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1Bakterien

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Die bakterielle Welt ist genetisch, physiologisch und sogar morphologisch außerordentlich vielfältig. Dennoch entdeckt man bei der Betrachtung grundlegender zellbiologischer Eigenschaften genügend Gemeinsamkeiten, um einen bakteriellen Typus definieren zu können. Die Größe der Zellen gehört durchaus nicht dazu. Die kleinsten bekannten Bakterien sind nicht länger als 0,3 µm (1 µm = 10–3 mm), die größten kann man mit etwa 1 mm Länge bequem mit bloßem Auge sehen. Charakteristischer ist der Blick auf die Kompartimentierung der Zellen mit Membranen. Eukaryontische Zellen haben mehr morpho­logisch abgegrenzte Reaktionsräume als Bakterien. Zellkern, Mito-chondrien und Plastiden sind gut erkennbar und anhand der dort stattfindenden Reaktionen sehr gut charakterisiert. Allerdings darf man sich die bakterielle Zelle durchaus nicht wie einen Sack vor­stellen, in dem die Reaktionen unkoordiniert ablaufen. Auch hier sind sehr viele Reaktionen membrangebunden und es gibt sogar Bakterien, aus der Planctomyces/Gemmata-Gruppe, deren Genom zellkern­artig von Membranen umschlossen ist (Abb. 1.1).


Abb. 1.1 Bakterien der Planctomyces/Gemmata-Gruppe haben das Zellkernprinzip erfunden: Das Genom ist in eine Membranhülle verpackt.

Das bakterielle Genom besteht im typischen Fall aus einem einzigen, ringförmigen DNA-Molekül. Diese Regel gilt jedoch nicht für alle Bakterien. Die Größe bakterieller Genome variiert zwischen 0,6 und etwa 14 Millionen bp (Basenpaare) (Tab. 1.1). Somit gibt es durchaus Genome in Prokaryonten, die größer sind als die Genome einfacher Eukaryonten (Bäckerhefe: ca. 12 Millionen bp). Tendenziell haben die Genome obligater Parasiten kleinere Genome, weil sie im Laufe der Evolution Gene verlieren. Typisch für viele bakterielle Gruppen sind Plasmide, meist kleine, ringförmige DNAs, die zusätzlich zum Genophor vorkommen und oft für zusätzliche Stoffwechselwege oder Antibiotikum-Resistenzen kodieren. Auch scheinbar kleine DNA-Moleküle sind ausgestreckt sehr lang. Eine DNA von 3 Millionen bp ist etwa 1 mm lang. Da bakterielle Zellen im typischen Fall nur wenige µm lang und 1 µm dick sind, wird die DNA in engen Schleifen um basische Proteine gewickelt, damit sie in der Zelle Platz findet.

Der Transkriptionsapparat der Bakterien weist über alle Gruppen hinweg sehr große Ähnlichkeiten auf. Die Promotoren teilen funktionell vergleichbare Sequenzmotive, und die Zusammensetzung der Untereinheiten der RNA-Polymerase ist sehr ähnlich (Abb. 1.2). Für die Erkennung der Promotoren ist insbesondere die σ-Untereinheit der Polymerase zuständig. Viele Bakterien benutzen mehrere verschiedene σ-Faktoren und schaffen damit die Basis für eine zeit- oder entwicklungsabhängige Regulation der Transkription.

Tab. 1.1 Genomgrößen ausgewählter Bakterien
BakteriumVorkommenpathogen?Genomgröße/Mbp (Megabasenpaare)
Mycoplasma genitaliumSchleimhäute Menschja0,58
Mycoplasma pneumoniaeLunge Menschja0,82
Borrelia burgdorferiZecke/Säugetiereja0,91
Treponema pallidumMensch (Syphilis)ja1,1
Helicobacter pyloriMagenwand/Menschja1,67
Synechocystis sp.Süßwasser (Photosynthese)nein3,57
Escherichia coliDickdarm Menschnein4,64
Bacillus subtilisBoden (Endosporenbildner)nein4,21
Streptomyces coelicolorBoden (Exosporenbildner)nein8,67
Ktedonobacter racemiferBoden (Chloroflexus-Gruppe)nein13,66


Abb. 1.2 Schematischer Aufbau der bakteriellen RNA-Polymerase

Bakterien haben charakteristische, biochemisch eindeutig erkennbare Ribosomen mit weitgehend konstanten Eigenschaften. Der grundsätzliche Aufbau aus zwei Untereinheiten mit definierten Sedimentationskonstanten, 30 S (Svedberg-Einheit) und 50 S, ist immer gleich, während das komplette Ribosom in der Ultrazentrifuge mit 70 S sedimentiert (Abb. 1.3). Auch Anzahl und Größe der ribosomalen RNAs und der ribosomalen Proteine sind sehr gut vergleichbar. Die Funktion bakterieller Ribosomen ist besonders bei den beiden großen Modellorganismen, dem Gram-negativen Enterobakterium Escherichia coli und dem Gram-positiven Sporenbildner Bacillus subtilis, im Detail studiert. Hier wurden die meisten Erkenntnisse über Ablauf und Regulation der Translation gewonnen.


Abb. 1.3 Schematischer Aufbau bakterieller Ribosomen

Die bakterielle Zelle ist von der Zellmembran umgeben, die wie in allen anderen Zellen die Reaktionsräume des Cyto-plasmas nach außen abschließt und mithilfe zahlreicher, biochemisch sehr verschiedener Transportkanäle und Transportmechanismen den Im- und Export benötigter bzw. nicht mehr benötigter Substanzen vermittelt. Für alle Substanzen, die durch die Membran transportiert werden müssen, gibt es sehr spezifisch arbeitende Transporter. Die Grundstruktur der Membranen, nämlich die Doppelschicht aus Fettsäure-

estern des Glycerins, ist für alle wasserlöslichen Substanzen und natürlich auch für Wasser selbst undurchlässig. Die Membraneigenschaften werden in erheblichem Maße von den Verhältnissen zwischen den vielen möglichen gesättigten und ungesättigten Fettsäuren beeinflusst. Eine Besonderheit bakterieller Membranen ist die Einlagerung der Hopanoide, die wie Sitosterin in Pflanzen, Ergosterin in Pilzen oder Cholesterin in Tieren für die Stabilität der Membranen sorgen und wegen wechselnder Mengen auch helfen, die Membranfluidität zu mo­dulieren.

An die Membran schließt sich nach außen die Zellwand an. Zellwände sind in der Natur zwar durchaus keine Seltenheit, schließlich sind sie charakteristisch für die Archäen, Pilze und Pflanzen, doch hat die gesamte Tierwelt auf Zellwände verzichtet. Die bakterielle Zellwand ist chemisch gut definiert. Die typische Substanz ist das Murein. Das ist primär ein einfaches Copolymer aus N-Acetylglucosamin und N-Acetylmuraminsäure. Die Muraminsäure bringt ein über eine Ether­brücke gebundenes Milchsäuremolekül ein. Das Carboxylende dieser Säure erlaubt der Zelle, die linearen Polysaccharidketten über Peptid­seitenketten zu einem einzigen, mehrdimensionalen Makromolekül rings um die Zelle zu vernetzen. Diese sehr widerstandsfähige Wand schützt die bakterielle Zelle vor den Auswirkungen starker Turgor-Schwankungen und auch vor mechanischen Einflüssen. Andererseits sollte man sich gelegentlich fragen, welchen biochemischen Aufwand diese gepanzerten Zellen treiben müssen, um überhaupt wachsen und sich teilen zu können?

Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte Hans-Christian Gram eine Färbetechnik, die nur manche Bakterien gut färbte, während andere durch Waschen mit Ethanol sehr schnell entfärbt wurden. Der Farbstoff, das Kristallviolett, bildet in Gegenwart von Iod und Iodid einen gut sichtbaren violetten Farblack, der besonders gut von dicken Wänden zurückgehalten wird (Gram-positiv), während er aus dünnen Wänden mit Ethanol schnell ausgewaschen wird (Gram-negativ). Fast alle bakteriellen Gruppen verhalten sich in der Färbung Gram-negativ. Die wichtigste Gram-positive Gruppe bildet ein Monophylum, zu dem neben anderen die sporenbildenden Bacillus-Arten gehören.

Bakterien lagern viele verschiedene Stoffe im Cytoplasma ab. Ein wichtiger Speicherstoff ist etwa die Poly-β-hydroxybuttersäure, ein plastisch verformbarer Polyester mit durchaus erwähnenswerter technischer Bedeutung. Dazu kommen viele andere Zelleinschlüsse, wie etwa die Magnetosomen aus paramagnetischen Eisenoxiden solcher wasserbewohnender Bakterien, die sich mithilfe der vertikalen Komponente des magnetischen Erdfeldes orientieren können und damit „oben“ und „unten“ unterscheiden.

Bakterielle Zellen erscheinen auch an der Außenseite erstaunlich komplex. Eine Reihe von Anhängseln mit sehr verschiedenen Funktionen zwischen Adhäson, Motilität und parasexuellem Gentransfer kann man elektronenmikroskopisch gut unterscheiden. Fimbrien, Geißeln und Pili (Singular: der Pilus) sind sehr häufig. Dazu kommen bei etlichen Bakterien zum Teil sehr ausgedehnte Kapseln und Schleimhüllen aus Proteinen (eher seltener) und Polysacchariden (sehr häufig), die für die Adhäsion auf dem Substrat wichtig sind und etwa bei Krankheitserregern wichtige Funktionen zum Schutz der Bakterien vor den Attacken der Immunabwehr übernehmen.

Prokaryonten weisen eine unglaublich hohe Vielfalt an Möglichkeiten zur Bestreitung ihres Energiestoffwechsels auf. Als Grundregel mag dienen, dass nahezu jede in dem Milieu der lebenden Zelle mögliche Reaktion, deren Energiedifferenz ausreicht, die Synthese von ATP zu treiben, bei irgendwelchen Bakterien auch gefunden wird. Der allergrößte Anteil dieser Vielfalt ist auf dem evolutionären Pfad von den Prokaryonten zu den Eukaryonten wieder verloren gegangen. Tabelle 1.2 gibt eine Übersicht über die grundsätzlichen Möglichkeiten in den Organismengruppen.

Tab. 1.2 Grundsätzliche Wege zur Energiegewinnung der Organismen
OrganismengruppeEnergiequelleKohlenstoffquelleFachausdruck
PflanzenLichtCO2Photoautotrophie
Tiereorganische Verbindungenorganische VerbindungenChemoheterotrophie
Pilzeorganische Verbindungenorganische VerbindungenChemoheterotrophie
Bakterienorganische Verbindungenorganische VerbindungenChemoheterotrophie
Bakterienanorganische VerbindungenCO2Chemolithoautotrophie
Bakterienanorganische Verbindungenorganische VerbindungenChemolithoheterotrophie
BakterienLichtorganische VerbindungenPhotoheterotrophie
BakterienLichtCO2Photoautotrophie
BakterienElektronenCO2Elektrolithoautotrophie

Wie eukaryontische Organismen auch können Bakterien Energie, also letztlich ATP, aus Atmungs- oder Gärungsprozessen beziehen.

Das Wesen der Atmung besteht in der Verwendung externer Elek­tronenakzeptoren zur Oxidation des beim Abbau energieliefernder Substrate unvermeidbar entstehenden NADH. Bei Eukaryonten ist der externe Elektronenakzeptor zur Oxidation des NADH aus der Substratkettenphosphorylierung Sauerstoff, der zu Wasser reduziert wird. Daher verbinden wir Atmung normalerweise mit aerober Lebensweise. Das muss nicht so sein. Bei Bakterien und Archäen werden außer Sauerstoff sehr viele verschiedene andere Elektronenakzeptoren benutzt. Außer O2-Atmung gibt es Nitrat-Atmung, Sulfat-Atmung etc. Man kann also problemlos auch anaerob atmen.

Das Wesen der Gärung besteht darin, die Oxidation des NADH zum NAD+, das für die Substratkettenphosphorylierung dringend gebraucht wird, ohne die Verwendung externer Elektronenakzeptoren zu schaffen. Das NADH aus der Substratkettenphosphorylierung wird folglich durch Übertragung der Elektronen auf einen internen Elektronen­akzeptor wieder zu NAD+ oxidiert. Viele Bakterien, aber auch Eukaryonten, benutzen dazu die Brenztraubensäure (Pyruvat), die zu Milchsäure (Lactat) reduziert wird. Bei Bakterien werden sehr viele verschiedene andere Elektronenakzeptoren benutzt. Der Gärungstyp wird nach dem Endprodukt der Elektronenübertragung benannt. Die Namen, etwa Milchsäuregärung, Ethanolgärung, Propionsäuregärung, Gemischte Säuregärung etc., beschreiben also schon recht genau den Typus des Energiestoffwechsels eines Bakteriums.

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