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III

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Das Meer ist hier und dort

Wie’s woget und wie’s weht,

Gehorsam seinem Wort,

Ein See Genezareth.


Wenden wir uns nun zu dem Schiffe, das, von des Ankers Zahn gehalten, sich auf seiner gewählten Stelle von den Wellen schaukeln ließ, um das Aufhören des Sturmes zu erwarten. Godber war wirklich, wie Maria es geahnt hatte und wie die kundige Führung des Schiffes in diesen Gewässern es erwarten ließ, auf demselben als Steuermann, und außer ihm befanden sich der Kapitän und vier Matrosen am Bord, nebst drei Passagieren: Herr Mander, Kaufmann aus Hamburg, zugleich Eigentümer der Ladung, und seine schon erwachsenen Kinder, ein Sohn: Oswald, und eine Tochter: Idalia. Nicht um der Geschäfte willen, sondern allein den Bitten seiner Kinder zu Gefallen, die von einer Seetour sich das größte Vergnügen versprochen, hatte Mander die Reise unternommen.

Die Hoffnung des Kapitäns, auf die, von der Mutter Maria’s angegebene Weise seinen Kurs wieder zu gewinnen, wurde getäuscht. Denn als nach einigen Stunden die Ebbe wieder eintrat, lief das Wasser wegen des fortdauernden Südwestwindes mit so geringer Strömung ab, daß es nicht möglich war, mit Hülfe derselben das Schiff gegen den Wind aufzuarbeiten, wodurch auch die Absicht Godber’s, der gerade jenen Ankerplatz vorgeschlagen, weil der Zug der abfließenden Wasser dort sonst besonders stark trieb, vereitelt wurde. Nun trat der gefährliche Uebelstand ein, daß das Schiff, auf seiner Stelle notgedrungen gefesselt, bei der Ebbezeit mit seinem Boden manchen schweren Stoß gegen den Meeresgrund auszuhalten hatte. Als darauf, nach Verlauf einiger erwartungsvoller Stunden, die Flut wiederkehrte, und mit ihr der Sturm in noch größerer Wut ausbrach, zeigte es sich bald, daß einige von jenen Stößen gelöste Fugen Wasser sogen. Jetzt galt es, einen entscheidenden Entschluß zu fassen, da auch die Dunkelheit der Nacht die Gefahr noch vermehrte. Die angefangene Beratung zwischen Kapitän und Steuermann wurde wider ihren Willen nur zu schnell beendigt. Ein furchtbarer Stoß, der das Schiff in allen seinen Teilen erschütterte, als sollte es auf einmal ganz aus einander gehen, deutete auf einen unerwarteten Fall.

„Die Ankerkette ist gebrochen!“ Dieser Schreckensruf gab die Lösung des Rätsels. „Die Taue auch?“ schrie der Kapitän. Diese, viel schwächer, aber lenksamer und dehnbarer, als die eiserne Gliederreihe, hielten freilich für den Augenblick noch an zwei kleinen Ankern, es war aber zu erwarten, daß der nächste Windstoß auch diesen letzten Halt nehmen würde. „Alle Segel auf! alle Lappen bei! die Anker gekappt!“ war nun, nach schneller Uebereinkunft der Sachverständigen, das nächste Kommando; und, die ganze Wucht des Sturmes in seine weiten Fittige fassend, die schäumenden Wogen wie ein leichtes Schneegewölk auseinander stäubend, flog das Schiff dem Strande zu. Ueber diesen waren freilich die Wellen auch schon wieder mit der Flut hinübergegangen; aber der so ganz kundige Mann am Steuer würde, obwohl die Dunkelheit die Werften nicht mehr deutlich erkennen ließ, ihn nicht verfehlt haben. Allein zu viel war den Masten zugemutet. Sie bogen sich, als hätten sie noch ganz die zähe, elastische Kraft, mit der sie früher auf den Bergen der Heimat die Gewalt der Stürme täuschten; sie strebten vorwärts, als wollten sie den schweren Leib des Schiffes weit hinter sich lassen; doch schon kündeten immer hellere verdächtige Laute eine Ueberspannung ihrer Kräfte. Der Ruf: „Alle Beile, alle Messer zur Hand!“ führte die Matrosen auf ihre Posten, wo sie in ängstlicher Erwartung, mit gehobenem Arm horchten auf das nächste Kommando. „Krach! Krach!“ ging es plötzlich, Sturmgeheul und Wogengebraus übertönend, durch alle Teile des Schiffes, und die ganze volle Takelage schmetterte schräge auf das Vorderende nieder und tauchte seitwärts in die Wogen hinab, daß die untern, gebrochenen Enden der Masten sich aufwärts kehrten. „Kappt! Um Gotteswillen, kappt, kappt!“ gellte die Stimme des Kapitäns den Matrosen zu, die, obgleich vom Sturz der Masten das Schiff im ersten Augenblick so tief in die Flut hineingedrückt wurde, als sollte es nie wieder aus dem Abgrund sich erheben, mit bewundernswürdiger Gewandtheit, getrieben von dem Bewußtsein, daß ihr Leben von der schnellen und sichern Ausführung abhinge, dem Befehl volle Genüge leisteten. Da schwankte denn in dem nächsten Momente das ganze Segelwerk, das eben noch mit seinen vollen, weiten Schwingen und den kühnen Masten so stolz sich zu heben und so anmutig sich zu neigen wußte, eine wirre und schlaffe Masse auf der dunklen Oberfläche des Meeres dahin, und das völlig seines besten Schmuckes und seines führenden Zuges beraubte Schiff ward, ein willenloser Spielball der gewaltigen Wogen, hin und her geschleudert. Es war aus einem scheinbar belebten Wesen voll Zier, Mut und Stärke, zu einem stumpfen, toten Holze, zu einem lecken Wrack geworden.

In dieser Lage mußten die, deren Leben nun in offenbarer Gefahr schwebte, einen Entschluß fassen. Sollten sie erwarten, wie der Kampf enden würde, den Sturm und Flut um das entmastete Schiff führten, das diese, immer unaufhaltsamer eindringend, in ihre Tiefe zu ziehen suchte, jener, es immer gewaltsamer vor sich herschleudernd, auf Untiefen zu zertrümmern drohte? Sollten sie es für möglich halten, mit dem leichten Boote, da die Schaluppe an ihrem Platze, am Fuß des großen Mastes, vom Sturz desselben zerschmettert war, die Küste zu erreichen und auf der überschwemmten Hallig in der Finsterniß an eine Werfte zu gelangen? Die Reisenden forderten dringend diesen Versuch. Jede Aenderung war ihnen eine Lebenshoffnung; auf dem Schiffe zu bleiben, schien ihnen der gewisseste Tod. Dem Kapitän erlaubte es sein Pflichtgefühl nicht, so lange noch eine Planke zusammenhielte, seinen Posten zu verlassen. Er wollte aber auch seinen Passagieren nicht widerstreben, und überließ es daher seinem Steuermann, wenn dieser die Möglichkeit der Rettung auf dem Boote für wahrscheinlicher halte, als auf dem rasierten und noch dazu lecken Schiffe, Jene an’s Land zu bringen. Godber, vertrauend auf seine genaue Kenntnis des Fahrwassers und der Hallig, verstand sich dazu, und ihm schlossen sich zwei Matrosen an, die, gleichwie die Andern an aller Rettung verzweifelnd, dennoch es vorzogen, einen letzten Kampf um ihr Leben zu wagen und kämpfend unterzugehen, als sich auf dem Wrack unthätig und kraftlos dem Verderben hinzugeben. Konnte bisher noch eine Hoffnung da sein, das Schiff auf die eine oder die andere Weise vom gänzlichen Untergang zu retten, so mußte diese, so schon auf das schwächste Vielleicht gestützt, völlig wegfallen in dem Augenblick, da Godber, der allein mit dieser See voll Strömungen und voll Untiefen Vertraute, dasselbe verließ. Ihm selbst flog dieser Gedanke durch den Sinn. Schon wollte er von dem übernommenen Rettungsversuch zurücktreten; aber die flehend bittende Idalia stand vor ihm, und – jede andere Bedenklichkeit mußte schweigen. Die Heckjolle wurde daher vom Spiegel des Schiffes in’s Meer gelassen, von den drei Seeleuten mit Leichtigkeit bestiegen, und mit erfahrener Gewandtheit an die Leeseite herumgebracht. Aber es bedurfte einer vollen halben Stunde, um die Andern nur erst in’s Boot hinein zu bringen; denn das leichte Fahrzeug flog bald auf dem schäumenden Kamm einer Welle weit vom Schiffe ab, bald wieder, der niederrauschenden Woge nach, mit solchem Schwung auf dasselbe zu, als sollte es im nächsten Augenblick daran zerschellen. Daher mußten die Passagiere nach mancherlei Versuchen, die eben so oft die Furcht, als der Mangel an Gewandtheit vergeblich machte, zuletzt an Seilen heruntergelassen werden, und schwebend, von den am Schiffe brandenden Wogen überschäumt, erwarten, bis das Boot wieder unter ihnen war. Wurden sie dann auch nur eine halbe Minute zu spät niedergelassen, so tanzte das Boot schon wieder fern von ihnen auf den schwindelnden Höhen eines Wasserberges, oder war in den Hohlen ihrem Blick entzogen, und sie tauchten in die Salzflut unter. Mander und Oswald, deren Hoffnung, sich auf der Jolle zu retten, bei dieser nicht erwarteten Schwierigkeit, sie nur zu besteigen, gänzlich dahin war, fügten sich doch willenlos allen Anordnungen. Idalia, erschreckt durch solche Vorkehrungen, weigerte sich lange, ihrem Vater und Bruder zu folgen, und die Ungeduld, die ihr Zaudern erregte, war wohl eine Mitursache, daß, als sie sich endlich entschlossen hatte, das Seil, welches sie so lange halten sollte, bis das Boot sie aufgenommen, den Händen der Matrosen auf dem Schiffe entglitt und sie in’s Meer hinabstürzte. Godber aber, der kein Auge von ihr gewandt, sprang sogleich in die brausenden Wogen nach und hielt sie mit starkem Arm empor. Doch auch der fertigste Schwimmer würde einem solchen tobenden Meer keine Beute entrissen haben. Glücklicher Weise gelang es den Leuten im Boote, das Ende des Seils zu fassen, welches um Idalia’s Schultern gegürtet war, und so wurden Beide an Bord gezogen.

Bei diesem Aufenthalt und dieser alle Sinne in Anspruch nehmenden Thätigkeit war es nicht leicht, die rechte Richtung nach dem kleinen Fleck Landes, von dessen Auffinden ihre einzige Hoffnung abhing, wieder zu gewinnen. Nur Godber, dem die Lage der Häuser auf der nahen Hallig genau bekannt war, und der während des Tages fast keinen Blick von der lieben Heimat gewandt hatte, vermochte in der trüben Finsterniß, die Alles einhüllte, an einzelnen ihm allein bemerkbaren, dunkleren Flecken sich zu vergewissern, welche Richtung einzuschlagen sei. Ein gegenseitiges: Lebewohl! und: Behüt’ euch Gott! riefen sich die Abfahrenden und Zurückbleibenden noch zu, und bald hatte sie die dunkle Nacht und die wogende See so weit von einander geschieden, daß kein Zusammentreffen, wenn es auch versucht worden wäre, mehr möglich war. Mander saß mit Oswald und Idalia platt auf dem Boden des Bootes, und diese drei schreckten nur dann und wann in die Höhe, wenn eine aufbrandende Woge ihren Schaumwall über das Boot hinschleuderte und es in die Tiefe hinunterzuschwemmen drohte. Die Matrosen ruderten, obwohl hoffnungslos, doch mit ruhiger, gleichmäßiger Anstrengung, als ob keine Todesgefahr sie umgebe. Godber führte mit kraftvollem Arm das Steuer, in künstlichen Wendungen dem Abbruch der niederstürzenden Flutmassen auslenkend, und den am wenigsten gefährlichen Weg durch die wogenden Thäler und auf den schwankenden Höhen mit dem Scharfsinn und der Erfahrung eines auf den Wellen großgewiegten Seemanns für sein schwaches Fahrzeug suchend. Dabei beachtete er mit durchdringenden Augen sorgsam die Ferne, wenn eine Welle, die das Boot emportrug, eine weitere Aussicht als von Woge zu Woge möglich machte. Aber die Finsterniß lagerte sich immer dichter und undurchdringlicher über das tobende Meer hin, und nur an dem kürzeren Schlag der Wellen unterschied er nach zwei Stunden der angestrengtesten Arbeit seiner Ruderer und der ungeduldigsten Aufmerksamkeit von seiner Seite, daß das Boot auf das überschwemmte Land der Hallig gekommen sei. Ein unter dem Wasser verborgener Pfahl oder Ueberrest einer alten Werfte konnte jetzt den Nachen kentern und Allen Verderben bringen. Mit dem gespanntesten Blick forschte Godber daher nach beiden Seiten hin, ob nicht ein Streif hohler gehender Wogen ihm einen schmalen Seearm bezeichne, von dem er wußte, daß er sich an dieser Seite des Landes weit in dasselbe hinstrecke. Gott schärfte seinen Blick und leitete sein Steuer. Er fand jene Einfahrt, wo dem minder Kundigen Alles ein Wogenschwall zu sein schien. Nun forderte er den jungen Mander auf, das Steuer zu nehmen. Dieser aber war gänzlich von Todesangst erstarrt und aller Kraft des Handelns völlig beraubt, daß er bei dem Anruf regungslos sitzen blieb. Williger fand Godber den Vater, der wenigstens halb bewußtlos sich zum Steuer hinsetzte, aber auch wohl ohne Nachhülfe der Matrosen, die mit ihren Rudern zur Lenkung der Jolle beitrugen, wenig geleistet haben würde, die schnell auf einander folgenden Befehle Godber’s, der sich auf das Vorderende des Nachens mit einem langen Handstock gestellt hatte, rasch in’s Werk zu setzen. Da Niemand auf dem Boote Kunde hatte von der Einfahrt, in welcher es sich nun fortbewegte, sondern Alle meinten, noch die tiefe See um sich zu haben, so verstand auch Keiner den Zweck der Anordnungen Godber’s, seiner bald rechts bald links gebietenden Befehle; aber der alte Mander gehorchte wie ein Sklave, der sich kein eigenes Denken und Wollen erlauben darf, die Matrosen als Leute, die gewohnt sind, ihr eigenes Urteil ganz dem strengsten Gehorsam unterzuordnen. Auf diese Weise ging es bald mit dem Winde, bald hart an dem Winde noch anderthalb Stunden fort, ohne daß sie darum eine bedeutende Strecke vorwärts gekommen wären, denn die oft so plötzlichen Wendungen brachten immer einige störende Verwirrung in den Gang des Bootes, und die Kräfte der Ruderer waren beinahe erschöpft. Da führte eine neue kurze Wendung das Fahrzeug wieder in eine andere Richtung, und als ob sie plötzlich fast ganz aus dem Bereich des Windes herausgekommen wären, hörten sie nur noch sein Sausen, fühlten es aber nicht mehr, und die Wogen, deren Rauschen noch beinahe lauter als vorher an ihr Ohr schlug, spielten doch viel ruhiger um den Nachen. An dieser Stelle konnte der kleine Anker wohl halten, den sie auf Godber’s Befehl sogleich auswarfen und die Ruder einlegten.

Staunend über die rätselhafte Veränderung ihrer Lage, blickten die seeerfahrenen Matrosen und der alte Mander, während seine Kinder sich erst allmälig aus ihrer starren Angst erhoben, in die Nacht hinaus; aber Alles um sie her war so schwarz verhüllt, daß sie kaum sich einander, viel weniger irgend Etwas außerhalb des Bootes erkennen konnten, und fragend wandten sich Alle an Godber. Er allein, der sie so wunderbar geführt, mußte Auskunft geben können. „Wir sind zur Stelle!“ rief dieser, sprang auf Idalia zu, löste das Seil, mit dem sie noch immer umgürtet war, von ihren Schultern, schlang das eine Ende um seinen Leib, band das andere Ende in einem Ring der Jolle fest, lehnte seine Stange schräge aus von dem Boot und sprang mit einem mächtigen Satz in die Finsternis und in die Wogen hinein. Ein Schrei des Entsetzens entfuhr Allen. Dann standen sie einige Minuten lang in stummer Erwartung, wie dies ihnen ganz zwecklos dünkende Wagestück Godber’s enden werde. Schon gaben sie ihn verloren, und damit sank wieder jede Hoffnung, aus dem Schrecken dieser Nacht gerettet zu werden. Plötzlich schallte ein lautes Halloh! Halloh! wie aus den Wolken her über sie hin. Die Matrosen antworteten unwillkürlich dem ihnen gewohnten Ruf, obwohl sie nicht begreifen konnten, woher die Stimme so nahe, und doch wieder so hoch von oben her, als ob ein Riese neben ihnen stände. Vergebens strengten sie ihre Blicke an; ihr sonst so scharfes Auge für alle Gegenstände auf dem Meere sah Nichts, als die undurchdringlichste Nacht. Wieder gingen einige Minuten der gespanntesten Erwartung vorüber. Siehe, da glänzte plötzlich ein freundliches Licht durch die Fenster einer friedlichen Wohnung dicht über ihnen auf sie herab, und nach dem ersten regungslosen Erstaunen begrüßten die Matrosen dessen Erscheinen mit einem jubelnden Hurrah! während die Andern mit Thränen der Freude einander in die Arme sanken. Die ganze Lage der Dinge war jetzt klar. Der Nachen ankerte neben einer bis zur halben Höhe von den Fluten bedeckten Werfte und ward durch dieselbe und die darauf stehende Wohnung vor dem Winde geschützt, während noch rings umher der Sturm in gleicher Stärke auf den Wellen tobte und scheinbar noch wilder brauste, indem die an der Werfte vorbei brandenden Wogen eine kleine Strecke hinter dem Boote gegen einander aufwirbelten. Das eine Ende des Seils, das Godber mit hinaufgenommen, hatte er schon an den Thürpfosten befestigt, zog daran das Fahrzeug so nahe wie möglich zu sich und bildete damit zugleich eine ausreichende Handhabe für die Aufsteigenden, so daß in wenigen Augenblicken sich alle in dem sichern Schutz des Hauses befanden.

Hier mit der gutmütigsten Gastfreiheit aufgenommen und mit dem geschäftigsten Eifer erquickt, gewannen sie Zeit, ihrem frohen Erretter den freudigsten Dank darzubringen, den die Matrosen mit einem warmen, festen Händedruck und einem: „Du bist ein braver Steuermann!“ kurz und bündig abmachten. Der alte Mander sagte ebenfalls nur wenige Worte und saß dann stumm und sinnend da. Oswald konnte nicht Redensarten genug finden, um seine Dankbarkeit auszusprechen, dabei war er lustig wie ein Kind, lachte und scherzte über die geliehenen Kleider, in die sie angethan waren, und die freilich nicht eben im Modeschnitt anpaßten, aber doch eine behagliche Wärme den Durchnäßten bereiteten. Idalia, die sich im Nebenzimmer umgekleidet, trat jetzt herein, und während Oswald sie jubelnd umfaßte und sich totlachen wollte über ihren Anzug, in welchem, wie er meinte, sie notwendig auf dem nächsten Maskenball in Hamburg Furore machen müsse, starrte Godber sie als eine Erscheinung an, die mit dem seligsten Entzücken alle seine Nerven durchbebte. Sie war eine Jungfrau seiner Heimat. Dies glattgescheitelte Haar, von der kleinen Haube nur ein wenig bedeckt, dieses grüne Mieder mit seinen kurzen Aermeln, dieses nachlässig in einen Knoten geschlungene Tuch von bunter Seide, dieser gestreifte Rock, der nicht so lang war, die blauen Strümpfe zu verbergen, dieser Anzug hatte die prunksüchtige Großstädterin zu einer bescheidenen Erbin seines Stammes umgeschaffen. Aber diese hohe, weiße Stirn, diese glänzend braunen sprechenden Augen, diese feinen Gesichtszüge und die zartgeröteten Lippen und Wangen, diese lieblich gerundeten Arme mit der kleinen zierlichen Hand: nein! sie war das himmlische Bild einer irdischen Tochter der Hallig. Er war noch verloren in ihrem Anblick, als Idalia sich endlich frei machte von den Spässen ihres Bruders und nun, von ihrem lebendigen Gefühl hingerissen, Alles um sich her vergessend, auf Godber zueilte, mit dem leidenschaftlichsten Ungestüm sich an seine Brust warf und ihn mit ihren Thränen und ihren Küssen bedeckte. Er war ihr ja nachgesprungen in die grausige Tiefe; er hatte durch seine kluge und kühne Führung sie und ihren Vater und Bruder gerettet! Wie konnte sie daran denken, daß die ungehemmte Aufwallung ihrer Dankbarkeit die Grenzen überschritt? Wie konnte sie, die nie gewohnt war, ihre Lebhaftigkeit nur aus Rücksichten auf Andere in das Geleis des Gewöhnlichen zu zwingen, in diesem Augenblick zurückhaltender sein, als das Gefühl ihres Herzens sprach? Einen Geist, wie der ihre war, der jeden Funken der Empfindung sogleich zur hellen Flamme anfachte, hatten die Stunden der Schrecknis auf die furchtbarste Höhe der Angst gesteigert, und so mußte ihn auch die Freude der Errettung Alles überwältigend fortreißen. In den süßesten Tönen, die kaum zu Worten wurden, und die sich in immer von Neuem wieder hervorbrechende Thränenströme auflösten, dankte sie Godber für ihr Leben; und so oft ein Gedanke ihr den Tod in den tobenden Fluthen wieder vormalte, dem sie entgangen, schauderte sie vor dem Schreckensbilde zusammen und klammerte sich fester um den Hals des Retters, als sollte er sie noch einmal aus der grauenvollen Tiefe ziehen. Und Godber – da stand der männlich schöne Jüngling mit bebendem Entzücken, wie Einer, dem plötzlich die Pforte eines neuen, nie geahnten, seligen Daseins aufgethan ist. Ach! der Hoffnungsstern der armen Maria war untergegangen in der Stunde, in welcher endlich ihr langersehnter Verlobter den heimischen Boden betrat.

Die Hallig

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