Читать книгу Mein Leben mit Jim Morrison und den Doors - John Densmore - Страница 9

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BREAK ON THROUGH

Paris, 1975

Es roch nach Regen. Ich hatte auf Sturm gehofft; dann hätten wir nicht sein Grab besuchen müssen. Mein Herz fing an zu rasen. Ich schaute zu Robby, Danny und Hervé rüber, als sich unser Wagen dem Friedhof näherte. Alle schienen nervös zu sein. Die hohen, dicken Wände sahen unheilvoll aus, als ob sie etwas Uraltes und Mysteriöses beschützen würden.

Als wir durch das Eingangstor gingen, watschelte ein chaplin-ähnlicher Gendarm auf uns zu und fragte, wo wir hin wollten.

„Wissen Sie, wo Jim Morrisons Grab ist?“ fragte ich mit einem Beben in der Stimme. „Ah, mais oui,“ antwortete er mit einem breiten Akzent. „Monsieur Morrisons Grab liegt oberhalb des Kopfsteinweges. Die Grafitti werden Sie dorthinführen. Sie wurden neulich entfernt, aber wie Sie sehen werden, ist wieder viel hinzugefügt worden. Bitte nichts dazuschreiben, d’accord?“

„D’accord.“ Darüber werden wir auch hinwegkommen, murmelte ich mir zu, als wir an seinem Wächterhaus vorbeigingen.

Der Weg wurde immer steiler, während wir an moosbedeckten Grabsteinen vorbeischritten. Ein kalter, feuchter Nebel begann uns einzuhüllen. Einige räudige Katzen jagten über unseren Weg in dunkle Grablöcher hinein. Pére Lachaise ist das Zuhause von hunderten streunenden katzenartigen Wesen zwischen berühmten europäischen Toten.

Merkwürdig, dass ein guter alter Kumpel aus Florida auch dort liegt. Jim hätte diese Gesellschaft gewiss gemocht. Ich muss mal darüber nachdenken, ob er es nicht auch so geplant hatte.

Die massiven, barocken Schilder entlang des Friedhofweges wiesen den Weg zu Oscar Wilde, Balzac, Edith Piaf und Chopin. Und dann die Grafitti: „Morrison – this way“, geritzt in einen wohl mehr als hundert Jahre alten Grabstein; dann, roh über eine alte Ornamenttafel nach der anderen gepinselt: „Acid Rules“, „This Is Not The End“, „Jim Was a Junkie“. Die Schändungen wurden immer rüder und ich spürte, dass wir uns der Grabstelle näherten.

„Hier ist es“,·sagte Hervé, der französische Journalist, müde. Er stand hinter einigen großen Gruften aus Granit. Wir folgten dem Wegrand, kletterten dann über mehrere Steinbrocken zu einem kleinen Rechteck aus Zement, das in den Boden eingelassen war.

Ich starrte es ungläubig an. Das ist es? schrie mein Innerstes. Dies ist das Ende des Elektrischen Schamanen, des Acidkönigs, des Ödipus Rex in Person?

Scheiße. Merde.

Ich schaute zu Danny Sugerman hinüber und meine Augen füllten sich mit Tränen. Mein Magen verkrampfte sich und meine Beine begannen von dem alten Hautausschlag wie rasend zu jucken. Ich wollte wegrennen. „Verstehst Du es jetzt?“ sagte ich mit unterdrückter Stimme zu Danny.

Er nickte und drehte sich zu mir. „Mein Gott, ich hatte keine Ahnung“, sagte er und tat so, als würde er meine Ergriffenheit zum ersten Mal bemerken.

„Natürlich nicht. Du warst nicht in der Band. Du warst der Publizist“, schnauzte ich und hätte am liebsten um mich geschlagen.

Robby streifte umher, still wie immer, versteckte sich wie üblich hinter seinen Gefühlen. Unser Gitarrist war introvertiert, aber er war mein bester Freund.

„Wie konnte er da hineinpassen?“ fragte ich und fühlte mich bei dieser Frage leicht albern. „Er war 1,83 groß, oder?“

Vielleicht ist es wahr, dachte ich. Vielleicht ist er nicht tot. Vielleicht ist er in Afrika und lebt dort einen weiteren Mythos aus. Zuerst Dionysos, dann Nietzsche, dann Rimbaud?

Warte mal. Er ist tot, Du Arschloch. Du hast zugesehen, wie er sich selbst zerstörte, zischte ich mich selbst an, während ich auf das Grab starrte. Und du hast nichts dagegen unternommen. Konntest nichts dagegen unternehmen. Jahrelang hattest du es kommen sehen, aber…

Nietzsche hat Jim Morrison getötet, hatte ich einst ziemlich melodramatisch einigen überraschten Freunden in Berkeley eröffnet. Morrison, der Superman, der dionysische Verrückte, die Geburt der Tragödie selbst. Aber wer weiß, wer oder was ihn umgebracht hat.

Weiß Gott, eine Million Leute sind schon in der Hoffnung zu mir gekommen, dass ich eine Antwort wüsste.

Ich schob meine Hände in die Manteltaschen und seufzte in tiefer Verzweiflung. Dies ist ein wundervoller Ort, begraben zu werden, Jim, aber dein Grab sieht so klein und kalt und schmutzig und – unwürdig aus.

All our lives we sweat and save

Building for a shallow grave

Must be something else we say

Somehow to defend this place.

(Unsere ganzen Leben lang schuften und sparen wir

Erbauen uns ein flaches Grab

Das muss etwas Besonderes werden, sagen wir

Um irgendwie diesen Platz zu schützen.)

„The Soft Parade“, erinnerst Du Dich, Jim?

An der Grabstelle war es ruhig. Herausfordernd ruhig. Ich fühlte den kalten Regen meinen Nacken hinunterkriechen. Frösteln. Hervé und Robby streiften nervös herum. Ein junger Rock’n’Roll-Pilger klimperte auf seiner Gitarre als Hommage einen Doors-Song. Auf seinem Rucksack klebte ein Doors-Sticker. Es gibt kein Entrinnen.

*

Jim, ich stecke immer noch in dem Labyrinth, versuche Antworten zu finden, deren Fragen ich noch nicht einmal formulieren kann. Sicher, Ray, Robby und ich sprachen über deine Selbstzerstörung, aber Robby und ich dachten einfach, du könntest möglicherweise 80 Jahre alt werden, wie ein schwerer irischer Säufer. Doch mein Körper wusste es besser. Ich hatte jahrelang Kopfschmerzen, Hautausschläge, Phobien. Und immer noch kämpfe ich damit. Robby meinte, dass eines der Dinge, die der Band Kraft gaben, die psychische Stärke war, die wir benötigten, um Deine Exzesse zu tolerieren. In den Sechzigern mag das gestimmt haben, aber heute brauche ich mehr als das, um weitermachen zu können.

Ich wandte mich wieder zu dem surrealistisch dekorierten Grabstein. Was hattest du in deinen Songs gesagt, das möglicherweise deine Huldigung an den Wahnsinn verteidigt und uns beinahe auch in den Abgrund gezogen hätte? Wie lautete deine verdammte Botschaft, Jim? Anarchie? Warum hatte ich da in all diesen Jahren mitgespielt? Wegen des Geldes? Des Ruhmes? Der Mädchen? Nach all diesen Jahren fühle ich mich von mir selbst betrogen, bloßgestellt, dass ich niemals Manns genug war, mich gegen dich zu stellen und wirklich abzuhauen. Oh, ich stürmte einmal wütend davon – in Michigan – weißt du noch? Aber ich kam zurück.

Du wusstest es, nicht wahr? Aber wie?

„Komm, John, wir müssen gehen“, sagte Danny.

Ich winkte ab. „Ich brauche nur noch eine Minute.“

Sie waren gegangen. Stille. Dann plätscherte der Regen auf das Moos, füllte eine schmutzige Ecke des flachen Grabes. Einige Blumen trieben matt im Schlamm.

Jim, ich bin wirklich stolz auf das, was wir gemacht haben, flüsterte ich dem Grab meines Freundes zu, aber ich habe es satt, nur als dein Schlagzeuger bekannt zu sein. Ich weiß nicht, wer ich bin. Jch bin jetzt einunddreißigJahre alt, das weiß ich. Ich habe dich um vier Jahre überlebt, du Hurensohn. Ich sehe jetzt ein, dass ich mir meines Lebensweges zu deiner Zeit nicht bewusst war. Wenigstens du hast deine Prophezeiung erfüllt, auch wenn du sterben musstest, um den kostbaren Mythos der Doors zu verbreiten. Unseren geheimen Todespakt. Nonverbal natürlich.

Oder halluziniere ich jetzt? Du brachst auf in die Leere, und Ray, Robby und ich, dein Feast Of Friends, unterstützten dich. Bis zu einem bestimmten Punkt. Wir hatten keine Ahnung, dass du es tatsächlich wahrmachen wolltest. Nun frage ich mich, ob ich irgendetwas hätte tun können, um dich aufzuhalten, sogar, wenn ich alte Filme und alte Interviews sehe, wo wir behaupten, einer musste für uns alle bis zum Ende gehen.

Habe ich mich jetzt selbst bloßgestellt? Ich muss es wissen.

Ein eiskalter Windstoß schüttelte mich aus meinem Tagtraum. Ich drehte mich schnell weg und beeilte mich, die anderen einzuholen. Am Tor legte ich meinen Arm um Dannys Schulter, während wir über das Kopfsteinpflaster zu Hervés Wagen gingen. Robby schüttelte in tiefer Verzweiflung seinen Kopf. Er war blass geworden. Er konnte mich noch nicht einmal anschauen. Er starrte nur dumpf aus dem beschlagenen Wagenfenster, während wir uns langsam vom Friedhof entfernten.

*

Später im Hotel, als ich dann an meinem Georges IV.-Schreibtisch saß, schaute ich aus dem Fenster über die Dächer der Stadt. Die Sonne versuchte vergebens, den nebligen grauen Morgen zu besiegen. Ich aß den Riegel Pfefferminzschokolade, den das Zimmermädchen letzte Nacht auf das Kissen gelegt hatte und musste über mein Zimmer schmunzeln, das die Form eines L hatte. Wieder so ein exzentrisches europäisches Hotelzimmer.

Meine Augen wanderten von dem Fensterblick mit den blaugrauen Pariser Dächern auf das Briefpapier des Hotels, das mich vom Tisch her anstarrte.

Ich nahm den Hotelkugelschreiber und begann einen Brief.

Paris, 1975

Lieber Jim,

Nun haben wir endlich Dein Grab besucht. Ich kann nicht für die anderen sprechen, aber ich vermute, ich bin nicht zu Deiner Beerdigung gekommen, weil ich in den letzten Jahren, in denen die Band existierte, so verärgert und enttäuscht über Dich war. Aber Du wusstest das. Es dauerte drei Jahre, bis ich Dir meine Achtung erweisen konnte, aber schließlich bin ich nun doch hier.

Bei den vielen Grafitti war es nicht schwer, Dein Grab zu finden. Aber es schockierte mich, dass dort noch nicht einmal ein Namensschild war. Scheinbar war Pam, Deine Freundin (oder wart Ihr verheiratet?), mit dem Geld durchgebrannt, das wir ihr gegeben hatten. Es gab Gerüchte, dass sie es sich in den Arm gespritzt hat.

Wusstest Du, dass sie dem braunen Pulver verfallen war?

Hey, das geht zu sehr unter die Gürtellinie. Ich weiß nicht, warum ich Dir jetzt dieses schreibe. Es beweist aber, wie sehr Du uns alle beherrscht hast – wenigstens mich. Angeblich bist Du verdammt nochmal tot und hier brüte ich nun in einem Hotel über einen Brief an Dich.

Aber was kümmert’s mich. Ich bin immer noch wütend und verletzt. Ich wünschte, ich hätte damals in den Sechzigern den Mut gehabt, Dir einige Dinge mitzuteilen, aber Du warst so voller Macht und deswegen so einschüchternd. Ich bin unglaublich stolz auf unsere Musik, aber es gibt Dinge, die ich mir von der Seele reden muss. Zu spät – für Dich. Aber nicht zu spät für mich und vielleicht für einige andere, wie zum Beispiel für die Jugendlichen, die Dich immer noch bewundern.

Einer der frisch eingeritzten Sprüche Deiner Fans deutet an, dass Du Heroin genommen haben sollst. Davon hatte ich keine Ahnung. Wie hätte ich es auch wissen können? Ich kannte Dich während Deiner letzten Tage nicht sehr gut. Ich wollte es auch nicht. Ist es nicht eine Ironie, dass die Parasiten, die Dich am Ende Deines Lebens getroffen haben – und war es auch nur für eine kurze Zeit – nun mit Deiner Freundschaft Kasse machen, während wir noch nicht einmal in Deine Augen schauen konnten? In diese dämonischen Augen.

Ich musste mich schützen. Frag mich nicht, wovor.

Falls irgend jemand Dich vor Deinem Untergang hätte retten können, wäre es Pam gewesen, doch sie war es, die mit Dir gemeinsam in die Drogen rutschte, Seitensprünge machte und mit Dir verfiel. Ich weiß nicht, wer dabei die treibende Kraft war und es wäre nicht gut, würde ich jemanden deswegen beschuldigen.

Was hatte es mit dieser dunklen Morrison-Wolke auf sich, die über Deinem Kopf schwebte? Jeder, der mit Dir in engen Kontakt geriet, fand sich bald am Saum dieser Dunkelheit wieder. Du warst der verdammte Prinz der Dunkelheit, Jimbo. Irgendwann überrannte uns der Mythos, den wir aufbauten, und begann ein Eigenleben, anstatt abzuflauen. Du magst denken, dass wir ihn zerschlagen oder ihn wenigstens nicht ernst nehmen sollten oder die Macht eines Mythos nicht unterschätzen sollten.

Aber es war ein Spiel namens Irrsinn, wie Du es einmal genannt hast, und Du warst sein Dichterpriester, wie sie es heute nennen; ich behaupte, es wurde zu einer Horrorshow. Wann geriet es außer Kontrolle, Jim? Wo war der Punkt erreicht, von dem es keine Rückkehr mehr gab? Ich muss es wissen, denn ich trage heute noch eine beschissene Ladung Schuld mit mir herum.

*

Los Angeles, 1971

An einem Donnerstagmorgen klingelte das Telefon.

„Hey, Mann, wie geht’s dir“ sagte die Stimme, die ich nur zu sehr kannte, die whiskyschwangere Stimme, die Schrecken in mir weckte.

„Hi, Jim“, antwortete ich zögernd und dachte dabei, dass er der letzte war, mit dem ich auf dieser Welt sprechen wollte. „Wie läuft es so da drüben?“ fügte ich hinzu. „Wie ist Frankreich?“

„Gut. Jedenfalls nicht schlecht“, meinte er unverbindlich. „Wie macht sich L.A. Woman?“

Er klang nicht betrunken. War es noch zu früh am Morgen? Moment, dachte ich. Dort ist jetzt füher Abend.

„Großartig. Die Platte macht sich wirklich gut“, sagte ich begeistert. „,Love Her Madly‘ ist ein Hit und jeder mag das Album.“·Dass wir schon wieder mit neuen Übungssessions begonnen hatten – ohne ihn – wollte ich ihm nicht sagen. So etwas hatten wir zuvor auch schon getan, aber diesmal achtete ich darauf, dass wir ohne ihn weitermachten. So schwer mir das Eingeständnis auch fällt, aber ich konnte den Gedanken nicht ertragen, eine weitere Aufnahmesession mit dem Dr. Jekyll des Rock’n’Roll durchstehen zu müssen.

„Ja, alles klappt vorzüglich.“ Ich fragte mich, ob er den Unterton mitbekommen würde.

„Nun, vielleicht sollten wir noch eine Platte machen?“

„Sicherlich, Jim, gute Idee.“

Miserable Idee, dachte ich, während ich mit dem Hörer herumfummelte und den Kloß im Hals herunterschluckte. Ich hoffe, dass ich nie wieder mit dir in einem Aufnahmestudio eingepfercht sein muss. Schön, dass du wieder Rock’n’Roll spielen willst, besonders mit uns, aber du suchst dir die falschen Gründe aus. Du hast nie etwas gemacht, nur weil du dachtest, dass es sich gut verkaufen würde. Du musst nicht unbedingt den Großen Amerikanischen Roman dort drüben schreiben, wie du es dir erhofft hattest. Vielleicht trinkst du wie ein großer amerikanischer Schriftsteller.

„Wann gedenkst du zurückzukommen?“ fragte ich ihn und hoffte, er würde noch länger wegbleiben, weil ich nur zu gerne seinen Vorschlag gehört hätte, dass Ray, Robby und ich schon mal einige Instrumentalstücke einüben sollten.

Verrat? An Jim – oder an den Fans? An uns?

Scheiß drauf. Es ist eine Erlösung, ohne Morrison zu spielen.

„Oh, in ein paar Monaten.“

„Elektra will ‚Riders On The Storm‘ als zweite Single aus dem Album koppeln, darum haben wir noch viel Zeit.“

„Eine zweite Single … wow … es muss tatsächlich gut laufen!“

„Yeah.“

Aber ich wusste, dass wir ohne ihn weitermachen würden. Und ich fühlte mich befreit. Ich hoffte nur, dass Ray und Robby mitziehen würden. Er kann einfach nicht zurückkommen, dachte ich. Er würde nur wieder den Blues spielen wollen, den langsamen, gefühlvollen, monotonen Blues, der für einen Sänger wie ihn geeignet ist, aber langweilig für mich als Schlagzeuger.

Ich fluchte lautlos, während Jim von dem Leben in Paris erzählte. Ich wusste, dass bei seiner Rückkehr die anderen Bandmitglieder nachgeben würden. Noch nicht einmal ich könnte widersprechen. Würde er wieder aufkreuzen, sähe ich uns den Rest unseres Lebens in schmierigen Clubs und bei nervenden Aufnahmesessions verbringen. Die Schattenseite des Gipfels. Das wäre mein Ende.

Oder könnte ich die Gruppe verlassen? Wir werden mit diesem alten Bluesmann nicht mit Glanz und Gloria untergehen. Nie im Leben, Kumpel. Ich scheiß drauf, beschloss ich, während wir miteinander sprachen.

Ich kann abhauen. Diesmal kann ich es wirklich.

„Gut, dann … bis bald mal.“

„Yeah, danke für den Anruf.“

Ich legte auf, zitterte, war erlöst. Dann dachte ich, Jesus Christus! Warte mal. Ray und Robby haben schon einige ausgezeichnete Instrumentalstücke eingeübt. Vielleicht gibt es kein Zurück. Wir haben uns auf etwas festgelegt. Warte, bis ich es den anderen erzähle. Sie werden mir nicht glauben, dass er eine weitere Platte machen will … in seinem alkoholgetränkten Zustand. Ich wusste, dass seine Nüchternheit nur vorübergehend war.

„Gott“, sagte ich mit einem Seufzer.

*

„Jim ist tot“, sagte Robby zu mir, als ich das Doors-Office in West Hollywood betrat. Jims Anruf aus Paris lag drei Wochen zurück. Es gab früher schon dutzende Gerüchte dieser Art und sogar Anzeichen von Wahrheit, aber der ernste und traurige Ausdruck auf Robbys Gesicht bestätigten mir, dass es tatsächlich wahr war.

Ich war der letzte aus der Gruppe, der mit ihm gesprochen hatte. Jetzt, im Juli 1971, nur sechs Jahre nach unserem Zusammentreffen, war er gegangen – mein Mentor, mein anderes Ich, mein Freund.

Ich setzte mich auf den nächsten Stuhl und ließ einen tiefen Seufzer von mir.

„Ich habe letzte Nacht einen Anruf von Bill bekommen“, sagte Ray und setzte sich neben mich. „Er berichtete, dass die Zweigstelle der Plattenfirma in Europa angerufen habe, dass Jim tot sei. Er weiß noch keine Einzelheiten.“

In seiner höchst gönnerhaften Weise fuhr Ray fort, dass er sich die Freiheit genommen habe, Bill Siddons, unseren Manager, mit der nächsten Maschine nach Paris zu schicken, damit er die Nachricht überprüfen und sofort anrufen kann, wenn es weitere Informationen gäbe.

Ich fühlte mich wie taub. Als ich die Gastmusiker unten zu unserem geplanten Übungstermin ankommen hörte, dachte ich, er hat nun bekommen, was er wollte. Er hat den Durchbruch geschafft. Zur anderen Seite.

Wir drei schleppten uns die Betonstufen zum Studio hinunter. Ich weiß noch, wie kalt sich das stählerne Geländer in meiner Hand anfühlte und wie befreit mein Kopf war und wie gut es war, jetzt ein wenig Musik machen zu können.

Ich schaute Ray an, bevor wir durch die Studiotür gingen. „Dumm, wie dumm“, sagte er verärgert. „Kein Unterschied zu Jimi und Janis. Keine Originalität.“ Er machte eine Pause, zündete nervös eine Zigarette an. „Lausiges Timing, nicht wahr? Er musste einfach die Nummer Drei sein, stimmt’s?“ Ray verdeckte offensichtlich seine Trauer mit Zorn.

„Ich freue mich“, murmelte Robby mit weißem Gesicht. „Schließlich hat er jetzt seinen Frieden gefunden.“

Drinnen bekamen die Studiomusiker die düstere Stimmung mit.

„Unser Sänger ist soeben verstorben“, sagte ich. Die Worte schwirrten in meinem Kopf herum, während ich meine Trommelstöcke aufhob.

Wir begannen zu spielen. Es tat gut, sich eine Weile in unserer Musik zu verlieren. Wir vergaßen für einen Moment, falls man überhaupt jemals vergessen kann.

Später machten wir eine Mittagspause und gingen in das Old World Restaurant oben auf dem Sunset Boulevard. Aus dem Lautsprecher drang Rockmusik. Zwanzig Minuten später unterbrach während unseres Essens der Discjockey das Programm mit einer Kurznachricht.

„Der Rocksänger Jim Morrison von den Doors starb im Alter von 27 Jahren. Weitere Details gibt es zu diesem Zeitpunkt noch nicht.“

Die Worte schnitten in mich hinein. Glühende Blitze zuckten in meinem Körper auf und nieder. Ich blickte um mich. ob irgendeiner der anderen Gäste uns erkannt hatte. Zur Abwechslung hatte es keiner, Gott sei Dank.

Wieder im Studio, wo wir nur wenige Monate zuvor unser von den Kritikern so benanntes „Comeback-Album“ aufgenommen hatten, wo Jim seinen Gesang aus dem vibrierenden Toilettenraum aus aufgenommen hatte, war die Abendsession für die Platte, die später Other Voices genannt werden sollte, ohne jedes Leben.

Ich drosch wie verrückt auf mein Schlagzeug ein, aber mein Herz war nicht dabei. Meine Gedanken gingen zurück in die frühen Tage, als wir die Kanäle von Venice entlangfuhren, mit dem Radio dabei, das die Hits des Sommers ’66 schmetterte, während wir psychedelische Drogen, Mädchen und Meditation entdeckten und es ganz so aussah, dass wir die Welt verändern würden und zwar –

JEEETZZZT!!!

Mein Leben mit Jim Morrison und den Doors

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