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Es waren einmal zwei Brüder; sie theilten das väterliche Erbe; der Eine von ihnen blieb zu Hause, der Andere verschwendete Alles, was er erhalten hatte, und verließ sein Vaterland, weil er die Schande der Armuth nicht ertrug. Ich erwähne aber dieser Parabel, damit ihr sehet, daß auch die Sünden nach der Taufe verziehen werden, wenn wir nur darauf achten. Ich sage Dieß aber nicht, um zur Trägheit zu verleiten, sondern um von der Verzweiflung zurückzurufen. Denn die Verzweiflung stürzt uns in größeres Elend als die Trägheit. Dieser Sohn ist also ein Bild Derer, die nach der Taufe gefallen sind. Daß er aber Diejenigen, die nach der Taufe gefallen, bezeichnet, geht daraus hervor, daß er Sohn genannt wird; denn ohne Taufe führt diesen Namen ja Niemand. Er hatte auch im Hause des Vaters gewohnt und das ganze väterliche Erbtheil erhalten: vor der Taufe aber kann man weder väterliche Güter noch eine Erbschaft empfangen; daraus erhellt, daß durch all dieses der Zustand der Gläubigen angedeutet wird. Er war aber auch der Bruder des rechtschaffenen Sohnes; ohne geistige Wiedergeburt aber kann Niemand Bruder eines Gläubigen sein. Nachdem er nun in’s äusserste Elend gerathen, was sagt er? „Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen.“21 Denn deßhalb hat ihn der Vater gehen lassen und nicht gehindert, in ein fremdes Land zu ziehen, damit er aus Erfahrung geziemend lerne, welch große Wohlthat es sei, zu Hause zubleiben. Denn oft läßt Gott, wenn er durch Worte nicht zu überzeugen vermag, die Belehrung durch die Erfahrung von Thatsachen zu. Das sagte er auch zu den Juden. Denn nachdem er unzählige Mahnungen der Propheten vergeblich angewandt hatte und sie nicht überzeugte und nicht an sich zu ziehen vermochte, so ließ er es zu, daß sie durch Bestrafung gezüchtiget würden. Er sprach zu ihnen: „Dein Aufruhr wird dich züchtigen, deine Bosheit dich anklagen.“22 Er hätte nämlich Glauben bei ihnen finden sollen auch vor dem Eintritt dieser Dinge. Weil sie aber thöricht waren, daß sie seinen Ermahnungen und seinem Rathe nicht glaubten und ihm nicht folgten, daß sie von ihrer Bosheit abließen: so ließ er sie durch Thatsachen züchtigen, um sie so wieder zu gewinnen.

Nachdem der verlorne Sohn nun in die Fremde gezogen und aus Erfahrung gelernt hatte, wie schlimm es sei, das väterliche Haus zu verlassen, so kehrte er um; der Vater aber gedachte der Beleidigung nicht, sondern empfing ihn mit offenen Armen. Warum denn? Weil er Vater und nicht Richter war. Und Tänze und Gastmähler und Feste folgten, und das ganze Haus war voll Freude und Heiterkeit. Was sagst du? Erhält die Schlechtigkeit eine solche Belohnung? Nicht die Bosheit, o Mensch, wird belohnt, sondern die Rückkehr; nicht die Sünde, sondern die Buße; nicht das Laster, sondern die Besserung. Und was noch mehr ist; der ältere Bruder ward unwillig darüber; jedoch auch diesen besänftigte der Vater mit den Worten: „Mein Sohn, du bist immer bei mir; dieser aber war verloren und ist wieder gefunden, war todt und lebte wieder auf.“23 Wenn aber ein Verlorner zu retten ist, meint er, so ist es nicht Zeit zum Richten, zu strenger Untersuchung, sondern nur zur Gnade und Erbarmung. Wird doch kein Arzt den Kranken, anstatt ihm ein Heilmittel zu reichen, wegen seines unordentlichen Lebens zur Rechenschaft ziehen und strafen. Und wenn dieser je eine Strafe verdiente, so ist er hinlänglich im fremden Lande gezüchtiget worden. Denn so lange Zeit war er von uns entfernt und hat Hunger und Schande und den Kampf mit dem äussersten Elend ausstehen müssen.

Deßwegen sagt er: „Er war verloren und ist wieder gefunden; er war todt und lebte wieder auf.“ Siehe nicht auf die Gegenwart, meint er, sondern erwäge die Größe des frühern Elends. Du siehst einen Bruder, nicht einen Fremden vor dir. Zum Vater kam er zurück, und dieser kann der Vergangenheit gar nicht gedenken; er denkt vielmehr nur an Dasjenige, was zum Mitleid, zum Erbarmen, zur Liebe und Schonung, die den Eltern so eigen ist, zu bewegen vermag. Deßwegen redet er nicht von Dem, was er gethan, sondern was er gelitten; erinnert nicht daran, daß er das Vermögen vergeudet, sondern daß er mit mannigfachem Unglück zu kämpfen gehabt hat. Mit solchem Eifer, ja mit noch größerem hat der Hirt das Schäflein gesucht.24 Denn hier kömmt der Sohn selber zurück, dort zieht der Hirt aus, es zu suchen, und wann er es gefunden, bringt er es zurück, und freut sich darüber mehr, als über alle andern, die nicht in Gefahr waren. Siehe aber, wie er dasselbe zurückbringt: er geißelt es nicht, sondern hebt es auf seine Schultern, trägt es und bringt es wieder zur Heerde.

Da wir also wissen, daß sich Gott von Denjenigen, die wieder zu ihm zurückkehren, nicht nur nicht abwende, sondern sie mit nicht geringerer Freude aufnehme, als Die, die ihm treu blieben; daß er nicht nur keine Bestrafung verlangt, sondern die Verlornen sogar selbst aufsucht und sich über Die, die er findet, mehr freut, als über Die, welche an sicherem Orte geblieben: so wollen wir weder bei unsern Sünden verzweifeln, noch bei unserer Tugend uns allzuviel einbilden, sondern sowohl, wenn wir tugendhaft wandeln, uns fürchten, damit wir nicht fallen aus allzugroßem Vertrauen, als auch Buße thun, wenn wir gesündiget haben. Denn was ich im Anfang gesagt, sag’ ich auch jetzt: daß dieß Beides uns unseres Heiles beraube, nämlich: sowohl allzugroßes Vertrauen zu hegen, wenn wir stehen, als auch zu verzweifeln, wenn wir gefallen. Daher fagt Paulus zu denen, die stehen, um sie vorsichtig zu machen: „Wer glaubt, daß er stehe, sehe zu, daß er nicht falle,“25 und wiederum: „Ich fürchte, während ich Andern predige, selbst verwerflich zu werden.“26 Daß aber Paulus die Gefallenen aufzurichten und einen größern Eifer, in ihnen zu erwecken gedachte, bezeugt er, indem er an die Korinther schreibt: „Daß ich nicht Leid tragen muß über Viele, die gesündigt und noch nicht Buße gethan,“27 wodurch er zeigt, daß nicht sowohl Die, welche sündigen, als Die, welche keine Buße thun, beweint zu werden verdienen. Der Prophet sagt zu den Juden: „Wird Der, welcher fällt, nicht aufstehen, und der sich abgewendet, nicht zurückkehren?“28 Deßhalb ermahnet auch David eben dieselben: „Heute, wenn ihr seine Stimme höret, verstocket eure Herzen nicht, wie bei der Erbitterung.“29 So lang es nun „heute“ heißt, wollen wir nicht verzweifeln, sondern gute Hoffnung zu Gott haben und das Meer seiner Liebe zu den Menschen bedenken, uns von allem bösen Gewissen ferne halten, mit vieler Bereitwilligkeit und großer Hoffnung der Tugend treu bleiben und mit allem Eifer Buße thun, damit wir alle Sünden hier ablegen, mit Zuversicht uns vor den Richterstuhl Jesu stellen können und des Himmelreichs theilhaftig werden. Das verleihe uns Allen die Gnade und Erbarmung unseres Herrn Jesu Christi, dem mit dem Vater und dem heiligen Geiste Ruhm, Macht und Ehre gebührt nun und immer und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

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