Читать книгу Shannon und der Falke von Chihuahua: Shannon 20 - John F. Beck - Страница 6

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Vier Reiter brachen plötzlich zwischen den Felsen hervor und kreisten Shannon ein. Drahtige, braungesichtige Kerle mit wagenradgroßen Sombreros, zerschlissener Leinenkleidung und gekreuzten Patronengurten über den Oberkörpern. Schwere mexikanische Haumesser, Machetas, hingen an ihren Gürteln. Vier silbrig glänzende Gewehrläufe zielten auf den großen, schlanken Satteltramp. Die Mexikaner hockten lässig auf ihren Gäulen und grinsten Shannon unverschämt an. Vorsichtig legte Shannon die Hände auf das Sattelhorn. Er wusste genau, dass jetzt die geringste verdächtige Bewegung seinen sicheren Tod bedeuten konnte. „Hallo, Amigos“ Seine Stimme war so ruhig, als würde er alte Bekannte begrüßen. „Wenn ihr Geld von mir wollt, muss ich euch enttäuschen. Mehr als dreißig Pesos werdet ihr nicht bei mir finden. Bissschen wenig, eine Kugel dafür zu opfern, nicht wahr“ Der Anführer, ein fuchsgesichtiger Bursche mit glühenden Augen und einem goldenen Ring am linken Ohr, hielt ihm die Mündung seines Springfield-Karabiners vor das Gesicht.

„Wir sind keine Straßenräuber, Gringo. Ich bin Felipe Gutierez. Meine Amigos und ich gehören zu Ramon Santillos Rebellen. Wir brauchen deine lumpigen Pesos nicht. Wir pfeifen darauf.“

„Was wollt ihr dann?“

Das Grinsen des Fuchsgesichtigen vertiefte sich. „Dein Leben. Gringo! Die Soldados sind hinter uns her. Du wirst sie aufhalten und für uns sterben.“

Die drei anderen grinsten ebenfalls von einem Ohr zum anderen. Ein Grinsen, das Shannon ihnen am liebsten mit den Fäusten aus den Gesichtern getrieben hätte. Er seufzte innerlich. Umsonst hatte er sich seit Tagen abseits aller Siedlungen und Niederlassungen gehalten. nur von dem Wunsch beseelt, schnell und unbemerkt aus Chihuahua herauszukommen, seit die Rebellen aus der Sierra und die Soldaten des Gouverneurs sich ein Scharmützel nach dem anderen lieferten.

Revolution in Mexiko!

Das war gleichbedeutend mit Blut und Tod.

Das Leben eines fremden Satteltramps aus dem Norden war in solchen Zeiten für beide Parteien weniger wert als ein abgetragenes Hemd. Aber Shannon hatte dem Tod schon zu oft ins Auge gesehen, um jetzt die Nerven zu verlieren. In Sekundenschnelle registrierte er, dass die Rebellen nicht feuern konnten, ohne sich gegenseitig zu gefährden.

Er blickte Gutierez furchtlos an, drehte langsam den Kopf zur Seite und spuckte aus.

„Ich hab schon bessere Witze gehört. Hombre. Mit solchen Sprüchen kannst du deine Großmutter schrecken, nicht mich!“

Gutierez reagierte genauso wie Shannon es erwartete. Er holte mit der Springfield aus, um Shannon aus dem Sattel zu schmettern. Damit bekam Shannon die Chance, einen entscheidenden Trumpf auszuspielen: seine Schnelligkeit.

Sein rechter Fuß zuckte aus dem Steigbügel. Der Tritt schleuderte den fuchsgesichtigen Mexikaner aus dem Sattel.

Schon riss Shannon mit harter Faust seinen Braunen zur Seite. Das Tier prallte wuchtig gegen das Pferd eines Rebellen. Shannon umklammerte den Mann, ließ sich mit ihm fallen und knallte ihm die Faust ans Kinn. Er blieb in katzenhaft geschmeidiger Bewegung, rollte sofort von dem Mexikaner weg und brachte seinen 44er Army Colt aus dem Holster. Aber vier gefährliche, wilde Gegner waren auch für einen mit allen Wassern gewaschenen Kämpfer wie Shannon ein bisschen viel.

Zu viel!

Er kam in einer Staubwolke hoch, sah ein hochsteilendes Pferd, ein verzerrtes Gesicht über der Mähne, einen Gewehrlauf. Ein Mündungsblitz stach auf ihn zu. Er schleuderte sich zur Seite und brachte noch einen Schuss aus dem Lauf. Dann spürte er das Gewicht des vierten Mexikaners auf dem Rücken, das ihn nach vorn warf. Er kam nicht mehr dazu, den sich wie eine Raubkatze festkrallenden Kerl abzuschütteln.

Ein Schlag mit einem Revolverlauf über den Hinterkopf löschte alles aus.

Shannon erwachte mit heftigen Kopfschmerzen. Aber die vergaß er schnell, als er das metallische Schnappen mehrerer Gewehrschlösser hörte. Die Verwunderung darüber, noch zu leben, war plötzlich gar nicht mehr so groß. Ein Fußtritt traf ihn und zwang ihn, die Augen zu öffnen. Eine Gestalt neigte sich über ihn.

Einen Moment war er darauf gefasst, Gutierez höhnisch grinsendes Gesicht zu sehen. Aber es war ein hagerer, geiernasiger Mann in Uniform mit den Rangabzeichen eines Capitan. Ein dunkelbraunes, grausames Gesicht mit stechenden Augen.

Schlangenaugen!, dachte Shannon und wusste sofort, dass er vom Regen in die Traufe geraten war. Es gab kein Stäubchen auf der Uniform des Offiziers. Sogar seine Stiefel waren blank. Shannon zerbrach sich nicht den Kopf darüber, wie der Mann dieses Kunststück in dieser trostlosen Wildnis aus Felsen, Sand und Kakteen fertigbrachte. Er hatte genug andere Probleme.

„Steh auf, du Hundesohn!“ Wieder ein Fußtritt.

Shannon quälte sich hoch, mühsamer als es nötig war. Aber ein bisschen Theater konnte nicht schaden. Ein blutjunger, schlanker Soldat stand schräg hinter dem Capitan und hielt ihm einen grünseidenen Sonnenschirm über den Kopf. Ihm selbst lief der Schweiß in Strömen über das Gesicht. Sieben, acht weitere Soldados standen mit angeschlagenen Karabinern um Shannon herum. Braune, verkniffene Gesichter mit kalt funkelnden Augen. Männer, die sich nur durch ihre olivfarbenen Uniformen von den Rebellen der Sierra unterschieden, denen Shannon zuvor in die Hände gefallen war. Männer, die durch ein erzwungenes Leben voller Gefahren und Gewalttaten abgestumpft waren und nur noch auf die Macht ihrer Gewehre vertrauten, um nicht selbst ins Gras zu beißen.

Nach Norden, Osten und Süden erstreckte sich einsames, sanft welliges Land mit einzelnen Felsgruppen und Kandelaberkakteen, auf das die Sonne gnadenlos herabbrannte. Im Westen hoben sich die gewaltigen Felsbastionen der Sierra Madre in den wolkenlosen, messingfarbenen Himmel.

Der Capitan verschränkte die Arme. Seine Stimme klang scharf. „Wie heißt du?“

„Shannon. Hören Sie Capitan, es gibt keinen Grund, um ...“

„Du redest nur, wenn du gefragt wirst! Capito? Damit du Bescheid weißt: ich bin Capitan Pablo Ortega. Man nennt mich den ,Rebellenjäger'. Du hast sicher schon von mir gehört.“

»Nein, ich ...“

„Reiten noch andere Gringos außer dir in Santillos Bande?“

»Ich gehöre nicht dazu. Ich wurde überfallen, niedergeschlagen und ...“

»Ich weiß, sie haben dich zurückgelassen, weil eines der Pferde lahmte und du schließlich nur ein fremder Revolverschwinger in Santillos Diensten bist,“ unterbrach ihn der Capitan verächtlich. „Das ändert nichts daran, dass wir dich erschießen werden.“

Shannon ballte die Fäuste. „Zum Teufel, dazu haben Sie kein Recht, Mann! Ich verlange, vor ein Gericht gestellt zu werden!“

Der Anflug eines kalten Lächelns zeigte sich auf Ortegas hagerem Gesicht.

„Ich bin das Gericht! Ich verurteile dich, weil du einen meiner Männer aus dem Hinterhalt erschossen hast, du feiger Mörder!“

Seine ausgestreckte Hand wies zu den Pferden. Über dem Rücken eines der Tiere hing eine schlaffe uniformierte Gestalt mit dem Kopf und den Füßen nach unten.

Shannon spürte einen Druck im Magen. „Ich habe den Mann nie gesehen!“

Ortega nahm dem Jungen mit dem grünseidenen Schirm das Gewehr aus der Hand und hielt es vor Shannon hoch.

„Das ist die Waffe, mit der Martinez erschossen wurde. Wir haben sie bei dir gefunden. Shannon. Das genügt als Beweis. Du leugnest vergeblich.“

Es war die Springfield, mit der Gutierez Shannon bedroht hatte. Shannon wusste nicht, wen er mehr verwünschen sollte, Gutierez, den Capitan oder sich selbst für die Idee, ausgerechnet in diesem heißen Sommer einen alten Freund in Mexiko City zu besuchen. Ortega warf den Karabiner achtlos zur Seite. Er deutete auf einen Spaten, der vor Shannons Füßen lag.

„Mach vorwärts. Gringo! Wir haben nicht viel Zeit! Drei Fuß tief, das genügt.“

Shannon starrte auf den Spaten, auf die Gewehre, die ihn bedrohten, dann in das steinerne Gesicht des Capitans. Nicht nur die glühende Sonne Mexikos trieb ihm den Schweiß aus allen Poren. Er hatte schon eine Menge Verdruss erlebt, aber es war das erste Mal, dass er gezwungen war, sein eigenes Grab zu schaufeln. Er brauchte nur Ortega anzusehen, um zu wissen, dass jedes weitere Wort sinnlos sein würde. Die Soldados sahen zwar nicht so aus, als würde ihnen die Sache Spaß machen. Andererseits würde es gewiss keiner darauf ankommen lassen, sich dem Befehl des Offiziers zu widersetzen.

Widerstrebend bückte sich Shannon nach dem Spaten. Einen Moment lang musste er gegen den Wunsch ankämpfen, sich auf den lässig zuschauenden Offizier zu stürzen. Aber jeder Spatenstich, auch wenn er noch so schwerfiel, war gewonnene Zeit.

Zeit aber bedeutete Leben!

Shannon und der Falke von Chihuahua: Shannon 20

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