Читать книгу STRANGERS IN THE NIGHT - Jon Pan - Страница 4
Vorwort
Оглавление»Dass am Ende der großen amerikanischen Swing-Ära ein deutscher Musiker, Komponist und Arrangeur mit seiner Musik die ersten Plätze der Hitlisten Amerikas beherrschte, war die Sensation am Ende der Fünfziger- und zu Beginn der Sechzigerjahre. Dieser Musiker kam aus Hamburg und hieß Bert Kaempfert.«
Dies sind die einführenden Worte in einem Fernsehfilm über Bert Kaempfert, den der deutsche Regisseur Ottokar Runze unter dem Titel Melodien, die man nie vergisst realisiert hat.
Am Tag, als dieser Film vom ZDF das zweite Mal – auf ausdrücklichen Wunsch vieler Zuschauer – ausgestrahlt wurde, kam ich gegen Mittag nach Hause und hörte den Anrufbeantworter ab. Ruth Rehbein, die Witwe des Komponisten Herbert Rehbein, hatte mir eine Nachricht aufs Band gesprochen: »Schau dir heute die Sendung über Kaempfert im ZDF an. Herbert wird darin wieder einmal mit keinem Wort erwähnt. Auch die Ausschnitte der Fotos, die gezeigt werden, sind so gewählt, dass Herbert darauf nie zu sehen ist!« Bis auf eine Ausnahme, wie ich später feststellte.
Herbert Rehbein kam, wie Kaempfert, aus Hamburg. Er war ebenfalls Musiker, Komponist und Arrangeur. Die beiden Männer kannten sich gut, sehr gut sogar. Über Jahrzehnte existierte ihre außergewöhnliche Freundschaft, die viele gemeinsame Arbeiten, aber auch viel Privatleben miteinschloss. Man könnte von einem Bund fürs Leben sprechen.
»Ich glaube, das, was Bert Kaempfert heraushebt aus der Masse anderer Komponisten in seinem Alter und in seiner Ära«, sagt der Sänger René Kollo in Runzes Fernsehfilm, »ist, dass er sehr melodiöse, große, gesanglich große Nummern geschrieben hat, die eigentlich heute nicht mehr geschrieben werden. Der Beweis, dass diese Nummern vom Publikum gewünscht werden, ist sein großer Erfolg. Die ganz großen Tenornummern oder -lieder, die es früher gab, die bis zu Granada gehen, werden eigentlich heute nicht mehr geschrieben. Und er war noch einer, der beides verbunden hat: ein bisschen den Swing-Sound, den amerikanischen, mit einem großen, gesanglich großen Lied.«
Aber war Bert Kaempfert überhaupt in der Lage gewesen, eine gesanglich große Nummer zu schreiben?
Sicher, eine gewagte Frage, nicht zuletzt, wenn man folgendes Zitat aus der vor 3 Jahren erschienenen Kaempfert-Biographie von Marc Boettcher bedenkt: »Betrachtet man den deutschen Anteil im Bereich der Unterhaltung auf internationaler Ebene, so findet man unter den bedeutenden Namen des 20. Jahrhunderts eine Reihe großer Regisseure wie Ernst Lubitsch und Fritz Lang und Schauspielerinnen wie Marlene Dietrich und Romy Schneider – aber nur einen einzigen Komponisten des großen Formats, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg neben seinen ausländischen Kollegen durchsetzen konnte: Bert Kaempfert.«
Nur, wer sich die Mühe macht, Kaempferts frühe Hits wie zum Beispiel Afrikaan Beat oder A Swingin Safari mit späteren Songs wie Strangers In The Night oder The World We Knew zu vergleichen, wird eine auffällige Wandlung feststellen. Gut, ein Musiker, Komponist, Arrangeur entwickelt sich, wird besser, lernt dazu und schöpft sein kreatives Potenzial mehr und mehr aus. Dazu kommt der in dieser Branche schnelle Wandel des Zeitgeistes, verbesserte Aufnahmetechniken, die Motivation des Erfolgs usw. All das könnte Kaempfert dazu gebracht haben, die wirklich großen Nummern geschrieben zu haben. Doch hat er es wirklich getan?
»Ich kann mich gut daran erinnern«, sagt die Sängerin Anita Kerr in Runzes Film, »als ich das erste Mal eine Platte von Bert Kaempfert hörte. Wir waren alle begeistert von diesem neuen Sound. Es war neu, Stimmen zu verwenden zu den Geigen und Posaunen, Stimmen, die rhythmische Akzente setzten, ohne Worte. Es war wie eine frische Brise, nach Elvis und nach den Beatles. Es war grandios, endlich wieder gute Arrangements, Violine, Violas, Cellis, Posaunen, Trompeten – endlich wieder großes Orchester!«
Sie spricht von einer Musik, die zwar den Namen Kaempfert trägt, die jedoch nicht von ihm stammt, sieht man von seinem typischen Rhythmus einmal ab.
Kaempfert schaffte es, mit seinen Produktionen an die Spitze der Hitparaden in der ganzen Welt zu gelangen, einschließlich seiner großen Erfolge in den USA. Sein Name wird noch heute mit vielen Evergreens verbunden, und er hat zu seinen Lebzeiten nicht weniger als 150 Millionen Schallplatten verkauft! Er war ein Mann, der wusste, was er wollte. Ohne Bert Kaempfert gäbe es kein Wunderland By Night, kein Spanish Eyes, kein Dankeschön und einige andere weltberühmte Hits. Und ohne Bert Kaempfert gäbe es vermutlich auch keine Songs wie Strangers In The Night, The World We Knew, Lonely Is The Name, Welcome To My Heart, I Can’t Help Remembering You und einige mehr, eben all diese großen, gesanglich großen Nummern, von denen René Kollo spricht und die von Weltstars wie Frank Sinatra, Sammy Davis jr., Dean Martin, Jonny Mathis, Wayne Newton, Nat King Cole gesungen wurden. Nur hat er diese orchestralen Nummern nicht geschrieben.
Strangers In The Night, einer der berühmtesten Songs in der Geschichte der Unterhaltungsmusik, war der innere Bruch und gleichzeitig der äußere Wendepunkt in der Beziehung Kaempfert–Rehbein. Doch genau betrachtet, veränderte sich nichts. Rehbein hatte, wie all die anderen berühmten Songs danach, Strangers In The Night allein komponiert. Nach dem Bruch gab es, gleichgültig wer komponierte, nur noch Kaempfert–Rehbein. Das ist auf allen veröffentlichten Schallplatten nachzulesen.
Das Musikgeschäft kennt keine Gnade, wenn einer weiß, wie es geht. Und Kaempfert wusste, wie es geht. Rehbein wusste es nicht. Oder er wollte es nicht wissen. Schließlich waren sie Freunde!
»Und dann Hollywood«, fährt der Sprecher in dem Film über Kaempfert fort. »Er schrieb die Musik für einige große amerikanische Filme. So entstand zum Beispiel Strangers In The Night. Aber Hollywood lag ihm nicht. Der Leistungsdruck entsprach nicht seinem Arbeitsrhythmus.«
Nichts dergleichen! Kaempfert war einfach nicht in der Lage, Filmmusik à la Hollywood zu schreiben. Er verstand etwas vom Timing zur Synchronisation. Komponiert und arrangiert hat Rehbein.
Die amerikanische Musikbusiness-Maschine, in die sich Kaempfert von Deutschland aus mit geradezu famoser Treffsicherheit katapultiert hatte, funktionierte für ihn ab einem gewissen Punkt reibungslos. Kompositionen und Arrangements, die Kaempfert brachte, hatten bei der Schallplattenfirma Decca absolute Priorität. Es war die Aufgabe von Milt Gabler, dem damaligen Artist & Repertoire-Direktor des Unternehmens, Songs mit dem Etikett Kaempfert an die Spitze der Hitlisten zu bringen. Was auch gelang.
Wie viel zählte im Angesicht solcher Erfolge der Mann hinter Kaempfert, der die meisten dieser Songs komponiert und arrangiert hatte! Er machte sich auch nicht bemerkbar. Und Verträge, die existierten, wurden nicht eingehalten. Die Vernetzung breitete sich aus. Denn Rehbein und Kaempfert hingen in einer fast schon symbiotischen Art aneinander. Das prägte unaufhaltsam das Schicksal der Beteiligten. Der Welterfolg war eine Sache. Es gab aber auch eine menschliche Seite, eine Herausforderung, die schließlich nicht angenommen wurde.
Ist es die alte Geschichte der Diskrepanz zwischen Künstlertum und Kommerz?
Damit ließe sich zwar einiges erklären, doch wenn man ernsthaft in die Lebensgeschichte eines Menschen eintaucht, die wie bei Rehbein so eng mit dem Leben eines anderen Menschen verknüpft ist, kann vieles nicht mehr auseinander gehalten werden.
»Warum hat Rehbein das alles mit sich machen lassen?« Diese Frage wurde mir während der Arbeit an diesem Buch immer wieder gestellt. Eine Frage, die jedem Außenstehenden dazu sofort in den Sinn kommt. Schließlich leben wir in einer Welt, in der Cleverness und Geldverdienen einen hohen Stellenwert haben. Wieso lässt sich einer hemmungslos ausbeuten, dazu noch von seinem besten Freund?
Man kann bei vielen Künstlern eine Zwiespältigkeit entdecken: Auf der einen Seite wollen oder müssen sie sich bemerkbar machen, auf der anderen Seite wird viel dazu unternommen, um möglichst nicht aufgespürt zu werden.
Vielleicht wollte Rehbein nicht aufgespürt werden. Musik war seine ganze Welt. Alles andere hing bloß damit zusammen. Eine schlechte Voraussetzung fürs Geschäft mit der Unterhaltungsmusik! Die Kreativitätsräume sind dort zudem viel enger gesteckt als zum Beispiel in der so genannten Ernsten Musik. Oder besser: Die Unterhaltungsmusik verfügt mehrheitlich über keinerlei geistige Inhalte. Rehbein war aber ein geistiger Mensch, geistig im Sinn einer starken, intuitiven Begabung. Seine Musik war nie Geschäft, sondern Gefühl. Gerade das haben Leute aus Kaempferts Umfeld, die Millionen mit seiner Begabung verdienten, nie wirklich begriffen.
Jetzt haben natürlich Ausbeutung und Betrug in der Kunst eine lange Geschichte, sie sind so alt wie die Kunst selbst. Wolfgang Amadeus Mozart erhielt für die vollständige Partitur des Figaro 450 Gulden, Johann Sebastian Bachs Witwe lebte von Almosen und endete im Armenhaus, Franz Schubert nagte am Hungertuch, Carl Maria von Weber erhielt von seinem Verleger 120 Gulden für ein Klavierkonzert, eine Symphonie und sechs Sonaten, Johann Strauß verkaufte die Rechte seiner Blauen Donau für 15 Pfund. Die Liste ließe sich problemlos weiterführen. Künstler neigen eben dazu, sich mehr um Kunst als um Brot zu kümmern.
Es gab aber auch immer Gewinner, in der Klassik waren es Künstler wie Richard Wagner, Gioacchino Rossini, Giuseppe Verdi, Christoph Willibald Gluck oder Giacomo Puccini. Um Wagner herauszugreifen, der es einfach verstand, sein Genie gewinnbringend einzusetzen, ungeniert und rücksichtslos, gewissermaßen als die perfekte Kombination von Kunst und Geschäft. Doch mit der romantischen Weltentrücktheit gekrönter Häupter, die allein durch ihre Abstammung – wie Ludwig der II. bei Wagner – Kunst im großen Stil unterstützen konnten, hat das Musikgeschäft längst nichts mehr zu tun.
Die Giganten heißen heute anders, und das war auch schon zu den Zeiten der großen Kampfert–Rehbein-Erfolge so. Es fehlte damals zwar die totale Medienvernetzung, trotzdem hatten einige wenige zu bestimmen, was dem Publikum vorgeführt werden sollte und was nicht.
Musik ist in den letzten Jahrzehnten zu einem Wirtschaftsfaktor geworden, der sich nicht mehr wegdenken lässt. Ein Unterschied zwischen E-Musik (Klassik) und U-Musik (Unterhaltungsmusik) existiert von der Vermarktung her nicht mehr. In der Klassik sind die meisten großen Komponisten verstorben und können daher nicht mitbestimmen (viele von ihnen konnten das ja auch nicht zu ihren Lebzeiten). Die Unterhaltungsmusik schafft sich ihre Namen, die immer kurzlebiger werden, direkt im Prozess der Vermarktung. Eine Kaempfert–Rehbein-Komposition wurde allerdings von verschiedenen Stars in ebenso verschiedenen Interpretationen gesungen, das heißt, diese Musik hat zumindest in diesem Sinn eine Verwandtschaft zur Klassik. Was zählte, war der Song, nicht das momentane Image eines Newcomers mit einer möglichst ausgefallenen Show.
Auf die Frage, ob denn ein Orchester einen im Original gesungenen Titel instrumental nachspielen sollte, antwortete Rehbein in seinem letzten Radiointerview: »Wenn ein Orchester gerne Misserfolg haben will, dann spielt es nicht nach. Was soll man denn machen! Wir müssen doch die großen Erfolge nachspielen.«
Rehbein meinte vermutlich nicht in erster Linie die großen Erfolge aus seiner Feder, sondern er drückte, wie es seine Art war, damit vor allem seine Achtung vor der Arbeit und dem Erfolg anderer aus.
Vielleicht lebte Rehbein auch eine Form von Verweigerung. Was nicht seinem Gefühl entsprach, wollte er nicht zur Kenntnis nehmen. Aus Gefühlen macht man kein Geschäft! Da blieb er sich konsequent treu, und es kostete ihn viel!
Nichts wäre nun aber oberflächlicher, als eine solche Haltung heldenhaft zu nennen. Der Held stirbt schlimmstenfalls im Kampf mit dem Bösen. Rehbein ließ sich aushöhlen, weil er nach außen stumm blieb, sich nicht wehrte, nicht selten sogar in eine Trotzhaltung überging. Das zeigt sich an einem banalen Beispiel aus dem Alltag. Als einmal eine Jazzsängerin bei Rehbeins zu Besuch war, bat Ruth ihren Mann, er solle sich doch selber ein Bier im Kühlschrank holen. Rehbein kam mit einem angebrochenen Sechserpack zurück, aus dem dann auch prompt eine der losen Flaschen auf den Glastisch fiel und zerbrach. Rehbeins Kommentar zu seiner Frau: »Du schickst mich nie mehr Bier holen!«
In solchen Dingen ließ er sich auf nichts ein und ignorierte, was nicht zu seiner Welt gehörte. Da er aber alles andere als gleichgültigen Durchschnitt verkörperte, zog er damit in jeder Phase seines Lebens so genannte Praktiker mit teilweise nicht minderer Begabung auf ihrem Gebiet an. Das war bei ihm schon im Krieg so und erreichte in der langjährigen Freundschaft mit Kaempfert den Höhepunkt.
Diese Teilung mag in einer idealen Konstellation ja funktionieren (wir werden uns später solche Verbindungen an den Beispielen George–Ira Gershwin und Duke Ellington –Billy Strayhorn näher anschauen), doch bei Rehbein–Kaempfert war, um Rehbein zu zitieren, »die Freundschaft einseitig«. Und eine solche Einseitigkeit wirkt auf die Dauer wie eine Krankheit.
Wir werden uns natürlich auch mit der Stellung der Unterhaltungsmusik beschäftigen müssen, die ja schon immer sehr eng an das jeweilig vorherrschende Lebensgefühl gebunden war. Gerade die Arbeit in einem doch stark von außen gesteuerten Medium prägte Rehbein mit. Für Leute ohne Einblick in diese Branche ist es schwer nachzuvollziehen, wie sehr der Macher von der Reaktion auf sein Werk abhängig ist. Dabei hat der kreative Aspekt meistens zurückzutreten, denn die Formel »nur was sich verkauft, ist gut« steht über allem. Gerade weil die Unterhaltungsmusik keine geistigen Inhalte transportiert, hängt sie allein von der Vermittlung einer möglichst eingängigen Stimmung ab.
Wer es also mit einem eigenen Sound schaffen will, hat es in diesem Geschäft doppelt so schwer. Im Gegensatz zur Beat- und Rockmusik, die parallel zu Kaempferts großen Erfolgen ihren Aufstieg hatte und die (besonders in den Anfängen) von der Individualität einzelner Musiker geprägt war, blieb die Unterhaltungsmusik an ein bestimmtes Raster gebunden. Mochte Kaempfert sich diesem Druck durch seine bahnbrechenden Erfolge auch größtenteils entzogen haben, Rehbein besaß diesen äußerlichen Rückhalt nie. Gerade bei den Auftragsarbeiten, die er (neben den Produktionen mit Kaempfert) zahlreich ausführte, wusste er, was man da von ihm erwartete. Schließlich engagierte man ihn auch deshalb.
Rehbein verfügte über eine fundierte klassische Ausbildung, spielte selber mehrere Instrumente, darunter Geige auf einem hohen professionellen Niveau. Er sagte aber auch: »Unterhaltungsmusik kann man eigentlich nicht lernen. Und komponieren, nun ja, heutzutage muss das auch nicht mehr im üblichen Sinn gelernt sein. Man denke nur an die Beatles, die nicht einmal Noten lesen konnten und trotzdem hervorragende Musik komponiert haben.«
In seiner Arbeit streifte Rehbein immer wieder die Klassik, in der er auch seine Vorbilder hatte. Die Trennung zwischen E- und U-Musik interessierte ihn wenig. Für ihn gab es nur gute oder schlechte Musik.
Kehren wir zu Kaempfert–Rehbein zurück. Die Probe, auf die diese Freundschaft im grellen Licht des Erfolgs gestellt wurde, war hart. Hinter den Kulissen spielte sich viel ab, was der Sieger Kaempfert der Öffentlichkeit nie zeigte. Er kannte die Regeln und hielt sie eisern ein. Kaempfert und Rehbein waren wie Erde und Sphäre, das zeigen auch ihre unterschiedlichen Physiognomien. Kaempferts energische, zupackende Art, sein »Wille zur Macht«, vertrug sich nur in bestimmten Momenten mit dem Wesen Rehbeins. Diese Dynamik wurde nie durchbrochen und forderte am Schluss ihre Opfer. Auch wenn Rehbein der um Geld und Ruhm Betrogene war, Kaempfert hat sich selber genauso betrogen. Er brauchte Rehbein, um überhaupt weitermachen zu können. Und kam davon nicht mehr los.
Zwischenzeitlich ist nun auch eine Bert-Kaempfert-Biografie mit dem Titel Stranger In The Night/Die Bert Kaempfert Story erschienen. Ich habe mich mit dem Autor Marc Boettcher im April 2002 getroffen, da er bei seinen Recherchen von meinem damals noch in Arbeit befindlichen Manuskript (übrigens bereits mit dem Titel Strangers in the Night) erfahren hatte.
Warum eine Kaempfert-Biografie mit dem Titel Stranger in the Night? Boettcher hat mir bei unserem Treffen davon nichts erzählt. Vielleicht wusste er es da ja selber noch nicht. Er schrieb die Biografie im Auftrag der Kaempfert-Töchter. Und die hatten schlussendlich zu enscheiden, was gesagt und was verschwiegen werden musste. Auch wenn Boettcher auf mich den Eindruck eines um Wahrheit bemühten Autors machte, seine Hände waren gebunden. Seine Bemühungen, in dem Buch teilweise einige kritische Elemente einfließen zu lassen, sind zwar spürbar. Aber mehr durfte nicht sein!
War Kaempfert wirklich der Fremde in der Nacht? Er machte jedenfalls nie diesen Eindruck, weder privat noch beruflich. Nein, ein Fremder war er nie, schon gar nicht in dem Geschäft, in dem er so erfolgreich wirkte.
Wir werden uns das später noch genauer anschauen!
Die Idee zu diesem Buch hier entstand schon zu Rehbeins Lebzeiten. Er selbst hatte darunter gelitten, dass er kein Ventil fand, um den Menschen draußen das zu erzählen, was wirklich passiert war. Wäre ihm das gelungen, hätte es eine innere Reinigung für ihn sein können.
Da ich Rehbein persönlich gut gekannt habe, hat er mir viel aus seinem Leben erzählt. Manchmal verbrachten wir ganze Nächte im Gespräch, und es war immer ein großes Vergnügen, ihn erzählen zu hören. Sein schauspielerisches Talent war beeindruckend. Nicht umsonst hatte ihm die berühmte Schauspielerin Grete Weiser (nachdem sie Rehbein bei den Dreharbeiten zu einem Film sah, in dem er O.W. Fischer beim Geigenspiel doubelte) ein Angebot für eine Rolle – an Stelle des jungen Karl-Heinz Böhm – gemacht und, als Rehbein abschlug, sogar persönlich seine Mutter aufgesucht, damit diese ihn umstimme. Er wollte seine Erfahrungen aber auch schriftlich festhalten und machte dann, bereits schwer krank, einen Versuch. Es blieb ihm aber nicht die Zeit dazu. Jahre später griff ich das Thema aus einiger Distanz auf.
Mein Dank für die Entstehung dieses Buches gilt in erster Linie Ruth Rehbein und ihren beiden Söhnen, Herbert und Jürg Rehbein. Viele Stimmen sind dazugekommen, Kriegserlebnisse, Musikergeschichten, viel Privates, Gedanken zu Geld und Berühmtsein, zu Freundschaft, Erfolg und den Auswirkungen eines Betruges, die fast ein ganzes Leben lang gedauert haben. Bedanken möchte ich mich auch bei Heinz Schubert, der keine Mühe scheute, mich mit Informationen aus »ganz alten Zeiten« zu versorgen.
Strangers In The Night ist die Spitze des Eisbergs. Doch wir wollen tiefer tauchen, hinein ins Wasser der Zeit, um einen Teil des Fundaments zu entdecken. Werfen wir etwas Licht dagegen! Kaempferts Ruhm sei ihm unbenommen. Er hat ihn sich auf seine Weise verdient. Diese Geschichte ist längst geschrieben. Und Rehbein war für sich selbst verantwortlich.
Boettcher stellt in seiner Kaempfert-Biografie am Anfang folgende Frage: »Wie kam es aber dazu, dass der damals dem Namen nach unbekannte Produzent und Bandleader aus seiner Anonymität herausgehoben wurde und sich in den Vereinigten Staaten gegen die Konkurrenz weltbekannter Orchester behaupten konnte? Wer war dieser zurückhaltende Mann, dessen zahlreiche Evergreens bis heute unvergessen sind? Was ist dran an den jahrelangen Gerüchten, Strangers In The Night hätte ein anderer komponiert? Warum starb Bert Kaempfert im Alter von erst 56 Jahren? Vielleicht kann diese Biografie etwas Licht in das Dunkel bringen.«
Dies ist nun Rehbeins Geschichte.