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Dritte Homilie.

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1.

9. Denn ihr erinnert euch, Brüder, unserer Mühe und Beschwerde, wie wir, um Keinem von euch zur Last zufallen, Tag und Nacht arbeitend, euch das Evangelium Gottes gepredigt haben. 10. Ihr und Gott seid Zeugen, wie heilig und gerecht und tadellos wir uns bei euch Gläubigen betragen haben, 11. wie ihr denn wisset, daß wir jeden von euch, wie ein Vater seine Kinder, 12. gebeten, angetrieben und beschworen haben, Gottes würdig zu wandeln, der euch zu seinem Reiche und zu seiner Herrlichkeit berufen hat.

Der Meister darf Nichts von alle Dem für beschwerlich erachten, was das Seelenheil seiner Jünger betrifft. Denn wenn schon im alten Testamente der Patriarch Jakob sich Tag und Nacht abmühte, seine Heerde zu bewachen, um wie viel mehr muß Derjenige, dem Seelen zur Obhut anvertraut sind, alle Mühsal auf sich nehmen, und mag sie auch noch so groß sein, einzig und allein im Hinblick auf das Eine, daß es sich handle um das Seelenheil der Jünger und die daraus Gott erwachsende Ehre! Beachtet daher, wie sogar der Prediger und Apostel der ganzen Welt, St. Paulus selbst, trotz seines hohen Berufes sich mit Handarbeit beschäftigte, nur um seinen Jüngern nicht zur Last zu fallen.

Er sagt: „Denn ihr erinnert euch, Brüder, unserer Mühe und Beschwerde.“ Vorher hatte er gesagt: „Wir könnten euch zur Last fallen als Apostel Christi.“45 Und in dem Brief an die Korinthier schrieb er: „Wisset ihr nicht, daß Die, welche im Heiligthum beschäftigt sind, im Heiligthum auch essen?“46 Und auch Christus hat gewollt, daß Die, welche das Evangelium verkünden, auch vom Evangelium leben sollen. „Ich aber,“ sagt der Apostel, „habe das nicht gewollt, sondern habe gearbeitet. Ich habe nicht bloß gearbeitet, sondern mit Mühe und Plage gearbeitet.“ Beachtet, wie er weitersagt: „Ihr erinnert euch, — nicht etwa der Wohlthaten, so ich euch erwiesen, sondern — unserer Mühe und Beschwerde, wie wir, um Keinem von euch zur Last zu fallen, Tag und Nacht arbeitend, euch das Evangelium Gottes gepredigt haben!“ Anders spricht er zu den Korinthiern, nämlich: „Andere Gemeinden habe ich beraubt, habe Unterstützungen von ihnen angenommen, um euch zu dienen.“47 Allerdings hat er auch dort gearbeitet, aber Dieß erwähnt er jetzt nicht, sondern führt statt dessen etwas Anderes an, was mehr Eindruck aus die Gemüther machte, indem er gleichsam sagt: „Während ich mich für euch abmühte, wurde ich von Andern ernährt.“ Hier heißt es: „Tag und Nacht arbeitend“ ; dort spricht er: „Als ich bei euch war und Mangel litt, fiel ich doch Niemand zur Last;“ und weiter: „Ich nahm Unterstützung von Andern an, um euch zu dienen.“

Damit gibt der Apostel wohl zu erkennen, daß diese Gläubigen in ärmlichen Verhältnissen lebten, jene aber nicht. Darum ruft er sie immer wieder zu Zeugen auf. „Ihr und Gott seid Zeugen.“ So verschafft er seinen Aussagen Glaubwürdigkeit, besonders auch durch den Hinweis auf Thatsachen, die Jene am meisten überzeugen mußten. Denn während das Eine, nämlich die Heiligkeit seines Wandels, Denen, die Nichts davon wußten, unbekannt war, so konnte doch das Andere, nämlich daß er Tag und Nacht arbeitete, Keinem verborgen sein. Darüber nun, daß der Apostel sogar schwört, braucht ihr euch nicht zu wundern. Er dachte nicht daran, daß er selber, ein hl. Paulus, also sprach, nein, es ist ihm nur darum zu thun, sie recht zu überzeugen.

Darum ruft er aus: *„Ihr und Gott seid Zeugen, wie heilig, gerecht und tadellos wir uns bei euch Gläubigen betragen haben!“ Er mußte sie gleich darauf wieder loben; darum schickt er Dieses voraus, was geeignet war, ihm Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Denn er führt folgenden Beweis: Wenn ich damals, als ich in Noth war, Nichts von euch angenommen habe, um wie viel weniger werde ich jetzt von euch annehmen wollen!


2.

„Wie heilig, gerecht und tadellos wir uns bei euch Gläubigen betragen haben, wie ihr denn wisset, wie wir einen Jeden von euch, wie ein Vater seine Kinder, gebeten und angetrieben haben.“ Vorher sprach der Apostel von seinem Lebens-Wandel, hier betont er seine Liebe zu ihnen, und diese ist von größerer Bedeutung als Alles, was er bei ihnen während seiner Wirksamkeit gethan und gelitten. Mit der größten Demuth spricht der Apostel:

„Wir haben euch, wie ein Vater seine Kinder gebeten, angetrieben und beschworen, Gottes würdig zu wandeln, der euch zu seinem Reiche und zu seiner Herrschaft berufen hat.“ Bei den Worten: „Wir haben euch beschworen“* erwähnt er der Väter, indem er sagen will: Wir haben euch beschworen, aber nicht mit Heftigkeit, sondern nach Weise eines Vaters. „Einen Jeden von euch.“ Ist das nicht erstaunlich? Bei einer so großen Menge deinen zu übergehen, weder Groß noch Klein, weder Arm noch Reich!

„Gebeten und aufgemuntert,“ sagt er. Wozu? Alle Widerwärtigkeiten zu ertragen.

„Euch angetrieben und beschworen;“ angetrieben, also nicht Ruhm gesucht; beschworen, also nicht geschmeichelt.

„Gottes würdig zu wandeln, der euch zu seinem Reiche und zu seiner Herrlichkeit berufen hat.“ Beachtet, wie der Apostel wieder, indem er erzählt, zugleich belehrt und tröstet; denn wenn uns Gott zum Himmelreich berufen hat, so müssen wir alle Widerwärtigkeiten ertragen. „Ermahnungen und Bitten richten wir an euch, nicht um von euch Etwas zu empfangen, sondern damit euch das Himmelreich zu Theil werde.“


3.

13. Darum danken wir auch Gott ohne Unterlaß, daß ihr die Verkündigung des Wortes Gottes, das ihr von uns empfanget, nicht als Menschenwort aufgenommen habt, sondern, was es wirklich ist, als Wort Gottes, das auch an euch, die ihr glaubet, seine Kraft beweist.

Es kann nicht behauptet werden, will der Apostel sagen, „daß ich in allen Stücken tadellos gewesen sei, ihr dagegen euch eines Wandels beflissen hättet, der dem meinigen gar nicht entsprochen hätte. Dem ist nicht also. Habt ihr ja doch meine Worte angehört, nicht wie die eines Menschen, sondern wie wenn Gott selbst zu euch redete. Woraus ist das ersichtlich? Vorher hat der Apostel seine Behauptung, daß er nicht geschmeichelt und nicht des Ruhmes halber gepredigt habe, bewiesen aus seinen Drangsalen, aus ihrem Zeugnisse und aus seinem Wirken; jetzt aber weist er aus den Drangsalen der Gläubigen nach, daß sie das Evangelium recht aufgenommen haben. Wie hattet ihr denn sonst, will der Apostel sagen, so vielen Gefahren getrotzt, wofern ihr mich nicht angehört hattet, als wenn Gott selber zu euch redete?

Erkennet ferner aus folgenden Worten, wie hoch der Apostel die Thessalonikischen Christen stellt! Er sagt nämlich:

14. Denn, Brüder, ihr seid Nachfolger der Gemeinden Gottes geworden, die in Judäa sind in Christo Jesu, da auch ihr Gleiches von euern Landsleuten erlitten habt, wie auch sie von den Juden, 15. die den Herrn Jesum und ihre eigenen Propheten getödtet und stets verfolgt haben, und die Gott nicht gefallen und allen Menschen entgegen sind; 16. die uns wehren, den Heiden zu predigen, daß sie selig werden, um immerfort das Maß ihrer Sünden voll zu machen. Aber bald trifft sie der Zorn Gottes zum Verderben.


4.

III. „Ihr seid Nachfolger geworden der Gemeinden Gottes, die in Judäa sind.“ Diese Worte enthalten einen großen Trost. Es ist kein Wunder, will der Apostel sagen, daß sie gegen euch so verfahren sind, haben sie es ja auch ihren eigenen Stammesgenossen nicht besser gemacht. Das ist kein unbedeutendes Zeugniß für die Wahrheit des Evangeliums, daß auch die Gemeinden in Judäa für dasselbe alle Widerwärtigkeiten standhaft ertragen haben. „Da auch ihr Gleiches von euren Landsleuten erlitten habt, wie auch sie von den Juden.“ Die Worte „Und Jene, die in Judäa sind“ besagen noch etwas mehr. Sie weisen nämlich darauf hin, daß die Gläubigen überall mit Freuden Kämpfe und Widerwärtigkeiten bestanden haben.

Der Apostel fährt weiter: „Da auch ihr Gleiches gelitten habt.“ Kein Wunder, daß sie euch verfolgten, da sie auch den Herrn selbst zu verfolgen gewagt! Seht ihr, wie der Apostel den Gläubigen hier wieder etwas recht Trostreiches sagt? Darauf kommt er immer zurück und in fast allen Briefen des Apostels findet man, daß er immer auf Christus als Haupttrost in allen Drangsalen hinweist. Mit dem Hinweis auf die Juden verbindet der Apostel die Erinnerung an das Leiden Christi als den größten Trost in der Drangsal.

„Die auch den Herrn getödtet haben.“* Aber vielleicht haben sie ihn nicht gekannt? Jawohl haben sie ihn gekannt. Haben sie denn nicht auch ihre Propheten gesteinigt, deren Schriften bei ihnen Jedermann bekannt sind? Und das haben die Juden nicht aus Liebe zur Wahrheit gethan. Es liegt daher in den Verfolgungen nicht bloß ein Trost, sondern auch die Mahnung, wir sollen nicht zu unserer Betrübniß glauben, die Verfolger handelten so aus Liebe zur Wahrheit.

„Die auch uns verfolgten,“ die auch uns unzählige Übel zugefügt haben.

„Und die Gott nicht gefallen und allen Menschen entgegen sind, die uns wehren, den Heiden zu predigen, daß sie selig werden.“ Inwiefern sind sie allen Menschen entgegen? Insofern: Allen Menschen soll gepredigt werden. Sie wollen aber das verhindern: darum sind sie die gemeinsamen Feinde der ganzen Welt. — Sie haben Christus und die Propheten getödtet, lästern Gott, verstoßen uns, die wir zu ihrer Rettung gekommen sind, und sind darum Feinde der ganzen Welt. Kein Wunder, daß sie auch gegen euch so verfahren, da sie es den Christen in Judäa geradeso gemacht haben.

„Die uns wehren, den Heiden zu predigen, daß sie selig werden.“ Der Neid veranlaßt sie also, das Heil aller Menschen zu verhindern.

„Um immerfort das Maß ihrer Sünden voll zu machen. Aber bald trifft sie der Zorn Gottes zum Verderben.“ Diese Worte lauten anders als die früheren Drohungen. Für sie gibt es keine Umkehr, keine Möglichkeit der Rettung mehr. Schon ist der Zorn Gottes da. Woher kann man das wissen? Aus der Vorhersagung Christi. Denn ein Trostgrund ist es, Genossen des Leidens zu haben, ein Trostgrund ist es aber auch zu wissen, daß die Verfolger ihrer Strafe verfallen. Mißfällt der Aufschub der Strafe, so mag die Gewißheit trösten, daß die Verfolger nie mehr das Haupt erheben werden! Ja, der Apostel beschränkt sogar den Aufschub, da er den Ausdruck „Zorn“ gebraucht, indem er damit andeutet, daß die Strafe verschuldet, vorherbestimmt und vorherverkündet sei.


5.

17. Nachdem wir, Brüder, eine Zeitlang eurer beraubt gewesen, von Angesicht, nicht mit dem Herzen, bemühten wir uns gar sehr und mit großem Verlangen, euer Angesicht wieder zu sehen.

Der Apostel gebraucht hier nicht den Ausdruck „von euch getrennt,“ sondern den stärkeren Ausdruck „eurer beraubt“ . Früher hat der Apostel von Schmeichelei gesprochen und nachgewiesen, daß er nicht schmeichle, keinen Ruhm suche; hier redet er von der Liebe. Früher hatte er gesagt, er liebe sie, wie ein Vater, wie eine Mutter ihre Kinder; jetzt gebraucht er den Ausdruck „beraubt, verwaist“, den man von Kindern gebraucht, denen ihre Eltern entrissen sind. Aber waren denn nicht die Thessaloniker verwaist? Nein, sagt er, ich bin es. Denkt euch, wie sehnlich kleine, verlassene Kinder, die früh ihre Eltern verloren, nach diesen verlangen, nicht nur einem natürlichen Drange gemäß, sondern auch wegen ihrer Verlassenheit: eine solche Sehnsucht habe ich nach euch .

Mit obigen Worten gibt der Apostel ihnen sein Leidwesen darüber zu erkennen, daß er von ihnen getrennt sei. „Und ich kann nicht sagen, daß ich es lange ertrug, sondern nur eine Zeit lang, und zwar nicht eine Trennung des Herzens, sondern nur des persönlichen Verkehrs: denn allzeit habe ich euch im Herzen getragen.“ Sehet die große Liebe des Apostels! Wenn er sie gleich allezeit im Herzen getragen, so sehnte er sich doch darnach, sie von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Nennen wir das nicht überspannte Empfindelei! Denn der wahrhaft Liebende sehnt sich, den Geliebten zu sehen, zu hören, mit ihm zu sprechen. Und das kann auch von großem Einflusse sein.

„Gar sehr bemühten wir uns.“ Was heißt das? Das heißt entweder mit Bezug auf das Vorhergehende: Unser Herz hängt gar sehr an euch, oder mit Bezug auf die folgenden Worte und das ist das Wahrscheinliche: Nachdem wir eine Zeit lang von euch getrennt waren, haben wir uns gar sehr bemüht, euch wieder einmal persönlich zu sehen.

Beachtet nun, wie der heilige Paulus, wenn er seinen Wunsch nicht persönlich erfüllen kann, dieses durch Andere thut! Den Timotheus schickte er zu den Philippern und ein anderes Mal zu den Korinthiern, um durch Andere mit ihnen zu verkehren, da er es in eigener Person nicht konnte; denn in seiner Liebe war er voll schwärmerischer Sehnsucht, voll Ungestüm, voll Ungeduld. Deßhalb wollten wir zu euch kommen. Das ist der Liebe eigen. Ich wollte zu euch kommen, sagt der Apostel, obwohl ich nichts Anderes bei euch zu thun habe, nur um euch zu sehen.

*18. Ich, Paulus nämlich, einmal und abermal, aber der Satan hat es verhindert.

Was sagst du? „Der Satan hat es verhindert?“ Ja, denn das war nicht Gottes Werk. Im Briefe an die Römer drückt sich der Apostel anders aus und sagt: „Gott hat es verwehrt.“48 An einer andern Stelle sagt der Evangelist Lukas: „Der heilige Geist verwehrte ihnen, nach Asien zu gehen.“49 Wie reimt sich nun das zusammen: Zu den Korinthiern sagt er, die Verhinderung seiner Reise sei ein Werk des heiligen Geistes, zu den Thessalonikern sagt er, es sei ein Werk des Teufels? Es wird darauf ankommen, was man unter dieser Verhinderung zu verstehen hat. Der Apostel sagt es: Es sind plötzliche und harte Verfolgungen (vom Teufel erregt, von Gott zugelassen). Denn also heißt es in der Apostelgeschichte: „Als die Juden ihm nachstellten, mußte er drei Monate in Griechenland bleiben.“50 Nun ist es aber etwas Anderes, freiwillig oder eines Geschäftes halber irgendwo sich aufzuhalten, und etwas Anderes, (etwa wegen einer Verfolgung) bleiben zu müssen . Im Römerbriefe schreibt er mit Bezug hierauf: „Da ich in diesen Gegenden keinen Wirkungskreis mehr habe.“51 Und im zweiten Korintherbriefe schreibt er: „Aus Schonung für euch bin ich noch nicht nach Korinth gekommen.“52 Hier sagt er Nichts von alle Dem, sondern fügt nur hinzu: „Satan hat es verhindert.“ „Ich, Paulus nämlich, einmal und abermal.“ Beachtet, mit welchem Nachdruck der Apostel diese Worte spricht! Es ist, wie wenn er sich rühmen wollte, daß er sie am meisten unter allen übrigen Gläubigen liebe.

„Ich, Paulus,“ sagt er; damit will er bezeichnen, daß er wenigstens jenen Wunsch gehegt habe, gleichviel, ob die Andern auch. Diese mochten den Wunsch gehegt haben, ich aber habe mich bemüht, ihn zu erfüllen .


6.

19. Denn wer ist unsere Hoffnung, unsere Freude, die Krone unseres Ruhmes, wenn nicht auch ihr vor unserm Herrn Jesus Christus bei seiner Ankunft?

Also die Mazedonier sind deine Hoffnung, o heiliger Paulus! Jawohl, aber nicht sie allein. Das besagen die Worte: „Auch ihr.“ „Denn wer ist unsere Hoffnung, unsere Freude, die Krone unseres Ruhmes?“ Sehet, das sind Worte, wie sie nur Mütter, die von heißester Liebe zu ihren Kindern glühen, an dieselben richten! Und „die Krone unsers Ruhmes“ . Es genügt ihm nicht, bloß zu sagen: „die Krone,“ nein, um seinen freudigen Stolz kundzugeben, fügt er hinzu die Worte: „unseres Ruhmes.“ Welch eine feurige Liebe zeigt sich in diesen Äußerungen des Apostels! Niemals wohl hätte ein Vater oder eine Mutter, oder wenn beide sich vereinigt hätten, ihrer Kindesliebe einen Ausdruck zu verleihen, dieser ihrer Liebe einen besseren Ausdruck geben können, als St. Paulus es gethan.

„Unsere Freude und Krone,“ fährt er fort. Damit will der Apostel sagen: Ihr macht mir mehr Freude als eine Siegeskrone. Ja, stellt euch einmal vor den herrlichen Anblick, wenn die ganze von Paulus gegründete und so herrlich entwickelte Kirche sich einmal darstellt! Wer sollte nicht laut frohlocken über eine so herrliche Kinderschaar! Doch auch in obigen Äußerungen liegt keine Schmeichelei, denn wohlgemerkt, der Apostel sagt nicht bloß „ihr“ , sondern „auch ihr“ , ihr, nämlich mit Andern.

20. Ja, ihr seid unsere Ehre und Freude.


7.

Kap. III.

1. Darum konnten wir es nicht langer ertragen und fanden es für gut — d. h. wir zogen es vor — allein in Athen zu bleiben, 2. und schickten den Timotheus, unsern Bruder, den Diener Gottes und unsern Mitarbeiter im Evangelium Christi.

Diese Worte spricht der Apostel, nicht um den Timotheus zu loben, sondern um die Gläubigen zu ehren, indem er ihnen seinen Mitarbeiter und Gehilfen im Predigtamte sandte, wie wenn er sagen wollte: Den Diener Gottes und unsern Mitarbeiter im Evangelium Christi haben wir von seinen Arbeiten weggezogen und zu euch gesendet.

3. Daß er euch stärke und ermuntere in eurem Glauben, damit Niemand unter den jetzigen Bedrängnissen in Verwirrung gerathe.

Was will der Apostel mit diesen Worten sagen? Die Verfolgungen der Meister müssen nothwendig die Jünger in Bestürzung versetzen; damals aber waren über ihn viele Drangsale hereingebrochen, was er selbst mit den Worten ausspricht: „Satan hat mich gehindert.“ Diese Worte spricht er zu ihrem Troste und er wollte damit sagen: Zu wiederholten Malen wollte ich zu euch kommen, habe es aber nicht vermocht. Große Bedrängnisse haben mich gehindert. Das mußte sie nothwendig in Verwirrung bringen. Denn die Jünger werden nicht so fast durch ihre Drangsale außer Fassung gebracht, als durch die Bedrängnisse, welche ihren Meistern widerfahren, gleichwie einen Soldaten nicht so fast die Gefahr, in welcher er schwebt, in Schrecken setzt, als vielmehr die Verwundung des Feldherrn.

„Daß er euch stärke,“ fährt der Apostel weiter. Er hatte also den Timotheus abgesandt, auf daß er die Gläubigen stärke, nicht also, als ob ihrem Glauben Etwas fehle, nicht als ob sie der Belehrung bedürften. „Und daß er euch ermuntere in eurem Glauben, damit Niemand unter den jetzigen Bedrängnissen in Verwirrung gerathe.“ 4. Denn ihr selbst wisset, daß dieses unsere Bestimmung ist; denn als wir bei euch waren, haben wir euch vorausgesagt, daß Trübsale über uns kommen würden, wie es auch eingetroffen ist, und ihr wisset.

Lasset euch also nicht in Verwirrung bringen, will der Apostel sagen. Es ist mir ja nichts Befremdendes, nichts Unerwartetes widerfahren. Dieser Hinweis war geeignet, ihren Muth wieder aufzurichten. Darum hat auch Christus Ähnliches zu seinen Jüngern gesprochen. Höret seine Worte: „Nun habe ich es euch vorausgesagt, bevor es geschieht, damit ihr glaubet, wenn es geschieht.“53

In der That, es liegt ein großer Trost für die Jünger darin, wenn sie aus dem Munde der Meister hören, was da für Dinge kommen sollen. Es ist hier ähnlich, wie bei einem Kranken. Wenn ihm der Arzt vorhersagt, diese oder jene Erscheinung werde eintreten, so versetzt ihn der wirkliche Eintritt solcher Erscheinungen nicht in Aufregung. Treten aber unerwartete Erscheinungen auf, welche den Arzt selbst in Verlegenheit setzen, und vor welchen die Arzneikunst rathlos dasteht, dann wird der Kranke allerdings traurig und bestürzt werden. Dieß alles hat der hl. Paulus vorausgewußt und er hat auch vorausgesagt, daß Drangsale kommen würden, „wie es auch eingetroffen ist, und ihr wisset.“ Der Apostel sagt nicht bloß hievon , daß es eingetroffen ist, sondern er sagt, daß noch vieles Andere eingetroffen sei, das er ebenfalls vorausgesagt habe.

„Denn das ist unsere Bestimmung.“ Darum dürfen wir uns nicht nur durch das Geschehene nicht in Verwirrung und Bestürzung versetzen lassen, sondern auch nicht durch das Zukünftige, wenn uns etwas Derartiges begegnen sollte; „denn das ist unsere Bestimmung.“


8.

IV. Wer Ohren hat, zu hören, der höre! Das ist unsere Bestimmung, das ist die Bestimmung der Christen. Von allen Gläubigen sagt der Apostel: „Denn das ist unsere Bestimmung.“ Und uns befremdet das so sehr wie wenn wir zur Muße und Behaglichkeit geschaffen wären. Aber warum soll uns Dieß befremden, da noch keine Bedrängniß über uns kam, wir auch keine andere Verfolgung als eine bloß menschliche erduldeten? Da ist es wohl am Platze, auch euch zuzurufen: „Noch habt ihr im Kampfe gegen die Sünde nicht bis aufs Blut widerstanden.“54 Oder vielmehr passender: „Noch habt ihr nicht einmal Opfer gebracht an Geld und Gut.“

Die eben angegebenen Worte mochten mit Fug und Recht Solchen entgegengehalten werden, die Hab und Gut um Christi willen verloren hatten. Denen gegenüber aber, die noch all das Ihrige besaßen, diesen gegenüber war wohl die Frage am Platze: „Wem von euch hat mau denn um Christi willen das Seinige genommen? Wer hat Mißhandlung und Verfolgung erlitten, außer vielleicht einigen Schmähungen? Worin liegt dein Ruhm, weßhalb deine ruhmredigen Worte? Christus hat soviel für uns gelitten, da wir seine Feinde waren; was haben wir auszuweisen, das wir für ihn gelitten hätten? Was wir vielleicht für ihn gelitten haben, ist Nichts, der Wohlthaten aber, so wir von ihm empfangen, sind unzählige. Was also wird uns frohe Zuversicht einflößen an jenem Tage (des Gerichtes)? Ihr wisset es: Wenn der Krieger den Körper voll Wunden und Narben aufzuweisen hat, dann mag er ehrenvoll bestehen vor seinem Könige. Hat er aber keinerlei hervorragende Thaten vollbracht, dann muß er sich’s gefallen lassen, unter den Letzten zu stehen, auch wenn er keine schlimme That vollbracht.

„Allein jetzt,“ entgegnest du vielleicht, „ist keine Kriegszeit.“ Wenn sie aber wäre, wer (von euch) hätte gestritten, wer hätte sich in den Kampf gestürzt, wer hätte die feindlichen Schlachtreihen bedroht? Vielleicht Keiner. Denn wenn ich sehen muß, daß du nicht einmal bereit bist, um Christi willen Geld und Gut hinzugeben, wie soll ich glauben, daß du in Noth und Tod für ihn gehen willst? Sag an, erträgst du mit Geduld die Schmähungen deiner Feinde und segnest du sie? Nein, das thust du nicht, in diesem Stücke gehorchst du nicht dem Willen Gottes. Sage mir, in einem Punkte, der keine sonderliche Beschwerde verursacht, da lässest du es an dir fehlen, willst aber große Leiden und Qualen auf dich nehmen? Wißt ihr nicht, daß man sich während des Friedens auf den Krieg vorbereiten muß? Sehet, die Kriegsleute rücken, auch wenn kein Krieg bevorsteht, im tiefsten Frieden mit blank gehaltenen Waffen unter ihren Führern, die sie in der Kriegskunst unterrichten, fast Tag für Tag hinaus in Feld und Au, um dort mit größtem Eifer den Kriegsübungen zu obliegen. Nun aber frage ich: Wo sind die geistlichen Streiter, die Solches thun? Nirgends. Und das ist der Grund, daß wir dann zur Zeit des Kampfes ungestählt und ungeübt sind und so leicht besiegt werden können.

Wie thöricht aber wäre es, zu wähnen, es sei jetzt keine Zeit des Kampfes, wenn doch St. Paulus laut ausruft: „Alle, die gottselig in Christo Jesu leben wollen, werden Verfolgung erleiden;“55 und wenn Christus sagt: „In der Welt werdet ihr Trübsale haben;“56 wenn der nämliche heilige Paulus uns mit unüberhörbarer Stimme zuruft: „Nicht gegen Fleisch und Blut haben wir zu kämpfen;“57 und ein anderes Mal: „So stehet denn, eure Lenden umgürtet in Wahrheit!“ Damals, als St. Paulus also sprach, da hat Keiner gesagt: Warum rufst du uns zu den Waffen, da doch kein Krieg ist? Warum verursachst du uns unnöthige Mühen und Beschwerden? Warum wappnest du die Streiter, während sie doch jetzt der Ruhe pflegen könnten? Hätte damals Einer so gesprochen, so wäre ihm wohl folgende Antwort geworden: Allerdings müssen wir, auch wenn kein Krieg in Aussicht stünde, uns mit den Kriegsangelegenheiten gar ernstlich befassen. Denn wer sich im Frieden auf den Krieg vorbereitet, der wird zur Zeit des Kampfes gefürchtet sein. Wer aber von Kriegsvorbereitungen Nichts wissen will, der kann auch im Frieden nicht ruhig leben. Inwiefern? Insofern er für sein Hab und Gut in Angst sein muß, da er es zur Zeit des Kampfes nicht schirmen kann, denn die Güter der Feigen und Unkriegerischen werden eine Beute der tapfern und kriegskundigen Streiter. Das ist der erste Grund, warum ich euch zu den Waffen rufe. Der zweite Grund ist folgender:

Unsere ganze Lebenszeit ist eine Zeit des Krieges. Inwiefern? Allzeit bedroht uns der Teufel. Es steht geschrieben: „Er geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge.“58 Unzählige Einflüsse der Sinnenwelt stürmen auf uns los. Um uns nicht selbst zu betrügen, wollen wir einen Blick auf sie werfen. Da ist es einmal Reichthum, Schönheit, Weichlichkeit, Macht, Herrschaft, Neid, Ehre, Stolz, was uns zum Kampfe herausfordert. Dann ist es ferner unsere Ehre, wegen welcher wir kämpfen müssen, da sie uns im Streben nach Demuth hemmt, da ist es ferner fremde Ehre, die uns zum Kampfe Veranlassung gibt, soferne sie uns zu Neid und Mißgunst verleiten will. Und dann das Gegentheil von all diesen Dingen! Armuth, Schande, Verachtung, Verstoßung, Zurücksetzung. Zu diesen Dingen kommen noch viele andere Einwirkungen der Außenwelt: Bosheit der Menschen, Nachstellungen, Betrügereien, Verleumdungen, Benachteiligungen jeder Art. Und dazu kommt dann noch Das, was uns die bösen Geister zufügen, die Gewalten, Mächte, die Fürsten der Finsterniß dieser zeitlichen Welt, die Geister der Bosheit. Freude und Schmerz ändert unsere Stimmung, beide Dinge können gefährlich für uns werden, ja sogar Gesundheit und Krankheit. Was kann uns nicht Alles Anlaß zur Sünde werden! Soll ich gleich von Anfang beginnend, von Adam sprechen? Was war es, das einen Adam zum Falle gebracht? Gaumenlust und Stolz ist es gewesen. Was seinen Sohn? Scheelsucht und Neid. Was die Zeitgenossen Noes? Fleischeslust mit all ihren schlimmen Folgen. Was dessen Sohn? Schamlosigkeit und Frechheit. Was die Sodomiten? Frevelmuth, Üppigkeit und Völlerei.

Oft aber ist auch die Armuth eine Veranlassung zum Bösen. Darum hat einst ein Weiser gesagt: „Reichthum und Armuth gib mir nicht!“59 Allein es ist eigentlich weder der Reichthum noch die Armuth, was Gefahr bringt, sondern der freie Wille, der diese Dinge nicht recht zu gebrauchen versteht. Darum heißt es: „Erkenne, daß du mitten durch Fallstricke hindurchwandelst!“


9.

V. Überaus schön sagt der heilige Paulus: „Das ist unsere Bestimmung.“ Er sagt nicht nur: Wir haben Leiden und Widerwärtigkeiten zu ertragen, sondern: * „Das ist unsere Bestimmung,“ *d. h. dazu sind wir geboren. Das ist unsere Aufgabe, das unser Leben, und du suchst Ruhe? Allerdings steht kein Henkersknecht vor dir, um dir die Seite zu zerfleischen und dich zum opfern zu zwingen, aber dafür setzt dir die Geldgier und Habsucht zu und blendet dich. Kein Trabant zündet dir den Scheiterhaufen an, Niemand legt dich auf den glühenden Rost, aber das Feuer, das in dem Körper brennt, schädigt viel mehr noch deine Seele. Da ist kein König, der mit tausend Verheißungen lockt, oder mit finsterem Blicke droht, wohl aber verderblicher Ehrgeiz, dessen Stachel viel gefährlicher verwundet. Wahrhaftig, ein großer und gewaltiger Krieg, wenn wir nur klaren Blickes ihn schauen wollen!

Auch in unserer Zeit gibt es Kampfes- und Siegeskronen. St. Paulus sagt: „Im Übrigen ist mir hinterlegt die Krone der Gerechtigkeit, die mir der gerechte Richter geben wird, doch nicht mir allein, sondern Allen, die seine Ankunft lieben.“60

Verliert ein Vater seinen einzigen Sohn, den er sorgfältig mit Aufwendung vieler Geldmittel erzogen hat, der zu den schönsten Hoffnungen berechtigte und sein Erbe sein sollte, o dann möge er nicht jammern, sondern Gott danken und ihn preisen, der ihn an sich genommen, denn er soll wissen, daß er jetzt dem Abraham gleich geworden. Abraham hat seinen Sohn geopfert, weil Gott es so wollte; du hast nicht gemurrt, als der Herr deinen Sohn dir weg und zu sich genommen.

Oder du bist vielleicht in eine schwere Krankheit gefallen. Da kommen Viele, die dich drängen, du sollest das Übel vertreiben durch Zaubersprüche, durch Amulete u. dergl. Du aber erträgst um Gottes willen starkmüthig und unentwegten Sinnes die Leiden und bist entschlossen, eher alle Schmerzen zu erdulden, als dich zu bequemen, etwas Götzendienerisches zu thun; sei getrost, du bist ein Märtyrer! Wie so? Ich will es dir erklären: Der Märtyrer trägt die Qualen der Folter standhaft, weil er den Götzen nicht anbeten will. Du erträgst so geduldig die Schmerzen der Krankheit, daß du Nichts von Dem brauchst, was mit jenem (dem Götzen, dem Götzendienst) in Verbindung steht, Nichts thust, was er verordnet. Allein, sagst du, die Qualen des Märtyrers sind ärger. Richtig; aber die deinigen dauern um so länger, und so findet ein Ausgleich statt. Oft sind aber auch die Schmerzen des Kranken heftiger. Oder, sag an, wenn die Fieberhitze mit aller Gewalt dich durchglüht, und du trotz aller Qual und Pein das Anerbieten von linderndem Zauberspruche (ἐπῳδή; incantatio) zurückweisest, windest du damit nicht den Kranz des Martyriums um dein Haupt?

Ein Anderer verliert sein Geld. Man gibt ihm den Rath, die Wahrsager zu befragen. Er aber will aus Gottesfurcht das Geld lieber gar nicht mehr bekommen, als ein Gebot Gottes übertreten. Ein solcher hat in der That das gleiche Verdienst, wie Der, welcher sein Geld unter die Armen vertheilt hat. Jawohl, wenn du nach dem Verluste solcher Güter Gott Dank sagst und es vorziehst, sie lieber nicht mehr zu bekommen, als sie auf solchem Wege wieder zu erlangen, dann hast du Anspruch auf den gleichen Lohn, wie Derjenige, der seine Güter unter die Armen ausgetheilt hat. Denn dieser hat seine Güter aus Gottesfurcht unter die Armen vertheilt: du hast aus Gottesfurcht deine Güter, welche Diebe geraubt, nicht wieder bekommen wollen. Es steht überhaupt nur in unserer Gewalt und in sonst keines andern Menschen Macht, ob wir an unserer Seele Schaden leiden oder nicht. Laßt uns Dieß an einem Beispiele, etwa dem Diebstahl, betrachten. Der Dieb durchbricht die Mauer, steigt in das Zimmer, entwendet werthvolle Gegenstände von Gold und Edelsteinen, kurzum, er bemächtigt sich des gesammten Schatzes und entkommt unangefochten. Dieser Verlust schmerzt dich gar sehr und scheint ein Schaden zu sein, ist es aber in Wirklichkeit noch nicht: sondern es kommt jetzt auf dich an, ob es ein Schaden oder ein Gewinn wird.


10.

Wie soll das zugehen? Ich will es dir gleich erklären. Es kommt dabei auf die rechte Gesinnung an. Hast du diese, dann kann dir der Vorfall großen Gewinn bringen, hast du sie aber nicht, so erwächst dir daraus ein noch viel größerer Schaden, als der ist, den man dir zugefügt. Es geht dir dann, wie es Künstlern ergeht, die einen Stoff bearbeiten sollen. Der Verständige bearbeitet den Stoff in gehöriger Weise, der Unverständige richtet den Stoff zu Grunde und fügt sich dadurch Schaden zu. Aber wie soll ein solcher Vorfall gar noch Gewinn bringen? Jawohl, es ist Dieß der Fall, wenn du Gott Dank sagst, wenn du nicht jammerst und klagst, sondern mit Job ausrufst: „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen. Nackt bin ich aus dem Mutterleibe gekommen, nackt werde ich auch wieder von dannen gehen.“ Mit welchem Rechte sagst du: „Der Herr hat es genommen,“ da ein Dieb das Gut geraubt? Wie kann man sich so ausdrücken? Gemach! mein Freund! Auch Job hat ja von den Gütern, die ihm der Teufel geraubt, gesagt: „Der Herr hat’s genommen.“ Wenn nun Job sich für berechtigt erachtete, sich so auszudrücken, warum solltest du nicht Dasselbe sagen können von Dingen, die dir ein Dieb geraubt? Wen bewunderst du mehr, einen Mann, der sein Vermögen unter die Armen vertheilt hat, oder den Job wegen seiner Worte? Ist Job, der Nichts gegeben hat, Denen nachzusetzen, die das Ihrige unter die Armen vertheilt haben? Du kannst mir nicht einwenden: Das kann mir nicht als Verdienst angerechnet werden. Es geschah gar nicht nach meinem Wunsche; der Dieb hat meine Habe ohne mein Wissen und Wollen fortgeschleppt. Was soll mir da für ein Lohn zu Theil werden? Auch dem Job hat der böse Feind seine Habe genommen, ohne daß jener es wußte und wollte. Wie hätte er es auch wissen und wollen sollen! Allein er hat doch den Kampf durchgefochten. Und so hast auch du es in deiner Gewalt, dasselbe Verdienst zu erwerben, wie wenn du freiwillig deine Habe geopfert hättest. Und in der That, Derjenige verdient sogar mehr Anerkennung, welcher bei erlittenem unfreiwilligen Verluste Gott Dank sagt, als wer freiwillige Opfer an Geld und Gut bringt. Denn Letzterer wird belohnt durch das Lob von Seiten der Menschen und durch sein Gewissen und die Hoffnung auf Vergeltung; er entäußerte sich seiner Güter, nachdem er sich an die Entbehrung derselben bereits gewöhnt hatte; der Andere aber wurde seiner Habe beraubt, als sein Herz noch an derselben hing. Nein, mit Wissen und Willen seine Güter freiwillig hergeben und gegen seinen Willen derselben beraubt werden, das ist gar nicht ein und dasselbe. Denkst und sprichst du nun aber so, wie Job, dann wirst du reiche Vergeltung empfangen, reichere noch als jener. Job hat nur zweifache erhalten, dir aber hat Gott hundertfache verheißen. Aus Gottesfurcht stößest du keine Lästerungen aus; du weisest die Hilfe der Zauberer zurück, du dankest Gott für Leiden und Widerwärtigkeiten: wisse, daß du Denen gleichstehst, die ihr Herz nicht an irdisch Gut gehängt; denn würde dein Herz am Irdischen hängen, nimmer hättest du also zu handeln vermocht. Sich lange Zeit schon mit dem Gedanken an den Verlust irdischer Güter vertraut gemacht haben und plötzlichen Verlust mit Ergebung ertragen, ist durchaus nicht dasselbe. Das ist die Art und Weise, wie du den erlittenen Schaden zum Gewinne umgestalten kannst, und wenn du es so machst, dann gereichen dir die (durch den Dieb) bereiteten Nachstellungen des Teufels keineswegs zum Schaden, sondern vielmehr zum Nutzen.

VI. Wie entsteht aber durch den Verlust zeitlicher Güter) auch Schaden? Das ist dann der Fall, wenn die Seele Schaden leidet. Der Dieb hat dich geschädigt an deinem Eigenthum: welchen vernünftigen Grund hast du, dich wegen der gleichen Ursache selbst auch noch an der Seele zu schädigen? Warum sollst du dir im Unmuth über den durch Andere erlittenen Schaden auch noch freiwillig selber Nachtheil zufügen? Der Dieb hat dich in Armuth gestürzt, du aber willst dir schaden in Bezug auf viel wichtigere Dinge? Der Dieb hat dich um irdische Güter gebracht, die früher oder später einmal, auch gegen deinen Wunsch und Willen, von dir weichen werden, und du wolltest dich darob der himmlischen Schätze berauben? Der Teufel hat dich betrübt durch den Raub deiner Güter: betrübe du ihn, dadurch, daß du Gott dafür dankest! Mache ihm keine Freude! Das würdest du aber thun, wofern du dich an Zauberer wendest. Dankst du aber Gott, so bereitest du dem bösen Feinde argen Verdruß.


11.

Und was geschieht weiter? Wendest du dich an die Wahrsager, so bekommst du doch dein Eigenthum nicht wieder, denn sie können ja darum nicht wissen; sollten sie aber doch vielleicht einmal zufällig das Richtige treffen, so erleidest du Schaden an deiner Seele, wirst von den Deinen verlacht und verlierst vielleicht bald wieder deine Habe auf schnödeste Weise. Denn weiß einmal der Teufel, daß dein Herz am irdischen Gute hängt und daß du um dessentwillen sogar Gott verleugnest, dann gibt er dir dein Geld zurück, auf daß er wieder Gelegenheit habe, dich zu schädigen. Wenn übrigens aber auch die Wahrsager euch Aufschluß geben, so ist das eigentlich kein Wunder. Der Teufel ist unkörperlich, er geht überall umher. Er ist es, der die Diebe ausrüstet; denn ohne seine Hilfe geht das nicht; wenn er nun die Diebe zu ihren Werken ausrüstet, dann weiß er wohl auch, wohin sie das gestohlene Gut bringen. Denn er kennt ja seine Diener und ihre Thätigkeit. Kein Wunder also, wenn er einerseits, falls er dich betrübt sieht über einen Verlust, baldigst einen andern zufügt, andrerseits davon abläßt, falls er wahrnimmt, daß du darüber dich nicht kümmerst und ärgerst, sondern getrosten, ja heiteren Muthes bleibst. Der Teufel macht es in diesem Punkte gerade, wie wir selbst. Wir fügen unsern Feinden nur solche Dinge zu, wovon wir glauben, daß sie ihnen wehe thun. Bemerken wir nun, daß Jene sich darüber nicht kränken, so lassen wir davon ab, da unsere Geschoße wirkungslos sind.

Ein anderes Beispiel. Weißt du nicht, daß Seefahrer beim Ausbruche eines Sturmes kein Geld mehr ansehen, sondern mit eigener Hand ihre Habe über Bord werfen? Kein Mensch sagt da: O Thor, was machst du da? Stehst du im Bunde mit Sturm und Wasserfluth? Bevor das Meer dir deine Habe nimmt, wirfst du sie freiwillig selber weg? Wie magst du dich selbst zum Schiffbrüchigen machen, ehe du Schiffbruch gelitten? So würde nur ein einfältiger Mensch reden, der von der Seefahrt Nichts weiß und versteht. Ein erfahrener Seemann aber, der weiß, was frommt in Sturm und Gefahr, wie bei ruhiger See, der wird höchstens einen solchen Schwätzer belachen. Gerade deßhalb, wird er sagen, müssen die Sachen über Bord, damit wir nicht Schiffbruch leiden. So machen es auch Diejenigen, welche mit dem Gange und den Gefahren dieses Lebens vertraut sind. Sehen diese einen Sturm im Anzug oder einen Anschlag böser Geister, ihnen einen Schiffbruch zu bereiten, dann werfen sie alle noch vorhandenen Güter weg.

Also, du bist bestohlen worden? Gut, dann spende Almosen, das macht dein Fahrzeug flott! Haben dich Räuber geplündert? Schenke Christo den Rest deiner Habe; das lindert dir auch den Schmerz über deine Beraubung! Entlaste dein Fahrzeug, behalte das übrige Gut nicht zurück, auf daß nicht dein Schifflein überfluthet werde! Die Seefahrer werfen ihre Habe über Bord, um ihr Leben zu retten, und warten keineswegs ab, bis die heranstürmende Woge das Schiff umstürzt: und du wolltest nicht den Schiffbruch verhindern, wenn es gilt, die Seele zu retten?

Machet doch einmal, wenn ihr meinen Worten nicht glaubet, ich bitte euch, den Versuch, und ihr werdet die Herrlichkeit Gottes schauen! Trifft dich ein Mißgeschick: gleich gib Almosen! Danke Gott dafür und du wirst sehen, welchen Trost und welche Freude Gott in dein Herz einziehen läßt!

Denn ein Gewinn für die Seele, und sollte er auch gering sein, wiegt jeglichen leiblichen Nachtheil weit auf. So lange du Christo noch Etwas zu geben hast, bist du reich. Oder sag an, wenn du ganz ausgeplündert wärest, und dein König käme zu dir, streckte seine Hand aus und begehrte Etwas von dir, würdest du dich nicht für überreich erachten, da sich der König deiner Armuth nicht geschämt? Laß dich nicht fortreißen; überwinde dich selbst, und du überwindest die Nachstellungen des bösen Feindes! Großen Gewinn zu machen, steht in deiner Hand. Lasset uns die irdischen Güter gering achten, damit wir nicht unsere Seele gering schätzen! Inwiefern sage ich: die Seele gering achten? Ihr habt schon gehört, daß solche Menschen, welche sich gerne in schöne Körper verlieben, beim Anblicke solcher ganz Feuer und Flamme werden. Sind dieselben aber aus ihren Augen, dann sind sie auch aus dem Sinne, und verursachen keinerlei Aufregungen mehr. So ungefähr verhält es sich auch mit irdischen Schätzen; während man sie betrachtet, wächst das Wohlgefallen an ihnen; darum schaffe sich Keiner goldene Schmucksachen und Geschmeide, kostbares Edelgestein, Halsketten u. drgl. Willst du reich sein, wie es früher die Christen waren, so sammle dir nicht kostbare Geräthe, sondern einen Vorrath von nützlichen Dingen, auf daß du auch für deine Nebenmenschen immer Etwas in Bereitschaft habest! Habe keine Freude an kostbaren Schmucksachen! Derartige Dinge locken die Räuber und machen uns Sorge. Geräthe von Gold und Silber sollen in deinem Hause nicht gefunden werden, wohl aber Vorrathskammern voll Getreide, Wein und Öl und zwar nicht zum Zwecke des Handels, sondern als Magazine für die Armen!

Sagen wir uns also los von den nicht nothwendigen irdischen Gütern, dann werden wir die ewigen erringen. Und dazu morgen wir alle gelangen in Christo Jesu unserm Herrn, welchem zugleich mit dem Vater und dem heiligen Geiste Ehre, Ruhm und Preis sei jetzt und allezeit und in Ewigkeit! Amen.

Homilien über den ersten und zweiten Thessalonicher-Brief

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