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Vorwort

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Der Titel Die Forsyte Saga war ursprünglich für den Teil bestimmt, der Der reiche Mann genannt ist, und der Entschluss, ihn für die gesamten Chroniken der Familie Forsyte zu gebrauchen, ist der Forsyte’schen Hartnäckigkeit zuzuschreiben, die uns allen innewohnt. Gegen das Wort ›Saga‹ wäre vielleicht einzuwenden, dass es das Heroische in sich schließt und auf diesen Seiten wenig von Heroismus zu finden ist. Aber es ist mit wohlüberlegter Ironie gewählt, und schließlich fehlt es dieser langen Geschichte, wenn es sich auch um Leute in Gehröcken, um Plisseekleider und eine goldverbrämte Periode handelt, doch nicht an starken Konflikten. Abgesehen von der gigantischen Gestalt und dem Blutdurst vergangener Zeiten, wie sie uns in Märchen und Legenden überliefert sind, waren die Menschen der alten Sagas doch auch Forsytes in ihrem Streben nach Eigentum und ebenso wenig gefeit gegen den Einfall von Schönheit und Leidenschaft wie Swithin, Soames und gar der junge Jolyon. Und wenn heroische Gestalten in nie gewesenen Tagen aus ihrer Umgebung in einer Art hervorzuragen scheinen, wie sie sich für einen Forsyte aus dem viktorianischen Zeitalter nicht wohl schickt, so ist doch als sicher anzunehmen, dass das Stammgefühl selbst damals die vorherrschende Macht war und »Familie« und der Sinn für Heim und Eigentum, trotz aller späteren Bemühungen, es »abzustreiten«, ausschlaggebend waren, wie es bis auf den heutigen Tag der Fall ist.

Es haben so viele geschrieben und behauptet, in ihren Familien die Originale der Forsytes zu sehen, dass man sich fast ermutigt fühlt, an das Typische dieser Spezies zu glauben. Sitten ändern sich und Moden entwickeln sich weiter, und »das Haus Timothys in Bayswater Road« wird zu einem Nest des Unwahrscheinlichen, in allem abgesehen von dem Wesentlichen; wir werden seinesgleichen nicht mehr wiedersehen, vielleicht auch nicht einen wie James oder einen wie den alten Jolyon. Und doch liefern uns die Zahlen der Versicherungsgesellschaften und die Aussprüche von Richtern täglich den Beweis, dass unser irdisches Paradies, in das die wilden Eindringlinge Schönheit und Leidenschaft sich einschleichen und uns die Sicherheit vor der Nase wegstehlen, noch reiche Schätze birgt. So sicher ein Hund bellen wird, wenn man ihn an die Kette legt, so wird sich der wahre Soames in der menschlichen Natur immer unwillig gegen die Auflösung auflehnen, die die Grenzen des Eigentums umlauert.

»Lass die tote Vergangenheit ihre Toten begraben«1 wäre ein besserer Ausspruch, wenn die Vergangenheit jemals stürbe. Das Fortbestehen der Vergangenheit ist eine jener tragikomischen Segnungen, die jedes neue Zeitalter leugnet, das ganz sicher aber wieder auf dem Schauplatze erscheint, um seinen Anspruch auf etwas vollkommen Neues geltend zu machen. Allein kein Zeitalter ist so vollkommen neu! Die menschliche Natur ist und wird unter den wechselnden Forderungen und Kleidern immer viel von einem Forsyte haben und könnte schließlich ein noch viel schlimmeres Tier sein.

Blicken wir auf das viktorianische Zeitalter zurück, dessen Höhepunkt, Niedergang und Verfall gewissermaßen in der Forsyte Saga geschildert werden, so sehen wir jetzt, dass wir nur vom Regen in die Traufe gekommen sind. Es würde schwierig sein, die Behauptung zu untermauern, dass die Zustände Englands im Jahre 1913 besser waren als 1886, als sich die Forsytes beim alten Jolyon versammelt hatten, um die Verlobung Junes mit Philip Bosinney zu feiern. Und im Jahre 1920, als sich die Familie abermals versammelte, um der Hochzeit Fleurs und Michael Monts beizuwohnen, ist England sicher zu morsch und bankrott, wie es in den achtziger Jahren zu starr war und zu niedrige Prozente gab. Wären diese Chroniken wirklich wissenschaftliche Studien des Übergangs, so hätten wahrscheinlich solche Faktoren wie die Erfindung des Fahrrads, der Automobile und Flugzeuge, der Beginn einer billigen Presse, der Verfall des Landlebens, die Vergrößerung der Städte und die Entstehung des Kinos in Betracht gezogen werden müssen. Menschen sind in der Tat völlig unfähig, ihre eigenen Erfindungen zu kontrollieren, sie entwickeln bestenfalls eine Anpassungsfähigkeit an die neuen Bedingungen, die diese Erfindungen schaffen.

Aber diese lange Geschichte ist keine wissenschaftliche Epochenstudie, sie soll eher die Verwirrung versinnbildlichen, die Schönheit im Leben der Menschen anrichtet.

Die Figur Irenes, die man sich, wie die Leser wahrscheinlich bemerkt haben werden, fast nur durch die Empfindungen anderer vergegenwärtigen kann, ist eine Verkörperung verwirrender Schönheit, die auf eine besitzergreifende Welt einwirkt.

Leser, welche die Salzwasser der Saga durchwatet haben, werden geneigt sein, Soames mehr und mehr zu bemitleiden und zu glauben, sich dadurch gegen die Gesinnung seines Erschaffers aufzulehnen. Weit gefehlt! Auch er bemitleidet Soames, dessen Lebenstragödie die sehr einfache, unkontrollierbare Tragödie eines ungeliebten Menschen ist, dessen Fell nicht dick genug ist, um sich dieser Tatsache vollkommen unbewusst zu sein. Selbst Fleur liebt Soames nicht, wie er fühlt, geliebt werden zu müssen. Aber indem sie Soames bemitleiden, stehen die Leser Irene vielleicht feindselig gegenüber. Sie denken, er ist schließlich doch kein schlechter Mensch, es ist nicht seine Schuld, sie hätte ihm verzeihen müssen, und so weiter! Und bei dieser Parteinahme geht ihnen die Vorstellung der sehr einfachen Wahrheit verloren, die der ganzen Geschichte zugrunde liegt, dass nämlich, wo bei einem der Beteiligten sexuelle Anziehungskraft vollständig fehlt, kein Aufwand von Mitleid, Vernunft oder Pflicht einen Abscheu überwinden kann, der in seiner Natur begründet ist. Ob es so sein soll oder nicht, kommt hier nicht in Frage, weil es in der Tat niemals in Frage kommt. Und wo Irene hart und grausam erscheint – wie im Bois de Boulogne oder in der Goupenor Galerie –, ist sie allein weise realistisch, da sie weiß, dass das kleinste Zugeständnis zu unberechenbaren, abstoßenden Folgen führen kann.

Beim Kritisieren der letzten Phase der Saga könnte man beklagen, dass Irene und Jolyon – diese Rebellen gegen den Besitz – ihren Sohn Jon als geistiges Eigentum beanspruchen. Doch das wäre wahrlich eine übertriebene Kritik der Geschichte, wie sie erzählt ist. Denn kein Vater und keine Mutter hätte dem Jungen gestatten können, Fleur zu heiraten, ohne die Tatsachen zu kennen, und die Tatsachen bestimmen Jon, nicht die Überzeugung seiner Eltern. Überdies äußert Jolyon seine Ansicht nicht um seinet-, sondern um Irenes willen, und Irenes Ansicht äußert sich wiederholt in den Worten: »Denke nicht an mich, denke an dich selbst!« Dass Jon, der die Tatsachen kennt, die Gefühle seiner Mutter begreift, kann rechtmäßig kaum als Beweis dafür gelten, dass sie schließlich doch eine Forsyte ist.

Aber obgleich die Einwirkung der Schönheit und des Freiheitsdranges auf eine besitzergreifende Welt die zentralen Vorbedingungen der Forsyte Saga sind, kann sie nicht von der Aufgabe freigesprochen werden, die obere Mittelschicht einzubalsamieren. Wie die alten Ägypter ihre Mumien mit den notwendigen Dingen eines künftigen Daseins umgaben, so habe ich mich bemüht, den Gestalten von Tante Ann, Juley und Hester, von Timothy und Swithin, dem alten Jolyon, James und ihren Söhnen das beizugeben, was ihnen dereinst ein wenig Leben bewahren soll, ein wenig Balsam zur Erhaltung im gehetzten Gilead2 eines zersetzenden »Fortschritts«.

Wenn die obere Mittelschicht mit anderen Schichten dazu bestimmt ist, in Amorphie »überzugehen«, so liegt sie hier, auf diesen Seiten, konserviert unter Glas zur Schau für alle, die in dem weiten und schlecht angelegten Museum der Literatur umherstreifen. Hier ruht sie in ihrem eigenen Saft: dem Streben nach Eigentum.

John Galsworthy

1922

Die Forsyte Saga

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