Читать книгу Über das Priestertum - Johannes Chrysostomus - Страница 8

III.

Оглавление

In der Tat, werden die einzelnen Momente der Situation, auf welcher die Schrift sich aufbaut, etwas genauer unter die kritische Lupe genommen, so begegnen uns auf Schritt und Tritt Schwierigkeiten, die vom Standpunkte berechtigter Kritik mehr als gewöhnliche Bedenken auslösen.

Zunächst ist es bis jetzt nicht einmal gelungen, die Persönlichkeit des Basilius,den Chrysostomus mit nicht zu überbietenden innigen und warmen Worten seinen besten und vertrautesten Freund nennt, unzweifelhaft historisch sicherzustellen und zu identifizieren. Zwar wurden hierzu nicht wenige Versuche gemacht und verschiedene Hypothesen aufgestellt.

Der griechische Kirchenhistoriker Sokrates, der um die Mitte des fünften Jahrhunderts schrieb, will, daß Chrysostomus mit Basilius dem Großen, dem späteren Bischöfe von Cäsarea, „vertrauten Umgang gepflogen habe“34. Fast allgemein nimmt man an, daß hierin auch ein Hinweis auf den in „De sacerdotio” genannten Barnims enthalten sein sollte, welche Schrift, wie aus einer weiteren Bemerkung des Sokrates hervorgeht, diesem bekannt war. Unter anderen hat z. B. Erasmus35 sich in der Identifizierung mit Basilius von Cäsarea dem Sokrates angeschlossen. Aber schon der erste kritische Kirchengeschichtsschreiber der Neuzeit, Cäsar Baronius36, hat für die Unhaltbarkeit dieser Hypothese eine ganze Reihe von Momenten ins Feld geführt, die seitdem von der Kritik37 gerne wiederholt und zum Teil ergänzt wurden, so außer anderen Gründen, daß Basilius von Cäsarea, um 330 geboren, also um etwas Beträchtliches älter war als Chrysostomus, demnach nicht von Jugend an dessen unzertrennlicher Studiengenosse gewesen sein konnte. Außerdem stammte Basilius der Große aus Cäsarea, während dem gleichnamigen Freunde des Chrysostomus mit diesem dieselbe Vaterstadt, also Antiochien, gemeinsam war. Ferner war ersterer gleichzeitig mit Gregor von Nazianz seinen Studien zu Cäsarea und Athen obgelegen, während Chrysostomus seine wissenschaftliche Ausbildung zu Antiochien erhalten hatte. Basilius der Große war schon seit 370, also unter allen Umständen bereits mehrere Jahre vor dem frühesten Zeitpunkte Bischof, auf den die von Chrysostomus berichtete fragliche Bischofswahl und -weihe angesetzt werden könnte. Zudem war Basilius Bischof von Cäsarea in Kappadozien und war auch dort konsekriert worden und nicht in Syrien.

Baronius38 hat auch bereits die Meinung des Patriarchen Photius39 zurückgewiesen, der in unserem Basilius den Bischof Basilius von Seleukia erblicken wollte. Diese Hypothese ist noch weniger stichhaltig. Photius stützte sich dabei auf eine gewisse Ähnlichkeit, die er glaubte zwischen den Schriften des Chrysostomus und denen des genannten Basilius in Bezug auf Form und Inhalt, namentlich in der Schriftauslegung, gefunden zu haben. Aber es steht fest40, daß dieser Basilius im Jahre 451 als Bischof dem Konzil von Chalcedon beiwohnte und daß er noch 458 an der Absendung eines Briefes an Kaiser Leo I. beteiligt war. Er kann demnach unmöglich schon achtzig bis fünfundachtzig Jahre früher die Bischofsweihe erhalten haben und gar noch vorher viele Jahre lang ein Studiengenosse des Chrysostomus gewesen, sozusagen mit diesem aufgewachsen sein, abgesehen davon, daß auch sein Bischofssitz wieder nicht in Syrien, sondern in Isaurien gelegen war.

Letzterer Einwand gilt auch gegenüber der von anderen41aufgestellten Hypothese, Chrysostomus habe unter „dem Pseudonym Basilius" einen seiner von Sokrates42, Sozomenus43 und Theodoret44 genannten Jugendfreunde Maximus, Bischof von Seleukia, oder Euagrius verbergen wollen, vielleicht um aus Zartgefühl dessen Bescheidenheit nicht zu nahe zu treten. Liegt da aber nicht die Frage nahe, wie es dann Chrysostomus mit seiner eigenen Bescheidenheit zu vereinbaren vermochte, bei der Benützung des einen Pseudonyms seinen eigenen Namen um so stärker, zur Geltung zu bringen und erst recht in den Vordergrund zu schieben?45

Wenn Baronius46 in seiner obengenannten Auseinandersetzung als Resultat aufstellt, es könnten bei der fraglichen Identifizierung überhaupt bloß zwei Persönlichkeiten in Betracht kommen als nächste Zeitgenossen des Chrysostomus; nämlich ein Bischof Basilius von Raphanea, oder ein zweiter gleichen Namens, Bischof von Biblos, die beide die Akten des Konzils von Konstantinopel vom Jahre 381 unterschrieben hätten, so haben schon Tillemont47 und Stilting48 darauf hingewiesen, daß letzterer unbedingt ausgeschaltet werden müsse, da dessen Bischofssitz, Biblos, weit von Antiochien entfernt gelegen habe, in Phönizien und nicht in Syrien, zudem sein Name, wie genau aus den Akten des genannten Konzils zu entnehmen sei, nicht Basilius, sondern tatsächlich Basilides laute49

Dagegen hat der andere Name der Alternative des Baronius seitdem fast allgemeine Annahme gefunden50, insbesondere da man R a p h a n e a gewöhnlich ganz in die Nähe von Antiochien verlegte51 und infolgedessen dafür hielt, daß dort auch die am Schlusse des Dialogs verabredete Wiederaufnahme des früheren innigen Verkehrs zwischen den beiden Freunden leicht durchgeführt werden konnte. Doch mußte schon Baronius52 dem Zugeständnis Raum geben, daß von einer unbedingten historischen Gewißheit bei der Eruierung des fraglichen Basilius keine Rede sein könne, und auch spätere Kri¬tiker wie Stilting, Migne, Feßler, Cognet bezeichnen die von ihnen akzeptierte Identifizierung mit dem Bischofe Basilius von Raphanea nur als eine höchst wahrscheinliche. Direkte Zweifel äußert z. B. P. Batiffol53, der hinter „Raphanée“ ein ostentatives Fragezeichen anbringt, oder in neuester Zeit (1912) Bardenhewer54, der sich darauf beruft, daß in einer alten syrischen Übersetzung der Konzilsakten vom Jahre 381 der betreffende Bischof von Raphanea „Basilinus“ heiße, so daß dessen Name zweifelhaft sei. Diesem Momente kann jedoch keineswegs irgendwelche besondere oder ausschlaggebende Bedeutung zukommen, wenn in Betracht gezogen wird, daß der Herausgeber der fraglichen Übersetzung aus einer syrischen Handschrift (Codex Borgiano Siriaco 82) der Vatikanischen Bibliothek, O. Braun55, bemerkt, daß die Übersetzung keine einheitliche Arbeit sei, sondern das Werk eines Sammlers, der drei verschiedene Stücke zusammengefügt habe, ohne sie enger zu verbinden, ferner daß der Kodex zahlreiche Schreibfehler aufweise, die der Unwissenheit des Kopisten zur Last fallen und die bei der Ausgabe ungeändert abgedruckt wurden56.

Jedenfalls ist jedoch dem Urteile von F.Preuschen zuzustimmen, der schreibt: „Von des Chrysostomus Studienfreund Basilius wissen wir nichts Näheres. Es ist eine bloße Vermutung, daß er der Bischof von Raphanea gewesen sein soll, dessen Unterschrift sich auf dem Konzil zu Konstantinopel 381 findet“57. Denn die ganze Hypothese beruht allein auf dem Umstände, daß dies die einzige, anderweitig bekannte zeitgenossische Persönlichkeit ist mit dem Namen Basilius, die dann ohne weitere Beweisgründe, bloß um ihrer gesicherten, gleichzeitigen Existenz willen, zu der fraglichen Identifizierung herangezogen wurde.

Auch ist es durchaus nicht richtig, daß ein Basilius speziell als Bischof von Raphanea ganz glatt in den Rahmen des von Chrysostomus entworfenen Bildes passen würde. Denn Raphanea lag keineswegs in solcher Nähe von Antiochien, daß, wie man glaubte annehmen zu dürfen, von letzterer Stadt aus ein beständiger vertrauter Verkehr zwischen den beiden Freunden leicht und bequem hätte bewerkstelligt werden können. Raphanea gehörte nämlich im Gegensatze zu Antiochien zu Cöle-Syrien58, dem sogenannten hohlen Syrien, und kirchlich zur Provinz Syria secunda59während Antiochien die Metropole von Syria prima war[^60]. Geographisch ist die Lage zu bestimmen nach des Christ. Cellarius bekannter Notitia orbis antiqui[^61] zwischen dem Orte Antaradus und dem Flusse Orontes, also bedeutend südlich von Antiochia, oder, wie es im vergleichenden Wörterbuche der alten, mittleren und neuen Geographie von H. Th. Bischoff und J. H. Möller[^62] heißt, „östlich von Area, am nördlichen Ende des Libanon, in der Nähe des Städtchens Barin“. Eine genauere und anschaulichere Beschreibung bietet uns M. K. Mannert in seiner Geographie der Griechen und Römer[^63]: „Aus Josephus lernen wir, daß Raphanea östlich von Area, also am nördlichen Ende des Libanon lag. Sie kommt noch beim Hierokles unter dem verdorbenen Namen Raphaneä vor. Steph. Byzant. nebst der Peut. Tafel — aus dem Anfange des dritten Jahrhunderts — stellt Raphanä westlich von Epiphania und 33 Mill. von Apamea entfernt. Und in der nämlichen Lage eine Tagereise westlich von Chamat (Epiphania) kennt Abulfeda die Ruinen von Rafaniat und rühmt den ehemaligen Ort als in der Geschichte wichtig„ Schauen wir uns schließlich noch die Situation auf den von der altchristlichen Geographie unter genauer Benützung aller einschlägigen historischen und geographischen Notizen entworfenen Landkarten[^64] an, so wird die tatsächlich bedeutende Entfernung zwischen Antiochien und Raphanea am besten dadurch illustriert, daß wir im Zwischenraume zwischen beiden Städten mindestens fünf Bischofssitze zählen können: Gabbus, Seleukia, Apamea, Larissa, Epiphania. Dabei berechnet Mannert die Entfernung von Raphanea nach Epiphania auf eine Tagereise[^65], desgleichen eine Tagereise von Epiphania nach Larissa[^66] und eine dritte Tagereise von Larissa nach Apamea[^67]. Und mit Apamea ist nicht einmal die Hälfte der Wegstrecke erreicht zwischen Raphanea und Antiochien. Wie man unter solchen Umständen noch Raphanea „ganz in die Nähe“ oder gar, wie der Franzose Martin tut[^68], „quelques pas“ von Antiochien verlegen kann, ist wirklich unerfindlich. Oder sollte etwa keiner der bisherigen Kritiker unserer Chrysostomus-Basilius-Frage sich genau um die tatsächliche geographische Lage von Raphanea umgesehen haben?

Übrigens läßt der genaue Wortlaut der von Basilius am Schlusse des Dialogs[^69] geäußerten flehentlichen Bitte, „ihn doch ja nicht auch nur einen kleinen Augenblick zu verlassen, vielmehr die frühere innige Gemeinschaft noch fester zu knüpfen“[^70], und die Zusage des Chrysostomus, „es, soweit es in seinen Kräften liege, an nichts fehlen zu lassen, sondern jeden Augenblick, an dem es jenem vergönnt sei, von seinen schweren Sorgen aufzuatmen, ihm zur Seite zu stehen“, die Absicht beider auch dahin interpretieren, nunmehr das von Basilius bereits früher[^71] wiederholt gewünschte gemeinschaftliche beständige Zusammenwohnen aufzunehmen, wobei füglich bloß an den beiderseitigen Aufenthalt in Antiochien gedacht werden könnte[^72]. Daß Chrysostomus etwa dem Basilius nach Raphanea nachgezogen sein sollte, davon ist nirgends eine Andeutung zu finden, ebensowenig, wie es anderseits sicher ist, daß für den in Frage kommenden Zeitpunkt für Antiochien kein Bischof mit Namen „Basilius“ nachgewiesen werden kann.

Es darf also noch ein Schritt weiter gegangen und die Behauptung aufgestellt werden, daß bis heute die Historizität des dem Chrysostomus innigst befreundeten Basilius auf keinen Fall kritisch einwandfrei erwiesen werden konnte und daß in Konsequenz dessen auch gegenüber der Tatsächlichkeit des ganzen Vorganges, wie er der Einleitung unserer Schrift „Über das Priestertum„ zugrunde liegt, Bedenken von vornherein gerechtfertigt sind[^73]. Denn es ist doch zum mindesten ungemein auffallend, daß Chrysostomus selbst weder in seinen übrigen bekanntermaßen äußerst zahlreichen Schriften und Reden, noch in einem seiner überlieferten etwa zweihundertvierzig Briefe mit irgendeiner Andeutung seiner vertrauten Beziehungen zu Basilius, der daran geknüpften beiderseitigen Berufung zur Bischofswürde und seiner eigenen Flucht Erwähnung tut, ja dieses seines besten Freundes nirgendwo zum zweitenmal irgendwie gedenkt und dies, obwohl er oft in seinen Reden auf die unermeßlich hohe Würde des Priestertums zu sprechen kommt, bisweilen sogar mit Worten, die ganz und gar selbst in ihrer Ausdrucksweise an die Schrift „Über das Priestertum“[^74] erinnern, und obwohl er nach Art der vielbeschäftigten Volksredner gerne und mit Vorliebe gerade persönliche Verhältnisse immer und immer wieder auf der Kanzel und am Schreibtische in den Kreis seiner Ausführungen und Betrachtungen einfließen läßt. Desgleichen hat auch weder sein ältester und für uns als Quelle wichtigster Biograph, Palladius, der schon kurz nach des Kirchenvaters Hinscheiden, spätestens im Jahre 425 schrieb[^75], noch ein anderer der Chrysostomus zeitlich am nächsten stehenden Kirchenhistoriker, Sokrates, Sozomenus und Theodoret, die uns über sein Leben ziemlich ausführlich unterrichteten[^76], über irgendein Moment der fraglichen Episode irgend etwas berichtet[^77], so daß der gesamte Vorgang jeder anderweitigen

quellenmäßigen Beglaubigung entbehrt.

Bezüglich der Frage, wann die betreffenden Ereignisse, die wir also ausschließlich aus des Chrysostomus eigener Erzählung kennen, d. i. seine und des Basilius Berufung zur Bischofswürde, die wirkliche Weihe des letzteren, dessen Beschwerde über die ihm widerfahrene Täuschung und die daran sich anschließende mündliche Auseinandersetzung zwischen den beiden Freunden, vor sich gegangen seien, hält man von jeher an dem Termin „nicht lange vor 375„ fest[^78]. Denn in letzterem Jahre zog sich Chrysostomus, wie sich auf Grund einer einfachen Berechnung nach der von Palladius verfaßten Biographie[^79] ergibt, aus Antiochien in die Berge zurück[^80] und weilte dort vier Jahre gemeinsam mit einem Greise unbekannten Namens, sodann zwei Jahre ganz allein in einer Höhle, aszetischen Übungen und dem Studium der Hl. Schrift obliegend. Daß jedoch in diese Periode völliger Einsamkeit und Weltabgeschiedenheit die geschilderten Vorgänge nicht verlegt werden können, bezeugt klar und unzweideutig die unmittelbare Darstellung der persönlichen Situation und des Schauplatzes selber in Buch I, Kap. 3—6 unserer Schrift „Über das Priestertum“.

Aber auch der nach allgemeiner Auffassung allein mögliche Zeitpunkt, „nicht lange vor dem Jahre 375", bereitet bei näherem Hinsehen mancherlei Schwierigkeiten.

Ist es ohne weiteres glaublich, daß Chrysostomus, kaum daß er nach seiner eigenen Versicherung die zu seiner Zeit auch unter Laien übliche aszetisch zurückgezogene Lebensweise, was damals in erster Linie als Anzeichen besonders ernster, echt christlicher Lebensauffassung galt, aufgenommen hatte, plötzlich und unerwartet zur Bischofswürde begehrt wurde, ohne bereits bis dahin die Vorstufen der Diakons- und Priesterweihe erlangt zu haben?[^81]Hatte er sich doch kurz vorher noch, wie er selbst erzählt[^82], auf dem Forum herumgetrieben und den Vergnügungen der Schaubühne sich hingegeben. Die Konsekration eines solchen war nach Kanon X[^83] des Konzils von Sardika aus dem Jahre 343/44 der eines „Neophyten“ gleichzuachten. Auch hatte der nämliche Kanon bestimmt, daß die Bischofsweihe erst nach Erlangung des Lektorats, der Diakons- und Priesterweihe gespendet werden sollte und daß alle diese Weihen bloß innerhalb nicht allzu kurzer Zwischenräume zu erteilen seien[^84]. Desgleichen muß das jugendliche Alter, in welchem Chrysostomus im damaligen Zeitpunkte stand, Bedenken erregen. Das Jahr seiner Geburt ist nicht mit Sicherheit zu ermitteln. Gewöhnlich schwankt die Festsetzung zwischen 344—347[^85]. Ich halte unter Berücksichtigung der nicht wenigen bei Tillemont[^86], Stilting[^87], Martin[^88] u. a. zum Zwecke möglichst genauer Berechnung angezogenen Momente 346 für den geeignetsten und wahrscheinlichsten Termin als Geburtsjahr, dem an sich auch Martin lieber beipflichten würde. Wenn dieser trotzdem, sich Stilting anschließend, für 344 sich entscheidet, so gehen beide von der von ihnen als historisches Faktum festgehaltenen Berufung zur Bischofswürde im Jahre 374 aus, indem gemäß der Bestimmung des Konzils von Neo-Cäsarea Chrysostomus damals unbedingt das dreißigste Lebensjahr überschritten haben müßte, also 344 geboren sei, eine Schlußweise, die doch eher einem versteckten circulus vitiosus gleichsieht. Allerdings war im Kanon X der genannten Synode vom Jahre 314/35 es zum kirchlichen Gesetz erhoben worden, daß niemand vor dreißig Jahren, nicht einmal zum Priester, geweiht werden solle, auch wenn er ein ganz würdiger Mann sei[^89]. Trotzdem kann an und für sich zugestanden werden, daß ungeachtet dieser Bestimmung Chrysostomus schon im Alter von achtundzwanzig Jahren zum Bischof gewählt worden sein konnte, daß auch der obengenannte Kanon X des Konzils von Sardika kein unbedingtes Hindernis bildete, da gleichgeartete Beispiele aus der damaligen und späteren Zeit zur Verfügung stehen[^90]. Aber um so mehr muß dann auch das bereits erwähnte Schweigen des Palladius und der übrigen Chrysostomus zeitlich am nächsten stehenden Kirchenhistoriker Bedenken erregen und die Zweifel an der Historizität des Faktums selbst erhöhen, da doch sonst kein ausführlich erzählender Schriftsteller sich bei seiner Berichterstattung ein so auffallendes und bemerkenswertes Ereignis entgehen läßt, wie es die Berufung gleich zweier jugendlicher Männer, die noch nicht das kanonisch vorgeschriebene Alter, noch nicht die erforderlichen Weihevorstufen erreicht und sich auch sonst noch nicht ausgezeichnet hatten, unmittelbar zur Bischofswürde ohne Zweifel ist. Das Argumentum ex silentio gewinnt durch diese Momente sicherlich an Wert und Beweiskraft.

Auch noch in anderer Beziehung waren bei der von Chrysostomus in seiner Schrift „De sacerdotio„ mitgeteilten Bischofswahl und -weihe die kanonischen Satzungen wohl nicht zur vollen Geltung gekommen. Es soll kein Gewicht darauf gelegt werden, daß es althergebrachte kirchliche Gewohnheit war[^91], den Bischof speziell aus der Geistlichkeit der Kirche zu küren, für welche er eingesetzt werden sollte. Wurde doch Chrysostomus selbst später in eine andere Kirche, auf den Patriarchenstuhl nach Konstantinopel, berufen. Auffallender ist es, daß wir in „De sacerdotio“, Buch I, Kap. 6[^92] ausdrücklich lesen, es sei bloß E i n Abgeordneter nach Antiochien gekommen, um die bischöfliche Konsekration vorzunehmen. Das wäre aber in offensichtlichem Widerspruch gestanden mit der Bestimmung des vierten Kanons des Konzils von Nicäa (325)[^93] und des neunzehnten Kanons der Synode von Antiochien (341)[^94], die verordnen, daß wenigstens drei Bischöfe sich versammeln sollen, um die Cheirotonie eines neuen Bischofs vorzunehmen, eine allgemein feststehende kirchliche Norm, die auch Aufnahme gefunden hat in die sogenannten Apostolischen Kanones[^95] und in die Apostolischen Konstitutionen[^96].

Es begegnen uns ferner in der Darstellung eine Reihe von Unwahrscheinlichkeiten, die wohl innerhalb einer literarischen Arbeit in der Eile oder aus Versehen oder aus Unachtsamkeit unterlaufen können, die aber in Wirklichkeit sich kaum tatsächlich so zugetragen haben dürften. Um nur ein Moment noch anzuführen, so ist es z. B. völlig unverständlich, ja unmöglich, bei Basilius die Annahme vorauszusetzen, daß ihm die Tatsache und der Tag der vermeintlichen Bischofskonsekration seines vertrautesten Freundes, auf deren nachträgliche Mitteilung hin er selbst sich hätte weihen lassen, innerhalb der Mauern Antiochiens hätte verborgen bleiben oder vielmehr fälschlich berichtet werden können[^97]. Die Gründe, durch welche Chrysostomus seine Flucht vor der Bischofswürde zu rechtfertigen sucht, erscheinen nicht so recht aus dem frischen Leben gegriffen, sondern machen einen offensichtlich gekünstelten Eindruck, sind ganz und gar schon im voraus gewissermaßen zugestutzt auf die spätere prinzipielle Auseinandersetzung über das Priestertum, die der Verfasser in der Schrift überhaupt zu geben gedenkt[^98].

d’histoire et de géographie, Paris 1889, S. 1859. [^60]: Diese Einteilung stammt aus dem fünften Jahrhundert. (Siehe Mannert VI, 1, S. 445.) [^61]: Band II, S. 424, Lipsiae 1706. [^62]: S. 869, Gotha 1829. [^63]: VI. Teil, I. Heft, S. 431. [^64]: Siehe die Landkarten bei Caroli a Sancto Paulo, Geographia sacra, S. 274. 275; Le Quien, Oriens Christianus, tom. II, S. 669. 670; J. Bingham, Antiquitates ecclesiasticae, 2. Aufl., tom. III, 444, 445, Magdeburg 1758. [^65]: S. 431. [^66]: S. 462. [^67]: S. 463. [^68]: Bd. I, S. 126. [^69]: De sacerd., lib. VI, 13. [^70]: „Μηδὲ ἀνάσχη πρὸς γοῦν τὸ βραχύτατον ἡμᾶς ἀπολιπεῖν, ἀλλὰ νῦν μᾶλλον ἤ πρότερον κοινὰς ποιεῖσδαι τὰς διατριβάς.“ [^71]: De sacerd. lib. I, 4. [^72]: Dies auch, die Interpretation von Hasselbach, S. LXII. LXIII und Anmerkung. [^73]: So urteilt auch S. Colombo, 1. c. S. 41: „Ma io ritengo non provata ed impossibile a provarsi la storicità del personaggio in questione, e per consequenza, del fatto narrato dal Crisostomo nel prologo del περὶ ἱερωσύνης.“ [^74]: So z. B. erinnert hom. V in Illud: Vidi Dominum (Migne, P. Gr. 56, 130. 131) an De sacerdotio III, 1 u. 5. [^75]: Siehe Bardenhewer, Patrologie³, S. 271 und Altkirchliche Literaturgeschichte III, S. 329. [^76]: Alle diese Autoren sind in ihrer Eigenschaft als Geschichtsquelle für das Leben des Chrysostomus am besten gewürdigt bei Chr. Baur, S. 38 ff. [^77]: Daß Sokrates (hist eccl. VI, 3) die historisch unhaltbare Behauptung aufstellt, Chrysostomus habe vertrauten Umgang mit Basilius dem Großen von Cäsarea gepflogen, ist bereits Seite 10 Anm. 3 erwähnt. Sonst findet sich der Name Basilius in Beziehung mit Chrysostomus bei keinem dieser Historiker. [^78]: Siehe z. B. Tillemont, tom. XI, 551 Note VII, der circa 372 annimmt; Stilting, Acta SS. Boll., Sept. IV, 422. 695: circa 374; Montfaucon, Joan. Chrysostomi opera omnia, Parisiis 1718, Bd. I, 361, circa: 372—374; ebenso Migne, P. Gr. 48, 622; Cramer, Bd. I, S. 14; Seltmann, S. 5. 24; Cognet, S. 16. Bardenhewer, Patrologie³, S. 308 und Altkirchl. L. G. III, S. 325. 347: um 373; ebenso Martin I, 104; J. Chr. Mitterrutzner, Ausgewählte Schriften des hl. Chrysostomus, Kempten 1869, S. 2; Puech, S. 15; Preuschen (Realencyklopädie IV³, S. 103); Kihn, II, 217; Nairn, S. XI. Rauschen, Jahrbücher, S. 572: vor 375. [^79]: Palladii Dialogus historicus de vita et conversatione beati Joannis Chrysostomi, cap. 5 (Migne, P. Gr. 47, 18). [^80]: Ausgangspunkt für die Berechnung des Jahres 375 ist 381, in welchem Jahre Chrysostomus von Meletius in Antiochien zum Diakon geweiht wurde, nachdem er aus seiner sechsjährigen Zu¬rückgezogenheit und Einsamkeit wieder in die Stadt zurückgekehrt war. Das Jahr 381 als Zeitpunkt der Diakonatsweihe ist folgendermaßen zu bestimmen: Nach Sokrates (Hist. eccl. VI, 2 bei Migne, P. Gr. 67, 664) wurde Chrysostomus Bischof von Konstantinopel am 26. Febr. 398, vorher war er nach Marcellinus Comes (Chronicon ad annum 398 bei Migne, P. Lat. 51, 921) und Palladius (l. c. S. 19) 12 Jahre Priester und 5 Jahre Diakon. Demgemäß fällt seine Diakonatsweihe in das Jahr 381. Siehe Rauschen, Jahrbücher, S. 115 Anmerk. 1 und S. 566; Preuschen (Realencyklopädie IV³, S. 103); Baronius, l. c. ad annum 382, tom. IV, 540; Martin, tom. I, 597; Chrys. Baur in Bibliothek der Kirchenväter, Bd. 23, S. IV. V, VII. [^81]: Zum Lektor war Chrys. wohl schon im Jahre 871 geweiht worden. (Siehe Rauschen, Jahrbücher, S. 566) [^82]: De sacerd. I, 4 und I, 7: „Μειράκια χδὲς καὶ πρώην ἔτι ταῖς του βίου μερίμναις ἐγκαλινδούμεν.“ [^83]: Siehe K. J. Hefele, Konziliengeschichte I², S. 590. 591. [^84]: Allerdings ist zuzugestehen, daß diese Bestimmungen manchmal nicht eingehalten wurden. Beispiele hierfür bei J. Bingham, Antiquitates ecclesiasticae, lib. II, cap. X, S. 152 ff.,

Magdeburg 1751. [^85]: Die Angaben von Baronius und Savilius, die bis 355, bzw. 352 heruntergehen, verdienen keine Beachtung. [^86]: Mémoires, tom. XI, S. 547. 548. [^87]: Acta SS. Boll., Sept. IV, S. 409. 410. 422. [^88]: Bd. I, 597—599. [^89]: Siehe Hefele I², S. 249. [^90]: Siehe z. B. Bingham, I. c. S. 145—147 [^91]: Die betreffenden kirchlichen Bestimmungen und päpstlichen Aktenstücke siehe bei Bingham, lib. II, cap. X, S. 147 ff. [^92]: Migne, P. Gr. 48, 626: „Καὶ τοῦ μέλλοντος ἡμας χειροτοήσειν ἐλδόντος.“ [^93]: Siehe Hefele I², 381 ff. [^94]: Ebendort, S. 519. Weitere Belege für die praktische Handhabung dieser Bestimmung siehe Bingham, lib. II, cap. XI, S. 162 ff. [^95]: Kanon I. [^96]: Lib.III, 20 und VIII, 4, 27. Allerdings heißt es in beiden Sammlungen: Der Bischof soll von zwei oder drei Bischöfen die Handauflegung erhalten. [^97]: Lib. I, cap. 6. [^98]: Ähnlich auch S. Colombo (Didaskaleion 1912, S. 44). Doch sind andere Momente, welche Colombo zur Verteidigung seiner Hypothese gegen die Historizität des fraglichen Vorgangs vor¬bringt, weniger stichhaltig.

Über das Priestertum

Подняться наверх