Читать книгу Prüfungen erfolgreich bestehen im Fach Mikrobiologie - Johannes Wöstemeyer - Страница 22
Оглавление3Bakteriophagen
Bakteriophagen sind mit Sicherheit die häufigsten Lebensformen auf der Erde, noch häufiger als Bakterien, da man zu jeder bakteriellen Spezies, bei der man gesucht hat, viele Phagen gefunden hat, bisweilen mehrere Hundert. Man nimmt heute mindestens für das Meerwasser an, dass auf dem Weg über die Rekombination zwischen Phagen- und Bakteriengenomen alle überhaupt möglichen bakteriellen Gene ein großes, allumfassendes Metagenom bilden. In anderen Biotopen, etwa in unserem Darm, dürfte die Situation ähnlich sein. Wegen der Möglichkeit zum horizontalen Gentransfer über Speziesgrenzen hinweg stellen Phagen daher eine bestimmende Größe dar für die Evolution und die Entstehung neuer bakterieller Arten mit neuen Eigenschaften. Der horizontale Gentransfer mithilfe von Phagen heißt in der Biologie Transduktion, dazu fähige Phagen nennt man transduzierende Phagen. Hier befassen wir uns nur mit einigen Bakteriophagen von Escherichia coli.
3.1Genome
Bei Phagen sind so ziemlich alle möglichen Genomarchitekturen verwirklicht. Es gibt Genome auf der Basis von RNA oder DNA, beide können ringförmig oder linear sein, einzelsträngig oder doppelsträngig, und auch Genome aus mehreren Molekülen kommen vor. Manche dieser Moleküle besitzen die Fähigkeit, in das Wirtsgenom zu integrieren. Man spricht dann von lysogenen Phagen im Unterschied zu den lytischen Phagen, die diese Fähigkeit nicht besitzen, sondern ausschließlich im Plasma der Wirtszelle vermehrt werden und diese schließlich lysieren.
3.2Formen
Phagen sehen durchaus nicht gleich aus, allerdings scheint die Formenvielfalt begrenzt zu sein. Die gezeigten Formen (Tab. 3.1) dürfen als typisch gelten, im Detail gibt es viele Abwandlungen.
3.3Phagen bilden Plaques
Lytische Phagen verraten sich auf Petrischalen durch die Bildung von Plaques in einem Rasen ihrer Wirtsbakterien (Abb. 3.1). In der Praxis mischt man die Phagensuspension in geeigneter Verdünnung zusammen mit so vielen Wirtsbakterien in 3 ml Weichagar, dass nach dem Ausplattieren und der Bebrütung ein durchgehender Bakterienrasen entsteht. An Stellen, an denen ein Phage bzw. eine infizierte Zelle liegt, wird die Wirtszelle lysiert und die Phagennachkommen (je nach Phage zwischen 50 und etlichen Hundert) infizieren eine weitere Wirtszelle.
Abb. 3.1 Phagen bilden Plaques in einem Rasen geeigneter Indikatorbakterien
Die Anzahl der Phagen, die eine einzige Wirtszelle produziert, heißt Wurfgröße oder im Englischen burst size. Dieser Zyklus aus Infektion und Vermehrung läuft so lange ab, bis die Wirtsbakterien in die stationäre Phase gelangen, sich nicht mehr teilen und auch keine Phagen mehr vermehren. Rund um den Ort der primären Infektion hatten die Bakterien natürlich keine Chance, zu wachsen, sodass hier eine klare Zone, ein Plaque, entstanden ist. Plaques weisen eine erstaunliche Vielfalt an Erscheinungsbildern auf. Sie können klar (etwa T4) oder durchgängig trübe sein (M13), und sie können sehr unterschiedliche Größen entwickeln. Die DNA lysogener Phagen integriert bisweilen in das Wirtsgenom. Die Plaques dieser temperenten Phagen entwickeln folglich innerhalb der Lysiszone Kolonien. An solchen Stellen hat ein Integrationsereignis stattgefunden, die resultierende Zelle ist immun gegen Superinfektion und kann nicht mehr lysiert werden. In diesem Zustand werden in aller Regel keine Phagennachkommen gebildet. Der Phage verhält sich ruhig; daher spricht man auch von temperenten Phagen. Erst die Behandlung der Wirtszellen mit Agenzien, die im Wirt Mutationen auslösen, setzt den Phagen frei, sodass der lytische Zyklus eingeleitet wird. Die Phagenvermehrung wird durch externe Einflüsse induziert, insbesondere solche, die die DNA des Wirts schädigen.
3.4Lebenszyklen
Die Lebensweise von Phagen kann sehr unterschiedlich sein. Die Abläufe bei der Infektion, der Aufnahme der genetischen Information in die Wirtszelle, der Replikation und der Transkription sind oft in hohem Maße auf die evolutionäre Strategie des jeweiligen Phagen zugeschnitten. Es gibt zwar Ähnlichkeiten zwischen den Lebenszyklen von Phagen, doch darf man nicht verallgemeinern und muss den Vermehrungszyklus neuer Phagen individuell studieren und beschreiben. Der Bakteriophage Mu etwa hat die Integration in das Wirtsgenom zum Lebensstil erhoben. Nach der ersten Integration, durchaus in der Art eines lysogenen Phagen, verhält sich Mu wie ein replikatives Transposon, sodass schließlich sehr viele Mu-Kopien an vielen Orten im Escherichia coli-Genom liegen. Dann erst wird diese DNA freigesetzt und in Phagenpartikel verpackt.
In den sich anschließenden Übungen machen Sie sich besonders mit den Eigenschaften der in molekularbiologisch arbeitenden Laboratorien immer wieder verwendeten Phagen M13, λ und T4 vertraut.
3.5Restriktion
Bakteriophagen sind eine erhebliche Bedrohung für ihre Wirtsbakterien. Folglich kann man erwarten, dass beide Partner wegen ihrer langen gemeinsamen Koevolution Abwehr- und Überlebensmechanismen entwickelt haben. Der bekannteste Phagenabwehrmechanismus ist die Restriktion. Das Wort stammt ursprünglich aus der Phagenbiologie und bedeutet, dass ein Phage – das war damals λ – nur auf einem bestimmten Genotyp von Escherichia coli Plaques bilden konnte, jedoch allenfalls sporadisch auf einem anderen. Erst später wurde die zugrunde liegende Biochemie deutlich: Bakterien besitzen sequenzspezifisch wirkende Endonucleasen, die Restriktionsendonucleasen, die aufgenommene Phagen-DNA zerschneiden, während sie ihre eigene DNA ebenfalls sequenzspezifisch durch Methylierung von Cytosin oder Adenin schützen. Gelegentlich entkommen Bakteriophagen der Restriktion durch zum Teil seltsam anmutende Modifikationen ihrer eigenen DNA. In der Phagenwelt gibt es deutlich mehr Nucleobasen als nur Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin.
3.6Anwendung im Labor
Seit Beginn der Entwicklung gentechnischer Verfahren für die biologische Forschung haben Phagen durchweg eine große Rolle gespielt. Die replikative Form der DNA des Phagen M13 wurde bereits früh zu einem vielseitig verwendbaren Vektor für Escherichia coli entwickelt. Rekombinante M13-Phagen eignen sich hervorragend für die Sequenzierung klonierter DNA-Abschnitte. Der Bakteriophage λ und von ihm abgeleitete Plasmide, die sogenannten Cosmide, sind außergewöhnlich effiziente Vektoren zur Klonierung großer DNA-Fragmente bis etwa 45 kb (Kilobasenpaare, 1 kb = 1 000 bp). Noch größere Fragmente, etwa um 150 kb, kann man in einem System klonieren, das vom Bakteriophagen T4 abgeleitet ist.
Übungen zu Kapitel 3
Ü 3.1
Recherchieren Sie die Eigenschaften der angegebenen Bakteriophagen! Tragen Sie die richtigen Eigenschaften ein. Versuchen Sie, während ihrer Recherchen herauszufinden, worin die besondere Bedeutung dieser Phagen für die Entwicklung der mikrobiellen Genetik besteht.
Phage | DNA/RNA? | ss/ds? | Genomgröße | lytisch/lysogen | Form (als Skizze) |
T4 | |||||
T5 | |||||
λ | |||||
Mu | |||||
M13 | |||||
Φ6 | |||||
MS2 | |||||
Φχ174 |
Ü 3.2
Ergänzen Sie den folgenden Lückentext zum Lebenszyklus des Bakteriophagen λ und beantworten Sie dann die anschließende Frage!
Der Bakteriophage λ hat ein Genom von ca. ____ kb Länge. Im Phagenpartikel liegt das Genom in ________________ Form vor. Nach Aufnahme der DNA in die Wirtszelle wird die DNA ________________. Die Lebensbedingungen des infizierten Wirts entscheiden weitgehend über die beiden alternativen Lebensstile des Phagen. Der λ-Phage kann entweder den _______________ oder den _______________ Weg verwirklichen.
Welche wichtigen, mit dieser Entscheidung über die alternativen Lebensstile assoziierten Gene spielen bei diesem Prozess entscheidende Rollen? Nennen Sie die Gene mit der gängigen Abkürzung (Gensymbol) sowie die zugehörigen Genprodukte und deren Funktion!
Ü 3.3
Die Wurfgröße von Phagen bestimmt man in einem einfachen Experiment, das traditionell unter der Bezeichnung One-Step-Growth geführt wird. Recherchieren Sie, was dies genau bedeutet und erstellen Sie dann einen experimentellen Ablaufplan, mit dem Sie die Wurfgröße eines neu isolierten Escherichia coli-Phagen ermitteln können.
Ü 3.4
Welches Phagen-kodierte Genprodukt hält beim Bakteriophagen λ den lysogenen Zustand aufrecht? Wie heißt das zugehörige Gen?
Ü 3.5
Zur Titerbestimmung eines Phagenlysats benutzen Sie die Weichagartechnik. Sie plattieren jeweils 0,2 ml der 10–9-fach verdünnten Phagensuspension zusammen mit den Indikatorbakterien aus. Nach Bebrütung über Nacht zählen Sie auf dem bakteriellen Rasen in Dreifachbestimmungen 204, 222 und 198 Plaques. Wie hoch ist der Titer der Ausgangssuspension? Geben Sie das Ergebnis in Plaque-bildenden Einheiten (pfu) pro ml an!
Ü 3.6
In einer λ-lysogenen Escherichia coli-Kultur mit dem Titer von 3 x 107 Zellen/ml wird der Prophage durch geeignete Behandlung in allen Zellen zum lytischen Wachstum induziert. Anschließend wird mit der Weichagartechnik der Phagentiter gemessen. In einer Dreifachbestimmung werden nach Ausbringung von jeweils 0,2 ml einer 10–7-fachen Phagenverdünnung auf den drei Platten 112, 131 und 99 Plaques gezählt. Wie groß ist der Phagentiter? Wie groß ist die Phagennachkommenschaft eines einzigen Wirtsbakteriums?
Ü 3.7
Geben Sie bitte eine kurze, prägnante Definition der folgenden Begriffe aus der Phagenbiologie an!
Begriff | Definition |
lytisch | |
lysogen | |
Transduktion | |
horizontaler Gentransfer | |
Transposition | |
Phageninduktion |
Ü 3.8 [aus unserer Sammlung von Staatsexamensklausurthemen]
Beschreiben und skizzieren Sie die Morphologie der Escherichia coli-Phagen λ und T4. Ordnen Sie den Strukturen nach Möglichkeit Funktionen zu und erklären Sie, wie diese Phagen infizieren, replizieren und wie sie mit dem Stoffwechsel und der genetischen Steuerung der Wirtszelle interagieren.
Ü 3.9 [aus unserer Sammlung von Staatsexamensklausurthemen]
Etliche Bakteriophagen können sich entweder lytisch vermehren oder als Prophagen zusammen mit dem Genophor des Wirts weitergegeben werden. Bitte stellen Sie am Beispiel des Escherichia coli-Phagen λ die Charakteristika der beiden alternativen Lebensformen dar. Legen Sie besonderen Wert auf den Umschaltvorgang vom Prophagen zur lytischen Vermehrung.