Krankheit kann ein neuer Lebenssinn entstehen. Große Initiationen erschüttern uns, verändern Beziehungen, heilen Vergangenheit, vermitteln uns neue Arbeit, führen uns zu einem Lehrer oder von ihm weg oder bringen uns dazu, selbst zu lehren.
Es muss nicht sein, dass eine Initiation mit der jeweiligen Umgebung oder dem jeweiligen Augenblick in Beziehung steht. Als meine Mutter sechs Jahre alt war und wie üblich in der Schule an ihrem Pult saß, vergoldete sich plötzlich die Welt um sie herum und sie befand sich im Paradies. Jemand wurde von der Erleuchtung wie vom Blitz getroffen, als er über die „Golden Gate Brücke“ in San Francisco fuhr. Andere wurden plötzlich und unerklärlich von dem Glücksgefühl übermannt, mit allem eins zu sein. Unser gewohnter Horizont kann sich jederzeit zu neuen Ebenen öffnen.
Initiationen können aber auch aus dem entstehen, was um uns herum geschieht. Ein Erdbeben oder eine Überschwemmung können buchstäblich unserem Leben eine neue Richtung geben. (Es spielt keine Rolle, wie viele Menschen von einer „Naturkatastrophe“ betroffen sind. Von einer höheren Warte aus gesehen hat sich jeder von ihnen diese Erfahrung ausgesucht, um daraus zu lernen und daran zu wachsen. Es gibt keine Zufälle. Am Tag vor dem großen Erdbeben in Mexiko sagte eine Frau zu ihrem Freund: „Ich weiß nicht warum, aber ich muss heute nach Mexico City fliegen.“ Natürlich kann es sein, dass sie dort helfen wollte.) Unsere Beziehungen zu Hause und bei der Arbeit, unsere Aktivitäten, alles kann uns zu Initiationen führen.
Initiationen sind oftmals ungeordnet und unbequem. Wir fühlen uns im Würgegriff, landen im Wasser, schlagen um uns und versuchen verzweifelt, das ferne Ufer zu erreichen. So etwas passiert, wenn wir uns wissentlich verschließen oder uns weigern, tiefer nach der inneren Wahrheit zu suchen. Eine lange Beziehung endet unerwartet, unser Zuhause löst sich auf, wir werden entlassen oder eine verheerende Krankheit befällt uns - hier greift das Leben drastisch ein, damit wir die richtige Richtung einschlagen. Je bewusster wir mit dem Leben kooperieren, also unserer Bestes geben, um unsere Wahrheit zu leben, desto leichter werden die Initiationen sein und desto mehr Freude werden wir dabei erfahren.
Viele mächtige Initiationen erfolgen durch Rituale. Bei schamanischen Einweihungen dient das rätselhafte Element dazu, das logische, lineare Funktionieren des Geistes zu verwirren. Dieses orientiert sich an der menschlichen Konditionierung und an der Zeit, die beide der Transformation nicht förderlich sind. Geister können beschwört werden. Die Dunkelheit, eine fremdartige Umgebung, Feuer, Objekte, die berührt oder getragen werden, Körperbemalung, Gesänge und Trommeln, Tänze - alle diese Hilfsmittel öffnen bereitwillige Herzen. Die Wandlung selbst erfolgt meist durch eine innere Reise, die von der Seele geführt wird.
Das Rätselhafte ist jedoch nicht unbedingt notwendig; Initiationen können ganz einfach sein. Dein Wunsch und deine Absicht, dich zu wandeln, die Bereitschaft, dich hinzusetzen und dich dem Geist zu öffnen, genügen. Dann befindest du dich nicht nur inmitten des Rätselhaften - sondern du selbst bist das Rätselhafte, und die Dinge nehmen ihren Lauf! Der Wunsch, deine bisherigen Grenzen zu überschreiten - die „Hülle“ durchzureißen - ist das Öl, das das alchemistische Feuer am Brennen hält. Selbst wenn dir dieser Wunsch nicht voll bewusst ist, öffnet er dich für die Veränderung, für ein neues Denken und Fühlen. Wenn du dir die Veränderung leidenschaftlich genug wünschst, kann dies allein schon die Initiation herbei führen. Du hast deine Göttlichkeit eingeladen, das Begrenzte durch das Unbegrenzte zu ersetzen, Hass durch Liebe, Abhängigkeit durch Freiheit - und sie hat deine Einladung angenommen.
Die Veränderung bedeutet ein neues und tieferes Einssein mit der Seele. Das kann sich in Freude, Glückseligkeit, Freiheit, Hingabe ausdrücken - ohne Gedanken, ohne Worte. Die Wandlung geschieht jenseits des Verstandes, magisch, zeitlos, schöpferisch. „Du“ - deine Persönlichkeit, deine nach außen gerichteten Gedanken und Gefühle - führen diese Veränderung nicht herbei. Es ist das Göttliche in dir, das wirkt. Du fühlst dich neu belebt, was zu - großen oder kleinen - Veränderungen in deinem Leben führt.
Wir im Westen müssen normalerweise etwas mehr mit unserem Verstand arbeiten, um zu erkennen, wie einengend unsere Gedanken sind. Auch müssen wir uns bewusst machen, dass unseren Gedanken keine Grenzen gesetzt sind. Aus diesem Grunde arbeiten die meisten Initiationen mit dem Verstand. Aber der Verstand ist selbst eine Art Gefängnis. Indem wir mit ihm arbeiten, zeigt er uns eine größere und tiefere Wahrheit, aber er führt uns nicht dorthin. „Ein Finger, der auf den Mond zeigt“, sagen die Zen-Buddhisten. Das, was wir sind, das Universelle Ich-Bin, liegt jenseits von Ego und Verstand. Daher ist es das Ziel aller Initiationen, tiefer und tiefer in das Unergründliche, Unbeschreibliche zu gelangen.