Читать книгу Die Wohlfühl-Revolution - Jochen Theurer - Страница 6
Wahlen ändern daran nichts
ОглавлениеDie bisherigen Erwägungen liefern eine ganze Reihe von Indizien dafür, dass Berufspolitiker überproportional egoistisch veranlagt sind und deshalb ihren eigenen Interessen im Konfliktfall den Vorrang gegenüber dem Allgemeinwohl geben. Deshalb treffen die Berufspolitiker regelmäßig Entscheidungen, die zwar ihren persönlichen Interessen nützen, nicht aber dem Wohl der großen Mehrheit der „einfachen“ Menschen.
Das betrifft gerade auch die existentiellen politischen Fragen wie zum Beispiel „Euro-Rettung“, Einwanderung, Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU und Kriegseinsätze der Bundeswehr. In diesen Bereichen beschließen die Berufspolitiker regelmäßig das Gegenteil von dem, was die große Mehrheit der Menschen in Deutschland für richtig hält und will.
Und daran ändern auch die alle vier Jahre stattfindenden Wahlen zum Bundestag nichts. Die bisherigen Regierungswechsel haben nie dazu geführt, dass die Berufspolitiker anschließend dem Wohl der 80 Millionen „einfachen“ Menschen Vorrang gegenüber ihren persönlichen Interessen eingeräumt haben. Und es ist kein Grund ersichtlich, warum das künftig anders sein sollte.
Im Laufe der vierjährigen Wahlperioden sind viele Menschen oft mit den Berufspolitikern unzufrieden. In privaten Gesprächen und öffentlichen Stellungnahmen, lassen sie ihrem Unmut mit den Entscheidungen der regierenden Berufspolitiker freien Lauf. Doch nach der Wahl sitzen dann zum größten Teil wieder genau dieselben Gestalten im Bundestag, die zuvor Gegenstand heftigster Kritik waren. Wie kann das sein? Sind die Menschen wirklich so vergesslich? Lassen sie sich durch plumpe Schmeicheleien und großzügige Versprechen im Wahlkampf so leicht beeinflussen? Oder überkommt die Wähler beim Gang an die Wahlurne gar die Angst vor der eigenen Courage?
Fakt ist, dass im Parlament regelmäßig dieselben Leute derselben sechs Parteien – CDU, CSU, FDP, SPD, Grüne und Linke – sitzen. Welche dieser sechs etablierten Parteien dann die Regierung bilden, spielt heutzutage keine große Rolle mehr. Die etablierten Parteien mögen sich zwar in ihren Wahlprogrammen noch etwas unterscheiden – praktische Auswirkungen für die Regierungsarbeit hat das aber nicht.
Die Berufspolitiker gaukeln den Menschen insoweit eine Wahlfreiheit vor, die es gar nicht gibt. In den für die Menschen in Deutschland existentiellen Fragen sind sich fast alle Berufspolitiker einig. Sie lehnen die Einführung von bundesweiten Volksabstimmungen zu allen wichtigen politischen Fragen ab und misstrauen dem Volk generell.
Sie sind dafür, dass immer mehr Kompetenzen auf die EU mit ihrer stets wachsenden Bürokratie übertragen werden und der deutsche Nationalstaat in absehbarer Zeit durch einen europäischen Superstaat abgelöst wird. Sie tabuisieren Schwierigkeiten im Zusammenhang mit kriminellen Einwanderern. Sie sind für milliardenteure Auslandseinsätze der Bundeswehr. Sie rütteln nicht am Zinssystem und der hohen Abgabenquote von 80 Prozent.
Sie sind dafür, dass hunderte Milliarden deutscher Steuergelder für die „Banken-Rettung“ und die „Euro-Rettung“ ausgegeben werden. (Die Bundestagsabgeordneten der Linken stimmen zwar regelmäßig gegen die „Rettungsschirme“ und „Rettungspakete“, aber nicht, weil sie dadurch dem Willen der Mehrheit der „einfachen“ Menschen zur Geltung verhelfen wollen, sondern weil ihnen diese Zahlungen nicht weit genug gehen.)
Dass sich die sechs etablierten Parteien inhaltlich sehr nahe stehen, zeigt sich auch daran, dass nach einem Regierungswechsel kaum ein in Oppositionszeiten verbal heftig bekämpftes Gesetz rückgängig gemacht wird. Obwohl CDU und FDP die Einführung der Ökosteuer stark kritisierten, wurde sie auch von der nächsten schwarz-gelben Regierung nicht abgeschafft. Die gleiche Regierung hat den von der rot-grünen Regierung beschlossenen Ausstieg aus der Atomkraft entgegen früheren Versprechungen nicht rückgängig gemacht, sondern forciert ihn geradezu.
SPD und Grüne haben ihrerseits zwar die ersten Auslandseinsätze der Bundeswehr unter der Regierung von Helmut Kohl vehement abgelehnt. Als sie aber dann ab 1998 regierten, ließen sie Jugoslawien bombardieren und schickten deutsche Soldaten nach Afghanistan. Der Spitzensteuersatz war am Ende der rot-grünen Regierung 2005 deutlich niedriger, als unter Helmut Kohl. Die Arbeitslosenhilfe wurde unter Rot-Grün abgeschafft und durch Hartz IV ersetzt.
Die Berufspolitiker begründen das in der Regel mit „Sachzwängen“. Doch Fakt ist: Es ist letztlich egal, welche der etablierten Parteien gerade an der Regierung ist. Die wesentlichen Entscheidungen sind stets dieselben. Die Berufspolitiker, die gerade in der Opposition sind, machen zwar viel Lärm, doch letztlich sind das nur warme Worte. Sobald diese Berufspolitiker an die Regierung kommen, machen sie exakt das gleiche.
In Talkshows und bei Wahlkampfveranstaltungen fliegen zwar gelegentlich die Fetzen. Doch das ist reines Polit-Theater, um die „einfachen“ Menschen glauben zu machen, dass es tatsächlich verschiedene Ansichten gibt. Unvergessen der damalige hessische Ministerpräsiden Roland Koch mit seiner vorab geplanten „Empörung“ im Bundesrat bezüglich des Zuwanderungsgesetzes.
Dann könnte man doch eine neue Partei gründen, die sich nur am Willen des Volkes orientiert? Theoretisch ist das eine gute Idee. Allerdings bin ich überzeugt, dass jede neue Partei, die in den existentiellen politischen Fragen vom Konsens der etablierten Parteien abweicht, in der Realität daran scheitern wird, dass die Berufspolitiker alles tun werden, um sie aus dem Bundestag fern zu halten.
Dazu nutzen die Berufspolitiker wieder die Möglichkeiten, die sie als Abgeordnete des Bundestags und Inhaber praktisch aller wichtigen öffentlichen Ämter in Deutschland haben: Sie erlassen Gesetze, die ihnen gegenüber den anderen Parteien massive Wettbewerbsvorteile sichern. Das beginnt schon beim Bundeswahlgesetz.
Die etablierten Parteien müssen zum Beispiel nicht in jedem Bundesland bis zu 2.000 Unterstützungsunterschriften sammeln, um zur Wahl zugelassen werden. Auch stehen die etablierten Parteien auf den Stimmzetteln immer ganz oben. Untersuchungen haben gezeigt, dass dies einen deutlichen Vorteil bedeutet. Wenn sich jemand nicht entscheiden kann, kreuzt er oft die erste Alternative an. Hinzu kommt noch die Fünfprozent-Sperrklausel, der zufolge eine Partei nur dann in den Bundestag einzieht, wenn sie mindestens 5 Prozent aller Zweitstimmen erhalten hat. Schon dadurch wird es kleineren oder neuen Parteien sehr schwer gemacht, in den Bundestag einzuziehen.
Hinzu kommt, dass eine neue Partei nur dann eine Chance hat, gewählt zu werden, wenn über sie in den großen Medien wohlwollend berichtet wird. Die großen Medien in Deutschland sind aber in den Händen einiger weniger Konzerne. Deren Eigentümer haben genauso wenig wie die Berufspolitiker ein Interesse daran, dass das Wohl der „einfachen“ Menschen in den existentiellen politischen Fragen zum Maßstab für politische Entscheidungen gemacht wird. Denn diese Gruppen und Personen profitieren genauso wie die Berufspolitiker vom jetzigen Zustand.
Bislang können sie nämlich die egoistischen Berufspolitiker mit Hilfe finanzieller und medialer Zuwendungen leicht und effektiv beeinflussen. Die reichen Besitzer der großen Medienkonzerne können mit Hilfe ihrer Zeitungsverlage und Fernsehsender so in großem Stil und äußerst effektiv auf die Meinungsbildung in Deutschland einwirken.
Durch diese sprichwörtliche „Macht der Medien“ können sie im Grunde jeden Berufspolitiker durch die entsprechende Berichterstattung ganz nach oben bringen oder auch in den Abgrund stürzen. Einer wochenlangen medialen Hetzjagd hat bisher noch kein Berufspolitiker standgehalten. Man denke nur an den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff.
Und da fast jeder Berufspolitiker irgendwann einmal heimlich finanzielle Zuwendungen von den reichen und mächtigen Gruppen angenommen hat, ist es für die Besitzer der großen Medienbetriebe relativ einfach, die Berufspolitiker, die nicht in ihrem Sinne entscheiden, sondern zum Wohl der „einfachen“ Menschen, mit Hilfe der Medien aufs schärfste zu attackieren und bloßzustellen. Dadurch sind die Berufspolitiker erpressbar geworden.
Aus Sicht der Berufspolitiker ist es deshalb wesentlich verlockender, im Sinne von bestimmten Gruppen und Personen zu entscheiden, als zum Wohl des deutschen Volkes. Zur Belohnung erhalten die Berufspolitiker dann eine wohlwollende Beurteilung in den Medien und regelmäßige finanzielle und sonstige Zuwendungen.
Das sieht dann zum Beispiel so aus, dass Berufspolitiker 20.000 Euro für einen Vortrag auf der Abendveranstaltung eines Unternehmers bekommen oder dass große Konzerne die Sommerpartys der etablierten Parteien mit 400.000 Euro sponsern. Häufig werden die Berufspolitiker zu kostenlosen Luxusurlauben eingeladen oder werden ihre Bücher, mit denen einige Millionen verdienen, von der Wirtschaft beworben. Beliebt sind bei den Berufspolitikern auch die gut dotierten Posten in den Aufsichtsräten von Unternehmen. Und natürlich schätzen es Berufspolitiker sehr, wenn sie nach ihrer aktiven Karriere in der Politik nahtlos in gut dotierte Positionen bei den Unternehmen wechseln können, die von ihren früheren Entscheidungen als Politiker profitiert haben.
Die Profiteure des bisherigen Systems werden deshalb alles daran setzen, diese Möglichkeit der Einflussnahme auf die Berufspolitiker zu erhalten. Wenn nämlich die Mehrzahl der Abgeordneten nicht mehr egoistisch motiviert wäre und keine Geschenke annähme, wären sie auch nicht länger erpressbar und könnten tatsächlich zum Wohl des Volkes entscheiden.
Eine neue Partei, die diese Möglichkeit abschaffen will, wird deshalb von den großen Medien entweder ignoriert oder bekämpft werden, Sie wird – anders als die etablierten Parteien – von den reichen Profiteuren des bisherigen Systems auch keine finanzielle Unterstützung erhalten, so dass ein Einzug in den Bundestag erst Recht unwahrscheinlich wird. Denn für einen Wahlerfolg kommt es neben der Präsenz in den Medien heutzutage vor allem darauf an, einen massiven Wahlkampf zu machen. Und das kostet viel Geld.
Die sechs etablierten Parteien geben für ihren Bundestags-Wahlkampf jeweils mehrere Millionen Euro aus. An der Spitze liegt dabei die SPD mit über 27 Millionen Euro. Das ist wesentlich mehr, als jede kleine oder neue Partei zur Verfügung hat. Und genau darin liegt der entscheidende Vorteil der etablierten Parteien.
Die Berufspolitiker haben ihre Gesetzgebungsmöglichkeiten genutzt, um sich in großem Umfang staatliche Gelder zukommen zu lassen. Dabei haben sie stets versucht, den maximalen Vorteil für ihre Parteien herauszuholen und die kleineren Konkurrenten außen vor zu lassen. Die im Parteiengesetz enthaltenden Regeln zur Parteienfinanzierung wurden deshalb schon oft vom Bundesverfassungsgericht wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Chancengleichheit für verfassungswidrig erklärt und aufgehoben.
2011 wurden 141,9 Millionen Euro (ab 2012: 150,8 Millionen Euro) an „Wahlkampfkostenerstattung“ an die politischen Parteien gezahlt. Ob und wieviel eine Partei davon erhält, hängt davon ab, wie viel Stimmen sie bei den letzten Wahlen bekommen und wie viele eigene Einnahmen sie erzielt hat. Diese Regeln sind so ausgestaltet, dass die sechs etablierten Parteien massiv bevorzugt werden.
So erhielten sie 2011 von den 141,9 Millionen Euro insgesamt fast 137 Millionen Euro, was einem Anteil von 96,5 Prozent entspricht. Den Rest teilten sich 15 andere Parteien. Alle anderen Parteien gingen leer aus.
Doch damit nicht genug. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich ausdrücklich nur die staatliche Finanzierung „der Parteien“ reguliert. Das haben die Berufspolitiker als Freibrief genommen, andere Wege zu schaffen, wie sie an staatliche Gelder kommen können. Zum einen haben sie staatliche Zuschüsse an die Fraktionen eingeführt. Diese belaufen sich allein für die sechs Bundestagsfraktionen der etablierten Parteien auf 70 Millionen Euro jährlich.
Offiziell dürfen diese Gelder zwar nicht für die Parteiarbeit ausgegeben werden – aber wer kann das kontrollieren? Und wenn die Fraktion eine Veranstaltung macht, kommt das natürlich auch den Abgeordneten in ihrer Eigenschaft als Parteipolitiker zugute. Die Öffentlichkeit unterscheidet das doch nicht. Durch diese Gelder können sich die Abgeordneten zum Beispiel Mitarbeiter leisten, die ihnen wesentliche Arbeiten abnehmen, was ihnen auch im Wahlkampf zugute kommt.
Hinzu kommen staatliche Gelder für die „politischen Stiftungen“. Jede der etablierten Parteien hat eine ihr nahe stehende „politische Stiftung“. Diese bieten Seminare an, erstellen Broschüren usw. Dafür erhalten die „politischen Stiftungen“ staatliche Zuschüsse in Höhe von mehr als 300 Millionen Euro jährlich. Wie dieses Geld verteilt wird, ist nicht gesetzlich geregelt. Die etablierten Parteien haben sich jedoch unter der Hand darauf verständigt, dass nur die Stiftungen derjenigen Parteien Zuschüsse bekommen, die seit mindestens zwei Legislaturperioden im Bundestag vertreten sind. Für die Praxis heißt das, dass die 300 Millionen Euro zwischen den „politischen Stiftungen“ der sechs etablierten Parteien aufgeteilt werden. Alle anderen Parteien gehen wieder leer aus.
Dieses Vorgehen ist offensichtlich rechtswidrig. Die PDS klagte deshalb in den 1990er Jahren dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht. Nachdem aber die ihr nahe stehende Rosa-Luxemburg-Stiftung dann auch Staatszuschüsse bekam, nahm sie die Klage wieder zurück. Die anderen Parteien und die „einfachen“ Bürger können dagegen nichts unternehmen.
Dadurch erlangen die etablierten Parteien enorme finanzielle Vorteile. Zum einen werden sie von den politischen Stiftungen unterstützt. Zum anderen können dort „verdiente“ oder abgewählte Parteigenossen mit gut dotierten Posten zwischengeparkt werden, die dann zugleich ihre Kraft für die Partei einsetzen können – staatlich finanziert und natürlich auch im Wahlkampf.
Auf diese Weise umgehen die Berufspolitiker bewusst die vom Grundgesetz und dem Bundesverfassungsgericht eingeforderten Grundsätze der Chancengleichheit und Gleichbehandlung aller politischen Parteien.
Sollte den Berufspolitikern doch einmal unbotmäßige Konkurrenz erwachsen, die sich trotz der vielen Diskriminierungen dauerhaft in den Parlamenten festzubeißen droht, haben die Berufspolitiker die Möglichkeit, diese Parteien gezielt mit staatlichen Sanktionen zu attackieren.
So können sie zum Beispiel eine konkurrierende Partei vom Bundesverfassungsgericht verbieten lassen. Allerdings spielt das Bundesverfassungsgericht da nicht immer mit, wie der Fall der NPD gezeigt hat.
Viel einfacher ist es deshalb, eine neue Partei vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Das können die Berufspolitiker in ihrer Funktion als Innenminister selbst veranlassen. Und schon die bloße Erwähnung einer Partei im Bericht des Verfassungsschutzes kann katastrophale Auswirkungen für die Partei haben. Zum einen schreckt das potentielle Wähler ab. Zum anderen müssen die Mitglieder und Kandidaten dieser Partei mit erheblichen sozialen und beruflichen Nachteilen rechnen, besonders wenn sie im öffentlichen Dienst beschäftigt sind.
Selbst wenn die Partei gegen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz erfolgreich gerichtlich vorgeht, wird ihr das nichts nutzen. Bis zu einer Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht vergehen viele Jahre. Bis dahin sind die meisten fähigen und engagierten Mitglieder resigniert ausgetreten und in der Öffentlichkeit hat sich der zweifelhafte Ruch der Verfassungswidrigkeit festgesetzt.
Auf diese Weise wurden zum Beispiel die Republikaner politisch ausgeschaltet. Die Republikaner wurden 1983 von ehemaligen CSU-Mitgliedern als rechtskonservative Partei gegründet. 1989 zogen sie mit jeweils mehr als 7 Prozent der Stimmen ins Berliner Abgeordnetenhaus und ins Europaparlament ein und gewannen viele Mitglieder. In der CDU gab es Stimmen, die mit den Republikanern koalieren wollten. Allerdings hatten sie bei der Europawahl in Bayern mehr als 14 Prozent erreicht und die CSU auf 46 Prozent gedrückt.
Da die CSU um ihre damals noch als sicher geltende absolute Mehrheit in Bayern fürchtete, beschloss die CDU, dass es nie zu Koalitionen mit den Republikanern kommen dürfe. Als die Republikaner dann auch bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zum Teil mehr als 10 Prozent erzielten und eine immer größere Öffentlichkeit erreichten, wurden sie ab September 1989 von den nordrhein-westfälischen und den hamburgischen Verfassungsschützern beobachtet. Bei den Wahlen im Jahr 1990 konnten sie die Fünfprozent-Hürde nirgends überspringen. Dann erzielten sie 1992 bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg jedoch mehr als 10 Prozent der Stimmen.
Obwohl keine neuen Erkenntnisse vorlagen, beschlossen der Bundesinnenminister und alle Innenminister der Länder daraufhin, die Republikaner vom Verfassungsschutz überwachen zu lassen. Das sollte die Partei als rechtsextrem stigmatisieren und gemäßigte Wähler abschrecken. Zudem war dadurch die Grundlage geschaffen, um Mitglieder und Mandatsträger der Republikaner aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen. Das traf die Partei deshalb besonders hart, weil viele ihrer Mitglieder Polizisten und Soldaten waren.
Diese Maßnahmen der Berufspolitiker waren erfolgreich. Die Republikaner konnten seitdem nur noch einmal in ein Landesparlament einziehen, 1996 in Baden-Württemberg. Bei allen anderen Wahlen sind sie an der Fünfprozent-Hürde gescheitert. Seit 2007 sind sie nicht mehr im Verfassungsschutzbericht aufgeführt. Trotzdem sind sie mittlerweile politisch „verbrannt“. Bei der Bundestagswahl 2009 erhielten sie gerade noch 0,4 Prozent der Stimmen.
Die Berufspolitiker können sich auf diese Weise unliebsame Konkurrenz effektiv vom Hals halten. Abhilfe könnten erneut nur die Berufspolitiker selbst schaffen, indem sie die jeweiligen Gesetze ändern und ihre staatlichen (Regierungs-)Ämter nicht mehr in verfassungswidriger Weise zur Ausschaltung der Konkurrenz missbrauchen.
Als „einfacher“ Bürger hat man jedoch keine rechtliche Möglichkeit, gegen diese Gesetze vorzugehen. Eine Verfassungsbeschwerde ist nach Ansicht der Richter des Bundesverfassungsgerichts nicht möglich. Selbstverständlich könnten die Verfassungsrichter insoweit auch anders entscheiden. Das tun sie aber bislang nicht und man dürfte nicht gerade sehr falsch liegen, wenn man dabei einen Zusammenhang mit der Tatsache sieht, dass die Verfassungsrichter ihr Amt alle den etablierten Parteien zu verdanken haben.
Die Einheitsfront der etablierten Parteien kann somit weder durch die gezielte Abwahl unfähiger oder unbeliebter Abgeordneter aufgebrochen werden, noch durch die Wahl einer neuen Partei. Ersteres wird durch das System der Landeslisten verhindert, letzteres wird durch die von den Berufspolitikern zu ihrem eigenen Schutz erlassenen Gesetze und die Unterstützung der großen Medien unmöglich gemacht.
Und Nichtwählen bringt auch nichts. Denn die Wahlbeteiligung spielt keine Rolle für die Frage, wie viele Abgeordnete in den Bundestag einziehen. Die Berufspolitiker sind deshalb nicht darauf angewiesen, von möglichst vielen Menschen gewählt zu werden. Es genügt ihnen, kleine und neue Parteien vom Einzug in den Bundestag fernzuhalten. Und das klappt meistens auch ganz ausgezeichnet.
Bislang ist es nur zwei neuen Parteien gelungen, in das Kartell der etablierten Bundestagsparteien vorzustoßen: den Grünen und der PDS (bzw. der Linken). Leider hat das nichts daran geändert, dass die Bundestagsabgeordneten in der großen Mehrheit egoistisch handeln. Und selbst wenn die Piratenpartei irgendwann in den Bundestag einziehen sollte, spricht wenig dafür, dass sich daran etwas Grundsätzliches ändern wird. Denn sobald es eine neue Partei schafft, in ein Parlament einzuziehen, passiert folgendes:
Zunächst wird die Partei noch von idealistischen Menschen angeführt, die wirklich etwas verändern wollen. Sobald sich jedoch die ersten Erfolge zeigen und bezahlte Mandate errungen werden, kommen in Scharen Menschen nach oben, denen es nicht mehr um die ursprünglichen Ideale geht, sondern die ihren persönlichen Vorteil mit Hilfe der Partei maximieren wollen.
Das zeigte sich ganz deutlich in den 1980er-Jahren bei den Grünen. Um die in den etablierten Parteien übliche Funktionärskaste von Berufspolitikern zu verhindern, hatten sie beschlossen, sich freiwillig an bestimmte Prinzipien zu halten. Dazu gehörten das imperative Mandat, die Öffentlichkeit aller Sitzungen, das Konsensprinzip und die Trennung von Amt und Mandat. Alle Parteiämter mussten ehrenamtlich ausgeübt werden.
Die Abgeordneten mussten einen Großteil ihrer Diäten an den Öko-Fonds der Partei abführen und durften nur den einem Facharbeitergehalt entsprechender Betrag persönlich behalten. Das waren damals 1.950 DM und weitere 500 DM für jede zu unterhaltende Person. Hinzu kam das „Rotationsprinzip“, wonach Abgeordnete ihr Mandat nach der Hälfte der Legislaturperiode für einen Nachrücker, der zuvor in einer Bürogemeinschaft mit dem gewählten Abgeordneten arbeitete, freimachen mussten.
Doch schon nach dem erstmaligen Einzug in den Bundestag weigerten sich einige Abgeordnete, die mittlerweile die finanziellen und sozialen Vorteile des Lebens als Abgeordnete kennen und schätzen gelernt hatten, ihr Mandat abzugeben. Das Rotationsprinzip hatte sich schnell erledigt.
Nach und nach wurden so alle Prinzipien entsorgt, die anfangs garantieren sollten, dass sich bei den Grünen nicht dieselbe Art von Berufspolitikern durchsetzt, wie in den anderen etablierten Parteien. Heute haben auch bei den Grünen dieselben Personen das Sagen, wie in den anderen etablierten Parteien. Die Grünen sind selbst zu einer etablierten Partei geworden. Und warum sollte es bei den Piraten anders laufen?
Mit den jetzigen Gesetzen können die „einfachen“ Menschen also nicht verhindern, dass immer wieder dieselbe Sorte egoistischer Berufspolitiker im Bundestag sitzt. Solange die Unterstützung durch eine politische Partei und eine mediengerechte Inszenierung für die Erlangung politischer Macht notwendig sind, werden sich überwiegend unfähige Egoisten durchsetzen, die im Zweifel egoistisch und zu Lasten der Allgemeinheit handeln.
Diese Personen werden auch weiterhin regelmäßig Entscheidungen treffen, die zwar den persönlichen Interessen der Berufspolitiker nütze, nicht aber dem Wohl der großen Mehrheit der „einfachen“ Menschen. Und genau deshalb ist es aus Sicht der „einfachen“ Menschen sinnvoll und vernünftig, in Deutschland Volksabstimmungen einzuführen.