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Der Mann sah aus, als hätte mal vor längerer Zeit jemand versucht, seinen Kopf in eine untere und eine obere Hälfte zu teilen. Wahrscheinlich war es nicht aus Absicht geschehen, aber der Araber, dem Scarface Callaghan seine fürchterliche Narbe im Gesicht zu verdanken hatte, war tausend Tode gestorben, nachdem Callaghan seine Verwundung überlebt und ausgeheilt hatte.

Die Narbe, die an manchen Tagen karmesinrot leuchtete, als ob sie immer noch blutete, verlief quer über das Gesicht von einem Ohr zum anderen. Der Hieb mit dem Krummsäbel hatte den unteren Teil seiner Nase abgetrennt, und ein Mann, der seinen Ausspruch nicht lange überlebt hatte, hatte behauptet, Scarface Callaghan sähe aus wie eine Ananas mit Ohren.

Callaghan war immer schon ein brutaler Mensch gewesen. In seiner Zeit als Profos auf einem Kriegsschiff Ihrer Majestät, der Königin Elisabeth von England, hatte er auf jeder Reise die Mannschaft um einige Leute dezimiert, bis er auf einem Landgang von seiner Crew an einen Baum genagelt worden war, die dann später auf dem Schiff behauptete, ihr Profos sei von Eingeborenen erschlagen worden.

So war die Königin ihren Profos losgeworden, und Callaghan, der sich hatte befreien können, hatte seiner wahren Veranlagung freien Lauf lassen können, als ihn ein Piratenschiff aufnahm, das an seiner Insel die Wasservorräte auffrischen wollte.

Bald war Callaghans Name in der gesamten Karibik ein Begriff geworden, aber berühmt wurde er erst, nachdem der Araber ihm das Gesicht gezeichnet hatte. Don Bosco, der Herrscher von Tortuga, hatte ihn in seine Crew geholt, und daß er beim Kampf gegen die Seewölfe nicht dabeigewesen war, lag an einer vollbusigen Schönheit von Hispanola, die er geraubt und nach Tortuga verschleppt hatte. Er war so verknallt in das Weib gewesen, daß er mit ihr auf der Insel verschwand und wochenlang in einer Hütte auf der Nordseite der Insel hauste. Erst vor ein paar Tagen war alles vorbei gewesen. Scarface war auf Jagd gegangen, und bei seiner Rückkehr hatte er seine Rosita in den Armen eines Bukaniers gefunden, der zufällig des Weges gekommen war. Scarface hatte nicht lange gezögert und sie beide erschlagen. Aber noch heute fragte er sich, wie ein Weib so wild sein konnte, daß es nicht einmal einen Tag ohne Liebe aushielt. Er bedauerte, daß die wilde Zeit mit Rosita vorbei war, aber er weinte ihr keine Träne nach.

Er war zurück zur Südküste gegangen, und da erst hatte er erfahren, was in der Zwischenzeit alles geschehen war. Don Boscos Macht war zerschlagen. Zerschlagen von den Seewölfen, die der Herrscher von Tortuga in Ketten gelegt hatte.

Scarface Callaghan konnte es nicht begreifen, aber an den verstörten und verängstigten Männern Don Boscos, die den Kampf mit den Seewölfen überlebt und sich versteckt hatten, sah er, daß er es mit Gegnern zu tun hatte, die er nicht unterschätzen durfte.

Er hatte die restlichen Männer Don Boscos aus ihren Löchern geholt, in die sie sich verkrochen hatten. Einige von ihnen hatten ihm die Gefolgschaft verweigert, aber außer dem Tod hatte es ihnen nichts eingebracht.

Scarface hatte erkennen müssen, daß die Angst vor den Seewölfen nach Don Boscos Verschwinden riesengroß war. Er war selbst schon soweit gewesen, seinen Plan, den übermächtigen Gegner anzugreifen, aufzugeben, als ihm eine Fügung des Schicksals zu Hilfe geeilt war.

Von der kleinen Insel Hogsty Reef nördlich von Inagua war eine Brieftaube eingetroffen, die eine Nachricht bei sich trug, daß es Don Bosco, Pablo und Nuno gelungen war, mit einer Schaluppe von der Schlangeninsel zu fliehen. Don Bosco war dabei, alles an Schiffen und Piraten aufzutreiben, was in den Gewässern zwischen Hispanola, Cuba und den Caicos-Inseln herumsegelte.

Sobald bekannt wurde, daß Don Bosco noch am Leben war und bereits wieder dafür sorgte, daß der Kampf gegen die Seewölfe erneut aufgenommen wurde, weigerte sich niemand mehr, Scarface Callaghans Befehlen Folge zu leisten. Immer mehr Männer tauchten aus ihren Löchern auf, und Scarface begann sich allmählich zu fragen, was für Feiglinge Don Bosco um sich versammelt hatte, wenn es so viele Kerle gab, die vor dem Kampf gekniffen hatten.

Scarface Callaghan war kein Dummkopf, obwohl er es in der Hierarchie von Don Boscos Schnapphähnen noch nicht weit gebracht hatte. Aber jetzt erkannte er seine Chance. Wenn es ihm gelang, die Schiffe der Angreifer, die sich in dieser Nacht bei ihrer Siegesfeier in der Schildkröte vollaufen ließen, in seine Gewalt zu bringen, war er der Mann der Stunde. Vielleicht wurde er dann endlich dem Unterführer Don Boscos, Pablo, gleichgestellt, dem Don Bosco blind vertraute.

Scarface Callaghan hatte seine Truppe gut organisiert. Er hatte einzelne Abteilungen gebildet und Unterführer ernannt. Zambo Jones, der Indianermischling, und Lama, der bärtige Bukanier, sollten einen Haufen Männer anführen, die die Aufgabe hatten, die Galeone zu entern, die in der Bucht vor Anker lag.

Das große Schiff mit den roten Segeln war Rondo Kanes Männern vorbehalten. Sie sollten gleichzeitig mit Zambo Jones angreifen und sofort aus der Bucht segeln, wenn es ihnen gelungen war, die Bordwachen zu überwältigen.

Scarface Callaghan sah keine Schwierigkeiten. Ein Spitzel hatte ihm berichtet, daß nur wenige Männer auf den Schiffen zurückgeblieben sein konnten. Die Schildkröte barst vor Männern, und nur noch wenige sollten so nüchtern sein, daß sie ohne zu schwanken die Kneipe verlassen konnten, wenn sie sich mal erleichtern mußten.

Trotzdem zog Callaghan es nicht einmal in Erwägung, die Schildkröte anzugreifen. Er kannte sich aus. Selbst wenn die Männer stockbesoffen waren – bei einem Kampf zählte das alles nicht mehr. Sie waren dann höchstens noch wilder als zuvor.

Scarface hatte zu wenige Männer, um auch noch den Schwarzen Segler in der Bucht in seine Gewalt zu bringen. Er nahm sich vor, das Schiff mit den Kanonen der Galeone zu versenken.

Alles war geplant bis ins kleinste, als das erste Floß sich im Schutze der Dunkelheit vom Strand löste und mit leisen Schlägen auf die ankernden Schiffe zugesteuert wurde. Callaghan, der sich im letzten Moment entschlossen hatte, mit auf die Galeone zu gehen, blickte zum Strand zurück. Er sah vor den Lichtern der Schildkröte ein paar dunkle Gestalten hin und her huschen und begann zu grinsen.

Diese Dummköpfe, die er zurückgelassen hatte, damit sie die Männer in der Schildkröte daran hinderten, die Kneipe zu verlassen, wenn es Kampfgeräusche auf den Schiffen in der Bucht gab, würden alle sterben, dessen war er sicher. Aber was zählte das? Wenn die Kerle, die Don Bosco besiegt hatten, keine Schiffe mehr besaßen, waren sie geliefert. Dann konnte man beruhigt warten, bis Don Bosco mit seiner neuen Armada vor Tortuga auftauchte und mit seinen Kanonen alles zusammenschoß, was sich auf der Insel bewegte.

Langsam trieben die Flöße in der Bucht hinaus. Callaghan warf immer wieder einen Blick zum Himmel. Er hoffte, daß die Wolkendecke nicht eher aufbrechen würde, als bis sie die Schiffe erreicht hatten. Die Wachen würden arglos sein. Wie Callaghan die zurückgebliebenen Männer einschätzte, würden sie sehnsüchtig zur Schildkröte hinüberstarren, wo ihre Kumpane zechten und sich mit den Weibern vergnügten. Wenn sie merkten, daß sich jemand ihres Schiffes bemächtigen wollte, würde es für sie zu spät sein.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 231

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