Читать книгу Iphigenie auf Tauris - Johann Wolfgang Goethe - Страница 10

Zweiter Auftritt

Оглавление

IPHIGENIE. PYLADES.

IPHIGENIE.

Woher du seist und kommst, o Fremdling, sprich!

Mir scheint es, dass ich eher einem Griechen

800Als einem Skythen dich vergleichen soll.

(Sie nimmt ihm die Ketten ab.)

Gefährlich ist die Freiheit, die ich gebe;

Die Götter wenden ab was euch bedroht!

PYLADES.

O süße Stimme! Vielwillkommner Ton

Der Muttersprach in einem fremden Lande!

805Des väterlichen Hafens blaue Berge

Seh ich Gefangner neu willkommen wieder

Vor meinen Augen. Lass dir diese Freude

Versichern, dass auch ich ein Grieche bin!

Vergessen hab ich einen Augenblick,

810Wie sehr ich dein bedarf, und meinen Geist

Der herrlichen Erscheinung zugewendet.

O sage, wenn dir ein Verhängnis nicht

Die Lippe schließt, aus welchem unsrer Stämme

Du deine göttergleiche Herkunft zählst.

IPHIGENIE.

815Die Priesterin, von ihrer Göttin selbst

Gewählet und geheiligt, spricht mit dir.

Das lass dir g’nügen; sage, wer du seist

Und welch unselig-waltendes Geschick

Mit dem Gefährten dich hierher gebracht.

PYLADES.

820Leicht kann ich dir erzählen, welch ein Übel

Mit lastender Gesellschaft uns verfolgt.

O könntest du der Hoffnung frohen Blick

Uns auch so leicht, du Göttliche, gewähren!

Aus Kreta sind wir, Söhne des Adrasts:

825Ich bin der jüngste, Cephalus genannt,

Und er Laodamas, der älteste

Des Hauses. Zwischen uns stand rau und wild

Ein mittlerer, und trennte schon im Spiel

Der ersten Jugend Einigkeit und Lust.

830Gelassen folgten wir der Mutter Worten,

So lang des Vaters Kraft vor Troja stritt;

Doch als er beutereich zurücke kam

Und kurz darauf verschied, da trennte bald

Der Streit um Reich und Erbe die Geschwister.

835Ich neigte mich zum Ältsten. Er erschlug

Den Bruder. Um der Blutschuld willen treibt

Die Furie gewaltig ihn umher.

Doch diesem wilden Ufer sendet uns

Apoll, der Delphische, mit Hoffnung zu.

840Im Tempel seiner Schwester hieß er uns

Der Hülfe segensvolle Hand erwarten.

Gefangen sind wir und hierher gebracht,

Und dir als Opfer dargestellt. Du weißt’s.

IPHIGENIE.

Fiel Troja? Teurer Mann, versichr’ es mir.

PYLADES.

845Es liegt. O sichre du uns Rettung zu!

Beschleunige die Hülfe, die ein Gott

Versprach. Erbarme meines Bruders dich.

O sag ihm bald ein gutes holdes Wort;

Doch schone seiner wenn du mit ihm sprichst,

850Das bitt ich eifrig: denn es wird gar leicht

Durch Freud und Schmerz und durch Erinnerung

Sein Innerstes ergriffen und zerrüttet.

Ein fieberhafter Wahnsinn fällt ihn an,

Und seine schöne freie Seele wird

855Den Furien zum Raube hingegeben.

IPHIGENIE.

So groß dein Unglück ist, beschwör ich dich,

Vergiss es, bis du mir genug getan.

PYLADES.

Die hohe Stadt, die zehen lange Jahre

Dem ganzen Heer der Griechen widerstand,

860Liegt nun im Schutte, steigt nicht wieder auf.

Doch manche Gräber unsrer Besten heißen

Uns an das Ufer der Barbaren denken.

Achill liegt dort mit seinem schönen Freunde.

IPHIGENIE.

So seid ihr Götterbilder auch zu Staub!

PYLADES.

865Auch Palamedes, Ajax Telamons,

Sie sahn des Vaterlandes Tag nicht wieder.

IPHIGENIE.

Er schweigt von meinem Vater, nennt ihn nicht

Mit den Erschlagnen. Ja! er lebt mir noch!

Ich werd ihn sehn. O hoffe, liebes Herz!

PYLADES.

870Doch selig sind die Tausende, die starben

Den bittersüßen Tod von Feindes Hand!

Denn wüste Schrecken und ein traurig Ende

Hat den Rückkehrenden statt des Triumphs

Ein feindlich aufgebrachter Gott bereitet.

875Kommt denn der Menschen Stimme nicht zu euch?

So weit sie reicht, trägt sie den Ruf umher

Von unerhörten Taten die geschahn.

So ist der Jammer, der Mycenens Hallen

Mit immer wiederholten Seufzern füllt,

880Dir ein Geheimnis? – Klytemnestra hat

Mit Hülf Ägisthens den Gemahl berückt,

Am Tage seiner Rückkehr ihn ermordet! –

Ja du verehrest dieses Königs Haus!

Ich seh es, deine Brust bekämpft vergebens

885Das unerwartet ungeheure Wort.

Bist du die Tochter eines Freundes? bist

Du nachbarlich in dieser Stadt geboren?

Verbirg es nicht und rechne mir’s nicht zu,

Dass ich der erste diese Gräuel melde.

IPHIGENIE.

890Sag an, wie ward die schwere Tat vollbracht?

PYLADES.

Am Tage seiner Ankunft, da der König

Vom Bad erquickt und ruhig sein Gewand

Aus der Gemahlin Hand verlangend, stieg,

Warf die Verderbliche ein faltenreich

895Und künstlich sich verwirrendes Gewebe

Ihm auf die Schultern, um das edle Haupt;

Und da er wie von einem Netze sich

Vergebens zu entwickeln strebte, schlug

Ägisth ihn, der Verräter, und verhüllt

900Ging zu den Toten dieser große Fürst.

IPHIGENIE.

Und welchen Lohn erhielt der Mitverschworne?

PYLADES.

Ein Reich und Bette, das er schon besaß.

IPHIGENIE.

So trieb zur Schandtat eine böse Lust?

PYLADES.

Und einer alten Rache tief Gefühl.

IPHIGENIE.

905Und wie beleidigte der König sie?

PYLADES.

Mit schwerer Tat, die, wenn Entschuldigung

Des Mordes wäre, sie entschuldigte.

Nach Aulis lockt’ er sie und brachte dort,

Als eine Gottheit sich der Griechen Fahrt

910Mit ungestümen Winden widersetzte,

Die ältste Tochter Iphigenien

Vor den Altar Dianens, und sie fiel

Ein blutig Opfer für der Griechen Heil.

Dies, sagt man, hat ihr einen Widerwillen

915So tief ins Herz geprägt, dass sie dem Werben

Ägisthens sich ergab und den Gemahl

Mit Netzen des Verderbens selbst umschlang.

IPHIGENIE (sich verhüllend).

Es ist genug. Du wirst mich wiedersehn.

PYLADES (allein).

Von dem Geschick des Königs-Hauses scheint

920Sie tief gerührt. Wer sie auch immer sei,

So hat sie selbst den König wohl gekannt

Und ist, zu unserm Glück, aus hohem Hause

Hierher verkauft. Nur stille, liebes Herz,

Und lass dem Stern der Hoffnung, der uns blinkt,

925Mit frohem Mut uns klug entgegensteuern.

Iphigenie auf Tauris

Подняться наверх