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DIE OPPOSITION

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Bond wurde sofort wachsam, als er Ms Büro betrat. Er war darauf vorbereitet gewesen, seinen Vorgesetzten in seiner üblichen konzentrierten Haltung hinter dem großen Schreibtisch mit der gläsernen Oberfläche sitzen zu sehen, aber er hatte nicht erwartet, noch zwei weitere Männer im Raum anzutreffen.

»Kommen Sie rein, Bond.« M winkte ihn mit einer kleinen, sparsamen Handbewegung heran. »Meine Herren«, er warf einen Blick auf seine Besucher, »erlauben Sie mir, Ihnen Commander James Bond vorzustellen. Ich denke, er ist der Mann, den Sie suchen.«

Bond begrüßte die anderen Männer zurückhaltend. Er wusste nur zu gut, wer sie waren, doch er wollte es nicht offen zeigen.

M ließ die Stille gerade lange genug andauern, dass es so wirkte, als wolle er Bonds Diskretion testen, bevor er mit der Vorstellung fortfuhr. »Commander, das hier sind Sir Richard Duggan, Generaldirektor des MI5, und der stellvertretende Deputy Commissioner David Ross von der Spezialabteilung der Londoner Polizei.«

Bond streckte eine Hand aus und schüttelte nacheinander die der beiden Männer, wobei er bemerkte, dass sie beide einen festen, trockenen Händedruck hatten. Sie schauten ihm außerdem direkt in die Augen. Das waren zwei Eigenschaften, die Bond schon seit Langem entweder bewunderte oder als Warnzeichen erkannte – je nachdem für welche Seite der jeweilige Besitzer dieser Eigenschaften arbeitete.

Dies war zweifellos eine verwirrende Situation. Der MI5 und sein ausführendes Organ, die Spezialabteilung, stellten das dar, was offiziell als britischer Sicherheitsdienst bekannt war – sie waren für Gegenspionage und antiterroristische Aktivitäten im britischem Hoheitsgebiet zuständig.

In Bonds Dienststelle wurden sie stets scherzhaft als »die Opposition« bezeichnet, und es hatte schon immer eine scharfe Rivalität zwischen den beiden Organisationen bestanden: eine Rivalität, die manchmal zu folgenschweren Missverständnissen oder sogar offener Feindschaft führte.

Es war zweifellos äußerst ungewöhnlich, dass die Leiter »der Opposition« zu M kamen, der sie ohnehin regelmäßig sah – mindestens einmal die Woche bei einem Treffen des vereinten Geheimdienstkomitees.

M bedeutete Bond, auf einem ledernen Stuhl Platz zu nehmen, und schaute dann – ein wenig zu freundlich, fand Bond – zuerst seine beiden Besucher und dann wieder Bond an. »Unsere Freunde vom MI5 haben ein kleines Problem, Commander«, begann er, und Bond bemerkte, dass M ihn mit fast schon militärischer Korrektheit behandelte. »Es handelt sich um eine interessante Situation, und ich habe das Gefühl, dass Sie dabei behilflich sein könnten, besonders da alle Anzeichen darauf hindeuten, dass sich die Sache aus dem Zuständigkeitsbereich des MI5 heraus- und in unseren Bereich hineinbewegt.« Er klopfte seine Pfeife in dem kupfernen Aschenbecher auf seinem Schreibtisch aus. Bond fiel jetzt erst auf, dass direkt vor seinem Vorgesetzten eine Aktenmappe lag. Sie war dick und mit den roten Symbolen versehen, die für die höchste Geheimhaltungsstufe standen. Zwei kleine Kreise in der oberen rechten Ecke der weißen Bindung wiesen darauf hin, dass der Inhalt der Mappe sowohl die Verbindungen zu Europa als auch die zum Nahen Osten betraf. Auf einem kleinen Aufkleber prangten außerdem die Worte, die Bond problemlos kopfüber lesen konnte: »Nicht für Bruderschaft«. Das bedeutete, dass die Informationen in der Akte nicht an den amerikanischen Geheimdienst weitergegeben werden durften.

Das bloße Vorhandensein der Akte genügte, um Bond in Alarmbereitschaft zu versetzen. M hatte sie für diese Art von Besprechung zweifellos extra direkt vom gelagerten Mikrofilm vergrößern und fotokopieren lassen. Die Papiere würden vernichtet werden, sobald die Betroffenen sie gelesen hatten.

»Ich glaube«, sagte M mit Blick auf den Generaldirektor des MI5, »dass es am besten wäre, wenn Sie beide Commander Bond auf den neuesten Stand bringen würden. Dann können wir die Angelegenheit übernehmen.«

Sir Richard Duggan nickte und lehnte sich vor, um seine Aktentasche zu öffnen. Er holte eine Aktenmappe heraus und legte ein mattes, zwanzig mal fünfundzwanzig Zentimeter großes Foto vor Bond auf den Tisch. »Kennen Sie dieses Gesicht?«, fragte er.

Bond nickte. »Franco – für die Presse, die Öffentlichkeit und die meisten von uns. Codename Foxtrott für die Leute aus der Branche, also uns, die GSG 9, Gigene, Trupp R, Blaues Licht, C 11 und C 13.« Bond bezog sich auf die deutschen, französischen, italienischen und amerikanischen Antiterroreinheiten und die Abteilungen C 11 und C 13 von Scotland Yard, die oft eng mit der Spezialabteilung zusammenarbeiteten (C 11 stellte Personal für die Antiterroreinheit in Zusammenarbeit mit C 1).

Der Leiter des MI5 wollte Bond allerdings nicht so leicht davonkommen lassen. Ob der Commander sonst noch etwas über Codename Foxtrott – Franco wisse?

Bond nickte erneut. »Natürlich. Er ist ein internationaler Terrorist. Er steht auf der Fahndungsliste der meisten europäischen Länder und auch auf denen einiger Länder im Nahen Osten. Ein Gesuch verlangt, dass er in den Vereinigten Staaten festgehalten wird, obwohl er unseres Wissens bisher nie in oder aus ihnen operiert hat. Sein vollständiger Name lautet Franco Oliveiro Quesocriado, er wurde 1948 in Madrid geboren und ist gemischter Abstammung – sein Vater war Spanier, seine Mutter Engländerin. Ich glaube, sie hatte einen ganz gewöhnlichen Namen, wie Jones, Smith oder Evans …«

»Tatsächlich lautete ihr Name Leonard«, sagte der stellvertretende Deputy Commissioner Ross ruhig. »Mary Leonard.«

»Tut mir leid.« Bond schenkte ihm ein Lächeln, und der Polizist erwiderte es. Er wirkte wie ein moderner Gesetzeshüter, fand Bond. Zweifellos einer von denen mit Universitätsabschluss – ruhig, mit einer tief in den Augen verborgenen Wachsamkeit und der Ausstrahlung einer gespannten Sprungfeder, die nur durch Vorsicht und Gelassenheit zurückgehalten wurde. Bond vermutete umgehend, dass er sich als sehr zäh und gefährlich herausstellen würde, wenn man ihn reizte.

Er wandte sich wieder an Sir Richard Duggan und fragte ihn, ob er fortfahren solle.

»Natürlich.« Richard Duggan war von einem ganz anderen Schlag, und Bond erkannte seine Herkunft sofort – das war schließlich Teil seiner Arbeit. Duggan war ein altmodischer Mitarbeiter des Innenministeriums. Seine Ausbildung hatte er in Eton und Oxford erhalten, dann folgte eine Karriere in der Politik, die nur von kurzer Dauer war, bis ihn schließlich das Innenministerium wegschnappte. Duggan war groß, schlank und gut aussehend, hatte dichtes helles Haar, von dem seine Feinde behaupteten, dass es gefärbt war, und erfüllte damit auch optisch alle Erwartungen, die man an einen jungen, reichen Befehlshaber in einer leitenden Position stellte. Bond wusste allerdings, dass diese Jungendlichkeit eine Illusion war und sich nur auf eine dem Glück geschuldete gute Gesichtsknochenstruktur zurückführen ließ.

Während der Leiter des MI5 sein »Natürlich« künstlich in die Länge zog, fing Bonds Blick kurz den von M auf, und er entdeckte darin einen winzigen Funken aufkeimender Belustigung. Sir Richard zählte nicht zu Ms Lieblingspersonen.

Bond zuckte mit den Schultern. »Franco«, fuhr er fort, »erregte unsere Aufmerksamkeit damals zum ersten Mal in Verbindung mit der Entführung zweier britischer Passagierflugzeuge – die Fluglinie hieß damals noch BOAC – in den späten 1960ern. Er scheint keine direkten politischen Zugehörigkeiten zu haben, und hat als Planer agiert, der manchmal an terroristischen Handlungen teilnimmt. In dieser Funktion war er für Gruppierungen wie den ehemaligen Baader-Meinhof-Komplex tätig und steht immer noch mit der sogenannten Roten Armee Fraktion in Verbindung. Er hat Kontakte zur PLO und zur IRA und einem ganzen Netzwerk aus Terroristengruppen.« Bond holte sein Zigarettenetui hervor, schaute zu M, um sich die Erlaubnis zum Rauchen einzuholen, und erhielt ein knappes Nicken.

»Man könnte ihn wohl am besten als Antikapitalisten beschreiben.« Bond zündete seine Zigarette an und ließ ein schnelles kleines Lächeln aufblitzen. »Das Paradoxe daran war immer, dass er für einen Antikapitalisten enorm wohlhabend zu sein scheint. Es gibt Beweise, dass er die Waffen, die bei zahlreichen terroristischen Handlungen zum Einsatz kamen, persönlich bezahlt und zur Verfügung gestellt hat. Er hat zweifellos Morde begangen und steht mit zwei politischen Entführungen in Verbindung – ganz zu schweigen von den Menschen, die bei von ihm geplanten Bombenattentaten ums Leben kamen. Er ist ein sehr gefährlicher und dringend gesuchter Mann, Sir Richard.«

Sowohl Duggan als auch Ross nickten zustimmend, und Ross murmelte etwas darüber, dass Bond sich bestens auskannte. Duggan tat seine Meinung etwas lauter kund und sagte, dass Bond diesen Mann ruhig noch ein wenig besser kennenlernen könne. Dann griff er wieder in seine Aktentasche und zog fünf weitere Mattfotografien heraus, die er in einer Reihe auf Ms Schreibtisch direkt vor Bond legte. Auf jedem Foto klebte in der unteren rechten Ecke ein kleiner Zettel, auf dem ein Datum stand.

Bond schaute zuerst auf die Daten, bevor er sich die Fotos ansah. Das aktuellste stammte vom heutigen Tag. Die anderen vier waren mit 4. und 23. April sowie 12. und 25. Mai datiert. Die Bilder waren offensichtlich Vergrößerungen von einer Videoaufzeichnung, und er betrachtete sie alle mit größter Sorgfalt. Der darauf abgebildete Mann war auf jedem Foto anders gekleidet und sah auch sonst immer anders aus – dicklich in Jeans und Jeansjacke mit langem Haar und einem Schnurrbart; glatt rasiert, aber mit schulterlangem blondem Haar und einer dunklen Brille in einem zerknautschten Rollkragenpullover und einer Freizeithose; grauhaarig und hager in einem grellen Karoanzug, mit Kameras behangen und einem fest umklammerten amerikanischen Pass, sodass es schien, als würde er erwarten, ihn jeden Moment aus der Hand gerissen zu bekommen; dann wieder glatt rasiert, aber mit dunklem, modisch geschnittenem Haar in einer eleganten dunklen Hose und einer teuren Windjacke mit Pelzkragen.

Das Foto von heute zeigte ihn mit kurz geschorenem Haar, einem ordentlichen Bart und einer Brille. Er trug einen Geschäftsanzug.

Die Tarnungen waren alle ausgezeichnet, und doch bestand für Bond kein Zweifel. »Franco«, sagte er laut, als wäre es ein Befehl.

»Natürlich.« Duggan klang ein wenig gönnerhaft und wies als Nächstes darauf hin, dass alle Fotos am Flughafen Heathrow entstanden seien.

»Fünf Mal in den vergangenen drei Monaten, und er wurde nie einkassiert?« Bond runzelte die Stirn.

Der stellvertretende Deputy Commissioner David Ross holte tief Luft und übernahm die Erläuterung. Bei einer Besprechung früher in diesem Jahr sei entschieden worden, dass gewisse »meistgesuchte« Terroristen wie Franco unter strenger Beobachtung gehalten werden sollten, falls sie scheinbar allein ins Land einreisten. »Große Fische, kleine Fische«, sagte er und grinste, als würde das alles erklären. »Als die Überwachungsteams in Heathrow ihn im April entdeckten – das erste Mal –, gab es natürlich einen Großalarm.«

»Natürlich.« Bond ahmte Sir Richard Duggans gedehnte Sprechweise recht gut nach. M beschäftigte sich damit, seine Pfeife zu stopfen, drückte den Tabak behutsam in den Pfeifenkopf und hielt den Blick wohlweislich gesenkt.

Ross wirkte ein wenig beschämt. »Ich fürchte, wir haben ihn beim ersten Mal aus den Augen verloren. Wir waren nicht auf ihn vorbereitet. Er ist uns in London entwischt.«

In Bonds Erinnerung regte sich etwas. Anfang April war das Polizeiaufgebot erhöht worden, und er erinnerte sich an die eingehenden Telegramme mit den Anweisungen, besonders wachsam zu sein. Alle sollten verstärkt auf verdächtige Päckchen und Briefe achten, die Sicherheitsmaßnahmen in der Botschaft wurden verschärft – die übliche Vorgehensweise bei einem Roten Terroralarm, wie die Polizei und Sicherheitsdienste es nannten.

Ross redete weiter: »Wir haben alle seine möglichen Kontakte überprüft und gewartet. Niemand hat gesehen, wie er das Land verließ.«

»Aber natürlich tat er das«, warf Duggan ein.

Ross nickte. »Wie Sie hier alle sehen können, kehrte er später im April noch einmal zurück und kam wieder in Heathrow an. Dieses Mal fanden wir heraus, dass er London direkt wieder verließ und sich mit ziemlicher Sicherheit Richtung Norden bewegte.«

»Sie haben ihn wieder verloren«, stellte Bond fest. Ross nickte ruckartig, bevor er hinzufügte, dass sie beim ersten Besuch im Mai mehr Glück gehabt hätten.

»Wir folgten ihm bis nach Glasgow. Dann schüttelte er uns ab. Doch auf seiner letzten Reise behielten wir ihn die ganze Zeit über im Auge. Er kam schließlich in einem Dorf namens Murcaldy an, das sich von Applecross aus ein Stück weiter ins Landesinnere am Fuß der nordwestlichen Highlands befindet.«

»Und wir glauben zu wissen, wer ihn dorthin eingeladen hat«, verkündete Duggan lächelnd. »Genau wie wir uns sicher sind, dass er auch dieses Mal wieder an diesen Ort gereist ist. Ich habe zwei Beamte abgestellt, die ihn genauestens überwachen. Er kam heute Morgen aus Dublin an – und wir erhielten von dort einen Tipp. Er fuhr geradewegs nach King’s Cross und nahm den ersten Zug nach Edinburgh. Er wird sein Ziel mittlerweile erreicht haben. Wir erwarten jeden Moment weitere Berichte.«

Zwischen den vier Männern breitete sich Stille aus, die nur vom Kratzen von Ms Streichholz unterbrochen wurde, als er seine Pfeife anzündete. Bond sprach schließlich als Erster. »Und er besucht …?« Er ließ die Frage in der Luft hängen wie Ms Pfeifenrauch.

Duggan räusperte sich. »Der Großteil des Landes, einschließlich des Dorfes Murcaldy befindet sich im Besitz einer einzigen Familie – den Muriks. Seit mindestens drei Jahrhunderten, vermutlich länger, sind die Muriks die Lairds von Murcaldy. Es sind fast schon feudale Zustände. Murik Castle, das im sechzehnten Jahrhundert erbaut wurde, wurde im Laufe der Jahre oft modernisiert. Und dann gibt es noch die Ländereien der Muriks – Bauernhöfe sowie Jagd- und Fischgründe. Der aktuelle Laird ist außerdem eine Berühmtheit auf anderen Gebieten – Dr. Anton Murik, Leiter diverser Firmen und ein ebenso angesehener wie exzentrischer Kernphysiker.«

»Er trat erst kürzlich aufgrund irgendwelcher Unstimmigkeiten aus der internationalen Forschungskommission für Atomenergie aus«, fügte Ross hinzu. »Und wie Sie sehen werden, gibt es ernsthafte Zweifel bezüglich seines Anspruchs auf den Titel des Lairds von Murcaldy.«

Bond lachte. »Tja, Anton ist nicht gerade ein bekannter schottischer Name. Aber wo komme ich ins Spiel?« Er hatte bereits eine recht gute Vorstellung, aber es hatte keinen Zweck, die Sache zu überstürzen.

Duggans Gesichtsausdruck veränderte sich nicht: Die steinernen, gut aussehenden Züge wirkten bei genauerem Hinsehen makelbehaftet. Als er erneut sprach, war die übliche Gewandtheit von ihm abgefallen. »Franco hat Dr. Murik mittlerweile mit ziemlicher Sicherheit vier Besuche abgestattet. Dies wird sein fünfter sein. Ein internationaler Terrorist und ein Kernphysiker von nicht unerheblicher Bedeutung: Wenn man beides addiert, erhält man eine durchaus alarmierende Situation. Bei jeder Gelegenheit hat Franco das Land wieder verlassen, vermutlich – und hier können wir nur raten – über einen schottischen Hafen oder Flughafen. Wir bauen auf die Möglichkeit, dass sein Geschäft mit Murik noch ein wenig länger braucht, um zu einem Abschluss zu kommen, aber sobald er Großbritannien verlässt, sind uns die Hände gebunden. Wir sind heute hier, um Sie zu bitten, uns dabei zu helfen, seine Bewegungen außerhalb des Landes zu verfolgen.«

Nun war es an Bond, zu nicken. »Und Sie wollen, dass ich mal kurz nach Schottland düse, Kontakt herstelle und ihm aus dem Land folge?«

Duggan zögerte. »Nur wenn Ihnen das … ähm … passt. Aber ich glaube wirklich nicht, dass uns für diese Reise noch viel Zeit bleibt. Anton Murik besitzt eine Reihe Rennpferde, die er in England trainieren lässt. Zwei davon laufen am kommenden Wochenende in Ascot – eins sogar für den Gold Cup. Das ist abgesehen von der Kernphysik seine einzige Leidenschaft. Franco wird entweder Mitte der Woche abreisen oder auf dem Schloss auf Muriks Rückkehr aus Ascot warten.«

Bond streckte seine Beine aus und dachte nach. Falls es tatsächlich eine bösartige Verbindung zwischen Franco und Murik gab, deutete das Timing darauf hin, dass dies nicht Francos letzter Besuch sein würde. Aber man konnte nie wissen.

Duggan war aufgestanden. »Ich habe alle Informationen an M weitergeleitet.« Er deutete auf die Aktenmappe auf dem Schreibtisch – die Bond für eins von Ms Dossiers gehalten hatte –, während er die Fotos einsammelte und sie in seiner Aktentasche verstaute. »Er weiß auch, wie man meine Leute im Einsatz kontaktieren kann und all das. Wir sind hergekommen, um Sie im Interesse des Landes um Unterstützung zu bitten. Es wird Zeit, an einem Strang zu ziehen, und ich muss Ihnen nun die letzte Entscheidung überlassen.«

M paffte seine Pfeife. »Ich werde Commander Bond über alles in Kenntnis setzen«, sagte er freundlich. »Ich melde mich später am Abend bei Ihnen, Duggan. Wir werden tun, was wir können – in jedermanns Interesse.«

Die beiden Polizisten verabschiedeten sich recht herzlich von M und Bond, und sobald sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, ergriff M das Wort. »Was halten Sie davon, 007?«

James Bonds Herz machte einen Sprung und er spürte, wie eine neue Dringlichkeit durch seine Venen raste. Es war lange her, dass M ihn mit 007 angesprochen hatte, und es bedeutete, dass er durchaus schon bald wieder zu einer Reise ins wahre Unbekannte aufbrechen mochte. Er konnte die Möglichkeiten beinahe riechen.

»Also, was halten Sie davon?«, wiederholte M.

Bond zündete sich eine weitere Zigarette an und schaute zur Decke hoch, bevor er sprach. »Ich könnte mir vorstellen, dass Sie mich noch heute Abend nach Schottland schicken wollen.« Ms Blick verriet nichts, während Bond fortfuhr. »Das ist keine gute Mischung – ein internationaler Terrorist und ein berühmter Kernphysiker. Das ist schon seit einer ganzen Weile einer der großen Albträume, nicht wahr, Sir? Dass eine Gruppe nicht nur die Materialien in die Hände bekommt, sondern auch die Mittel hat, eine wirklich tödliche Nuklearwaffe zu bauen? Wir vermuten, dass ein paar von ihnen die Materialien haben – zum Beispiel dieser Achmed Yastaff, den ich für Sie ausgeschaltet habe. Mindestens vier der Schiffe, die er verschwinden ließ, hatten Materialien geladen …«

M schnaubte. »Seien Sie kein Narr, 007. Eine so simple Waffe zusammenzubasteln, ist das Einfachste auf der Welt. Ja, sie haben zweifellos die Materialien – und fragen Sie mich nicht, wen ich mit »sie« meine. In dieser Angelegenheit müssen Sie logisch denken. Wenn irgendeine der existierenden Terrororganisationen eine selbstgebaute Bombe benutzen wollte, um eine Regierung zu erpressen, könnte sie das tun. Aber dass ein Mann wie Franco Umgang mit einem alten Teufel wie dem Laird von Murcaldy hat – nun, das ist eine ganz andere Sache und könnte eine von zwei Möglichkeiten bedeuten.«

»Ja …?« Bond lehnte sich vor.

»Erstens«, M zählte den Punkt am Zeigefinger seiner linken Hand ab, indem er mit dem seiner rechten dagegen tippte. Die Pfeife hatte er im Mundwinkel und hielt sie mit den Zähnen fest, während er sprach. »Erstens könnte es bedeuten, dass Franco eine sehr gut entwickelte Operation vorbereitet und Anton Murik aufgrund seines Expertenwissens um Hilfe bittet. Zweitens« – die Finger bewegten sich – »könnte es genau umgekehrt sein: Dr. Anton Murik braucht Francos Hilfe für irgendein eigenes kleines Abenteuer. Beide Möglichkeiten würden mehr als nur fünf kurze Besuche von Franco erfordern.«

»Und ist Anton Murik zu beidem in der Lage?« Bond runzelte die Stirn. Er konnte absolut nichts in Ms wettergegerbtem Gesicht lesen, und das war immer ein Warnsignal. Hinter dieser Sache steckte sehr viel mehr als die Informationen, die ihnen »die Opposition« mitgeteilt hatte.

»Er ist nicht nur dazu in der Lage, sondern auch ein äußerst wahrscheinlicher Kandidat.« M öffnete eine Schreibtischschublade und warf eine weitere Aktenmappe auf die, die ihnen die Leute vom MI5 zur Verfügung gestellt hatten. »Wir haben Dr. Anton Murik nun schon seit einer ganzen Weile auf dem Kieker.« Er tippte auf die beiden Aktenmappen. »Was Ross Ihnen erzählt hat, ist eine leichte Untertreibung – diese Sache, dass Murik wegen Unstimmigkeiten aus der internationalen Kommission für Atomenergie ausgetreten ist. Die haben nicht alle Fakten. Wir schon. Murik ist wegen einer verdammt heftigen Auseinandersetzung ausgetreten, 007. Tatsächlich wurde der Mann sogar rausgeworfen und reagierte darauf nicht gerade freundlich. Er ist ein brillanter Mann mit einer Menge Ressourcen.«

M nahm die Pfeife aus dem Mund und schaute Bond direkt in die Augen. »Sogar sein Titel – Laird von Murcaldy – ist mehr als nur ein wenig suspekt, wie Ross erwähnte. Nein, ich beabsichtige nicht, Sie nach Schottland zu schicken, 007. Meine Aufgabe besteht darin, Sie anständig zu informieren, Ihnen gute Unterstützung zu gewähren sowie Ihnen eine brauchbare Tarnung zu verschaffen. Zum Teufel mit ›der Opposition‹ und ihrem Überwachungsteam. Ich will, dass Sie so nah wie möglich an Murik herankommen. Sie sollen ihn unterwandern. Doch bevor wir dazu kommen, gibt es noch einiges, das Sie über den sogenannten Laird von Murcaldy wissen sollten.«

James Bond 16: Kernschmelze

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