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Homilien über den ersten Thessalonicher-Brief Erste Homilie.

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1.

Kap. I.

1. Paulus und Silvanus und Timotheus an die Kirche der Thessalonicher in Gott dem Vater und dem Herrn Jesus Christus. 2. Gnade euch und Friede! Dank sagen wir Gott immerdar für euch Alle, euer gedenkend bei unsern Gebeten 3. sonder Unterlaß, eingedenk des Werkes eures Glaubens und der Mühe und der Liebe und der Ausdauer in der Hoffnung auf unsern Herrn Jesus Christus, vor Gott und unserm Vater.

Aus welchem Grunde hat wohl St. Paulus, als er an die Epheser schrieb und den Timotheus bei sich hatte, dessen Namen nicht neben dem seinigen genannt, obwohl jener dieser Gemeinde bekannt und von ihr hoch geachtet war, („denn,“ sagt er, „ihr wisset, daß er bewährt ist; wie ein Sohn seinem Vater, so hat er mir gedient.“1 Und an einem andern Orte: „Ich habe keinen so Gleichgesinnten und so aufrichtig für euch Besorgten, wie er es ist.“)2 während er in diesem Briefe den Namen des Jüngers ausdrücklich erwähnt? Ich glaube, der Grund liegt darin, daß der Apostel bei Abfassung dieses Briefes im Sinne hatte, den Timotheus mit dem Briefe an sie abzusenden, und es somit doch wohl unpassend gewesen wäre, wenn in dem Briefe selbst der Überbringer desselben als Mitabsender bezeichnet gewesen wäre. Daß Timotheus den Brief überbringen sollte, läßt sich schließen aus den Worten: „Ich gedenke, diesen nächstens zu euch zu schicken.“3

Als aber der Apostel diesen Brief schrieb, da lag kein solcher Grund vor, sondern Timotheus war zurückgekehrt, und so konnte er recht wohl als Mitabsender des Briefes auftreten. Es heißt nämlich: „Da aber Timotheus von euch zu uns zurückgekommen ist.“4

Warum aber setzt der Apostel den Namen des Timotheus dem des Silvanus nach, obwohl er dem ersteren ungemein viel Gutes nachrühmt und ihn Allen vorzieht? Vielleicht darum, weil Dieser in seiner großen Demuth es selbst gewünscht und darum gebeten hat. Dazu mochte Timotheus um so eher veranlaßt sein, als er ja bemerkte, daß der Apostel selbst einfach seinen Namen ohne Beisatz neben den seines Jüngers setzte. Es heißt nur:

„Paulus und Silvanus und Timotheus an die Kirche zu Thessalonike.“ Paulus legt sich hier gar keinen Titel bei, er nennt sich nicht Apostel, nicht Diener oder sonst Etwas. Seinen hohen Rang gibt der Apostel hier, glaube ich, darum nicht an, weil die Thessalonicher erst seit kurzer Zeit gläubig geworden waren und ihn noch nicht näher kennen gelernt hatten; übrigens hatte man mit der Verkündung des Evangeliums bei ihnen eben erst begonnen.


2.

An die Kirche zu Thessalonike.

Ganz gut gewählter Ausdruck. Denn darin, daß der Apostel zu den doch wohl noch verhältnißmäßig wenigen und noch nicht so recht innig verbundenen Gläubigen zu Thessalonich sagt, sie bildeten schon eine wohlorganisierte Kirche und Gemeinde, wirkt er ermuthigend und ermunternd auf sie ein.

Denn wenn er an eine Gemeinde schreibt, die schon lange Zeit gegründet, zahlreich und wohlorganisiert ist, da hat er keinen Grund, durch Hervorhebung des Titels „Kirche“ aufmunternd zu wirken, und er läßt daher denselben weg. Weil aber der Titel „Kirche“ das innige Zusammenhalten vieler Gläubigen bezeichnet und den Begriff einer fest geeinten und wohlorganisierten Gemeinde erweckt, darum verleiht der Apostel (anerkennend und aufmunternd zugleich) den Gläubigen von Thessalonike jetzt schon den Titel „Kirche und Gemeinde.“

In Gott dem Vater und dem Herrn Jesu Christo der Gemeinde zu Thessalonike, welche in Gott ist.

Beachtet hier fürs Erste, daß der Ausdruck „Gott“ gebraucht ist vom Vater und vom Sohne. Ferner sagt er: „Die Gemeinde, so da in Gott ist;“ gab es ja doch noch viele andere Genossenschaften und Gemeinden, jüdische und heidnische. Wenn man aber von einer Gemeinde sagen kann, sie sei „in Gott“, so ist das eine erhabene und ganz unvergleichliche Würde. Gebe Gott, daß man auch von unserer Gemeinde Dasselbe sagen könne! Ich muß aber fürchten, daß diese eine solche Bezeichnung noch nicht verdiene. Denn wer noch ein Knecht der Sünde ist, von dem kann man nicht sagen, er sei „in Gott“.

Gnade euch und Friede! Wir danken Gott allezeit für euch Alle und gedenken euer in unsern Gebeten.

Habt ihr beachtet, daß der Brief gleich mit einer Belobung beginnt? Denn wenn der Apostel ihretwegen Gott Dank sagt, so gibt er zu verstehen, daß sie große Fortschritte gemacht haben, und das ist der Grund, weßhalb er sie einerseits lobt, andrerseits aber Gott, als dem Urheber alles Guten, dafür Dank sagt. Zugleich aber lehrt er sie, demüthig zu sein, indem er sie hinweist darauf, daß Alles ein Werk der göttlichen Gnade sei. Daß er wegen der Gläubigen Gott „danke“, erwähnt der Apostel, um ihnen wegen ihres löblichen Verhaltens seine Anerkennung auszudrücken; daß er für sie „bete“, theilt er ihnen mit, um sie seiner Liebe zu versichern. Hierauf erwähnt er, wie an vielen andern Stellen, daß er nicht bloß im Gebete, sondern auch außerdem ihrer gedenke, indem er sagt:

Ohne Unterlaß eingedenk euer und des Werkes eures Glaubens und der Mühen der Liebe und der Ausdauer in der Hoffnung unsers Herrn Jesu Christi vor unserm Gott und Vater.

Was will der Apostel sagen mit den Worten: „Ohne Unterlaß eingedenk“ ? Entweder: „Wir sind eingedenk vor unserm Gott und Vater,“ oder: „Wir sind eingedenk der Liebesmühe, die ihr vor unserm Gott und Vater beweiset.“

Der Apostel sagt aber nicht einfach: „Ohne Unterlaß eingedenk,“ sondern er sagt: „Eingedenk euer.“ Und damit Niemand meine, er habe dieses „euer“ ohne besondere Bedeutung hinzugesetzt, fügt er bei: „Vor unserm Gott und Vater.“ Der Apostel hat Dieß gethan, weil kein Mensch sie wegen ihrer guten Werke lobte, Niemand sie dafür belohnte, und es ist, als ob der Apostel ihnen mit jenen Worten zurufen wollte: „Verzaget nicht! Was ihr thut und leidet, thut und leidet ihr vor Gott!“

Was ist der Sinn der Worte: „Des Werkes eures Glaubens?“

Eure Standhaftigkeit hat Nichts erschüttern können. Das ist „das Werk des Glaubens“. Glaubst du, so erdulde Alles; duldest du nicht, so glaubst du nicht. Oder ist der verheißene Lohn nicht groß genug, daß der Gläubige seinetwegen nicht gerne tausendfachen Tod erleiden sollte? Das Himmelreich, Unsterblichkeit und ewiges Leben ist der Kampfpreis. Wer also glaubt, der wird Alles erdulden. In den Werken zeigt sich demnach der Glaube. Darum hat der Apostel nicht einfach gesagt: „Ich gedenke eures Glaubens,“ sondern: „Ich gedenke der Werke eures Glaubens,“ indem er sagen wollte: „Ihr habt den Glauben auch durch eure Werke bekundet, durch eure standhafte Ausdauer, durch euren freudigen Eifer.


3.

Und der Opfer 5 der Liebe.

Was für Opfer kostet es denn, überhaupt nur in der alltäglichsten Bedeutung des Wortes zu lieben? Keine. Wahrhaft und im vollsten Sinne des Wortes zu lieben aber, das kostet allerdings große Opfer. Oder sage mir: Wenn tausenderlei Dinge uns von der Liebe abziehen wollen, wir aber allen diesen Versuchungen widerstehen, kostet das keine Opfer? Was haben nicht die alten Christen erdulden müssen, um von ihrer Liebe nicht zu lassen! Sind die Feinde des Evangeliums nicht eingedrungen in das Haus Dessen, der den heiligen Paulus gastlich aufgenommen,6 und als sie diesen nicht fanden, haben sie da nicht den Jason hingeschleppt vor die Obrigkeit? Sag’ an, fordert das keine Opfer, wenn die Saat, die kaum gewurzelt ist, schon solche Stürme, solche Versuchungen zu bestehen hat? „Und sie forderten Bürgschaft von ihm“, heißt es, „und nachdem er diese gestellt, entließ man den Paulus.“7 War das eine Kleinigkeit? Hat er sich damit nicht selbst für Paulus der Lebensgefahr ausgesetzt?

Wenn also z. B. einzelne Christen sich in Ketten und Bande schlagen ließen, so nennt der Apostel dieses einen Beweis von „mühevoller, opferwilliger Liebe.“

Es ist hier auch zu beachten, daß Paulus zuerst von ihren Tugenden spricht und dann erst von sich selbst, damit er auch den Schein vermeide, als sei er zur Ruhmredigkeit geneigt, oder als ob er sie liebe ohne Grund.

Und der Ausdauer.

Jene Verfolgung dauerte nämlich nicht eine bestimmte Zeit lang, sondern immerfort, und sie war nicht bloß gegen den Lehrer Paulus gerichtet, sondern auch gegen seine Schüler. Und wenn man nun schon jene wunderthätigen, dabei aber sonst so achtunggebietenden Männer so sehr verfolgte, wie wird man verfahren sein gegen Hausgenossen und Mitbürger, welche vom nationalen Glauben abfielen? Und daß die Gläubigen in der That Schlimmes zu befahren hatten, gibt der Apostel durch die Äußerung zu erkennen: „Ihr seid Nachfolger der Gemeinden Gottes in Judäa geworden.“8

In der Hoffnung unsers Herrn Jesus Christus vor unserm Gott und Vater.

Eine herrliche Bemerkung! Denn alle die vorher bezeichneten Leistungen und Tugenden haben ihre Wurzel im Glauben und in der Hoffnung, und sind nicht nur ein Beweis von Starkmuth, sondern in viel höherem Grade ein Beweis von gläubiger Erwartung des verheißenen Lohnes. Deßhalb hat Gott zugelassen, daß bei Zeiten Verfolgungen über die Christen hereinbrachen, damit man nicht behaupten könne, das Christenthum habe ohne Schwierigkeit dadurch, daß es den Menschen schmeichelte, Bestand gewonnen, sondern auf daß der Eifer der Christen sich bewähre und es Allen offenbar werde, es sei nicht die Macht menschlicher Überredungskunst, sondern die Kraft Gottes gewesen, welche die christlichen Bekenner stärkte, sogar tausendfachem Tode entgegen zu gehen. Das wäre nicht der Fall gewesen, wenn nicht das Evangelium schnell tiefgewurzelt gewesen und unerschütterlich fest gestanden wäre.


4.

4. Da wir wissen, geliebte Brüder, daß ihr von Gott auserwählt seid, 5. weil unser Evangelium bei euch nicht bloß in Worten bestand, sondern auch in Kraft und in heiligem Geiste und in großer Macht der Überzeugung; wie denn auch ihr wisset, wie wir unter euch um euretwillen gewesen sind.

Was will der Apostel sagen mit den Worten: „Wie wir unter euch gewesen sind?“ Damit weist er auf seine eigene Thätigkeit hin, wenn auch nur mittelst einer leisen Andeutung; denn zunächst sucht er die Rede auf ihr eigenes Lob zu lenken. Der Sinn dieser Worte aber ist ungefähr folgender: „Wir wußten, daß ihr edle und starkmüthige Männer seiet und zu den Auserwählten gehöret. Darum erdulden denn auch wir Alles um euretwillen.“<544>Denn mit den Worten: „Wie wir unter euch gewesen sind“ will er etwa sagen: „Mit größter Freudigkeit war ich bereit, mein Lehen für euch hinzuopfern. Doch das ist nicht mir zuzurechnen, sondern euch, weil ihr nämlich Auserwählte seid.“ In ähnlichem Sinne sagt der Apostel an einer andern Stelle: „Das alles dulde ich wegen der Auserwählten.“9 Und in der That, was sollte man denn auch nicht erdulden für die Lieblinge des Herrn!

Wenn die obigen Worte des Apostels von ihm selbst und seiner Gesinnung gelten, so will er damit nur ungefähr Folgendes gesagt haben: „Wenn ihr Lieblinge und Auserwählte Gottes seid, so ist es nur billig und recht, daß wir (euch zu lieb) Alles erdulden.“ Somit ermuthigt er sie nicht nur durch das ihnen gespendete Lob, sondern auch durch die Anerkennung ihres ausdauernden Starkmuthes, welcher dem freudigen Glaubensmuthe der andern (in Judäa befindlichen) Gemeinden entspreche.

6. Und ihr seid unsere und des Herrn Nachfolger geworden, da ihr das Wort unter vieler Trübsal aufgenommen habt mit Freude im heiligen Geiste.

Höret und staunet über dieses Lob! Die Jünger sind urplötzlich Meister geworden! Sie haben nicht bloß die Worte des Apostels gehört, sondern sich auf dieselbe Höhe wie Paulus, geschwungen. Aber das ist noch gar Nichts in Vergleich zu dem Lobe, das er ihnen im Folgenden spendet. Er sagt: „Ihr seid Nachfolger des Herrn geworden.“ Inwiefern? „Ihr habt das Wort aufgenommen unter vieler Trübsal mit Freude im heiligen Geiste.“

Nicht bloß „unter Trübsal“, sondern „unter vieler Trübsal“ . Wie man Verfolgungen gegen die Christen erregte, ist aus der Apostelgeschichte zu ersehen. „Sie wiegelten das ganze Volk und die Stadtobrigkeit gegen sie auf.“10 Und da kann Niemand sagen: „Ihr habt wohl geglaubt und gelitten, aber mit Unlust.“ Nein, im Gegentheile, mit großer Freudigkeit, den Aposteln gleich, welche „frohlockten, daß sie gewürdigt worden waren, um des Namens Christi willen Schmach zu leiden.“11

Was uns dabei in Staunen setzt, ist Folgendes: Es ist doch wohl schon keine Kleinigkeit, überhaupt Qual und Trübsal zu leiden. Um aber Freude in Qual und Trübsal zu empfinden, dazu muß man übermenschliche Kraft und einen gleichsam leidensunfähigen Körper besitzen. — In wiefern also sind sie „Nachfolger des Herrn“ geworden? Insofern, als auch er viele Leiden erduldet hat, nicht mit Unwillen, sondern mit Freuden. Freiwillig ist er dazu auf die Erde herabgekommen. Unsertwegen hat er sich selbst entäußert, hat er sich anspeien, geißeln und kreuzigen lassen. Und Das alles duldete er mit Freuden, so daß er ausrufen konnte: „Vater, verherrliche mich!“12

„Mit Freuden im heiligen Geiste.“ Diese Worte fügt der Apostel hinzu, damit Niemand sage: Was sprichst du von Trübsal und Freude zugleich? Wie können diese beiden Dinge miteinander verbunden sein? Im Hinblick darauf sagt also der Apostel: „Mit Freude im heiligen Geiste.“ Qual und Trübsal dem Leibe nach, Freude dem Geiste nach. Wie so? Das, was dem Menschen Schlimmes zugefügt wird, schmerzt, was aber daraus hervorgeht, erfreut; denn anders läßt es der heilige Geist nicht zu. Es kann wohl vorkommen, daß Einer im Leiden sich nicht freut, wenn er nämlich wegen seiner Sünden leidet. Ein Anderer aber kann auch unter Geißelstreichen frohlocken, wenn er nämlich um Christi willen leidet. Das ist Freude im heiligen Geiste: Er setzt an die Stelle Dessen, was bitter und schmerzlich scheint, Lust und Freude. Sie haben euch, will der Apostel sagen, gequält und verfolgt, aber auch in dieser Qual und Verfolgung hat euch der heilige Geist nicht verlassen, sondern gleichwie die drei Jünglinge im Feuerofen durch himmlischen Thau Kühlung erhielten, also auch ihr in den Trübsalen. Gleichwie aber dort die Fühlung nicht von der Natur des Feuers herkam, sondern vom Wehen des Geistes, so liegt es hier nicht in der Natur der Trübsale, daß sie Freude erzeugen, sondern in dem Umstande, daß um Christi willen gelitten wird und im heiligen Geiste, der dem Thaue gleich kühlt und durch den Feuerofen der Trübsale Erquickung bereitet.

„Mit Freude,“ heißt es, aber nicht einfach „mit Freude,“ sondern „mit großer Freude,“ denn also wirket der heilige Geist.


5.

7. So daß ihr ein Vorbild geworden für alle Gläubigen in Macedonien und Achaia.

Der Apostel war erst spät zu den Thessalonikern gekommen. „Und dennoch,“ will er sagen, „habt ihr euch jetzt so ausgezeichnet, daß Solche, die vor euch das Christenthum annahmen, sich an euch ein Beispiel nehmen können.“ Das ist eine Äußerung, des Apostels ganz würdig. Er sagt nicht: „Daß ihr ein Vorbild geworden seid in Annahme des Glaubens,“ sondern: „Daß ihr den schon Glaubenden ein Vorbild geworden seid, d. h. wie man glauben müsse das habt ihr sie gelehrt, die ihr gleich beim Beginne eures Glaubens auch schon Kampfe in Betreff desselben zu bestehen hattet.“

Und in Achaia, d. h. in Griechenland. Seht ihr, was der Eifer vermag? Er verlangt nicht lange Zeit, nicht langes Nachdenken, nicht Aufschub; genug, daß er selbst da ist, und Alles ist vollbracht. So haben auch diese erst später den Glauben empfangen und sind doch Vorbilder Solcher geworden, die ihn erst später erhalten. Darum soll Keiner verzagen, wenn er auch bisher in langer Zeit nichts (Rechtes) gewirkt hat! Ist es ihm ja doch immerhin möglich, in kurzer Frist mehr zu Stande zu bringen, als er in langer Zeit versäumt hat. Denn wenn es Denen, die noch gar nicht geglaubt haben, möglich ist, gleich beim Beginne ihres Glaubens so Glanzvolles zu leisten, warum nicht auch Denen, die schon früher geglaubt?

Aber es darf auch andrerseits Niemand sorglos werden bei dem Gedanken, er könne in kurzer Zeit alles Versäumte wieder einholen. Denn die Zukunft ist ungewiß, und der Tag des Herrn ist wie ein Dieb, der plötzlich kommt, während wir schlafen. Wenn wir aber wachen und nüchtern sind, dann wird er uns nicht wie ein Dieb überraschen und nicht unvorbereitet treffen, sondern wie ein Bote des Königs, welcher uns beruft zum Genusse der uns bereiteten Freuden. Schlafen wir dagegen, dann überrascht uns der Tag des Herrn wie ein Dieb. Darum sei Keiner schläfrig, Keiner träge im Gutesthun! Denn das ist zu verstehen unter dem „Schlafen“. Wisset ihr nicht, wie unsicher unser Besitzthum ist, wie vielen Gefahren ausgesetzt, wenn wir schlafen?

Wofern wir aber wachsam sind, bedürfen wir solcher Hut nicht. Ergeben wir uns dagegen dem Schlafe, so können wir trotz vieler Wachen Schaden leiden, denn trotz vieler Thüren, Riegel, Wachen und Vorwachen ist schon oft der Dieb eingedrungen. Wozu aber diese meine Worte? Deßhalb, damit ihr folgende Wahrheit wohl beherzigt: Sind wir wachsam, so bedürfen wir keiner fremden Hilfe. Sind wir es aber nicht, dann nützt uns auch fremde Hilfe Nichts, sondern wir können sammt derselben ins Verderben stürzen. —

Schön ist es, der Fürbitte der Heiligen theilhaftig zu werden; aber nur dann, wenn wir selbst es an uns nicht fehlen lassen. „Was bedarf ich aber der Fürbitte Anderer, wenn ich selbst meine Schuldigkeit thue und dafür sorge, daß ich ihrer Fürbitte nicht bedarf?“ Eine solche Zumuthung wird dir auch von mir keineswegs gemacht; allein, wenn wir nur die Sache recht betrachten, es ist nun ebenso, daß wir diese Fürbitte allzeit nöthig haben. St. Paulus hat nicht gesagt: „Was bedarf ich der Fürbitte?“ Und doch waren Jene, so für ihn beteten, seiner nicht würdig, ja nicht einmal ihm gleich. Du aber sagst: „Was bedarf ich der Fürbitte?“ St. Petrus hat nicht gesagt: „Was bedarf ich der Fürbitte?“ Denn „ohne Unterlaß wurden von der Gemeinde für ihn gebetet.“13 Du aber sagst: „Was bedarf ich der Fürbitte?“ Gerade darum bedarfst du der Fürbitte, weil du ihrer nicht zu bedürfen wähnst.

Und wärst du auch ein zweiter Paulus, du hättest dennoch die Fürbitte nöthig. Erhebe dich nicht, auf daß du nicht gedemüthigt werdest! Aber, wie schon gesagt, die Fürbitten sind uns nur dann von Nutzen, wenn wir selber auch das Unsrige thun. Höre die Worte des heiligen Paulus: „Ich weiß, daß Dieses mir zum Heile gereichen wird durch euer Gebet und den Beistand des Geistes Jesu Christi.“14 Und an einer andern Stelle sagt er: „Damit für die Gabe, die uns um Vieler willen verliehen ist, durch Viele von uns Dank gesagt werde.“15 Und du sagst: „Was bedarf ich der Fürbitte?“

Wenn wir es dagegen an uns fehlen lassen, so kann uns Niemand mit seiner Fürbitte helfen. Was konnte Jeremias den Juden helfen? Ist er nicht dreimal vor Gott hingetreten und hat er nicht dreimal die Worte hören müssen: „Bitte nicht für dieses Volk und lege nicht Fürbitte für dasselbe ein, denn ich werde dich nicht erhören!“16 Was konnte Samuel dem Saul helfen? Und doch hat er für diesen nicht bloß gebetet, sondern auch geweint und getrauert bis zu seinem letzten Tage.17 Was konnte derselbe den Israeliten nützen, von denen er doch gesagt: „Fern sei es von mir, mich so zu versündigen, daß ich von dem Gebete für euch ablassen sollte!“18 Sind nicht dessenungeachtet Alle zu Grunde gegangen?

„Also nützen die Fürbitten Nichts?“ wendest du ein. Allerdings nützen sie und zwar in hohem Grade, allein, wohlgemerkt, nur dann, wenn wir auch das Unsrige thun. Denn die Fürbitten helfen und unterstützen nur; gerade der Begriff helfen und unterstützen aber setzt schon nothwendig voraus, daß Derjenige, dem Hilfe und Unterstützung zu theil wird, sich nicht ganz unthätig verhält, sondern daß er auch Etwas thut. Wer ganz unthätig bliebe, bei dem bliebe jede sogenannte Hilfe wirkungslos.


6.

Wenn die Fürbitten uns ohne unser Zuthun ins Himmelreich befördern könnten, warum werden nicht alle Heiden Christen? Beten wir denn nicht für die ganze Welt? Hat nicht auch Paulus Dieses gethan? Beten wir nicht für die Bekehrung Aller? Warum also werden die Bösen nicht gut? Offenbar darum, weil sie selbst nicht mitwirken wollen. Gar sehr nützlich sind also Fürbitten, wofern wir nur auch das Unsrige beitragen wollen. Willst du wissen, wie mächtig Fürbitten wirken? Denke an Kornelius und Tabitha!19 Höre auch, was Jakob zu Laban sagt: „Hättest du nicht auf meinen Vater Rücksicht genommen, so hättest du mich wohl leer abziehen lassen.“20

Höre auch, was Gott ein andermal spricht: „Ich will diese Stadt schützen um meinetwillen und wegen meines Dieners David.“21 Wann aber geschah Dieß? Zur Zeit des Ezechias, der gerecht war. Wenn die Fürbitten auch wirken zu einer Zeit, wo die Menschen sehr verderbt sind, warum hat dann Gott zur Zeit, als Nabuchodonosor gezogen kam, nicht auch so gesprochen, sondern die Stadt in seine Hände gegeben? Darum, weil die Ruchlosigkeit noch mächtiger war als die Fürbitte. Derselbe Samuel hat ein anderes Mal für die Israeliten gebetet und Erhörung gefunden. Wann aber geschah Dieß? Damals, als diese ebenfalls Gott wohlgefällig waren, damals trieb er die Feinde in die Flucht.

„Was brauche ich aber denn,“ entgegnest du, „das Gebet eines Andern, wenn ich selbst Gott wohlgefällig bin?“ Sprich nicht also, o Menschenkind! Ja, du brauchst das Gebet Anderer, und brauchst es gar sehr! Höre, was Gott von den Freunden des Job sagt: „Er soll für euch beten, und es wird euch die Sünde vergeben werden.“22 Diese hatten nämlich gesündigt, wenn auch nicht schwer. Aber der nämliche Gerechte, welcher damals durch sein Gebet seine Freunde rettete, er konnte zur judäischen Zeit die Juden nicht vor dem Verderben schützen. Das wirst du begreifen, wenn du die Worte hörst, welche Gott durch den Mund des Propheten gesprochen: „Und stünden auch Noe, Job und Daniel vor mir, so würden sie ihre Söhne und Töchter nicht erretten, weil die Sünde übergroß geworden.“23 Und ein anderes Mal: „Auch wenn Moses und Samuel vor mir stünden.“24 Und, wohlgemerkt, das spricht Gott zu den beiden Propheten, nachdem beide für das Volk gebetet hatten, ohne Erhörung zu finden, und zwar zu Ezechiel, nachdem dieser gesprochen: „Ach, Herr, willst du ganz vertilgen den Rest deines Volkes Israel!“25

Um dem Propheten zu zeigen, daß Dieß nicht ungerecht sei, und daß in der Nichterhörung seines Gebetes auch keine Mißachtung seiner Person liege, weist Gott auf die Sünden des Volkes hin, als wollte er sagen: „Dieß wird dich wohl genugsam belehren, daß der Grund, weßhalb dein Gebet nicht erhört wird, nicht etwa in Mißachtung deiner Person liegt, sondern in den Sünden des Volkes.“ Überdieß fügt Gott hinzu: „Auch wenn Noe und Job und Daniel vor mich hintreten würden.“ Und gerade dem Ezechiel sagt er Dieses besonders, weil dieser so Viel gelitten hatte. Dieser konnte sagen: „Du hießest mich auf der Düngerstätte essen, und ich aß.26 Du gebotest mir, das Haupthaar zu scheeren, und ich schor es;27 du befahlst mir, auf einer Seite zu schlafen, und ich that es;28 du verlangtest, ich solle beladen durch eine Maueröffnung gehen, und ich ging;29 du nahmst mir mein Weib und verbotest mir zu klagen,30 und ich klagte nicht, sondern ertrug es mit Geduld. Tausend andere Dinge noch habe ich ihretwegen gethan, und nun bitte ich dich für sie, und du erhörest mich nicht?“ Um nun zu zeigen, daß er nicht aus Mißachtung gegen seine Person so handle, spricht der Herr: „Wenn auch Noe, wenn Job, wenn Daniel es wäre, und sie für ihre Söhne und Töchter bitten würden, so könnte ich mich doch nicht bewegen lassen.“

Und was spricht er zu Jeremias, der zwar weniger wegen Dessen, was Gott ihm aufgetragen, als wegen der Bosheit des Volkes zu leiden hatte? „Siehst du nicht, was diese thun?“31 „Allerdings,“ antwortet er, „handeln sie also, allein gewähre du die Bitte um meinetwillen!“ Darauf hin spricht der Herr: „Auch wenn Moses und Samuel vor mich hintreten würden;“ — Moses, der erste Gesetzgeber, der die Israeliten so oft aus Gefahren errettet, der gesagt hat: „Willst du ihnen die Sünde verzeihen, so verzeihe; wenn nicht, so vernichte auch mich!“32 Wenn also auch dieser jetzt da wäre und also spräche, auch er würde keine Erhörung finden; oder wenn es auch Samuel wäre, der auch sein Volk errettet hat, der schon von frühester Kindheit an bewundert worden. Von jenem heißt es, daß ich mit ihm wie ein Freund mit dem andern geredet habe, nicht in dunkeln Gleichnissen und Bildern, und von diesem, daß ich ihm in frühester Kindheit erschienen sei, und, durch ihn versöhnt, die verschlossene Weissagung wieder eröffnet habe; „denn das Wort (Gottes) war selten, und es gab kein deutliches Gesicht mehr.“33 Wenn also selbst diese Gerechten vor mich hinträten, sie würden Nichts ausrichten. Und doch heißt es von Noe: „Gerecht und vollkommen in seinem Geschlechte war Noe.“34 Und von Job: „Er war untadelhaft, gerecht, wahrhaftig und fürchtete Gott.“35 Und wenn nun auch diese beiden vor mir ständen und auch Daniel, den die Chaldäer sogar für einen Gott hielten, so vermöchten sie nicht, so spricht der Herr, ihre Söhne und Töchter zu erretten.

So wir nun Dieses wissen, wollen wir weder die Fürbitten der Heiligen gering achten, noch auch unsere ganze Hoffnung auf dieselbe setzen: das Letztere, damit wir nicht gleichgiltig werden und in den Tag hineinleben, das Erstere, damit wir uns nicht eines großen Gewinnes verlustig machen. Nein, wir wollen sie anrufen, auf daß sie für uns bitten und uns beistehen, wollen uns aber auch selbst der Tugend befleißen, damit wir der Güter theilhaftig werden können, welche Denen verheißen sind, die Gott lieben, durch die Gnade und Liebe unsers Herrn Jesu Christi, dem zugleich mit dem Vater und heiligen Geiste Ehre, Preis und Herrlichkeit sei jetzt und allezeit und in Ewigkeit! Amen.

Homilien über den ersten und zweiten Thessalonicher-Brief

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