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Zwei

Drittklässler

in der Normandie

Ich gehöre zu den zahllosen Lesern, die sich für Die Chroniken von Narnia begeistern können. Wir haben sie unseren Söhnen schon vorgelesen, als sie klein waren, und sie und wir lieben diese Geschichten als Erwachsene noch genauso. (Übrigens: Die Bücher sind viel besser als die Verfilmung; wenn Sie die Geschichten nur vom Film kennen, müssen Sie unbedingt noch das Original lesen!) Nebenbei: Stacy und ich lesen uns derzeit abends gegenseitig den sechsten Band vor: Der silberne Sessel. Diesmal hat mich besonders beeindruckt, in was für gefährliche Aufgaben die Kinder hineingerufen werden. In Kapitel zwei treffen sie den Löwen Aslan und Jill erfährt, warum er sie aus unserer Welt heraus und nach Narnia gerufen hat:

„Dies ist deine Aufgabe. Weit von hier im Lande Narnia lebt ein betagter König. Er ist traurig, weil es keinen Prinzen seines Blutes gibt, der nach ihm König werden könnte. Er hat keinen Erben, weil ihm sein einziger Sohn vor vielen Jahren geraubt wurde, und keiner mehr weiß, wo sich dieser Prinz aufhält und ob er noch am Leben ist. Doch das ist er. Ich gebe dir den Auftrag, nach dem verlorenen Prinzen zu suchen, bis du ihn gefunden und zum Haus seines Vaters gebracht hast; oder bis du bei diesem Versuch dein Leben lassen musstest oder in deine eigene Welt zurückgekehrt bist.“3

Moment mal – wie war das? Bis du bei diesem Versuch dein Leben lassen musstest? Wahrlich gewichtige Aufgaben für ein paar Schulkinder. Aslan ist die beste, freundlichste, jesusähnlichste Figur in der ganzen Literatur. Und er verwickelt diese Kinder in eine solche Geschichte? Würden Sie Ihren zwölfjährigen Sohn nach Somalia schicken? Trotzdem – ich glaube, der Autor C. S. Lewis hat hier etwas sehr Wahres über das Wesen Gottes und das Wesen der Welt, in der wir leben, ausgesagt.

Die Kinder werden einberufen.

Wir finden ein ähnliches Thema in J. R. R. Tolkiens Roman Der Hobbit. Gandalf veranlasst den jungen Bilbo Beutlin, mit einem Trupp Zwerge eine abenteuerliche Unternehmung anzugehen: Sie wollen den Zwergenschatz zurückgewinnen, der in Zwergenstadt in den Tiefen des Einsamen Berges liegt, die die Zwerge nach einem Überfall durch den Drachen Smaug verlassen haben. Der junge Hobbit hat noch nie ein Schwert in der Hand gehabt, noch nie im Freien übernachtet, noch nie die Welt jenseits seines Heimatfleckchens Auenland gesehen. Er liebt Bücher, hält gern Teestunde und sitzt gern in seinem Armsessel und er hat stets ein Taschentuch bei sich. Zudem kann Gandalf nicht sicher sagen, ob der Drache – die „ehrwürdigste und entsetzlichste aller Katastrophen“4 – nicht in den Höhlen lauert. Bilbo könnte in eine Falle geraten.

Erinnern wir uns – Gandalf liebt Bilbo, sogar sehr. Und trotzdem schickt er ihn auf ein so gefährliches Unternehmen, auf eine „Reise, von der vielleicht manche von uns oder sogar alle … nie zurückkehren werden“5, bei der nicht sicher ist, ob der Hobbit lebend daraus zurückkommt. Und Gandalf fügt hinzu: „… falls doch, wirst du nicht mehr derselbe sein.“

Und damit bin ich bei der ersten von zwei Grundannahmen, die wesentlich sind für das Gebet.

Gott lässt uns erwachsen werden

Meine lieben Kinder, ich schreibe euch, weil euch eure Sünden um Jesu willen vergeben sind. Väter, ich schreibe euch, weil ihr den kennt, der von allem Anfang an da war. Ihr jungen Leute, ich schreibe euch, weil ihr den Bösen besiegt habt, den Teufel (1. Johannes 2,12-13).

Kinder, Väter, junge Leute – wie freundlich von Johannes, dass er uns daran erinnert, dass jeder von uns auf seinem geistlichen Weg an einer anderen Stelle ist. Wir befinden uns in unterschiedlichen Reifestadien. „Kinder“ im Glauben kennen die Basics – sie wissen, dass ihnen vergeben ist. Die „jungen Leute“ wissen schon mehr – sie wissen schon etwas vom Kampf. „Väter“ (und Mütter) sind noch ein Stück weiter – sie haben eine sehr vertraute Beziehung zu Gott. Wir sind alle unterwegs und wir sind nicht alle am selben Platz. Dies festzuhalten, ist sehr freundlich und realistisch und sehr hilfreich, wenn es darum geht, das eigene Leben oder das Leben anderer zu verstehen. Wenn Sie ein wenig überlegen, können Sie sicher die Kinder, jungen Leute und Väter und Mütter unter den Menschen, die ihnen nahestehen, benennen.

Gott weiß, wo wir stehen. George MacDonald versichert uns: „Welcher Vater wäre denn nicht entzückt über die ersten stolpernden Laufversuche seines Kindes?“ Gleichzeitig ist Gott absolut daran interessiert, dass wir erwachsen werden. „Welcher Vater gäbe sich mit weniger zufrieden als mit dem männlichen Schritt des gänzlich erwachsenen Sohns oder der erwachsenen Tochter?“6

Auch Elia ist wahrscheinlich einmal da gewesen, wo Lamott jetzt ist; und Lamott ist auf dem Weg, ein Elia zu werden. Und Gott setzt alles daran, dass das auch geschieht.

Wie für viele andere Eltern auch war die Zeit, in der unsere Söhne Autofahren lernten, für uns ein haarsträubendes Unternehmen – Anfahrversuche, die mit Han Solo beim Versuch, den Millennium-Falken auf Lichtgeschwindigkeit zu bringen, mithalten konnten; dann wieder Bremsaktionen, die es darauf anzulegen schienen, mich kopfüber durch die Windschutzscheibe zu katapultieren. Die Jungs gaben ihr Bestes; uns versetzte es in Angst und Schrecken – und gleichzeitig war ich so stolz auf sie. Ich war entzückt über jeden ihrer Fahrversuche. Aber natürlich wäre ich mehr als enttäuscht, wenn sie heute, zehn Jahre später, immer noch so halsbrecherisch fahren würden wie beim ersten Mal.

Gott geht es genauso – er ist entzückt über unsere ersten stammelnden Gebete; er liebt die Gebetsbriefchen, die wir in unsere Schubladen stecken. Und er ruft uns dazu auf, in die Mündigkeit und Reife hineinzuwachsen, die er sich für uns vorstellt; auch im Hinblick auf unser Gebet. Elia auf seinem Berg hat keine kleinen Zettelchen in Felsspalten gesteckt. Hätte er das getan, habe ich meine großen Zweifel, dass dann der Regen gekommen wäre.

Aber da liegt das Problem: Die meisten von uns teilen Gottes brennende Leidenschaft nicht, dass wir erwachsen werden. Mal ganz ehrlich, wenn Sie am nächsten Sonntag zehn Menschen, die gerade aus dem Gottesdienst kommen, fragen würden – ich habe große Zweifel, dass auch nur einer davon sagen würde: „Natürlich, mein oberstes und höchstes Ziel für heute Nachmittag ist, reifer zu werden!“ Wie Bilbo Beutlin sind wir eher geneigt, in andere Dinge zu investieren – gutes Essen, ein Schläfchen, ein Spiel, unsere Behaglichkeit inklusive des Versuchs, andere dazu zu bringen, dass sie unser Spiel mitspielen.

Aber wenn wir in die Bibel schauen, ist es nicht zu übersehen: Gott liegt alles daran, dass wir erwachsen werden. Er legt es darauf an,

… dass wir eine Reife erreichen, deren Maßstab Christus selbst ist in seiner ganzen Fülle (Epheser 4,13).

… dass ihr euch als geistlich reife Menschen bewährt, deren ganzes Leben mit Gottes Willen übereinstimmt (Kolosser 4,12).

Geschwister, seid doch nicht wie Kinder! (1. Korinther 14,20).

Weil uns nun aber daran liegt, dass ihr im Glauben erwachsen werdet, wollen wir nicht bei den Anfangslektionen der Botschaft von Christus stehen bleiben, sondern uns dem zuwenden, was zur Reife im Glauben gehört. Wir wollen nicht von Neuem über die Dinge reden, die das Fundament bilden: über die Abkehr von Taten, die letztlich zum Tod führen, und über den Glauben an Gott, über die Bedeutung der Taufe im Unterschied zu anderen Waschungen und über die Handauflegung, über die Auferstehung der Toten und über das letzte Gericht mit seinem ewig gültigen Urteil (Hebräer 6,1-2).

Stopp mal – Heilung durch Handauflegung gehört zum Lernstoff für Anfänger? Diese Unterrichtsstunden muss ich verpasst haben. Aber klar ist: Wir sind aufgerufen, erwachsen zu werden. Und wie sorgt Gott dafür, dass wir im Glauben wachsen? Was sind seine Methoden? Situationen, die uns fordern, die uns anstrengen, die uns zwingen, über die Grenzen dessen hinauszugehen, was wir glaubten aushalten zu können – genau die Situationen, die uns ins Gebet treiben.

Diese Grundannahme ist wichtig, und zwar aus einem einfachen Grund: Sie verändert unsere Erwartungen. Wer ins Fitnessstudio geht, ist wohl kaum überrascht oder verärgert, wenn der Trainer ihn zu schweißtreibender Atemlosigkeit antreibt; genau deswegen geht man ja hin. Aber wenn Sie nach einem langen Arbeitstag abends auf die Couch sinken und Ihre Familie würde jetzt noch Höchstleistungen von Ihnen erwarten, würden Sie vermutlich aus der Haut fahren. (Vielleicht dämmert Ihnen ja schon, was das mit manchen Gefühlen zu tun hat, die wir Gott gegenüber gelegentlich haben.)

Bilbo, Jill und Eustace werden einberufen. Und plötzlich finden sie sich in Winkeln der Welt vor, die gefährlich sind, und sehen sich ungeahnten Gefahren ausgesetzt. Was mich zu einer zweiten entscheidenden Grundannahme bringt, wenn wir lernen wollen, wirksam zu beten – eine Grundannahme über unser Leben, die die Bibel voraussetzt.

Wir befinden uns im Krieg

Als im Herbst 2014 die ersten Nachrichten durchdrangen, dass IS-Terroristen Kinder erschossen, waren wir alle erschüttert. Wir erhielten etliche verzweifelte E-Mails, in denen Menschen uns baten, für sie zu beten. Islamische Extremisten zogen durch irakische Dörfer und erschossen Männer, Frauen und Kinder. Christliche Familien standen besonders im Visier (sicher haben Sie die Nachrichten auch gelesen). Die Familien wurden aus den Häusern getrieben, und wenn die Eltern sich nicht von Jesus lossagten, erschoss man die Kinder vor ihren Augen. Es war – und bleibt – entsetzlich.

Diese Nachrichten waren mir noch sehr präsent, als ich einen Abschnitt der Weihnachtsgeschichte las, den wir oft übersehen:

Als Herodes merkte, dass die Sterndeuter ihn getäuscht hatten, war er außer sich vor Zorn. Er schickte seine Leute nach Bet­lehem und ließ in den Familien der Stadt und der ganzen Umgebung alle Söhne im Alter von zwei Jahren und darunter töten. Das entsprach dem Zeitpunkt, den er von den Stern­deutern in Erfahrung gebracht hatte. Damals erfüllte sich, was durch den Propheten Jeremia vorausgesagt worden war: „Ein Geschrei ist in Rama zu hören, lautes Weinen und Klagen: Rahel weint um ihre Kinder und will sich nicht trösten lassen, denn sie sind nicht mehr da“ (Matthäus 2,16-18).

Die Parallele springt ins Auge. Legen wir eine Schweigeminute ein.

Diesen Abschnitt der Weihnachtsgeschichte habe ich noch in keinem Krippenspiel aufgeführt gesehen. Für die meisten Christen, die in den USA aufgewachsen sind, existiert dieser Völkermord nicht – und schon gar nicht gehört er zu unserem Verständnis von Weihnachten. Was unser Bild von Weihnachten prägt, sind Weihnachtsgrußkarten und idyllische Krippenszenen in Parks, Kirchen und auf vielen Wohnzimmertischen. Nichts gegen Weihnachtskrippen; ich liebe sie auch. Aber ich bin überzeugt, dass sie etwas anderes erzählen als die ursprüngliche Geschichte.

Schon kurz vor dem Kindermord des Herodes gibt es einen dramatischen Moment:

Als die Sterndeuter abgereist waren, erschien Josef im Traum ein Engel des Herrn und sagte: „Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und flieh nach Ägypten! Bleib dort, bis ich dir neue Anweisungen gebe. Denn Herodes wird das Kind suchen lassen, weil er es umbringen will.“ Da stand Josef mitten in der Nacht auf und machte sich mit dem Kind und dessen Mutter auf den Weg nach Ägypten. Dort blieb er bis zum Tod des Herodes (Matthäus 2,13-15).

Auch diese Szene könnte direkt aus dem heutigen Nahen Osten sein – Flüchtlinge, die um ihr Leben fliehen und im Ausland Schutz suchen. Auch dies habe ich noch kaum je in einem Weihnachts­szenario abgebildet gesehen (zumindest nicht im Amerika des 20. und 21. Jahrhunderts). Ich verstehe, dass unsere Weihnachtstraditionen uns teuer sind. Aber sie sind noch etwas: Sie sind irreführend. Sie wecken jede Menge angenehme und lauschige Gefühle, Assoziationen und Erwartungen – oftmals ganz unbewusst – darüber, wie das Leben als Christ sich für uns gestalten wird. Die Auslassungen, die darin enthalten sind, sind allerdings gefährlich – genauso gefährlich, wie wenn man die IS-Terroristen ignorieren würde.

Der pubertäre Teil in mir sagt: „Mach mal halb lang. Gott ist allmächtig, er herrscht über hundert Milliarden Galaxien; gegen seine Macht ist eine Atomexplosion nur ein Niesen. Sein Sohn – und damit der Plan zur Rettung der Welt – war in höchster Gefahr. Warum hat der Allmächtige denn nicht seine himmlischen Heerscharen geschickt, um den kleinen Jesus zu beschützen?“ Ja, wirklich – warum musste ein Engel mitten in der Nacht die ganze Familie verstohlen und heimlich jenseits der Grenze in Sicherheit bringen? Herodes und seine Geheimpolizei sind doch Nichtse vor dem lebendigen Gott.

Die Geschichte sollte uns nachdenklich machen. Was glauben wir eigentlich, was in dieser Welt vorgeht? Und wie Gott in der Welt wirkt? Auf jeden Fall sollte sie uns veranlassen, unser Verständnis des Betens zu überdenken. Mit „Ich habe gebetet; er hat sich nicht gerührt“ scheinen wir gravierend danebenzuliegen, das machen diese beiden Geschichten klar. Vielleicht hilft uns ein Bericht über Daniel und die Art, wie er gebetet hat. Es beginnt mit einem Gebet und mit ziemlicher Verwirrung:

Im 3. Regierungsjahr des persischen Königs Kyrus empfing Daniel, der Beltschazar genannt wurde, eine Botschaft von Gott. Sie kündigt eine Zeit großer Not an und wird sich ganz sicher erfüllen. In einer Vision wurde Daniel diese Botschaft erklärt (Daniel 10,1; Hfa).

Daniel ist beunruhigt. Wer wäre das nicht? Warum diese Vision über sehr schlimme Zeiten? Ich hab nicht darum gebeten. Was mag das bedeuten? Was tut er? Er widmet sich dem Gebet und er fastet. Drei Wochen lang. Allein dieses kleine Detail unterscheidet Daniel von uns. Die längste Zeit, die ich je gefastet habe, waren drei Tage. Und das ist mir auch schon sehr schwergefallen. Am Ende dieser Fastenzeit spaziert Daniel im antiken Weltreich Babylon an den Ufern des Tigris entlang. Das gefällt mir. Ich laufe gern beim Beten. Und plötzlich erscheint ein echter, leibhaftiger Engel des Herrn. Wir wissen, dass er sehr echt und sehr lebendig gewesen sein muss, denn die Männer, die Daniel begleiten, bekommen „plötzlich große Angst“ und laufen um ihr Leben. Daniel läuft nicht fort; er kann sich nicht rühren; er liegt mit dem Gesicht am Boden, fast wie in Trance (faszinierend, all diese Einzelheiten in den Texten, nicht?).

Doch eine Hand berührte mich und rüttelte mich wach. Ich konnte auf die Knie gehen und mich mit den Händen abstützen. Der Mann sprach zu mir: „Gott liebt dich, Daniel! Steh auf und achte auf meine Worte, denn Gott hat mich zu dir geschickt.“ Zitternd stand ich auf. „Hab keine Angst!“, ermutigte er mich. „Du wolltest gern erkennen, was Gott tun will, und hast dich vor ihm gedemütigt. Schon an dem Tag, als du anfingst zu beten, hat er dich erhört. Darum bin ich nun zu dir gekommen. Aber der Engelfürst des Perserreichs stellte sich mir entgegen und hielt mich einundzwanzig Tage lang auf. Doch dann kam mir Michael zu Hilfe, einer der höchsten Engelfürsten. Ihm konnte ich den Kampf um das Reich der Perser überlassen. Ich bin jetzt hier, um dir zu erzählen, wie es mit deinem Volk weitergeht. Denn was du nun von mir erfährst, wird sich in ferner Zukunft erfüllen“ (Daniel 10,10-14; Hfa).

Haben Sie es bemerkt? Schon am ersten Tag, als Daniel betet, erhört Gott ihn. Und er sendet einen Engel, um die Antwort persönlich zu überbringen. Aber die Überbringung der Antwort verzögert sich um drei Wochen, weil ein mächtiger gefallener Engel das Perserreich (in dem Daniel lebt) in seiner Gewalt hat und den Weg versperrt. Ein Engel Gottes muss sich seinen Weg nach Babylon erst erkämpfen und, so erfährt Daniel im Verlauf ihrer Begegnung, das wird beim Rückweg auch wieder der Fall sein.

Die Heilige Schrift ist eine Art Weckruf für die Menschheit, ein Fanfarenstoß, wie Francis Thompson gesagt hat, „von den verborgenen Wehrmauern der Ewigkeit“.7 Und diese Fanfaren signalisieren uns beständig eines: Wir befinden uns mitten in einer gewaltigen Kollision von Weltmächten – das Reich Gottes im Ansturm gegen das Reich der Finsternis, das gegenwärtig den größten Teil der Welt in seinem Bann hält.

Ist das Ihr Bild von der Welt, in der Sie leben? Ist das die Vorstellung, die Ihr Gebet prägt – und auch die Weise, wie Sie „unerhörte“ Gebete verstehen?

Gewiss, Jesus ist gekommen und das hat alles verändert. Aber vielleicht nicht so, wie Sie denken. Dass Jesus zu Weihnachten in diese Welt kam, hat aus einem Zusammenprall der Weltmächte einen kosmischen Krieg gemacht:

Nun war am Himmel etwas Außergewöhnliches und Bedeutungsvolles zu sehen: eine Frau, die mit der Sonne bekleidet war; unter ihren Füßen war der Mond, und auf dem Kopf trug sie eine Krone aus zwölf Sternen. Die Frau war schwanger, und die Geburt ihres Kindes stand unmittelbar bevor. Die Wehen hatten bereits eingesetzt; sie schrie und krümmte sich vor Schmerzen. Noch etwas anderes war am Himmel zu sehen, etwas ebenso Bedeutungsvolles: ein riesiger, feuerroter Drache, der sieben Köpfe und zehn Hörner hatte und auf jedem seiner sieben Köpfe eine Krone trug. Mit seinem Schwanz fegte er ein Drittel der Sterne vom Himmel und schleuderte sie auf die Erde. Der Drache stellte sich vor die Frau hin, um das Kind, das sie bekommen würde, sofort nach der Geburt zu verschlingen. Doch kaum war das Kind zur Welt gekommen, wurde es zu Gott hinaufgenommen und vor seinen Thron gebracht. Das Kind war ein männlicher Nachkomme, jener Sohn, von dem es in der Schrift heißt, dass er mit eisernem Zepter über alle Völker regieren wird …

Nun brach im Himmel ein Krieg aus. Der Engelfürst Michael und seine Engel griffen den Drachen an. Dieser setzte sich mit seinen Engeln zur Wehr, aber er unterlag, und von da an war für ihn und seine Engel kein Platz mehr im Himmel. Der große Drache, jene Schlange der Urzeit, die auch Teufel oder Satan genannt wird und die ganze Menschheit verführt, wurde auf die Erde geworfen, und zusammen mit dem Drachen wurden auch seine Engel hinuntergeworfen. Daraufhin hörte ich eine mächtige Stimme im Himmel rufen: „Jetzt ist der Sieg errungen! Gott hat seine Macht unter Beweis gestellt, die Herrschaft gehört ihm. Von jetzt an regiert der, den er als König eingesetzt hat, Christus. Denn der, der unsere Brüder und Schwestern anklagte, ist aus dem Himmel hinausgeworfen worden. Tag und Nacht beschuldigte er sie vor unserem Gott, aber sie haben über ihn triumphiert, weil das Lamm sein Blut für sie vergossen hat und weil sie sich ohne Rücksicht auf ihr Leben zur Botschaft von Jesus bekannten, bereit, dafür sogar in den Tod zu gehen. Darum freue dich, Himmel, freut euch, alle, die ihr im Himmel wohnt! Doch wehe dir, Erde, und wehe dir, Meer! Denn der Teufel ist zu euch herabgekommen, rasend vor Wut, weil er weiß, dass er nicht mehr viel Zeit hat.“ …

Außer sich vor Wut darüber, dass ihm die Frau entkommen war, wandte sich der Drache gegen ihre übrigen Nachkommen, um mit ihnen Krieg zu führen – mit allen, die Gottes Gebote befolgten und sich zur Botschaft von Jesus bekannten (Offen­barung 12,1-5.7-12.17).

Hören Sie – vielleicht gefällt Ihnen diese Geschichte, in der Sie da drinstecken, überhaupt nicht. Aber das ändert nichts an den Tatsachen. Die Wirklichkeit ändert sich nicht, nur weil sie uns nicht passt. Wenn die Erschießung von Kindern durch die IS-Terroristen nicht deutlich genug spricht, dann weiß ich nicht, welchen Beweis es noch braucht, um die Christenheit zu überzeugen, dass wir uns im Krieg befinden. Der Drache hat allen, die zu Jesus gehören, den Krieg erklärt. Vom Augenblick unserer Geburt an befinden wir uns mitten in einem erbitterten Kampf.

Und wenn Sie versuchen, etwas vom Beten zu verstehen, und dieses Gesamtbild außer Acht lassen, dann werden Sie sehr oft enttäuscht und entmutigt sein.

Aber mit dem Gesamtbild vor Augen beginnen Sie vielleicht zu verstehen, warum harmlose kleine „Jesus, geh mit uns durch diesen Tag“-Gebete absolut unangemessen sind? Warum Patchs Sicht der Welt so krass unzutreffend ist – und einem das Herz bricht?

Als Aslan die Kinder, die er liebt, für eine schwierige Mission beansprucht, erweist er ihnen eine große Ehre. Er weiß, was ihnen abverlangt werden wird. Genau wie Jesus, als er seinen Jüngern erklärt: „Seht, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe“ (Matthäus 10,16). Treffender könnte er unsere Situation gar nicht beschreiben; man muss fast lächeln – eine Szene wie die, in der das frisch vermählte Paar in die Flitterwochen aufbricht und Groß­vater sich zu Großmutter hinüberlehnt und flüstert: „Sie haben keine Ahnung, wo sie sich da gerade hineingeritten haben.“ Es ist so grotesk untertrieben, dass es schon wieder komisch ist.

Aber Schafe unter Wölfen – das ist auch so bedrohlich, dass wir lieber nicht genauer darüber nachdenken. Vielleicht hat das ja auch nur den ersten Jüngern gegolten …

Fassen wir zusammen

Wir versuchen, unsere falschen Vorstellungen über Gott und über diese Welt loszuwerden, damit wir besser verstehen, worum es beim Beten geht.

Gott will, dass wir erwachsen werden.

Wir befinden uns mitten in einem großen und schrecklichen Krieg.

Also, wenn ich Gott wäre, würde ich mich vor allem um Ersteres kümmern; Letzteres würde sich dann schon ergeben. Sorgen wir dafür, dass wir alle gesund und stark und mit der Kraft Gottes erfüllt sind, und dann können wir die Normandie zurückerobern, geistlich gesprochen. Oder vielleicht würde ich auch umgekehrt vorgehen – das Reich der Finsternis besiegen, die Welt in einem einzigen großen Feldzug von allem Übel befreien und dann hätten wir Luft, um die Menschheit zu erneuern.

Denn ganz ehrlich, eine Invasion zu unternehmen, während Gott noch daran arbeitet, dass wir erwachsen werden, sieht für mich ein bisschen danach aus, als wolle man die Normandie nicht mit einem Bataillon Marineinfanteristen zurückerobern, sondern mit der dritten Klasse von Fräulein Müller, dem Jugendkreis der Sankt-Florians-Gemeinde und einer Handvoll Erwachsener, die man sich zufällig aus dem Telefonbuch rausgesucht hat. Es sieht nach einem Hobbit mit einem Taschentuch aus, der gegen einen Drachen in die Schlacht zieht.

Aber ich habe die Geschichte nicht geschrieben und der, der sie geschrieben hat, hat mich nicht um Rat gebeten.

Also stellen wir fest: Wir stecken nun mal da drin – in genau derselben Situation, in der Bilbo Beutlin und die Kinder in Narnia sich vorfinden. (Vielleicht ist das der Grund, warum wir diese Geschichten so lieben; irgendwo tief drinnen wissen wir, dass sie die Wahrheit erzählen.)

Nehmen wir an, wir wären zutiefst überzeugt von den beiden Grundannahmen über Gott und über diese Welt, die ich oben dargestellt habe. Würden wir dann nicht ebenso dringlich beten lernen wollen, wie ein Soldat lernen will, wie er mit der Waffe umgehen muss? Wir haben wirklich keine Vorstellung davon, welche Siege wir tatsächlich erringen können, solange wir nicht lernen zu beten. Vielleicht werden auch wir Dürrezeiten beenden und Waldbränden Einhalt gebieten.

Mit Gott die Welt verändern

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