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Jagsthausen.

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Maria. Weislingen.

MARIA.

Ihr liebt mich, sagt Ihr. Ich glaub es gerne, und hoffe mit Euch glücklich zu sein, und Euch glücklich zu machen.

WEISLINGEN.

Ich fühle nichts, als nur dass ich ganz dein bin. (Er umarmt sie.)

MARIA.

Ich bitte Euch lasst mich. Einen Kuss hab ich Euch zum Gott’spfenning erlaubt, Ihr scheinet aber schon von dem Besitz nehmen zu wollen, was nur unter Bedingungen Euer ist.

WEISLINGEN.

Ihr seid zu streng Maria! Unschuldige Liebe erfreut die Gottheit, statt sie zu beleidigen.

MARIA.

Es sei! Aber ich bin nicht dadurch erbaut. Man lehrte mich: Liebkosungen seien wie Ketten stark durch ihre Verwandtschaft, und Mädchen, wenn sie liebten, seien schwächer als Simson nach dem Verlust seiner Locken.

WEISLINGEN.

Wer lehrte Euch das?

MARIA.

Die Abtissin meines Klosters. Bis in mein sechzehnt Jahr war ich bei ihr, und nur mit Euch empfind ich das Glück das ich in ihrem Umgang genoss. Sie hatte geliebt, und durfte reden. Sie hatte ein Herz voll Empfindung! Sie war eine fürtreffliche Frau.

WEISLINGEN.

Da glich sie dir! (Er nimmt ihre Hand.) Wie wird mir’s werden, wenn ich Euch verlassen soll!

MARIA

(zieht ihre Hand zurück). Ein bisschen eng hoff ich, denn ich weiß wie’s mir sein wird. Aber Ihr sollt fort.

WEISLINGEN.

Ja, meine Teuerste und ich will. Denn ich fühle, welche Seligkeiten ich mir durch dieses Opfer erwerbe. Gesegnet sei dein Bruder, und der Tag an dem er auszog mich zu fangen.

[32]MARIA.

Sein Herz war voll Hoffnung für ihn und dich. Lebt wohl, sagt’ er beim Abschied, ich will sehen dass ich ihn wiederfinde.

WEISLINGEN.

Er hat’s. Wie wünscht’ ich die Verwaltung meiner Güter und ihre Sicherheit, nicht durch das leidige Hofleben so versäumt zu haben. Du könntest gleich die Meinige sein.

MARIA.

Auch der Aufschub hat seine Freuden.

WEISLINGEN.

Sage das nicht Maria, ich muss sonst fürchten du empfindest weniger stark als ich. Doch ich büße verdient, und schwindet nicht alle Entsagung gegen den Himmel voll Aussichten? Ganz der Deine zu sein, nur in Dir und dem Kreis von Guten zu leben, von der Welt entfernt, getrennt, alle Wonne zu genießen die so zwei Herzen einander gewähren; was ist die Gnade des Fürsten, was der Beifall der Welt gegen diese einfache einzige Glückseligkeit. Ich habe viel gehofft und gewünscht, das widerfährt mir über alles Hoffen und Wünschen.

Götz kommt.

GÖTZ.

Euer Knab ist wieder da. Er konnte vor Müdigkeit und Hunger kaum etwas vorbringen. Meine Frau gibt ihm zu essen. So viel hab ich verstanden, der Bischof will den Knaben nicht herausgeben, es sollen kaiserliche Kommissarien ernannt, und ein Tag ausgesetzt werden, wo die Sache denn verglichen werden mag. Dem sei wie ihm wolle, Adelbert, Ihr seid frei, ich verlange weiter nichts als Eure Hand, dass Ihr inskünftige meinen Feinden weder öffentlich noch heimlich Vorschub tun wollt.

WEISLINGEN.

Hier fass ich Eure Hand. Lasst von diesem Augenblick an Freundschaft und Vertrauen gleich einem ewigen Gesetz der Natur unveränderlich unter uns sein. Erlaubt mir zugleich, diese Hand zu fassen. (Er nimmt Mariens Hand.) Und den Besitz des edelsten Fräuleins.

GÖTZ.

Darf ich ja für Euch sagen?

[33]MARIA.

Bestimmt meine Antwort nach dem Werte seiner Verbindung mit Euch.

GÖTZ.

Es ist ein Glück, dass unsere Vorteile diesmal miteinander gehn. Du brauchst nicht rot zu werden. Deine Blicke sind Beweis genug. Ja denn Weislingen! Gebt euch die Hände, und so sprech ich Amen! Mein Freund und Bruder! Ich danke dir Schwester! Du kannst mehr als Hanf spinnen. Du hast einen Faden gedreht diesen Paradiesvogel zu fesseln. Du siehst nicht ganz frei! Was fehlt dir? Ich – bin ganz glücklich; was ich nur träumend hoffte, seh ich, und bin wie träumend. Ach! nun ist mein Traum aus. Mir war’s heute Nacht, ich gäb dir meine rechte eiserne Hand, und du hieltest mich so fest, dass sie aus den Armschienen ging wie abgebrochen. Ich erschrak und wachte drüber auf. Ich hätte nur fortträumen sollen, da würd ich gesehen haben, wie du mir eine neue lebendige Hand ansetztest. – Du sollt mir jetzo fort, dein Schloss und deine Güter in vollkommenen Stand zu setzen. Der verdammte Hof hat dich beides versäumen machen. Ich muss meiner Frau rufen. Elisabeth!

MARIA.

Mein Bruder ist in voller Freude.

WEISLINGEN.

Und doch darf ich ihm den Rang streitig machen.

GÖTZ.

Du wirst anmutig wohnen.

MARIA.

Franken ist ein gesegnetes Land.

WEISLINGEN.

Und ich darf wohl sagen, mein Schloss liegt in der gesegnetsten und anmutigsten Gegend.

GÖTZ.

Das dürft Ihr, und ich will’s behaupten. Hier fließt der Main, und allmählich hebt der Berg an, der mit Äckern und Weinbergen bekleidet von Eurem Schloss gekrönt wird, dann biegt sich der Fluss schnell um die Ecke hinter dem Felsen Eures Schlosses hin. Die Fenster des großen Saals gehen steil herab aufs Wasser, eine Aussicht viel Stunden weit.

[34]Elisabeth kommt.

ELISABETH.

Was schafft ihr?

GÖTZ.

Du sollst deine Hand auch darzu geben, und sagen: Gott segne euch. Sie sind ein Paar.

ELISABETH.

So geschwind!

GÖTZ.

Aber nicht unvermutet.

ELISABETH.

Möget Ihr Euch so immer nach ihr sehnen, als bisher da Ihr um sie warbt. Und dann! Möchtet Ihr so glücklich sein, als Ihr sie lieb behaltet.

WEISLINGEN.

Amen! Ich begehre kein Glück, als unter diesem Titel.

GÖTZ.

Der Bräutigam, meine liebe Frau, tut eine kleine Reise, denn die große Veränderung zieht viel geringe nach sich. Er entfernt sich zuerst vom bischöflichen Hof, um diese Freundschaft nach und nach erkalten zu lassen. Dann reißt er seine Güter eigennützigen Pachtern aus den Händen. Und – kommt Schwester, komm Elisabeth! Wir wollen ihn allein lassen. Sein Knab hat ohne Zweifel geheime Aufträge an ihn.

WEISLINGEN.

Nichts als was ihr wissen dürft.

GÖTZ.

Braucht’s nicht. Franken und Schwaben! Ihr seid nun verschwisterter als jemals. Wie wollen wir denen Fürsten den Daumen auf dem Aug halten.

(Die drei gehn.)

WEISLINGEN.

Gott im Himmel! konntest du mir Unwürdigen solch eine Seligkeit bereiten. Es ist zu viel für mein Herz. Wie ich von den elenden Menschen abhing die ich zu beherrschen glaubte, von den Blicken des Fürsten, von dem ehrerbietigen Beifall umher. Götz teurer Götz hast mich mir selbst wiedergegeben, und Maria du vollendest meine Sinnesänderung. Ich fühle mich so frei wie in heiterer Luft. Bamberg will ich nicht mehr sehen, will alle die schändliche Verbindungen durchschneiden, die mich unter mir selbst hielten. Mein Herz erweitert sich, hier ist kein beschwerliches Streben nach versagter Größe. So [35]gewiss ist der allein glücklich und groß, der weder zu herrschen noch zu gehorchen braucht um etwas zu sein.

Franz tritt auf.

FRANZ.

Gott grüß’ Euch gestrenger Herr! Ich bring Euch so viel Grüße, dass ich nicht weiß wo anzufangen. Bamberg, und zehn Meilen in die Runde entbieten Euch ein tausendfaches: Gott grüß’ Euch.

WEISLINGEN.

Willkommen Franz! Was bringst du mehr?

FRANZ.

Ihr steht in einem Andenken bei Hof und überall, dass nicht zu sagen ist.

WEISLINGEN.

Das wird nicht lang dauren.

FRANZ.

So lang Ihr lebt! und nach Eurem Tod wird’s heller blinken, als die messingene Buchstaben auf einem Grabstein. Wie man sich Euern Unfall zu Herzen nahm!

WEISLINGEN.

Was sagte der Bischof?

FRANZ.

Er war so begierig zu wissen, dass er mit der geschäftigsten Geschwindigkeit von Fragen meine Antwort verhinderte. Er wusst es zwar schon, denn Färber, der von Haslach entrann, brachte ihm die Bottschaft. Aber er wollte alles wissen. Er fragte so ängstlich, ob Ihr nicht versehrt wäret? Ich sagte: er ist ganz, von der äußersten Haarspitze bis zum Nagel des kleinen Zehs.

WEISLINGEN.

Was sagte er zu den Vorschlägen?

FRANZ.

Er wollte gleich alles herausgeben, den Knaben und noch Geld darauf, nur Euch zu befreien. Da er aber hörte, Ihr solltet ohne das loskommen, und nur Euer Wort das Äquivalent gegen den Buben sein; da wollte er absolut den Berlichingen vertagt haben. Er sagte mir hundert Sachen an Euch, ich hab sie vergessen. Es war eine lange Predigt über die Worte: Ich kann Weisling nicht entbehren.

WEISLINGEN.

Er wird’s lernen müssen!

FRANZ.

Wie meint Ihr? Er sagte: mach ihn eilen, es wartet alles auf ihn.

WEISLINGEN.

Es kann warten. Ich gehe nicht an Hof.

FRANZ.

Nicht an Hof? Herr! Wie kommt Euch das? Wenn [36]Ihr wüsstet was ich weiß. Wenn Ihr nur träumen könntet, was ich gesehen habe.

WEISLINGEN.

Wie wird dir’s?

FRANZ.

Nur von der bloßen Erinnerung komm ich außer mir. Bamberg ist nicht mehr Bamberg, ein Engel in Weibergestalt macht es zum Vorhof des Himmels.

WEISLINGEN.

Nichts weiter?

FRANZ.

Ich will ein Pfaff werden, wenn Ihr sie seht, und nicht außer Euch kommt.

WEISLINGEN.

Wer ist’s denn?

FRANZ.

Adelheid von Walldorf.

WEISLINGEN.

Die! Ich hab viel von ihrer Schönheit gehört.

FRANZ.

Gehört? Das ist eben als wenn Ihr sagtet, ich hab die Musik gesehen. Es ist der Zunge so wenig möglich eine Linie ihrer Vollkommenheiten auszudrucken, da das Aug so gar in ihrer Gegenwart sich nicht selbst genug ist.

WEISLINGEN.

Du bist nicht gescheit.

FRANZ.

Das kann wohl sein. Das letzte Mal dass ich sie sahe, hatte ich nicht mehr Sinne als ein Trunkener. Oder vielmehr, kann ich sagen, ich fühlte in dem Augenblick, wie’s den Heiligen bei himmlischen Erscheinungen sein mag. Alle Sinne stärker, höher, vollkommener, und doch den Gebrauch von keinem.

WEISLINGEN.

Das ist seltsam.

FRANZ.

Wie ich von dem Bischof Abschied nahm, saß sie bei ihm. Sie spielten Schach. Er war sehr gnädig, reichte mir seine Hand zu küssen und sagte mir viel vieles, davon ich nichts vernahm. Denn ich sah seine Nachbarin, sie hatte ihr Auge aufs Brett geheftet, als wenn sie einem großen Streich nachsänne. Ein feiner laurender Zug um Mund und Wange! Ich hätte der elfenbeinerne König sein mögen. Adel und Freundlichkeit herrschten auf ihrer Stirne. Und das blendende Licht des Angesichts und des Busens wie es von den finstern Haaren erhoben ward!

WEISLINGEN.

Du bist gar drüber zum Dichter geworden.

FRANZ.

So fühl ich denn in dem Augenblick, was den Dichter [37]macht, ein volles, ganz von einer Empfindung volles Herz. Wie der Bischof endigte und ich mich neigte, sah sie mich an, und sagte: auch von mir einen Gruß unbekannterweis! Sag ihm, er mag ja bald kommen. Es warten neue Freunde auf ihn, er soll sie nicht verachten wenn er schon an alten so reich ist. – Ich wollte was antworten, aber der Pass vom Herzen nach der Zunge war versperrt, ich neigte mich. Ich hätte mein Vermögen gegeben die Spitze ihres kleinen Fingers küssen zu dürfen! Wie ich so stund wurf der Bischof einen Bauren herunter, ich fuhr darnach und berührte im Aufheben den Saum ihres Kleides, das fuhr mir durch alle Glieder und ich weiß nicht wie ich zur Türe hinausgekommen bin.

WEISLINGEN.

Ist ihr Mann bei Hofe?

FRANZ.

Sie ist schon vier Monat Witwe. Um sich zu zerstreuen hält sie sich in Bamberg auf. Ihr werdet sie sehen. Wenn sie einen ansieht, ist’s als wenn man in der Frühlingssonne stünde.

WEISLINGEN.

Es würde eine schwächere Würkung auf mich machen.

FRANZ.

Ich höre, Ihr seid so gut als verheiratet.

WEISLINGEN.

Wollte ich wär’s. Meine sanfte Marie wird das Glück meines Lebens machen. Ihre süße Seele bildet sich in ihren blauen Augen. Und weiß wie ein Engel des Himmels, gebildet aus Unschuld und Liebe, leitet sie mein Herz zur Ruhe und Glückseligkeit. Pack zusammen! Und dann auf mein Schloss! Ich will Bamberg nicht sehen, und wenn Sankt Veit in Person meiner begehrte. (Geht ab.)

FRANZ.

Da sei Gott für, wollen das Beste hoffen. Maria ist liebreich und schön, und einem Gefangenen und Kranken kann ich nicht übel nehmen der sich in sie verliebt. In ihren Augen ist Trost, gesellschaftliche Melancholie. – Aber um dich Adelheid ist Leben, Feuer, Mut – Ich würde! – Ich bin ein Narr – dazu machte mich Ein Blick von ihr. Mein Herr muss hin! Ich muss hin! Und da will ich mich wieder gescheit oder völlig rasend gaffen.

Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand

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