Читать книгу Sam jagt des Teufels Bruder Texas Wolf Band 51 - John F. Beck - Страница 7

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Mazko und Pop Arnold kamen direkt von Süden aus in die Stadt. Mazko, dessen pechschwarze Haare unter dem Hut hervorquollen, konnte die indianische Abstammung seiner Mutter nicht verleugnen. Aber von seinem irischen Vater hatte er die leuchtend grünen Augen geerbt. Es war ein seltsamer Kontrast. Ein drahtiger Mann von etwa dreißig Jahren war er. Alles an ihm erinnerte an eine Feder.

In den Griff seines Revolvers hatte er acht Kerben geschnitzt. Die stammten noch aus der Zeit, da er mit einer anderen Bande geritten war. Er, und sein älterer Bruder Tennessee Kane.

In jener Zeit auch hatte er diese acht Menschen getötet. Mittlerweile waren es weit mehr, aber für weitere Kerben hatte der Revolver keinen Platz mehr. So war Mazko davon abgekommen, für jeden Toten eine Kerbe in den Griff zu schnitzen.

Der neben ihm reitende Pop Arnold war mindestens doppelt so alt wie Mazko. Er hatte die Schwelle überschritten, da Banditen noch auf dem langen Ritt waren. Aber was sollte er tun? Der grauhaarige, ledergesichtige alte Mann kannte kein anderes Leben. Schon mit zwölf hatte er Pferde gestohlen, mit sechzehn Rinder weggetrieben und seinen ersten Menschen getötet. Im Bürgerkrieg dann erlebte Pop Arnold seine große Zeit bei seinem Beutekommando der Konföderierten. Das, was vorher mit Strafe bedroht war, wurde auf einmal zur Heldentat. Er und eine ganze Horde seinesgleichen überfielen im Hinterland der Yankees Wagenzüge, einzelne Kurierreiter oder ganz einfach zivile Transporte. Nach dem Krieg dann war das keine Heldentat mehr. Aber was sollte Pop Arnold tun, da er außer Rauben und Morden nichts beherrschte.

Von Westen her näherten sich Lee Smith und Rep dem Städtchen Quancey. Lee Smith war ein sympathisch wirkender junger Bursche mittlerer Größe und mit breiten Schultern. Er sah eigentlich so aus, wie sich die meisten Menschen einen netten jungen Cowboy vorstellen. Aber hinter der Stirn verbargen sich die Neigung zur Grausamkeit und eine Kaltblütigkeit ohnegleichen, wenn es ums Töten ging.

Rep neben ihm war etwas älter. Er besaß ein Gesicht, das aussah, als wäre ihm Stacheldraht über die Haut gezogen worden. Und so ähnlich hatte es Rep auch erlebt. Nicht nur sein Gesicht, auch sein ganzer Körper war von Narben übersät. Wütende Farmer hatten ihn vor neun Jahren in Stacheldraht gewickelt. Seitdem war aus dem schweigsamen Banditen ein kaltblütiger

Killer geworden.

Von Osten her kamen Lemmy und Tennessee Kane die Senke entlang geritten. Tennessee Kane war der Kopf der Bande. Ein Mann zwischen vierzig und fünfzig. So genau ließ sich sein Alter nicht schätzen. Er war groß, kräftig, und hatte eine so dunkle Haut wie sein Bruder Mazko. Auch bei ihm ließ sich die indianische Mutter nicht verleugnen, aber im Gegensatz zu seinem Bruder besaß er nicht dessen Katzenhaftigkeit, sondern wirkte schwerfälliger, gedrungener. Dass dieser Eindruck täuschte, war eine andere Sache.

An Tennessee Kanes Seite ritt Lemmy. Ein korpulenter Mann mit schwarzem Haar. Auch er war ein Mestize und stammte aus Neu-Mexiko. Lemmy hatte im Bürgerkrieg seinen letzten Menschen getötet, und damals hatte es zu seiner Pflicht gehört. Im Gegensatz zu seinen Partnern war Lemmy kein Killer. Er schoss nur, wenn es unumgänglich war und wenn sich für ihn eine Notlage ergab. Aber er feuerte nicht wie Mazko oft ohne jeden Anlass auf Menschen, tötete nicht im Vorbeireiten aus purer Mordlust ein Tier, ob es nun ein Schwein, ein Huhn oder ein Hund, eine Katze und manchmal auch ein Rind war.

Lemmy war der einzige der Bande, auf dessen Kopf keine Prämie stand. Trotzdem gab es auch von ihm Steckbriefe. Aber über Steckbriefe lachten die sechs nur, denn bis jetzt war es noch keinem geglückt, sie zu fassen. Einer hatte es versucht, und das war noch gar nicht lange her. Ein Sheriff aus Santinas, aber den hatten sie geblufft. Während er glaubte, mit seinen vier Helfern Rep, Lee, Pop und Lemmy zu stellen, waren Tennessee Kane und sein Bruder Mazko von hinten aufgetaucht und hatten ohne jede Warnung den Sheriff und zwei seiner Männer auf der Stelle erschossen.

„Glaubst du“, fragte Lemmy, als sie sich der Stadt näherten, „dass das so einfach klappen wird?“

Tennessee Kane lachte nur auf, sah Lemmy kurz an und erwiderte: „Was soll denn nicht einfach sein? Meinst du, das wäre anders als irgendwo in den Kaffs, wo wir gewesen sind?“

„Was mir nicht gefällt“, meinte Lemmy, „das ist die Nähe von Santinas. Das ist noch nicht lange her, und vor allen Dingen werden sie hier Angst haben und aufpassen.“

„Ich glaube nicht, dass sie das tun“, erwiderte Tennessee Kane. „Die werden denken, wir kommen nicht mehr hierher. Du weißt ja, dass sie das meistens denken. Ich hatte schon überlegt, ob wir nicht direkt nach Santinas reiten sollten. In eine Stadt, wo wir gewesen sind. Das ist immer am allerbesten. Aber diese Kerle haben ja keine Bank mehr dort. Also müssen wir uns das Geld hier holen.“

„Nun gut. Sieht friedlich aus, das Kaff“, meinte Lemmy und blickte auf die verschlafen wirkende Stadt.

„Es ist noch ziemlich früh“, meinte Tennessee Kane. „Die Hitze hält sie in den Häusern. Das einzige, was mich interessiert“, fuhr Tennessee Kane fort, „das ist die Frage, ob sie auch genug Geld auf der Bank haben. Das konnte mir nämlich Pops Junge nicht so genau sagen.“

„Bis jetzt waren seine Tipps aber sehr gut“, erwiderte Lemmy.

„Natürlich waren sie das. Das ändert aber nichts, dran, dass er nicht genau, sagen kann, wie viel sie gerade da liegen haben. In so einer kleinen Stadt ist nicht allzu viel Geld unter den Leuten, Überwiegend sind die arm. Wir werden sehen. Es wird für die nächsten Wochen reichen, und das ist die Hauptsache. Ein paar schöne Tage werden sicher herausspringen. Und ich nehme an, mehr als das.“

Und dann kamen sie von drei Seiten. Was wie Zufall aussah, war doch Teil eines präzisen Plans. Und auch so, wie es weiterging, hatten sie es schon viele Male gemacht. Mazko und Pop Arnold ritten bis zu dem Mattendach vor dem Saloon. Dort stellten sie ihre Pferde in den Schatten, und gingen, als wären sie eigens dazu von weit her gekommen, in den Saloon hinein.

Rep und Lee Smith ritten an dem Bankgebäude, das sich schräg gegenüber vom Sheriff-Office befand vorbei, bogen dann in eine der schmalen Gassen ein und tauchten dann ohne Pferde zu Fuß wieder auf. Als wäre es die reinste Freude, in der Sonne spazieren zu gehen, schlenderten sie scheinbar gelangweilt wieder in Richtung auf die Bank.

Tennessee Kane und Lemmy ritten direkt auf das Bankgebäude zu, saßen davor ab, und machten ihre Pferde an der Haltestange fest. Obgleich die Tiere in der glühenden Sonne stehen mussten, verschwendeten die beiden noch nicht einmal, einen Blick für Ihre vierbeinigen Helfer. Nachdem Tennessee Kane einen prüfenden Blick in die Runde geworfen hatte, betrat er hinter Lemmy die Bank.

Auch Rep und Lee Smith hatten die Stufen zum Eingang der Bank erreicht, blieben aber stehen, und Rep rollte sich, als hätte er Zeit im Überfluss, eine Zigarette.

Mazko und der alte Pop kamen nun aus dem Saloon heraus, und schlenderten, scheinbar in ihr Gespräch vertieft, langsam über die Straße auf die Bank zu.

Mazko tat so, als würde er sich vom alten Pop verabschieden, ging an Rep und Lee vorbei und verschwand nun ebenfalls in der Bank. Der alte Pop spazierte, als hätte er sonst nichts zu tun, auf die Hausecke zu, ging um sie herum und lehnte sich gegen die Wand, um sich umständlich eine Maisblattzigarette zu drehen.

Tom konnte sie alle sehen, bis auf jene drei, die sich in der Bank befanden. Aber dort drinnen war Ärger nicht zu erwarten, sofern die Schalterangestellten so verfuhren, wie es Tom Cadburn mit ihnen besprochen hatte. Sie sollten nämlich ohne Widerstand und ohne die geringsten Schwierigkeiten zu machen, alles erreichbare Geld an die Banditen aushändigen.

Von seinem Platz aus konnte Tom Rep und Lee Smith genau beobachten. Er konnte sogar den alten Pop sehen, der jetzt seine Maisblattzigarette in den Mund schob und anbrannte, dann paffte und gedankenverloren, wie es schien, zum Himmel blickte, als wartete er auf etwas.

Es geht alles reibungslos, dachte Tom, und er harrte des Augenblicks, da die drei wieder aus der Bank herauskämen, bepackt mit dem Geld, das sie ganz sicher bekommen würden.

Doch plötzlich hörte Tom einen Wagen rumpeln. Er spähte die Straße entlang und sah etwas, das er in seinen Berechnungen völlig außer Acht gelassen hatte.

Die Hauptstraße durch Quancey verlief von Nord nach Süd. Und von Norden aus kam der leichte Wagen angerast. Die beiden schnellen Pferde zogen im Galopp das relativ leichte Gefährt hinter sich her. Auf dem Bock des Buggys saßen zwei Personen. Hinter dem Fahrzeug quoll eine dicke Staubwolke empor.

In dem Augenblick, da das Gefährt näher kam, wandte sich ihm die Aufmerksamkeit aller zu, die sich auf der Straße befanden. Ebenso wie Rep und Lee, starrten Pop Arnold, aber auch Deputy-Sheriff Lance und selbst Tom Cadburn dem Wagen entgegen. Ein paar Jungen, die oberhalb in der Stadt spielten, wichen mit schrillen Schreien dem dahinrasenden Fahrzeug aus.

Der Wagen wurde langsamer und hielt schließlich an, als er sich vor dem General-Store befand.

Der Fahrer, ein Mann mittleren Alters, neben sich einen jungen Burschen, stand nun unmittelbar im Schussfeld von Deputy-Sheriff Lance, während ihr Wagen selbst Tom die Sicht auf die Tür der Bank nahm.

„Verdammt“, fluchte Tom vor sich hin. „Muss der sich ausgerechnet da hinstellen?“

Aber da hatte Lance offensichtlich die richtige Idee. Tom hörte, wie der Deputy-Sheriff dem Fahrer des Wagens zubrüllte: „Eddy, dein Zeug steht bei mir. Kommt hier herüber, ich hab‘ den

ganzen Mist hier liegen.“

„Bei dir, wieso?“, rief der Farmer zurück, und der junge Bursche, der neben ihm auf dem Bock saß, schüttelte verwundert den Kopf. Die beiden sprachen miteinander, ohne dass Tom verstehen konnte, was sie sagten. Aber dann sprang der junge Bursche vom Wagen und lief jetzt auf die Bank zu. Während der Fahrer die Pferde wieder antrieb und den Wagen jetzt in Richtung auf das Sheriff-Büro lenkte.

Um Himmels willen, dachte Tom, was macht dieser Bursche in der Bank? Er wird doch nicht …

Ja, er würde. Es war Terry Board, der Sohn des Ranchers John Board, der da auf die Bank zuging, vorbei an Lee Smith und Rep, zur Tür trat und in die Bank hineinlief.

Tom konnte ihn nicht aufhalten, ohne dass es aufgefallen wäre. Ja, selbst Rep und Lee Smith mussten ihn passieren lassen, ohne ihre Kumpane drinnen warnen zu können. Und während John Board, der Rancher, in diesem Augenblick vom Sheriff zugeflüstert bekam, um was es ging, hatte sein Sohn Terry bereits das Gebäude betreten.

Nun stand er drinnen an der Tür. Mit einem Blick überflog er die Szene, sah den grauhaarigen Mestizen Tennessee Kane am Schalter stehen, erkannte den Revolver in dessen Hand. Aber er übersah Mazko, der weiter links stand, und ebenso Lemmy, der sich an die rechte Seite gedrückt hatte.

Vor Tennessee Kane standen die drei Angestellten der Bank mit erhobenen Händen. Ein vierter füllte einen Sack mit Notenbündeln.

Terry Board sah nur, dass Tennessee Kane die Bankangestellten bedrohte, und der Revolver in dessen Hand ließ ihn auf der Stelle handeln. Aber er dachte nicht eine Sekunde daran, nach links oder rechts zu schauen, sondern griff zum Revolver. Es war die letzte Bewegung seines Lebens.

Lemmy hob nur seine Waffe, schoss aber noch nicht, dafür schoss Mazko, als hätte er die ganze Zeit auf nichts anderes als auf die Handbewegung von Terry Board zum Revolver gewartet. Sein Schuss riss den jungen Terry auf der Stelle ins Jenseits.

Als die Bankangestellten entsetzt auf den zusammenbrechenden jungen Burschen starrten, fuhr sie Tennessee Kane wütend an: „Nun beeilt euch endlich! Mach voran, Kerl, und gib den Sack herüber!“

Tom Cadburn hatte die Schüsse gehört. Er biss sich auf die Lippen, aber jetzt einzugreifen, wäre Wahnsinn gewesen. Die drei hätten irgendeinen der Bankangestellten als Geisel genommen, und so weit durfte es nicht kommen. Er musste auch jetzt noch stillhalten, musste abwarten, musste sie aus der Bank herauskommen lassen.

Er warf einen Blick zum Sheriff-Office hinüber. Dort hatte Deputy Lance alle Hände voll zu tun, den Fahrer des Wagens davor zurückzuhalten, zur Bank zu rennen.

Immer noch stand Pop Arnold an der Ecke, lehnte Lee Smith neben der Tür der Bank. Rep hingegen hatte die Pferde zusammengeholt und saß gerade auf. Offensichtlich rechnete er jeden Augenblick damit, dass seine Kumpane aus der Bank herauskamen.

Tom Cadburn sah, dass es dem Sheriff offensichtlich gelungen war, den Mann zu beruhigen. Jetzt lehnte Lance wieder im Schatten der Tür, und Tom sah etwas, was die Bande nicht erkennen konnte, nämlich das Schrotgewehr in den Händen von Lance.

Lance war der Bank am nächsten. Sollte die Bande nach Süden fliehen, musste sie an ihm vorbei. Und so hatte es Tom einkalkuliert. Er war die zweite Station, falls es einigen von ihnen gelingen sollte zu fliehen.

In diesem Augenblick traten erst Mazko und denn Tennessee Kane aus der Bank. Zuletzt schob sich Lemmy aus der Tür, und Tom sah, wie er noch einmal hineinblickte, seinen Revolver nach drinnen richtete und etwas hineinrief.

Tom hob die Hand, so dass es oben auf dem Kirchturm Old Joe sehen konnte. Auch der Sheriff sah es. Es war das Signal für alle drei.

„Hände hoch!“, brüllte Tom über den Platz.

Sie reagierten völlig unterschiedlich. Tennessee Kane ließ sofort den Sack fallen, den er in seiner Linken über der Schulter trug, seine Hand zuckte zum Revolver.

Mazko hatte die Waffe bereits in der Hand, wirbelte herum und wollte schießen. Er hatte bloß noch kein Ziel gefunden.

Rep, der auf den Pferden saß, trieb sein Tier an, wollte damit die anderen Pferde nach vorn jagen und sie wie eine Deckung zwischen den unsichtbaren Gegner und seine Kumpane bringen.

Lee Smith stand völlig unschlüssig, hatte zwar die Hand am Revolverkolben, aber sah sich um, suchend, als müsste er sich erst vergewissern, woher die Stimme gekommen war.

Pop Arnold hingegen tat so, als hätte er mit all dem nichts zu tun. Vermutlich war er der einzige, der sofort erkannt hatte, dass es mulmig wurde. Und vielleicht hatte er auch ein für Banditenverhältnisse so biblisches Alter erreicht, weil bei ihm Vorsicht vor Kühnheit rangierte.

Tom feuerte. Er feuerte auf Tennessee Kane, und zugleich tat es vom Kirchturm her einen Donnerschlag, als wäre oben bei den Glocken eine Dynamitladung detoniert. Der Schuss traf Rep und fegte ihn aus dem Sattel.

Tom hatte Tennessee Kane erwischt und hoch in die Schulter getroffen. Der Banditenführer taumelte bis zur Mauer zurück, wollte dennoch schießen, warf sich nach links und lief in den Schuss hinein, der eigentlich seinen Oberarm hatte treffen sollen. Stattdessen aber traf Toms zweiter Schuss Tennessee Kane mitten ins Herz.

Der Deputy-Sheriff hatte auf Mazko gezielt. Aber seine Ladung verfehlte den wie einen Springteufel herumtanzenden Mazko.

Oben feuerte Old Joe jetzt mit der Winchester. Auch er hielt auf Mazko, und er traf. Der Schuss erwischte Mazko am Becken, drehte ihn wie einen Kreisel um sich selbst, und dann stürzte er mit dem Kopf gegen die Adobewand der Bank, rutschte an der Wand herunter und blieb im Staub liegen.

Pop Arnold hatte schon nach dem zweiten Schuss die Arme hochgestreckt, ohne nur das Geringste versucht zu haben. Er wusste, wann ein Kampf vorbei war, und er streckte noch nicht einmal die Hand aus, als die aufgescheuchten Pferde mit leeren Sätteln an ihm vorbeipreschten.

Lee Smith gab auch sofort auf. Er hatte es immer so gehalten wie Pop Arnold. Wer nicht zuerst zieht, hat sowieso verloren. Und mehr als ein Leben kann kein Mensch verspielen. Er ließ den Revolver los, den er gepackt hatte, und streckte die Arme so emsig empor, als wollte er sich an irgend etwas nach oben ziehen.

Aber Lemmy versuchte etwas. Lemmy, den auch Tom Cadburn schon aus dem Rennen geglaubt hatte, von dem er wusste, dass der bis jetzt den wenigsten Dreck am Stecken hatte. Doch gerade jetzt hakte es bei Lemmy aus. Lemmy sprang mit einem Satz zur Tür der Bank zurück, wollte sie aufstoßen, wollte hinein. In dieser Sekunde trafen ihn drei Schüsse. Einer aus Old Joes Winchester direkt in den Bauch. Der zweite von Deputy Lance aus der Flinte mitten ins Gesicht, der dritte von Tom Cadburn in die linke Schulter. Aber weder den Schuss in die Schulter noch den in den Bauch konnte Lemmy gespürt haben, denn der Hackschrot von Lance beförderte ihn aus dem Leben. Er war schon tot, als er an der Tür der Bank herunterrutschte und die Stufen hinab zur Straße kollerte.

In diesem Augenblick erwachte Mazko aus seiner Benommenheit. Er starrte um sich, und was er sah, war kein Alptraum, das war für ihn bittere Wirklichkeit. Er und die anderen hatten zum ersten Mal eine komplette Niederlage eingesteckt; waren, so kam es ihm vor, in eine blutige Falle gelaufen.

Noch einmal wollte er aufbegehren. Aber zufällig blickte er am Kirchturm empor und erkannte, woher vorhin der Knall gekommen war. Er sah dort oben diesen grauhaarigen Alten mit dem Bart und blickte genau in die Mündung der Winchester.

Deputy-Sheriff Lance näherte sich, das doppelläufige Schrotgewehr an der Hüfte, der Stätte des Überfalls. Ihm folgte, die Hand am Kolben seines Revolvers, John Board, Terrys Vater.

Tom hatte den alten Pop Arnold bereits entwaffnet und trat jetzt neben Mazko. Der sah zu ihm auf, und fauchte mit zusammengebissenen Zähnen: „Soll ich verbluten? Ich bin verletzt.“

Tom trat den Revolver, der neben Mazko lag, beiseite, packte den Banditen an der Hemdbrust und riss ihn empor. Er drückte ihn gegen die Wand und sagte grimmig: „Du wirst schon nicht umkommen. Du nicht und der Alte da drüben auch nicht. Bleib bloß stehen, so schlimm hat‘s dich bestimmt nicht erwischt!“

Er ging zu Lee Smith, der die Arme immer noch ausstreckte, als bekäme er eine Prämie dafür, wenn er das besonders hoch tat. Tom riss ihm den Revolver aus dem Holster, und schleuderte ihn beiseite. Dann holte er ihm das Bowiemesser aus dem Stiefelschaft und fuhr den Banditen an: „Los, an die Wand mit dir! Gesicht zur Wand, Hände flach dagegen! Und wehe, du versuchst etwas!“

Der alte Pop Arnold kam ganz von allein, stellte sich an die Wand, und tat, als wäre ihm das alles schon viele Male passiert.

Inzwischen war John Board da und rief: „Wo ist mein Junge? Was ist mit meinem Jungen?“ Er stürmte in die Bank hinein, war aber nach wenigen Sekunden wieder draußen, bleich, mit weit aufgerissenen Augen und bebenden Lippen.

„Mein Junge … mein Junge ist … Diese Schweine haben meinen Jungen …“ Und bevor es Tom verhindern konnte, hatte er schon den Revolver heraus, legte auf Lee Smith an, Tom hatte gar keine Wahl. Er feuerte von der Hüfte her, und sein Schuss traf den Revolver John Boards an der Trommel, fetzte ihn aus den Fingern des Mannes und prellte dabei dessen Hand.

John Board schrie auf, fasste vor Schmerz mit seiner Linken nach seinem rechten Handgelenk und starrte entsetzt auf den Texas-Ranger, der auf ihn geschossen hatte.

„Hier werden keine Gefangenen umgebracht“, sagte Tom scharf. „Auch nicht aus Rache. Ich kann Sie verdammt gut verstehen, aber Sie tun nichts Ungesetzliches, wenn ich dabei bin. Was ist mit Ihrem Jungen? Ist er tot?“

Einer der Bankangestellten war herausgekommen. Die beiden anderen drängten sich ebenfalls in die Tür. „Terry ist tot“, rief der eine.

„Der da hat es getan“, sagte der andere und deutete auf Mazko.

„Los, ab mit ihnen ins Gefängnis!“, sagte Tom und rief einem der Bankangestellten zu: „Hol einer den Doc!“

„Für den einen Doc? Soll er doch verrecken“, rief der Bankangestellte, und die beiden anderen nickten beifällig.

„Ich habe gesagt, ihr holt einen Doc, verdammt noch mal. Oder soll ich euch erst in den Hintern treten?“, fauchte Tom sie an.

Sie duckten sich wie unter Schlägen.

Old Joe war indessen vom Kirchturm heruntergekommen und trat jetzt auf die sonnenüberflutete Straße. Er näherte sich mit schweren Schritten, hatte die Winchester in der Rechten und die schwere Hawken geschultert in der linken Hand. Er blickte ernst auf die Szene, wandte sich dann an Mazko und sagte: „Der Teufel ist tot, aber sein Bruder lebt noch.“

„Nicht mehr lange“, erklärte der Deputy Lance. „Des Teufels Bruder hat den jungen Board erschossen, und dafür hängen wir ihn auf. Darauf kann er sich fest verlassen.“

„Ja, wir hängen ihn. Aber erst nach einer Gerichtsverhandlung“, entschied Tom.

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