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Das richtige Intervall-Fasten Das Ende der Illusion vom Breakfast-Skipping
ОглавлениеFrüher dachte man immer, Nahrung kennt keine Uhrzeit, es sei völlig egal, wann man den Körper füttert. Essen flog uns, im Gegensatz zu früher, irgendwann wie gebratene Tauben direkt in den Mund, warum sollte man dabei auf einen Uhrzeiger schielen? Man ahnte schon ein bisschen, dass es nicht die natürlichste Art, sich zu ernähren ist, mitten in der Nacht in die Küche zu schleichen, den Kühlschrank zu inspizieren und mit seinem halben Inhalt wieder ins Bett zu kriechen. Auch wenn der Genuss mit stundenlanger Hin- und Herwälzerei bezahlt wurde, dass diese Plünderungen ernsthaft der Gesundheit schaden würden, war einem nicht bewusst. Ist doch nur Essen, was sollte daran schlecht sein?
Mittlerweile wissen wir: Nein, es ist nicht nur Essen, und es ist ganz und gar nicht egal, wann man den Körper füttert.
Acht Stunden vor Mitternacht sollte die Tür zur Kantine geschlossen sein. 16:00 Uhr. Mund zu, das war’s für den Tag.
Damit sind alle kreativen Auslegungen des Intervallfastens hinfällig. Man muss es schon richtig machen, sonst nützt es nichts. Mehr noch, es schadet.
Wobei ich dazusagen muss:
Man kann ruhig den ganzen Tag über nichts essen. Auch das ist Teil des intermittierenden Fastens. Aber man kann nicht den ganzen Tag nichts essen und dafür dann am Abend in Mengen hineinschaufeln. Die große Gemeinschaft der Frühstücksmuffel, die vor Mittag keinen Hunger haben, aber ab dem späten Nachmittag gerne durchgehend essen würden, hatten gehofft, dass Fasten gleich Fasten ist. Außerdem würde es den meisten Menschen gesellschaftlich mehr in den Tagesplan passen. Es ist natürlich zwischenmenschlich heiterer, abends mit Freunden zusammensitzen, essen, trinken und sich unterhalten zu können.
Tja, es tut mir sehr leid. Aber spät zu essen und auf das Frühstück zu verzichten, ist das Schlechteste, was man sich antun kann. Fragen Sie Ihren Insulinspiegel.
In der Früh schüttet der Körper Insulin aus. Er macht das nicht mutwillig, er ist chronobiologisch darauf eingestellt und wartet auf Kohlenhydrate. Kriegt er keine, verwirrt ihn das, und er reagiert mit einer Entzündung.
Genauer gesagt:
Die Verlängerung des nächtlichen Fastens durch das sogenannte Breakfast-Skipping erhöht das Entzündungspotenzial der peripheren Blutzellen. Das richtige Intervallfasten mit einem guten Frühstück wirkt als Schutz gegen das metabolische Syndrom. Was logisch ist, denn das metabolische Syndrom ist auch ein Entzündungssyndrom.
Irrtümlich glauben viele, dass mit der Insulinausschüttung automatisch Hunger verbunden sein muss, und sie morgens nichts essen müssten, wenn der Magen nicht lautstark auf sich aufmerksam macht und knurrt, weil er kurzgehalten wird. Das stimmt nicht immer. Bei einer Insulinresistenz ist der Insulinspiegel auch hoch, und man hat trotzdem nicht unbedingt einen Appetit.
Kohlenhydrate, die der Körper in der Früh serviert haben möchte, sollten übrigens einen niedrigen glykämischen Index haben, also langsam verbrennen. Der Index misst, wie Kohlenhydrate auf den Blutzuckerspiegel wirken. Je höher der Wert ist, desto mehr Zucker zirkuliert im Blut.
Die Lieblingsspeise des Körpers ist dabei Vollkorn. Das ist das beste Frühstück, wenn man den Organismus fragt. Es muss nicht viel sein, gerade nur ein paar Bissen, um das Insulin zu belohnen.
Hält man sich an die 16:8-Regel und die Sperrstunde um vier am Nachmittag, darf erst morgens gegessen werden.
Eine deutsche Studie, die sich mit dem Breakfast-Skipping und der Entzündungsreaktion des Körpers beschäftigt hat, brachte damit etwas zutage, was derzeit in der Diskussion rund um das Intervallfasten überhaupt nicht berücksichtigt wird. Wie wichtig es ist, zur richtigen Zeit zu essen.
Punkt eins, von insgesamt dreien, ist also: das Morgen-Insulin, das man nicht arbeitslos lassen sollte.
Punkt zwei: das Wachstumshormon. In der Nacht produziert der Körper der Chronobiologie folgend kein Insulin. Wird in dieser Zeit gegessen, zwingt man ihn, das Insulin aus der Reserve zu holen. Und nicht nur das. Zwischen Mitternacht und ein Uhr Früh wird das Wachstumshormon aus der Hypophyse freigesetzt. Allerdings nur dann, wenn der Glucosespiegel niedrig ist, was er nicht sein kann, wenn man um elf Uhr abends noch fleißig am Einschneiden ist. Damit verhindert man, dass das Wachstumshormon ausgeschüttet wird.
Der Idealzustand ist derselbe wie vor einer Operation: niedriger Glucosespiegel, kein Insulin, aber eine Hochproduktion des Wachstumshormons.
Das Wachstumshormon bloß in seiner wörtlichen Bedeutung zu verstehen, ist ein bisschen zu kurz gedacht. Es hilft nicht nur beim Wachsen, es ist auch für die Zellregeneration verantwortlich und damit ein körpereigener Jungbrunnen. In Amerika wird es als Anti-Aging-Wundermittel in teuren Kliniken zur Verjüngung eingesetzt. Oder zum Abnehmen. Alle zwei Tage eine Injektion, natürlich unter ärztlicher Aufsicht, und man hat vielleicht dreißig Kilo weniger.
Punkt drei: Cannabis. Der Mensch verfügt über ein endocannabinoides System, das körpereigenes Morphium produziert, wir tragen also eine eigene Quelle des Haschischwirkstoffs in uns. Ihm haben wir den Appetit zu verdanken, die Freude am Essen. Weil die Bildung dieser Cannabinoide mit dem Östrogenspiegel zusammenhängt, und sie daher nachts reduziert werden, hat man ab dem Abend weniger Lust zu essen. So hat es die Evolution vorbereitet.
So empfinden wir es allerdings heute oft nicht mehr. Und zwar deshalb, weil wir langfristig gegen den circadianen Rhythmus arbeiten, dem auch die Produktion dieser inneren Haschischwirkstoffe unterliegt. Isst man oft spät oder überhaupt mitten in der Nacht, induziert man die jetzt schlafenden Cannabinoide und ruft damit Geister wach, die man nicht wieder loswird. Körpereigenes Cannabis ist unersättlich, es macht nicht nur lange Zähne auf Pommes frites, Currywurst, Schokolade oder Chips, es möchte vor allem immer mehr und mehr davon. Man züchtet sich den Heißhunger selbst an und muss schließlich in der Nacht essen.
Unsere körpereigenen Cannabinoide sind vor allem verrückt nach Fettigem. Kennt man ihre Herkunft, weiß man, warum. Gebildet werden die Endocannabinoide nämlich nach besonders fettem Essen im Dünndarm. In einer Art Rückkoppelung können sie dann nicht genug davon kriegen und fördern die Lust auf noch mehr fettes Essen.
An sich ist diese Prozedur reines Tagwerk. Beginnt man gar nicht erst mit der nächtlichen Nascherei, ist nachts Ruhe. Sträubt man sich gegen die Chronobiologie und gewöhnt es sich an, in der Nacht den Kühlschrank zu plündern, kaut man ewig auf seiner eigenen Disziplinlosigkeit herum.
Dazu kommt, dass schon im Mund Geschmackssignale aktiviert werden, die dem Darm und dem Gehirn melden, dass jetzt die Freisetzung der Endocannabinoide angesagt ist. Hedonisten nennen das Vorfreude. Für die Wissenschaft sind diese Signale im Mund Auslöser eines bestimmten Ablaufs und damit interessante Ansatzpunkte.
Es gab einen Versuch, die Mundsignale zu blockieren und damit die Ausschüttung der Endocannabinoide herunterzuschrauben. Das Medikament, das den Rezeptor blockierte, hieß Acomplia, hatte aber so viele Nebenwirkungen, dass es nur zwei Jahre lang auf dem Markt war. 2008 wurde es eingezogen.
Da ist es sinnvoller, beim Schlaf anzusetzen. Einmal ganz abgesehen davon, dass man nicht isst, wenn man schläft, und Schlaf damit die natürlichste Methode gegen übermäßiges Essen ist. An der University of Chicago fand ein Forscherteam heraus, was Schlafmangel alles bewirkt.
Schläft man nicht, reißt man damit auch die Endocannabinoide aus der Nachtruhe. An sich ein sehr fürsorglicher Mechanismus: Schläft der Mensch nicht zu einer Zeit, in der er sich ausruhen sollte, dann vermutet der Körper, dass es sich bei dieser Extravaganz um Nachtarbeit handelt, um etwas Wichtiges, Dringendes, das aus einem unerfindlichen Grund nur jetzt getan werden kann. Der Körper reagiert sofort. Er glaubt, er muss sich bei Kräften halten und rüttelt die Cannabinoide auf, um für Appetit zu sorgen, damit der wache Mensch bei seiner wichtigen Arbeit in der Nacht nicht vom Fleisch fällt.
Fein, könnte man sich jetzt denken, dann gleiche ich das Schlafdefizit aus, indem ich bis Mittag im Bett bleibe. Tja, auch das ist ein Irrtum, und damit schließt sich der Kreis: Versäumten Nachtschlaf nachzuholen, geht nämlich ebenso wenig wie Breakfast-Skipping. Und es wird noch interessanter: Sogar die Fernsehabende machen dick.
Es funktioniert nach demselben Prinzip. Sitzt man vor dem Fernseher, dann sinkt der Melatonin-Spiegel. Das Schlafhormon, das bei Dunkelheit ausgeschüttet wird, damit man müde wird, lässt sich durch das blaue Licht des Fernsehers oder Computers täuschen. Es glaubt, dass noch Tag ist, und dämmert weiter vor sich hin. Bei Frauen wirkt der Melatonin-Killer blaues Licht über das Melatonin übrigens noch viel stärker. Geht man dann ins Bett, macht sich der niedrige Melatonin-Spiegel bemerkbar. Man kommt nicht zur Ruhe, kann nicht ordentlich schlafen, fabriziert ein Schlafdefizit, und schon steigen die Endocannabinoide an.
Man kann sich vorstellen, was passiert, wenn man lange arbeitet, sich dann noch einen Film anschaut und später den Kühlschrank plündert.
Intervallfasten ist also kein zeitloses Vergnügen. Will man etwas damit bewirken, kann man nicht einfach irgendwann draufloshungern. Es ist eine schwierigere Übung, als man annimmt. Und sie hat nur in gewissem Maße mit Magen, Darm und Bauch zu tun. Das eigentliche Hauptquartier des Hungers ist das Gehirn. Dort sitzt die Steuerungszentrale für das Abnehmen, die uns jede Art von Nicht-Essen so schwer macht. Denn von dort kommt das Dopamin. Jenes Glückshormon, das die Evolution dafür vorgesehen hat, uns verlässlich und ausgiebig dafür zu belohnen, dass wir dem Körper geben, was er braucht: Nahrung, um nicht zu verhungern.