Читать книгу Der Assistent 2 | Erotischer Roman - Jones Susan Morrow - Страница 4

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Kapitel 2

Dr. Sterling hatte ihr Mut gemacht und gemeint, es sei der richtige Schritt. Und nun steht sie, mit seinen Worten noch im Ohr, wieder vor dem großen Gebäude mit der eintönigen Fensterfront, hinter der sich die klimatisierten Büroräume befinden, die jahrelang ihr zweites Zuhause gewesen waren.

Ihr Herz rast bei dem Gedanken an ihn, der sich in diesem Komplex befindet und jederzeit auf die Straße treten könnte. Sie sehen könnte.

Sie wartet hier nicht auf ihn. Da es erst früher Nachmittag ist, wird er noch nicht herauskommen, er hat sicher viel zu tun seit ihrem Arbeitsausfall. Denkt er wohl an sie? Fragt er sich nicht, wie es ihr geht nach ihrem letzten Treffen? Oder hat er einfach genug von ihr, jetzt, da sein Ziel doch erreicht ist? Er hatte sie besessen, sie hatte alles zugelassen, was er von ihr verlangte, und zuletzt wurde sie auch noch beruflich ausgebootet von ihm. Krank, haha. Sie schnauft verächtlich und starrt wie hypnotisiert auf die gläserne Tür, die sich wie von Geisterhand leise zischend öffnet, sobald jemand hineingeht oder herauskommt.

»Rebecca! Was machst du denn hier?«

Sie erkennt die jugendlich klingende Stimme sofort und fährt zusammen. Dann dreht sie sich vorsichtig zu ihr um.

Die schlanke Blondine läuft freudestrahlend auf sie zu und umarmt sie.

»Natalie!« Ihre Sekretärin hier zu sehen hat sie nicht erwartet. »Gehst du schon nach Hause?«

Natalie schüttelt den Kopf. »Nein, nein, ich musste nur etwas für Mr Adams besorgen. Aber wie geht es dir? Bist du wieder gesund? Kommst du bald wieder? Marc arbeitet vierzehn Stunden am Tag, er will dich so perfekt wie möglich ersetzen, aber ich wünschte, du wärest wieder da.« Die schlanken Arme drücken sich um ihre Schultern und pressen sie fest gegen den leichten Trenchcoat, den die Sekretärin trägt.

»Ich bin noch nicht wieder gesund«, murmelt Rebecca und kann den Blick nicht vom Eingang abwenden. Nur niemanden verpassen. »Ich warte auf Stacy.«

Natalie runzelt die jugendlich glatte Stirn und pustet eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Habt ihr euch gestritten? Ich habe sie neulich gefragt, ob sie weiß, wie es dir geht, aber sie ist mir ausgewichen. Sonst ist sie ja immer so fröhlich und offen, aber bei der Frage wirkte sie plötzlich betroffen und traurig.«

Rebecca hebt die Schultern und verzieht den Mund zu einem traurigen Grinsen. »Na ja, wir kennen uns schon so lange, und selbst unter besten Freundinnen kann ein Streit ja mal vorkommen ...« Den Grund des Streites verschweigt sie der jungen Frau lieber. Es ist schlimm genug, dass sie von einer Affäre zwischen Rebecca und Marc weiß, das ganze Ausmaß des Desasters muss sie nicht erfahren.

»Ruf mich doch mal an, wenn du Zeit hast«, sagt Natalie und tätschelt beinahe mütterlich ihren Arm. »Wir können einen Kaffee zusammen trinken und ich kann dir ein bisschen Büroklatsch verraten. Vielleicht heitert dich das auf? Werd ganz bald wieder gesund, ja? Versprochen?«

Rebecca nickt aufatmend. »Ich gebe mir Mühe«, sagt sie. Und dann erstarrt sie vor den Augen der jungen Frau zur Salzsäule.

Natalie folgt ihrem Blick irritiert und sieht sofort, wer diese Reaktion ausgelöst hat. »Marc!«, ruft sie fröhlich und winkt dem großen, schlanken Mann zu, der in der offenen Glastür stehen geblieben ist und irritiert lächelt.

Rebecca stockt der Atem. Sie will weglaufen, fort von hier, aber ihre Beine versagen ihr den Dienst. Wie festgefroren steht sie da in ihrem grauen Mantel, ungeschminkt und nicht frisiert, in flachen Schuhen, die er doch so sehr verabscheut an ihr.

Was denkt sie sich da? Es sollte ihr egal sein, wie sie aussieht, sie will ihn nicht sehen und schon gar nicht mit ihm sprechen. »Es ist zu früh«, dröhnen die Worte von Dr. Sterling in ihren Ohren. »Geben Sie sich Zeit. Er ist gefährlich für Sie.«

Sie kriegt keine Luft, während sie zusieht, wie er sich ganz langsam nähert. Wie in Zeitlupe sieht sie ihn auf sich zukommen, und das Blut rauscht in ihren Ohren, verursacht heftige Kopfschmerzen. Ihr wird übel.

Sie streckt die zitternde Hand nach Natalie aus und berührt ihren Arm. »Ich ... Ich muss wieder ... weg ...«, stößt sie hervor, dreht sich auf dem Absatz um und läuft die Straße hinunter. Sie ist blind, nimmt die Menschen um sich herum nicht wahr, die sie irritiert ansehen. Sie rennt um ihr Leben, läuft so weit, bis sie außer Sichtweite ist und lässt sich erschöpft und mit rasendem Herzen in einem Hauseingang fallen.

Dort schließt sie die Augen und lehnt den Kopf an die harte Mauer. Warum musste er ausgerechnet jetzt aus dem Büro kommen und sie sehen? In diesem Aufzug? In ihrer Verfassung? Er wäre vielleicht sogar entsetzt, wenn er wüsste, wie es um sie steht. Und doch hat sein Anblick wieder diese wilden Emotionen in ihr ausgelöst, die sie nicht kontrollieren kann. Ihre Hände sind eiskalt und feucht, sie presst die zitternden Knie aneinander und legt die Stirn darauf, um sich selbst zu beruhigen.

Zu gefährlich ... Natürlich kann sie dem inneren Drang nicht widerstehen. Obwohl sie doch genau weiß, dass es ihr nicht guttun wird, rappelt sie sich nach wenigen Minuten auf und tritt zurück auf die Straße. Dann geht sie wie mechanisch die Straße wieder hinunter, zwischen den hohen Bürogebäuden vorbei, die das ganze Viertel in Beschlag genommen haben, und steuert auf ihr Unglück zu.

Natalie ist fort, und auch von ihm ist weit und breit nichts zu sehen. Noch immer am ganzen Körper zitternd bleibt sie vor dem Portal stehen und starrt hinein in das Foyer, das ihr früher beim Betreten so vertraut gewesen war. Der ältere Portier erkennt sie und nickt ihr freundlich lächelnd zu. Sie lächelt gequält zurück, fassungslos über sich selbst und ihre eigene Reaktion.

Ihr Körper spricht seine eigene Sprache, die sie nicht mehr beherrscht. Das heftige Pochen in ihrem Schoß ist unmissverständlich, und sie weiß genau, wer es ausgelöst hat.

Eine ganze halbe Stunde steht sie auf der Straße vor dem hohen Gebäude und wartet. Endlich öffnen sich leise fauchend die Glastüren, und sie erkennt den blonden Schopf. Eine neue Frisur, kürzer, frecher, es steht ihr gut und macht sie jünger.

»Becca!« Stacy bleibt wie vom Donner gerührt stehen, dann breitet sie die Arme aus und läuft wie ein kleines Kind auf sie zu, die Augen sorgenvoll und erleichtert zugleich. Rebecca lässt sich drücken und küsst die Freundin auf die Wange. Sie lachen, sie weinen, sie umarmen sich, als seien sie gerade von einer Weltreise zurückgekehrt, und dann fasst Stacy sie wortlos unter den Arm und zieht sie mit sich in das Café, in dem sie früher so oft gesessen und geredet haben.

Sie ist glücklich. »Ich habe mir solche Sorgen gemacht«, gesteht Stacy und greift über den kleinen Tisch nach ihrer Hand. »Du hast dich gar nicht mehr gemeldet, und Marc spricht nicht über dich. Ich wusste nicht einmal, ob ihr euch überhaupt noch seht. Du warst ja wie vom Erdboden verschluckt.«

Rebecca schluckt und starrt in den Kaffeebecher vor sich. »Du weißt, warum ich nicht mit dir sprechen wollte«, sagt sie leise und sieht auf.

Stacy verzieht den Mund und schließt kurz die Augen. »Natürlich«, flüstert sie. »Es tut mir so leid! Ich weiß nicht, warum das passieren konnte. Du musst mir glauben, dass das ganz sicher nicht geplant war. Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid es mir tut, Becca!« Ihre Augen glitzern feucht, und der treue Hundeblick verfehlt seine Wirkung nicht.

»Es ist gut«, sagt Rebecca und lächelt traurig. »Ich bin wohl die Letzte, die nicht verstehen würde ...«

»Es war ein einmaliges Erlebnis«, sagt Stacy. »Das musst du mir glauben! Mein Gott, wenn Miguel davon erfahren würde, wäre ich morgen schon geschieden!« Sie schüttelt sich.

»Er wird es nicht erfahren«, beruhigt Rebecca sie. Nicht einmal in ihrer größten Wut hatte sie eine Sekunde lang darüber nachgedacht, Stacy auf diese Art und Weise für ihr Verhalten zu bestrafen.

Sie wusste, dass Marc die Schuld an diesem Ereignis traf. Er hatte die Freundin verführt, in ihrem Büro, wissend, dass Rebecca die beiden erwischen würde. Er hatte sie verletzen wollen, um ihr zu zeigen, dass er sie noch immer beherrschte, dass er nicht nur ihr Assistent war, sondern der Überlegene, obwohl sie seine Vorgesetzte darstellte. Er wollte sie verletzen und demütigen, um zu sehen, wie weit er gehen konnte. Er sah das als Zeichen ihrer Liebe. Sie verzieh ihm alles, kein noch so obszöner Wunsch war ihr zu viel, sie konnte ihm nichts abschlagen und war ständig für ihn bereit.

»Gehst du noch zum Psychologen?« Stacy nippt an dem heißen Kaffeebecher.

Rebecca nickt. »Ja, Dr. Sterling hat mir in den letzten Wochen wirklich sehr geholfen. Er hat mir dazu geraten, mich mit dir zu treffen und um eine Aussprache zu bitten.«

Stacy wird rot. Nervöse Flecken breiten sich auf ihren leicht gebräunten Wangen aus. »Ich weiß nicht, was ich dir noch sagen soll«, sagt sie leise.

Rebecca winkt ab und lächelt. »Es ist okay«, erwidert sie. »Lass es uns am besten vergessen ... alles.«

Nachdenklich trinkt sie von dem heißen Getränk und sieht aus dem Fenster auf die Straße. Es hat angefangen zu regnen, die Straße glitzert von der Feuchtigkeit und die vorbeifahrenden Autos wirken mit ihren hektischen Scheibenwischern eiliger als sonst. Menschen mit gesenkten Köpfen huschen vorbei, auf dem Weg nach Hause. Der Blick auf die Uhr zeigt, dass es gleich sechs ist. Die hektischste Stunde des Tages, in der die Massen die Büros verlassen und nach Hause eilen, zu Fuß, mit dem Auto oder mit der U-Bahn.

Vielleicht wird auch er gleich herauskommen. Der Gedanke daran schlägt wie eine Faust in ihren Magen ein, ihr wird übel.

»Was ist mit Marc passiert?«, fragt Stacy besorgt und vorsichtig. »Etwas ist zwischen euch geschehen, bevor du dich so zurückgezogen hast ...«

Die blauen Augen der Freundin sind so vertraut, sie kennt sie seit ihrer Kindheit. Sie haben schon in der Schule miteinander gestritten, Eifersüchteleien durchlitten, sich gegen die Eltern verschworen und waren immer die besten Freundinnen gewesen. Sie hatten keine Geheimnisse voreinander, bis Rebecca Marc traf. Es hatte lange gedauert, bis sie ihrer Freundin von ihrer Affäre erzählte, und Stacy war direkt beunruhigt gewesen und hatte versucht, sie zur Abkehr zu bewegen. Dass ihr diese bis zum Schluss nicht gelungen war, hatte sie geflissentlich verschwiegen, es war ihr unangenehm und peinlich der Freundin gegenüber.

Doch nun erzählt sie. Erzählt von den Momenten, die sie durchlitten hat, seitdem sie Marc und Stacy in ihrem Büro erwischte. Erzählt, wie sie ihm verziehen hat, und was er ihr bei ihrer letzten Begegnung angetan hat. Schonungslos und offen, so wie sie es Dr. Sterling erzählt hat. Tief atmend spricht sie langsam und bedächtig, wie ein Priester bei der Predigt, betont jede Silbe überdeutlich, um selbst mehr Abstand von dem Gesagten zu bekommen, das ja Erlebtes ist.

»Traumatisierung«, sagt sie und lächelt gequält. Vergewaltigung. Nötigung. Sie zieht das Sweatshirt hoch und zeigt ihrer Freundin den Rücken.

Stacy schnappt nach Luft. »Ist nicht dein Ernst! Das hat er selber gemacht?«

Rebecca lässt den Pullover zurückgleiten über diese Narbe, die sie an jeden Moment ihrer Affäre erinnert, und seufzt.

»Der ist kranker als ich befürchtet habe, Becca! Gut, dass du professionelle Hilfe hast, das kann man ja allein gar nicht durchstehen! Du solltest ihn anzeigen, weißt du das? Dann wird er seinen Job los und du kannst beruhigt zurückkommen und den ganzen Spuk vergessen.« Stacy kaut wütend auf ihrer Unterlippe herum und starrt nachdenklich auf den Tisch. »Ich könnte ihn ... Ach, ich weiß nicht, was ich ihn gerade könnte. Der Mann ist krank, Becca, und offenbar gefährlich für dich. Wer weiß, mit was für psychologischen Tricks und Mitteln er dich so hingebogen hat. Du kannst nichts dafür, es ist dir einfach passiert, wie es sicher noch vielen anderen Frauen auch passiert ist mit ihm. Er ist gefährlich und gehört eingesperrt! Zeig ihn an!« Sie redet sich in Rage und schnauft zwischen den Sätzen.

Rebecca grinst. »Ich werde ihn nicht anzeigen«, sagt sie. »Ich habe lange darüber nachgedacht, aber ich denke es ist besser, ihn zu vergessen. Und sobald es mir wieder gutgeht, suche ich mir einen neuen Job. Dann kann er glücklich werden mit dem, was er hat. Aber ohne mich.«

Stacy tätschelt ihre Hand, die trotz des heißen Kaffees im Becher eiskalt ist. Der Gedanke, dass sie ihn nie wiedersehen wird, bedrückt sie noch immer.

Wer sich in Gefahr begibt ...

»Ich finde das nicht fair«, brummt Stacy. »Es ist dein Job, du hast hart dafür gearbeitet, und wenn einer von euch gehen muss, dann sollte er das sein. Ich werde dich unterstützen und stehe dir als Zeugin zur Verfügung, wenn du mich brauchst. Das weißt du hoffentlich?«

Rebecca nickt. Natürlich weiß sie das. Dreißig Jahre Freundschaft kann auch ein Marc nicht einfach so zerstören.

»Ach herrje, schon so spät!«, ruft Stacy und springt auf. »Ich muss nach Hause, Emily wird gleich gebracht.« Stacy hat ihre Tochter bei einer privaten Nanny untergebracht, die noch andere Kinder betreut, während sie im Büro ist. »Tut mir leid, aber ruf mich morgen an! Wir treffen uns auf jeden Fall noch diese Woche zum Reden, versprochen!«

Rebecca haucht ihrer Freundin einen Kuss auf die Wange, bezahlt bei der jungen Kellnerin den Kaffee und verlässt wenige Minuten später ebenfalls das kleine Café.

Die Straße ist noch feucht von dem feinen Regen, der sie überzogen hat. Die Feuchtigkeit dringt tief in ihren Körper ein und lässt sie frösteln. Den dünnen Mantel eng über der Brust verschlungen geht sie mit festen Schritten den bekannten Weg entlang. Eigentlich müsste sie in die andere Richtung, denn dort steht ihr Auto und wartet darauf, sie endlich nach Hause zu bringen, in die schützende Umgebung ihres teuren Penthouses am anderen Ende der Stadt. Doch ihre Beine gehorchen nicht, sie finden den kurzen Weg wie von selbst, und plötzlich findet sie sich schwer atmend vor der Glastür wieder, mit klopfendem Herzen.

Nur ein Blick, wenn er herauskommt, nur kurz in die schwarzen Augen sehen, unentdeckt. Warten, ob er allein nach Hause geht oder ob er abgeholt wird, von einer anderen.

Sie kennt die Gegend wie ihre Nachttischschublade, schließlich hat sie viele Jahre ihres Lebens genau hier verbracht. Und so überquert sie die belebte Straße und betritt eine kleine Boutique in einer Shopping Mall gegenüber, von deren Schaufenster aus sie einen perfekten Blick auf das zischende Glasportal hat.

Sie ignoriert die irritierten Blicke der älteren Verkäuferin, die sie durch dicke Brillengläser hindurch neugierig mustert, während sie eine ganze Stunde immer wieder den Kleiderständer am Fenster durchstöbert und dabei hinausstarrt, auf die andere Straßenseite.

Sie kann sich nicht helfen, sie kann nicht weg, auch wenn er doch vielleicht schon längst nach Hause gegangen ist und gar nicht mehr im Büro sitzt. Sie versucht zu erkennen, ob noch Licht in ihrem Büro ist, ganz oben im achten Stock, doch sie kann das Fenster von hier unten nicht mehr sehen.

Sie fixiert den Ausgang des großen Komplexes und wendet die Augen nicht einmal ab, als die Verkäuferin sie zum fünften Mal fragt, ob sie ihr helfen kann, aus Angst, ihn zu verpassen.

»Madam, ich muss Sie jetzt aber wirklich bitten, das Geschäft zu verlassen, wenn Sie nichts kaufen möchten.« Die ältere Dame klingt nervös, vielleicht hat sie Angst vor einem Überfall? Rebecca könnte ja Amok laufen, und wenn sie die Dame wäre, würde sie etwas Ähnliches befürchten. Nach zwei weiteren Aufforderungen gibt sie nach und verlässt zur Erleichterung der Verkäuferin die kleine Boutique.

Kalter Wind umfängt sie auf der Straße, es ist noch hell draußen in Seattle und langsam leert sich der Asphalt, die meisten Menschen haben das traute Heim erreicht und teilen ihre Arbeitserlebnisse schon mit der lieben Familie.

Sie muss gar nicht genau hinsehen, um ihn zu erkennen. Schon aus den Augenwinkeln fällt er ihr auf, und noch bevor die Augen überhaupt das Ergebnis ihrer Analyse an ihr Hirn gesendet haben, reagiert ihr Körper wie ein pawlowscher Hund.

Diesmal sieht er sie nicht. Die Hände in den Manteltaschen vergraben, geht er gerade und aufrecht mit schnellen Schritten die Straße hinunter, und sie folgt ihm vorsichtig, versteckt sich zwischendurch in Hauseingängen und hinter Mauern, um rasch wieder auf die Straße zu gehen und ihm nachzulaufen. Sie weiß, wo er hingeht, sie kennt den Weg, den sie oft genug mit dem Wagen gefahren ist. Er hat kein Auto, er geht gern zu Fuß, hatte er immer gesagt, und wenn sie zusammen unterwegs waren, hatte er ungefragt ihren kostbaren Mercedes benutzt, was sie ihm wie selbstverständlich gestattet hatte.

Trotz der Kälte ist ihr warm unter dem zu dünnen Mantel. Sie will ihn nur ansehen, nur ein paar Minuten, während sie ihm folgt. Sie starrt auf seine Füße, die in teuren Schuhen stecken und auf dem Asphalt knirschen. Sie betrachtet seinen Nacken, der stark ist und im Ansatz seiner dichten, schwarzen Haare mündet. Marc Lavie. Ihr Leben, ihre Liebe, ihr Schicksal. Ihr Ruin.

Seltsamerweise verspürt sie keine Wut mehr bei seinem Anblick. Sie wird das mit Dr. Sterling besprechen, gleich morgen, der ihr die Phasen der Traumaverarbeitung deutlich erklärt hatte. In welcher Phase befand sie sich? Warum gehörte die Phase »Fick mich, meinetwegen gleich hier auf der Straße, ich brauche dich jetzt« nicht zu dem Plan des Psychologen?

Zwischen ihren Beinen pocht es unaufhörlich. Das Blut ist aus ihrem Gehirn gewichen und geradewegs zwischen ihre Beine gefahren, wo es sich nun offenbar sammelt und sich zu einem übermächtigen Impuls vereint, der nur ein Ziel kennt.

Sie hat Angst. Nicht vor ihm, aber vor seiner Reaktion, wenn er sie entdeckt. Vielleicht wird er sie auslachen, verhöhnen? Oder er würde sie wegschicken, und sie wäre nicht in der Lage, diesem Befehl zu folgen. Nicht jetzt.

Als er die Pforte des kleinen Zaunes aufstößt, der den Weg zu dem alten Haus versperrt, in dem er wohnt, und über den knirschenden Kies auf die Tür zugeht, bleibt sie stehen. Atemlos.

Sie kann ihm nicht einfach weiter ins Haus folgen. Die Tür fällt hinter ihm zu, und im Treppenhaus geht Licht an.

Rebecca nagt auf ihrer Unterlippe. Sie sollte umkehren und nach Hause fahren, wie Dr. Sterling es ihr geraten hat. Ihm aus dem Weg gehen. Es ist zu früh. Er ist gefährlich. Unschlüssig verharrt sie und starrt weiter auf das wohlbekannte Haus.

»Genevieve ...« Die bekannte Stimme hinter ihr lässt ihr Herz rasen. »Was tust du hier?« Tief, wohlklingend fährt sie ihr wie ein zu lauter Bass mitten in den Magen.

Panisch dreht sie sich um und starrt ihn mit aufgerissenen Augen an. »Wie ... woher?« Er ist doch gerade in das Haus hineingegangen, sie hat ihn doch gesehen! Wo kommt er so plötzlich her, von hinten? Hat er doch bemerkt, dass sie ihm gefolgt ist, und ist um das Haus herumgegangen, um sie zu überraschen?

Ihre Knie zittern, als er sie wortlos in den Arm nimmt. Und dann legt sie ihr Gesicht in seine Halsbeuge, gegen seine Brust, atmet seinen vertrauten Duft ein, den sie so vermisst hat, und weint hemmungslos.

Er streichelt ihr Haar, hält sie ganz fest, küsst sie auf die Stirn, lässt sie weinen, tröstet sie. Er bringt sie über die Straße durch den kleinen Vorgarten in das Haus, das so viele Erinnerungen birgt und das ihr ein Gefängnis war. Ein Gefängnis ihrer eigenen Lust.

Sie schließt die Augen, als sie den Flur seiner Wohnung durchqueren, um die Bilder nicht zu sehen, die hier hängen. Sie kennt sie, und sie fürchtet sich davor, ihr eigenes Konterfei zwischen all den Trophäen zu sehen, die er hier gesammelt hat.

Krank, sagt Stacy.

Gefährlich, sagt Dr. Sterling.

Magisch, sagt Rebecca.

Er schält sie aus dem Mantel, legt die Arme um sie und trägt sie in sein Wohnzimmer, das warm und dunkel ist. Er macht kein Licht, nachdem er sie vorsichtig wie eine Porzellanpuppe auf der antiken Chaiselongue abgelegt hat.

Wie eine Ertrinkende klammert sie sich an ihn, presst ihre Lippen auf seine und atmet tief ein. Endlich! Kleine Stromstöße jagen bei jeder Berührung seiner Zungenspitze durch ihren Körper, die Tätowierung am Steiß brennt, ihr Schoß pocht so heftig, dass sie ihn im Kopf noch spüren kann, ihren eigenen Puls, der sich überschlägt und ihr den Atem nimmt.

Dieser erste Kuss ist das Köstlichste, das sie seit Wochen zu sich genommen hat. Er ersetzt jedes Getränk, jede Mahlzeit, die sie nicht gegessen hat, jede Sekunde Schlaf, die sie entbehrt hat. Sie fühlt sich ganz, vollkommen, und es ist egal, dass sie ungeschminkt ist und schwarze Socken in flachen Schuhen trägt, statt der feinen Nylons in den hochhackigen Pumps, die er so gern an ihr sieht.

Hemmungslos seufzend spreizt sie die Beine für ihn, nackt bis auf die Socken, die er ihr nicht ausgezogen hat, auf der wunderschönen alten Chaiselongue, die unter ihrem Gewicht und seinen Stößen knarrt und ächzt, bis er endlich in sie eindringt und sie wieder eins werden lässt mit sich und der Welt.

Sein Schwanz ist hart, als er zwischen ihre Labien gleitet und sich tief in ihr versenkt, seine Lippen sind fest und rau, sein Kuss fordernd und leidenschaftlich. Er hat sie auch vermisst, frohlockt sie, sie hat doch gewusst, dass es nicht vorbei ist, dass sie wichtig für ihn ist, dass sie noch immer Genevieve ist, die Frau, die nicht in seine Sammlung gehört. Lieblingsspielzeug, hatte er einmal gemurmelt, und jetzt lauscht sie verzückt seinem leisen Keuchen, betrachtet die winzigen Schweißperlen, die wie von Geisterhand auf seiner Stirn erscheinen, presst ihre Lippen wieder fest auf seine und fordert ihn heraus wie zu einem Kampf.

Rebecca schlingt die Muskeln um seinen Schwanz, der in ihr immer härter wird, massiert ihn und drückt ihn mit den Füßen so eng an sich, dass sie keine Luft mehr bekommt. »Fick mich«, sagt sie leise, »fick es aus mir heraus, mach mich wieder gesund.«

Er hebt den Kopf und sieht ihr tief in die Augen. Diese schwarzen Augen, unergründlich wie das Meer und ebenso gefährlich. Sie erkennt die Abgründe hinter dem dunklen Vorhang, die ihn so anziehend geheimnisvoll machen, sieht die Lust und die Gier in ihnen, die sie hilflos und willenlos werden lassen, und lässt sich in ihnen fallen, bis sie nicht mehr Rebecca ist, sondern Genevieve, seine Geliebte, die sich dem Tier hingibt, das in ihm steckt.

»Chéri«, sagt er leise, die Lippen zusammengepresst. »Ich habe dich vermisst.« Dann schließt er die Augen.

Und als sie sein Zucken tief in sich spürt und diesen kurzen Moment der Kontrolllosigkeit in seinem Gesicht erkennt, diese wenigen Sekunden, in denen die Muskeln zittern und er die Beherrschung verliert, schreit sie ihm ihre ganze Lust, ihre Wut, ihre Verzweiflung entgegen, während sich ihr Becken lustvoll pulsierend minutenlang um seinen langsam in ihr erschlaffenden Schwanz legt.

Der Assistent 2 | Erotischer Roman

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